Urteil des OLG Celle vom 19.08.2010

OLG Celle: billigkeit, grundpreis, neues vorbringen, unnötige kosten, steigerung, anteil, tarif, ausnahme, senkung, transportkosten

Gericht:
OLG Celle, 01. Kartellsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 82/07 (Kart)
Datum:
19.08.2010
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 315
Leitsatz:
Zur Billigkeitsprüfung von Preiserhöhungen der Gasversorgungsunternehmen gegenüber Tarifkunden:
1. Tarifpreiserhöhungen können nur durch Kostensteigerungen gerechtfertigt werden, die bereits zum
Zeitpunkt der Preisanpassung eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt eintreten werden, nicht
jedoch durch prognostizierte Kostenerhöhungen, die erst in einem halben Jahr virulent werden.
2. Die von dem Gasversorgungsunternehmen vorgenommenen Preiserhöhungen sind nicht bereits
dann als billig anzusehen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung der angegriffenen Tariferhöhungen der
insgesamt dadurch erfolgte Preisanstieg durch einen gleich hohen Anstieg der Bezugskosten während
desselben Zeitraums kompensiert wird. Jede Tarifpreiserhöhung ist grundsätzlich für sich an § 315
BGB zu messen und kann nur mit einer seit der letzten Tarifpreiserhöhung angefallenen Steigerung
der Gasbezugskosten und gegebenenfalls ergänzend mit einem etwaigen bei der letzten
Preiserhöhung nicht ausgeschöpften Anteil der damaligen Bezugskostensteigerung gerechtfertigt
werden.
3. Beinhaltet ein allgemeiner Haushaltstarif neben dem Arbeitspreis, durch den lediglich die
Bezugkosten abgebildet werden, auch einen verbrauchsunabhängigen Grundpreis, kann eine
Steigerung der sonstigen Kosten durch eine Erhöhung des Grundpreises ausgeglichen werden.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 82/07 (Kart)
21 O 88/06 Landgericht Hannover Verkündet am
19. August 2010
T.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Stadtwerke H. AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch seinen Vorsitzenden M. G. F., I., H.,
Beklagte, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte F. B. D., F., D.,
Geschäftszeichen: #####
gegen
1. D. B., F. Straße, L.,
2. Dipl.Ing. W. C., G., H.,
3. H. E., K. F., H.,
4 …
5 …
6. D. K., N., H.,
7. I. L., S., L.,
8 …
9 …
10. Dr. U. R., W. Straße, H.,
11. Dr. M. R., H., H.,
12. O. S., L., H.,
13. W. S., M., H.,
14. R. V., S., H.,
Kläger, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungskläger,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13:
Rechtsanwälte R., G. & Collegen, L., H.,
Geschäftszeichen: #####
hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2010 unter
Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. K. sowie der Richterinnen am Oberlandesgericht Z.
und R. für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11, 12 und 13 wird das
Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 19. Februar 2007 geändert und wie folgt
neu gefasst:
Unter Zurückweisung der Klage im Übrigen wird das billige Entgelt, bestehend aus Grund/Messpreis und
Arbeitspreis, für die Gasversorgung wie folgt festgesetzt:
bezüglich des Klägers zu 1 an der Abnahmestelle mit der Bezeichnung #####/F. Straße, L., bezüglich des Klägers
zu 2 an der Abnahmestelle mit der Bezeichnung #####/G., H., bezüglich des Klägers zu 3 an der Abnahmestelle mit
der Bezeichnung #####/K. F., H., bezüglich des Klägers zu 6 an der Abnahmestelle mit der Bezeichnung #####/N.
Platz, H., bezüglich der Klägerin zu 7 an der Abnahmestelle mit der Bezeichnung #####/S., L., bezüglich des
Klägers zu 10 an der Abnahmestelle mit der Bezeichnung #####/W. Straße, H., bezüglich des Klägers zu 11 an der
Abnahmestelle mit der Bezeichnung #####/H., H., und bezüglich des Klägers zu 12 an der Abnahmestelle mit der
Bezeichnung #####/L., H., für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. Dezember 2006 auf einen Arbeitspreis
von
4,69 Cent/kWh netto (5,44 Cent/kWh brutto) sowie auf einen jährlichen Grundpreis/Messpreis von 148,97 € netto
(172,82 € brutto) und für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2007 auf einen Arbeitspreis von 4,69
Cent/kWh (5,58 Cent/kWh brutto) sowie auf einen jährlichen Grundpreis/Messpreis von 148,97 € netto (177,27 €
brutto),
bezüglich des Klägers zu 13 an der Abnahmestelle mit der Bezeichnung #####/M., H., im Zeitraum vom 1. Oktober
2004 bis 30. September 2005 auf einen Arbeitspreis von 3,72 Cent/kWh netto (4,32 Cent/kWh brutto) sowie auf
einen jährlichen Grund/Messpreis von 124,14 € netto (144,00 € brutto), im Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31.
