Urteil des OLG Celle vom 21.03.2002

OLG Celle: nettoeinkommen, einkünfte, ehescheidung, wohnung, auflage, heizung, hauptsache, steigerung, meinung, erhaltung

Gericht:
OLG Celle, 10. Familiensenat
Typ, AZ:
Beschluß, 10 WF 44/02
Datum:
21.03.2002
Sachgebiet:
Normen:
GKG § 12 Abs. 2 Satz 2 und 4
Leitsatz:
Soweit für die Festsetzung des Streitwertes einer Ehesache auf die Ein-kommensverhältnisse der
Eheleute abzustellen ist, kommt es auf das in drei Monaten vor Anhängigkeit des
Scheidungsantrages erzielte Netto-einkommen an; eine hiervon losgelöste Annahme des
Mindestwertes in Höhe von 4.000 DM (§ 12 Abs. 2 Satz 4 GKG) mit der Begründung, bei-den
Eheleuten sei ratenlose Prozesskostenhilfe bewilligt worden, ist unzulässig (siehe auch
Senatsbeschluss vom 13. Februar 1998 - 10 WF 23/98 = Nds. Rpfl 1998, 175 = FamRZ 1999, 604).
Volltext:
10 WF 44/02 614 F 4701/01 Amtsgericht Hannover B e s c h l u s s In der Familiensache #######,
Antragstellerin, Prozessbevollmächtigte: ####### gegen #######, Antragsgegner, Prozessbevollmächtigte: #######
- Beschwerdeführer - wegen Ehescheidung und Folgesachen hier: wegen Streitwertfestsetzung hat der 10.
Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die Streitwertbeschwerde der
Rechtsanwältin ####### vom 19. November 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht -
Hannover vom 15. November 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht #######, des
Richters am Oberlandesgericht ####### sowie der Richterin am Oberlandesgericht ####### am 21. März 2002
beschlossen: Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners sowie im Übrigen von Amts
wegen wird der angefochtene Beschluss unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert. Der
Streitwert wird für das Verfahren der ersten Instanz bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung auf (7.833,78 DM +
1.000 DM =) 8.833,78 DM, im Übrigen auf 7.833,78 DM festgesetzt. Gründe Für das in Rede stehende
Verbundverfahren hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. November 2001 den Streitwert auf insgesamt
5.000 DM (Ehescheidung = 4.000 DM; Versorgungsausgleich = 1.000 DM) festgesetzt. Dabei hat es für das
Scheidungsverfahren den Mindestwert in Höhe von 4.000 DM angenommen und dazu ausgeführt, bei einer
beiderseitigen ratenfreien PKH, wie im vorliegenden Fall, sei der Geschäftswert nur in Höhe des Mindestwertes (§ 12
Abs. 2 Satz 4 GKG) anzunehmen. Im Rahmen der - aus eigenem Recht - hiergegen gerichteten
Streitwertbeschwerde begehrt die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners auf der Grundlage der
beiderseitigen Einkünfte der Parteien sowie unter Berücksichtigung des Grades deren Verschuldung eine
anderweitige Wertfestsetzung, die sie nach Maßgabe des in der Hinweisverfügung des Amtsgerichts vom
22. November 2001 angestellten Rechenwerkes nunmehr in Höhe von 7.835,04 DM für die Ehesache anstrebt. Dem
gemäß § 25 Abs. 3 GKG i. V. m. § 9 Abs. 2 BRAGO zulässigen Rechtsmittel ist abgesehen von einem geringen
Differenzbetrag, der auf einen Additionsfehler zurückzuführen ist und insoweit zur Zurückweisung der Beschwerde
führt, der Erfolg in der Sache nicht zu versagen. a) Im Rahmen des Ermessens (§ 12 Abs. 2 Satz 1 GKG), das bei
der Bestimmung des Streitwertes in der fraglichen Ehesache auszuüben ist, kommt den jeweiligen Einkommen
sowie den Vermögensverhältnissen der betroffenen Parteien erhebliches Gewicht zu. Insoweit ist nämlich in erster
Linie das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der verfahrensbeteiligten Eheleute heranzuziehen, wie
unmittelbar aus § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG folgt. Belegt ist im vorliegenden Verbundverfahren auf Seiten der Ehefrau
ein monatliches Nettoeinkommen aus einer nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit in Höhe von 1.441,84 DM. Dem
stehen Einkünfte des Ehemannes aus einer Rente in Höhe von 1.089,42 DM sowie ergänzende Einkünfte im Bereich
der sogenannten Geringverdienergrenze (630 DM) gegenüber. Mit ins Gewicht fallen darüber hinaus Schulden der
Parteien, die hier durchaus erkennbar im Zeichen besonders beengter wirtschaftlicher Verhältnisse gelebt haben.
