Urteil des OLG Celle vom 11.01.2011

OLG Celle: pachtzins, an erfüllung statt, abrede, pachtvertrag, erlass, mietzins, vermieter, anstellungsverhältnis, gehalt, baupolizei

Gericht:
OLG Celle, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 U 144/10
Datum:
11.01.2011
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1124
Leitsatz:
Die in einem Pachtvertrag enthaltene Regelung, dass sich der monatliche Pachtzins vermindert, wenn
und solange der Verpächter im Betrieb des Pächters gegen Entgelt als Angestellter beschäftigt wird,
kann als Vorausverfügung über den Pachtzins im Sinne von § 1124 BGB zu beurteilen sein.
Volltext:
2 U 144/10
2 O 160/10 Landgericht Lüneburg
B e s c h l u s s
In dem Rechtsstreit
G. S., vertreten durch den Geschäftsführer, L., W.,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte K. & Partner, R., H.,
Geschäftszeichen: #####
gegen
P. H. als Zwangsverwalter über das im Grundbuch von W. Bl. ##### eingetr. Grundstück, S., G.,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt K., H., H.,
Geschäftszeichen: #####
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R., den
Richter am Oberlandesgericht Dr. L. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. am 11. Januar 2011 beschlossen:
Es wird erwogen, die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Oktober 2010 verkündete Urteil des Einzelrichters
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO
zurückzuweisen.
Der Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zur eventuellen Rücknahme der Berufung aus
Kostengründen bis zum 2. Februar 2011 gegeben.
G r ü n d e
Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur
Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Es handelt
sich um einen Einzelfall, dessen Entscheidung in erster Linie von den tatsächlichen Besonderheiten der
vorliegenden Fallgestaltung abhängig ist und dem deshalb grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt. Im Übrigen
beruht die Ansicht des Senats auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung und fügt sich in den Kontext der dort
getroffenen Entscheidungen widerspruchsfrei ein.
Die Berufung der Beklagten hat aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:
Mit Recht hat das Landgericht gemeint, dass dem Kläger als Zwangsverwalter ein Anspruch auf Zahlung von Pacht
in Höhe von monatlich 1.000 € ab September 2009 zusteht. Die Angriffe der Berufung führen zu keiner anderen
Beurteilung.
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass es sich bei der Regelung in § 5 Ziff. 2 des Mietvertrages um eine
Vorausverfügung i. S. des § 1124 Abs. 2 BGB handelt. Unter einer Vorausverfügung ist jedes Rechtsgeschäft zu
verstehen, durch das die Miet oder Pachtzinsforderung unmittelbar übertragen, belastet, geändert oder aufgehoben
wird. Hierunter fallen insbesondere die Erfüllung der Forderung durch Aufrechnung, durch Annahme an Erfüllung statt
sowie ihre Stundung und ihr Erlass. Die Vorausverfügung muss zudem unmittelbar auf den Miet bzw. Pachtzins
einwirken (vgl. BGH NZM 2003, 871, zitiert nach juris, Rdnr. 15). Diese Voraussetzungen erfüllt entgegen der
Ansicht der Beklagten die Regelung in § 5 Ziff. 2 des Pachtvertrages, wobei das Vorliegen einer Vorausverfügung im
Streitfall nicht bereits daran scheitert, dass die betreffende Abrede in § 5 Ziff. 2 im Mietvertrag selbst geregelt ist. Es
entspricht einhelliger Ansicht, dass eine Vorausverfügung auch in einer Regelung liegen kann, die bereits im
ursprünglichen Miet oder Pachtvertrag enthalten ist (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 16 m. w. N.).
Es ist zu differenzieren in Vorausverfügungen, die auf eine bestehende mietvertragliche Zahlungspflicht einwirken
und damit unter die Regelung des § 1124 Abs. 2 BGB fallen, und solchen Abreden, die eine mietvertragliche
Zahlungspflicht erst dem Grunde oder der Höhe nach begründen und deshalb auch dem Zwangsverwalter gegenüber
voll wirksam sind. Was im Einzelnen vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Streitfall liegt unzweifelhaft eine
Vorausverfügung vor.