Oktober 2006 auf einen Arbeitspreis von 4,29 Cent/kWh netto (4,98 Cent/kWh brutto) und auf einen jährlichen
Grund/Messpreis von 124,14 € netto (144,00 € brutto), im Zeitraum vom 1. November 2006 bis 31. Dezember 2006
auf einen Arbeitspreis von 4,67 Cent/kWh (5,42 Cent/kWh brutto) und auf einen jährlichen Grund/Messpreis von
124,14 € netto (144,00 € brutto) sowie im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2007 auf einen Arbeitspreis
von 4,67 Cent/kWh netto (5,56 Cent/kWh brutto) und auf einen jährlichen Grund/Messpreis von 124,14 € netto
(147,73 € brutto).
Im Übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.
Die Kosten werden wie folgt verteilt:
1. Instanz:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11
und 12 je 5,36%, die Kläger zu 4, 5, 8, 9, 13 je 3,57%, der Kläger zu 14 7,14% und die Beklagte 32,13%. Von den
außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11 und 12 trägt die Beklagte jeweils 25%, von den
außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 13 50%. Im Übrigen tragen die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten
selbst.
2. Instanz:
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11
und 12 je 7,5%, der Kläger zu 13 5%, der Kläger zu 14 10% und die Beklagte 25%. Von den außergerichtlichen
Kosten der Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11, und 12 trägt die Beklagte jeweils 25%, von den außergerichtlichen Kosten
des Klägers zu 13 50%. Im Übrigen tragen die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere
Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Höhe des von ihnen an die Beklagte zu zahlenden Entgelts für die Belieferung mit
Gas.
Die Beklagte, ein regionales Energieversorgungsunternehmen, beliefert die Kläger seit Jahren als Tarifkunden auf
der Grundlage des allgemeinen Gastarifs Haushalt, Grundpreis II mit Gas. Bis zum 30. September 2004 berechnete
sie als Grund/Messpreis einen Betrag von 124,14 € netto (144,00 € brutto) jährlich sowie einen Arbeitspreis für ihre
Gaslieferungen von 3,59 Cent/kWh netto (4,16 Cent/kWh brutto). Zum 1. Oktober 2004 erhöhte sie den
Grund/Messpreis im Grundpreistarif II auf einen Betrag von 148,968 € netto (172,80 € brutto) jährlich. Den
Arbeitspreis erhöhte sie zum 1. Oktober 2004 auf 3,74 €/Cent/kWh netto (4,34 Cent/kWh brutto), zum 1. Oktober
2005 auf 4,31 Cent/kWh netto (5,00 Cent/kWh brutto), zum 1. November 2006 auf 4,93 Cent/kWh netto (5,72
Cent/kWh brutto) und infolge der Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 auf 5,87 Cent/kWh brutto. Wegen der
Mehrwertsteuererhöhung belief sich auch der Grund/Messpreis zum 1. Januar 2007 auf 177,27 € brutto jährlich.
Die Kläger beanstanden die Preiserhöhungen zu den vorgenannten Zeiträumen und fordern den Nachweis ihrer
Billigkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien und der von ihnen erstinstanzlich gestellten Anträge wird
auf die Darstellung im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 19. Februar 2007 Bezug genommen.
Bezüglich der erstinstanzlich im Rechtsstreit verbliebenen Kläger 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11, 12, 13 und 14 hat das
Landgericht festgestellt, dass der Beklagten kein Anspruch auf Entgelt für die Gasversorgung zusteht, soweit es
bezüglich der Kläger zu 2, 3, 7 und 14 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. Oktober 2006, bezüglich der
Kläger zu 6 und 13 für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis
31. Oktober 2006, bezüglich des Klägers zu 11 für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Oktober 2006,
bezüglich der Kläger zu 1 und 10 für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Oktober 2006 sowie bezüglich des
Klägers zu 12 für den Zeitraum vom 1. März 2006 bis 31. Oktober 2006 einen Arbeitspreis von mehr als 3,5
Cent/kWh (brutto) zuzüglich eines jährlichen Grund/Messpreises von mehr als 120,96 € brutto beträgt. Dieselben
Feststellungen hat das Landgericht getroffen, soweit für sämtliche der vorbezeichneten Kläger im Zeitraum vom 1.
