Urteil des OLG Celle vom 27.03.2006

OLG Celle: geschäftsführung ohne auftrag, treu und glauben, wirksame vertretung, stadt, bereicherungsanspruch, ausführung, bauherr, beweggrund, beeinflussung, bedingung

Gericht:
OLG Celle, 14. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 14 U 237/05
Datum:
27.03.2006
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 812, BGB § 818
Leitsatz:
1. Gibt eine Stadt die vom Land erhaltene Bewilligung von Fördermitteln zurück, zu deren Erreichung
ein Architekt Leistungen erbracht hat, und kommt das Bauvorhaben deshalb nicht zur Ausführung,
weil der Stadt die erforderlichen Mittel fehlen, entfällt eine Bereicherung und damit ein
Bereicherungsanspruch des Architekten.
2. Warum die Bereicherung weggefallen ist, ist unerheblich. Allenfalls aus Treu und Glauben könnte
sich etwas anderes ergeben. Bei der dann aber anstehenden umfassenden Würdigung aller Umstände
ist auch von Bedeutung, ob die Stadt vernünftige wirtschaftliche Gründe hatte, von der Durchführung
des Bauvorhabens abzusehen.
3. Leistungen des Architekten, die im Wege der Akquisition erbracht wurden, können keinen
Bereicherungsanspruch auslösen.
Volltext:
14 U 237/05
5 O 383/04 Landgericht Lüneburg
B e s c h l u s s
in dem Rechtsstreit
C. ... M. ... u. a. als GbR in L.,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
1. Stadt U., vertreten durch ... , in U.,
2. Kulturfördergesellschaft U. mbH, vertreten durch ... , in U.,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte ...
Prozessbevollmächtigte zu 2:
Rechtsanwälte ...
I.
Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses
gegeben.
Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Die Berufung
hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:
1. Das Nichtvorliegen eines Architektenvertragsverhältnisses wird nicht mehr in Abrede gestellt.
2. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag besteht nicht. Zutreffend hat das Landgericht darauf verwiesen,
dass die Geschäftsführung nicht dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprach, der dahin ging, das Objekt nur
durchzuführen, wenn es finanzierbar war. Das war jedoch nicht der Fall. Im Übrigen bestehen auch Bedenken, ob die
Beklagte zu 1 über eine Geschäftsführung ohne Auftrag zur Zahlung verpflichtet werden kann, wenn keine wirksame
Vertretung stattgefunden hat. Wieso gegenüber der Beklagten zu 2 eine Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne
von § 683 BGB vorliegen soll, hat die Berufungsbegründung ohnehin nicht verdeutlicht.
3. Auch ein Bereicherungsanspruch (§ 812 BGB) ist nicht gegeben. Da die Leistung der Klägerin für die Beklagten
völlig wertlos ist, weil das Bauvorhaben nicht zur Ausführung gelangte und die Planung auch nicht anderweitig zu
verwenden ist, liegt kein Vermögensvorteil und damit auch keine Bereicherung vor. Auch § 162 Abs. 1 BGB vermag
der Klägerin nicht weiterzuhelfen, wenn diese Norm oder der darin verkörperte Rechtsgedanke überhaupt auf einen
Bereicherungsanspruch anwendbar sein sollte. Danach müssten die Beklagten den Erfolgseintritt (hier Finanzierung
und Verwirklichung des Bauvorhabens) wider treuen Glauben verhindert haben. Davon kann aber keine Rede sein.
Dass eine Gemeinde mangels ausreichender Finanzierungsmittel eine Planung nicht ausführt, ist nicht treuwidrig,
sondern entspricht dem Gebot einer sparsamen Haushaltsführung.
Wieso § 812 BGB im Übrigen auch einen Anspruch gegenüber der Beklagten zu 2 begründen soll, ist wiederum nicht
dargetan worden und auch sonst nicht ersichtlich.
II.
Der Senat wird voraussichtlich alsbald nach Ablauf der der Berufungsklägerin eingangs gesetzten Frist darüber
entscheiden, ob die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen oder Termin zur mündlichen Verhandlung
anberaumt werden soll. Es wird daher den Beklagten anheim gestellt, die Entscheidung des Senats abzuwarten.
III.
Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass bei einer Zurücknahme der Berufung eine erhebliche Reduzierung der
Gerichtskosten eintreten würde.
Celle, 16. Februar 2006
Oberlandesgericht, 14. Zivilsenat
... ... ...
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht
14 U 237/05
5 O 383/04 Landgericht Lüneburg
B e s c h l u s s
In dem Rechtsstreit
C. M. u. a. als GbR in L.,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
gegen
1. Stadt U., vertreten durch ... , in U.,
2. Kulturförderungsgesellschaft U. mbH, vertreten durch ... , in U.,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte ...