Dieses ergibt sich bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Abrede in § 5 des Pachtvertrages. So heißt es
in § 5 Nr. 1 des Pachtvertrages ausdrücklich, dass sich der Pachtzins mit monatlich 1.000 € zuzüglich der
ungelegten Nebenkosten ergibt. Durch diese Regelung ist die monatliche Zahlungspflicht (§ 5 Nr. 3 des
Pachtvertrages) dem Grunde und der Höhe nach begründet worden. Hieran ändert die Regelung in § 5 Nr. 2 des
Pachtvertrages nichts. In § 5 Nr. 2 des Pachtvertrages haben die Parteien geregelt, dass wenn die Pächterin den
Betrieb des vorhandenen Sportstudios übernimmt und den Verpächter in eine unbefristete Vollzeittätigkeit in ein
Anstellungsverhältnis mit einem Gehalt von mindesten
1.500 € monatlich brutto übernimmt, der Pachtzins für die Dauer des Aufrechterhaltens dieses
Anstellungsverhältnisses um 50 % sinkt und wenn die Pächterin auch die Ehefrau des Vermieters in ein
gleichgelagertes Anstellungsverhältnis übernimmt, der Pachtzins um weitere 50 % unter den gleichlautenden
Voraussetzungen sinkt. Nach der dortigen Regelung wird also gerade nicht für einen bestimmten Fall ein anderer zu
zahlender Pachtzins vereinbart. Vielmehr haben die Parteien ausdrücklich geregelt, dass unter den genannten
Bedingungen der zu zahlende Pachtzins für einen bestimmten Zeitraum „sinkt“. Sinken bedeutet nichts anderes, als
dass sich die Miete reduziert oder ermäßigt. Das setzt aber bereits
gedanklich voraus, dass die Parteien zunächst einmal weiterhin von einer grundsätzlich bestehenden Zahlungspflicht
in der Höhe der in § 5 Nr. 1 Pachtvertrag bestimmten Pacht ausgegangen sind, wobei die Pacht jedoch „sinken“
sollte. Diese Wortwahl verdeutlicht gerade, dass nach dem Willen der Vertragsparteien unter den genannten
Voraussetzungen auf den zunächst gegebenen und der Höhe nach in § 5 Nr. 1 des Pachtvertrages geregelten
Pachtzinsanspruch für die Zukunft eingewirkt werden sollte. Dies wird sprachlich dadurch verstärkt, dass die
Parteien nicht den sodann zu zahlenden Pachtzins numerisch bezeichnet haben,
sondern die zu zahlende Pacht vielmehr mit einem Prozentsatz des in § 5 Nr. 1 vereinbarten Pachtzinses
angegeben habe. Gerade hierdurch ist deutlich gemacht, dass unter den vereinbarten Voraussetzungen auf den
bestehenden Pachtzins eingewirkt werden sollte. Die Parteien wollten mithin nach der sprachlichen Fassung in § 5
Nr. 2 des Pachtvertrages keinen von vornherein feststehenden Pachtzins begründen, sondern vielmehr auf den fest
vereinbarten Pachtzins beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einwirken. Rechtlich handelt es sich mithin bei
der Vereinbarung in § 5 Nr. 2 des Pachtvertrages um nichts anderes als um einen an das Vorliegen bestimmter
Voraussetzungen gebundenen Erlass. Die Miete sollte der Beklagten ganz oder teilweise erlassen sein, wenn es zur
Übernahme des Sportstudios und zu entsprechenden Anstellungsverhältnissen mit dem Vermieter und seiner
Ehefrau kommt. Danach liegt im Streitfall der klassische Fall einer Vorausverfügung vor.
Das hat entgegen der Behauptung der Beklagten auch das Landgericht nicht anders gesehen. Gegenteiliges ergibt
sich auch nicht aus Seite 7 des landgerichtlichen Urteils. Das Landgericht hat in § 5 Ziff. 2 des Pachtvertrages
gerade keine Bestimmung der Pacht gesehen, es hat lediglich ausgeführt, was § 5 Nr. 2 des Pachtvertrages
„bestimmt“, also regelt.
Anhaltspunkte für eine dem Wortlaut der Vereinbarung entgegenstehende Auslegung hat die insoweit darlegungs und
beweispflichtige Beklagte (vgl. BGHZ 20, 109. NJW 1999, 1702) nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt.