Dem ist in Übereinstimmung mit der Hinweisverfügung des Amtsgerichts vom 22. November 2001 dergestalt
Rechnung zu tragen, dass die monatlichen Kreditabträge in geleisteter Höhe von 300 DM (Quelle), 50 DM
(Creditreform), 100 DM (Stadtkasse Burgdorf) und 100 DM (Firma Ford) vom verfügbaren Einkommen abzusetzen
sind. Danach ver-bleibt ein monatliches Gesamteinkommen in Höhe von 2.611,26 DM. Der dreifache Betrag i. S. v.
§ 12 Abs. 2 Satz 2 GKG in Höhe von 7.833,78 DM ist demnach, da es sich im Übrigen offensichtlich um einen
Durchschnittsfall handelt, für die Eheschei-dung in den Gesamtstreitwert einzustellen. b) Soweit das Amtsgericht in
Abweichung davon auf den Mindestbetrag in Höhe von 4.000 DM abgestellt und dies mit dem Hinweis begründet hat,
bei ratenloser PKH für beide Parteien komme nur der Mindestwert i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 4 GKG in Betracht, hat
der Senat mit der überwiegenden Meinung (vgl. hierzu die Nachweise bei Zöller-Herget, ZPO , 23. Auflage, § 3 ZPO
Stichwort: Ehesachen) bereits wiederholt zur - auch veröffentlichten - Kenntnis des Amtsgerichts (vgl. die
Senatsentscheidungen 10 WF 197/97 und 10 WF 22/98 sowie Senatsbeschluss vom 13. Februar 1998 -
10 WF 23/98 - Nds. Rpfl 1998, 175 = FamRZ 1999, 604; Vorinstanz jeweils Amtsgericht Hannover) entschieden,
dass es für eine solche vereinfachende Rechtsanwendung, die das Amtsgericht im Übrigen nicht näher begründet
hat, an einer notwendigen Gesetzesgrundlage fehlt. Soweit nämlich die Einkommensverhältnisse der Parteien bei
der Streitwertfestsetzung eine Rolle spielen, stellt die gesetzliche Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG nach dem
erklärten Willen des Gesetzgebers auf das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen im Sinne eines verdienten
Bruttoeinkommens vermindert um die übliche Abgabenlast für Steuern und Vorsorgeaufwendungen ab. Im
Unterschied dazu folgt die Ermittlung des prozesskostenhilferelevanten Einkommens Grundsätzen, die über die
üblichen gesetzlichen Abzüge für Steuern und Sozialversicherungen hinausgehen und insbesondere weitere
sozialrechtliche Freibeträge (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO) sowie selbst Mittel der Einkommensverwendung etwa
bei Kosten für Wohnung und Heizung (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO) bei der Ermittlung des eine ratenlose
Prozesskostenhilfebewilligung ermöglichenden Einkommens vorgeben. Hinzu kommt, dass auch das Vermögen der
prozesskostenhilfebedürftigen Partei über § 88 BSHG einer besonderen Schonung etwa bei der Erhaltung eines
angemessenen Hausgrundstücks erfährt, ohne dass der Wille des Gesetzgebers erkennbar wäre, damit gleichzeitig
die Vermögensverhältnisse aus der Wertfestsetzung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG vergleichbar herauszulösen. c)
Lassen sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher Einkommensbestimmungen Prozesskostenhilfe und Streitwert
schon von der Sache her nicht in einen Regelzusammenhang stellen, den das Amtsgericht durch die regelmäßige
Festlegung auf den Mindestwert bei ratenloser Prozesskostenhilfebewilligung herstellen will, findet eine solche