Prozessbevollmächtigte zu 2:
Rechtsanwälte ...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die
Richter am Oberlandesgericht ... und ... einstimmig am 27. März 2006 beschlossen:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 1. November 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer
des Landgerichts Lüneburg
wird zurückgewiesen, soweit sie sich noch gegen die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klage
richtet.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
Gründe:
Die Berufung ist aus den im Beschluss des Senats vom 16. Februar 2006 genannten Gründen, worauf gemäß § 522
Abs. 2 Satz 3 ZPO zur Vermeidung einer bloßen Wiederholung verwiesen wird, unbegründet. Die Schriftsätze der
Klägerin vom 15. und 27. März 2006 rechtfertigen keine andere rechtliche Beurteilung. Im Einzelnen gilt dazu
Folgendes:
1. Zwar besteht im Hinblick auf den Hinweis der Klägerin unter 1. des Schriftsatzes vom 15. März 2006 kein Anlass
zur Klarstellung, dass der Senat keineswegs die Arbeit der Klägerin abqualifizieren wollte. Denn schon nach dem
Wortlaut des Beschlusses war klar ersichtlich, dass lediglich zum Ausdruck gebracht wurde, die Leistung der
Klägerin sei für die Beklagten völlig wertlos geworden, weil das Bauvorhaben nicht durchgeführt wurde und die
Planung auch nicht anderweitig zu verwerten ist. Dem Senat ist daher unerfindlich, wie die Klägerin meinen kann,
ihre Arbeit sei abqualifiziert worden. Dennoch soll hiermit klargestellt werden, dass dies in keiner Weise beabsichtigt
war.
2. Der Senat hat auch keineswegs übersehen, dass die Beklagte zunächst einen Förderantrag gestellt hatte. Wenn
dabei die Planung der Klägerin verwertet wurde, könnte die Beklagte zu 1 zunächst einmal bereichert gewesen sein
(vgl. BGH BauR 1982, 83 = NJW 1982, 879). Diese Bereicherung fiel aber wieder weg (im Vermögen der Beklagten
war danach nichts mehr vorhanden, was der Senat mit dem Hinweis auf die Wertlosigkeit ausgedrückt hat), als das
Bauvorhaben nicht mehr ausgeführt werden sollte und die Beklagte die erhaltene Bewilligung von Fördermitteln nach
Aufforderung des Landes zurückgegeben hat, wie das Landgericht im Tatbestand des Urteils festgestellt und wovon
der Senat somit auszugehen hat (§ 314 ZPO). Damit entfiel gemäß § 818 Abs. 3 BGB auch ein
Bereicherungsanspruch. Die Rechtslage ist nicht anders zu beurteilen als in dem Fall, dass ein Bauherr von einer
rechtsgrundlos erhaltenen Planung keinen Gebrauch macht, sondern eine andere Planung verwendet (vgl. auch für
diesen Fall BGH a. a. O.). Es verblieb also nichts mehr im Vermögen der Beklagten.
Hinzu kommt, ohne dass darauf noch entscheidend abzustellen war, dass das Landgericht von der Berufung nicht
angegriffen festgestellt hat, „die Leistung der Klägerin sei nicht über eine Akquise hinausgegangen“. Es versteht sich
von selbst, dass in diesem Fall keine Bereicherung auf Kosten der Klägerin eingetreten sein kann.
3. Warum die Bereicherung weggefallen ist, ist unerheblich (vgl. Palandt/
Sprau, BGB, 65. Aufl., Rn. 31 zu § 818 BGB). Allenfalls aus Treu und Glauben könnte sich etwas anderes ergeben.
Auch wenn die Beklagte zu 1 den in § 162 BGB verkörperten Rechtsgedanken heranziehen will, geht das nicht
isoliert. Vielmehr muss dann ebenfalls auf Treu und Glauben abgestellt werden. Zur Frage, wann die Beeinflussung
eines Geschehensablaufs treuwidrig ist, hat der Bundesgerichtshof erst vor kurzem mit Urteil vom 16. September
2005 Stellung genommen (NJW 2005, 2287). Danach ist auf den Einzelfall abzustellen. Maßgeblich ist, welches
Verhalten von einem loyalen Vertragspartner erwartet werden kann, was mittels einer umfassenden Würdigung des
Verhaltens der den Bedingungseintritt beeinflussenden Partei nach Anlass, Zweck und Beweggrund unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsgeschäfts, festzustellen ist.
Bei der Würdigung kann auch von Bedeutung sein, ob die Partei vernünftige wirtschaftliche Gründe hatte, auf den
Eintritt oder das Ausbleiben der Bedingung Einfluss zu nehmen. Solche vernünftigen wirtschaftlichen Gründe hatte
die Beklagte zu 1, wie der Senat bereits im Beschluss vom 16. Februar 2006 festgestellt hat.
4. Der Senat hat sich auch nicht von dem Gedanken leiten lassen, dass sich ein Architektenwerk im Bauwerk
verkörpern müsse. Die gegenteilige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem Senat als Fachsenat für
Architektenhonorarklagen natürlich bekannt. Nur kommt es hier darauf überhaupt nicht an, sondern allein auf die
Frage, ob ein Wegfall der Bereicherung gegeben ist, was der Fall ist.
5. Es bleibt auch dabei, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des
Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht
erforderlich ist. Es geht allein um allgemeine Fragen des Bereicherungsrechts, die nicht grundsätzlicher Natur sind.
Nicht jede Frage, die der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden hat, ist übrigens grundsätzlicher Natur.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Danach hat die Klägerin die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen, weil sie das gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Rechtsmittel zurückgenommen hat
und die Berufung im Übrigen erfolglos geblieben ist.
7. Gemäß § 522 Abs. 3 ZPO ist diese Entscheidung nicht anfechtbar.
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