Insofern unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung auch von derjenigen, die dem vom Reichsgericht zu
entscheidenden Fall zugrunde lag (vgl. RGZ 136, 407), und auf den die Beklagte in der Berufungsbegründung Bezug
genommen hat. Das Reichsgericht hat in der in Bezug genommenen Entscheidung in der Vereinbarung, dass ein Teil
der zu zahlenden Miete durch bereits vorgenommene Reparaturarbeiten des Mieters und insbesondere hierbei durch
Arbeiten, deren Vornahme die Baupolizei zur Bedingung für die Eröffnung des Mietobjektes gemacht hatte, gezahlt
sein sollte, keine Vorausverfügung i. S. des § 1124
Abs. 2 BGB gesehen. Dies hat das Reichsgericht damit begründet, dass der Päch
ter den Verpächter von den diesem obliegenden Instandsetzungspflichten befreit habe. Der Umstand, dass der
Mieter diese Aufwendungen bezahlt habe sei, ein Umstand, dem nach dem Grundgedanken des Mietrechts
entscheidende Bedeutung für die Bemessung des Mietzinses zukomme. Der enge Zusammenhang der Abrede mit
dem Wert der Vertragsleistung des Vermieters kennzeichne die Abmachung als eine Wesentliche für die Bemessung
des Mietzinses, nicht aber als Abrede über seine Begleichung. Wesentlich für die Beurteilung der Vertragsklausel als
Vereinbarung über Grund und Höhe des zu zahlenden Mietzinses war nach dieser Rechtsprechung des
Reichsgerichts mithin, dass der Mieter Aufwendungen beglichen hatte, die nach dem Grundgedanken des Mietrechts
vom Vermieter zu bezahlen gewesen wären, was es nach Ansicht des Reichsgerichts rechtfertigte, wegen der
Störung des synallagmatischen Verhältnisses die Abrede als solche über die Begründung der Mietzahlungspflicht zu
beurteilen. So ist der Streitfall indes nicht gelagert. Die Parteien haben keine Vereinbarung getroffen, die wegen der
Störung des synallagmatischen Verhältnisses als die Verpflichtung zur Zahlung von Mietzins begründend anzusehen
ist, sondern vielmehr haben die Parteien geregelt, dass beim Vorliegen bestimmter vertraglicher Voraussetzungen
die Verpflichtung zur Zahlung von Mietzins entfallen sollte, wobei die Voraussetzungen für den (teilweisen) Erlass
mit dem Mietverhältnis überhaupt nichts zu tun haben, sondern lediglich mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen des
Vermieters. Die Vereinbarung führt dazu, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen den Gläubigern des Vermieters
ein Anspruch gegen
die Beklagte auf Zahlung von Miete nicht zusteht, obwohl die Mieterin keine Leistungen erbringt, die sich
werterhöhend auf das Mietobjekt auswirken und dadurch zumindest mittelbar den Gläubigern des Vermieters zugute
kommen.
Nichts der Beklagten Günstiges ergibt sich aus den übrigen Entscheidungen, auf die die Beklagte in der
Berufungsbegründung hingewiesen hat. Der Bundesgerichtshof hat in der bereits angesprochenen Entscheidung
(NZM 2003, 871) lediglich nochmals klargestellt, dass eine Vorausverfügung keine Vereinbarung darstellt, durch die
der Mietzins oder Pachtzins erst dem Grunde und der Höhe nach geschaffen wird, eine Vorausverfügung liege nur
dann vor, wenn auf einen bereits bestehenden Miet oder Pachtzins eingewirkt wird. Das ändert indes nichts daran,
dass im Streitfall bereits nach dem eindeutigen Wortlaut der vertraglichen Abrede durch die Regelung in § 5 Nr. 2
des Pachtvertrages auf den bestehenden Pachtzins eingewirkt worden ist. Welcher Sachverhalt der von der
Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des Landgerichts Berlin (Urteil vom 12. August 2003, 63 S 426/02)
zugrunde liegt, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, nachdem das dortige Urteil keinen Sachverhalt enthält.
Hierzu hat die Beklagte auch nichts mitgeteilt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten wird durch die Regelung in § 5 Nr. 2 des Pachtvertrages auch unmittelbar auf
die zu zahlende Pacht eingewirkt. Der Abschluss der beiden Arbeitsverträge führt unmittelbar und ohne weiteres
Zutun der Parteien oder Dritte dazu, dass die zu zahlende Pacht für die Dauer der Anstellungsverträge auf 0 €
„gesunken“ ist, wie die Parteien es im Pachtvertrag vereinbart haben. Hieran ändern die Ausführungen der Beklagten
auf Seite 4 der Berufungsbegründung nichts. Die Beklagte verkennt, dass auch wenn die Arbeitsverträge unabhängig
vom Pachtvertrag geschlossen sind, allein der Umstand des Abschlusses der Verträge aufgrund der Abrede in § 5
Nr. 2 des Pachtvertrages unmittelbar auf die Höhe der zu zahlenden Pacht eingewirkt hat.
R. Dr. L. Dr. L.