Vorgehensweise nicht zuletzt auch angesichts verfahrensrechtlicher Besonderheiten von Gesetzes wegen keine
hinreichende Stütze. Gemäß § 4 Abs. 1 ZPO ist nämlich für die Wertbemessung maßgebend der Zeitpunkt der Ein-
reichung des Scheidungsantrages. Abzustellen ist demnach i. S. v. § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG ausschließlich auf das
Nettoeinkommen, das die Eheleute in den letzten drei Monaten vor Einreichung des Scheidungsantrages erzielt
haben. Spätere Ein-kommensveränderungen wirken sich hier nicht aus (§ 15 GKG). Im Unterschied dazu steht
vielfach erst aufgrund eingehender Ermittlungen im Verlauf des Verfahrens fest, ob und gegebenenfalls in welchem
Umfang einer oder beiden Parteien ratenlose Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann. Überdies ergibt sich dies in
nicht seltenen Fällen auch erst aufgrund von Entwicklungen im Verlauf des Verfahrens, wenn etwa die
Prozesskostenhilfe begehrende Partei erstmalig Zahlungs- und Unterhaltspflichten nachkommt oder solche neu
entstehen, die Anlass geben, hierauf mit einer Aufhebung der Ratenzahlungsanordnung zu reagieren. Nicht zu
übersehen ist ferner, dass selbst über den Abschluss der Hauptsache hinaus das Schicksal der ratenfreien
Prozesskostenhilfe längerfristig offen bleibt (§ 120 Abs 4 ZPO). Schließlich müsste es auf Unverständnis stoßen,
wenn etwa bei einem vorzeitigen Ende des Scheidungsverfahrens durch Antragsrücknahme die Höhe der
Wertfestsetzung davon abhinge, ob es bis zu diesem Zeitpunkt beiden Parteien schon gelungen war, eine ratenlose
Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu erreichen. Unabhängig davon stellt die Anbindung des Streitwertes in
Ehesachen an das jeweils zuletzt erzielte Nettoeinkommen auch sicher, dass nach dem Willen des Gesetzgebers
die Bedeutung dieser nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten über die allgemeine - gegebenenfalls auch nur
inflationsbedingte - Steigerung der Einkommen wertmäßig erhalten bleibt. Demgegenüber erscheint es nicht
gerechtfertigt, die Wertfestsetzung vor dem Hintergrund verbesserter Sozialleistungen von einer solchen Entwicklung
abzukoppeln und auf einen nunmehr seit Jahrzehnten unverändert bestehenden Mindestwert in der durch das
Amtsgericht gehandhabten Art und Weise festzuschreiben. d) Über das Rechtsmittel der Verfahrensbevollmächtigten
des Antragsgegners hinaus gibt die Befassung des Senats mit der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung Anlass,
im Übrigen von Amts wegen die Wertfestsetzung zu ändern. Denn die Parteien haben in der Folgesache betreffend
den Versorgungsausgleich, der in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2001 abgetrennt worden ist, nicht
verhandelt. Demgemäß erfasst das hierauf verkündete Verbundurteil auch lediglich die Scheidungssache, sodass für
die anwaltliche Verhandlungsgebühr und die gerichtliche Urteilsgebühr allein auf den Wert der Ehesache abzustellen
ist. Entsprechend ist der angefochtene Streitwertbeschluss zu ändern. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst
(§ 25 Abs. 4 GKG). ####### ####### #######