Novem¬ber 2006 bis 31. Dezember 2006 ein Arbeitspreis von 4 Cent/kWh brutto zuzüglich eines jährlichen
Grund/Messpreises von 120,96 € brutto sowie ab dem 1. Januar 2007 ein Arbeitspreis von 4,10 Cent/kWh brutto
zuzüglich eines jährlichen Grund/Messpreises von 124,08 € brutto überschritten wird. Den auf gerichtliche
Bestimmung des angemessenen Entgelts gem. § 315 BGB gerichteten Hauptantrag sowie den Feststellungsantrag
hinsichtlich früherer Zeiträume hat das Landgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt,
den Klägern stehe grundsätzlich ein Anspruch auf (gerichtliche) Festsetzung des billigen Entgelts gem. § 315 BGB
zu, weil die Parteien ein Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten vertraglich vereinbart hätten. Die für die Billigkeit
des von ihr verlangten Entgelts darlegungs und beweisbelastete Beklagte habe zu den Kriterien für seine
Festsetzung nicht hinreichend vorgetragen. Deshalb sei eine inhaltlich fundierte Bestimmung der angemessenen
Entgelte gem. § 315 BGB durch das Gericht nicht möglich. Da die Beklagte dadurch nicht begünstigt werden dürfe,
sei festzustellen, dass ihr ein höheres Entgelt als 70 % des Tarifpreises, gleich ob Arbeits oder Grund/Messpreis,
nicht zustehe. Das entspreche dem in den Hilfsanträgen zum Ausdruck kommenden Interesse der Kläger, die eine
Preisüberhöhung von bis zu 30 % für denkbar hielten. Die Kläger hätten mit ihrem Feststellungsantrag jedoch erst ab
dem Monat Erfolg, in dem sie sich erstmals gegen das von der Beklagten verlangte Entgelt durch Widerspruch und
der Erklärung eines Vorbehalts gewandt hätten. Rückforderungsansprüche für davor liegende Zeiträume seien
verwirkt.
Mit ihrer Berufung begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Sie vertritt die Auffassung, die
erstinstanzlich gestellten Klageanträge seien überwiegend bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Die Beklagte rügt ferner, dass das Landgericht eine Prüfung am Maßstab des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB nicht habe
unterlassen dürfen. Bei einem zulässigen Gaspreisvergleich im Rahmen einer Vergleichsmarktbetrachtung hätte sich
gezeigt, dass ein Preishöhenmissbrauch durch sie in dem Zeitraum von September 2004 bis Januar 2007 nicht
vorgelegen habe. Die Preiskontrolle nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB und eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3
BGB könnten nicht zu gegenläufigen Ergebnissen führen. Nicht nachvollziehbar sei, aus welchem Grund das
Landgericht ihre Preise um jeweils 30 % gekürzt habe.
Ferner meint die Beklagte, zur Beurteilung, ob die Tarifpreiserhöhung durch gestiegene Bezugskosten gerechtfertigt
sei, sei keine kalkulationsperiodenbezogene Betrachtung vorzunehmen, sondern auf den gesamten Zeitraum vom 1.
Oktober 2004 bis 30. April 2007 abzustellen. Ergänzend trägt sie vor, ihre Bezugskosten seien in dem vorgenannten
Zeitraum um insgesamt 1,23 Cent/kWh netto gestiegen. Ihr Gas erhalte sie zu 80 bis 85 % aufgrund eines mit der E.
R. AG geschlossenen Liefervertrages, zu 10 % durch Lieferung der früheren B., deren Lieferanteil jeweils zur Hälfte
von E. Mobil und S. übernommen worden sei, sowie seit Oktober 2004 zu 5 bis 10 % direkt am Handelspunkt T. in
den N.. Bei dem von der früheren B. gelieferten sowie dem in den N. erworbenen Gas handele es sich um
HGas, das erst in das zur Versorgung eingesetzte LGas technisch konvertiert werden müsse, was weitere Kosten
verursache. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, Gas günstiger zu beziehen. In dem fraglichen Zeitraum hätten sich
ihre Kosten in der Sparte Gas mit Ausnahme der Bezugskosten nicht nennenswert verändert. Insbesondere hätten
die Erhöhungen auf der Beschaffungsseite nicht durch anderweitige Kostensenkungen kompensiert werden können.
Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Mit Ausnahme des Klägers zu 14, der seine Klage in der Berufungsinstanz mit Zustimmung der Beklagten
zurückgenommen hat, beantragen die übrigen im Rechtsstreit verbliebenen Kläger mit ihrer Anschlussberufung,
das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass gemäß dem erstinstanzlich gestellten Klageantrag zu 1 die
billigen Entgelte bestimmt werden,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern, indem ergänzend zu dem Tenor des angefochtenen Urteils festgestellt
wird, dass der Beklagten kein weiterer Anspruch auf Entgelt für die Gasversorgung zusteht, das bezüglich der Kläger
zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11, 12 und 13 an den im Tenor des landgerichtlichen Urteils bezeichneten Abnahmestellen im
Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis 30. September 2005 einen Arbeitspreis von 3,038 Cent/kWh brutto zuzüglich
eines jährlichen Grund/Messpreises von 120,96 € brutto und bezüglich der Kläger zu 6 und 13 im Zeitraum vom 1.
Oktober 2005 bis 31. Oktober 2005, des Klägers zu 11 im Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2005,
der Kläger zu 1 und 10 im Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. Januar 2006 und des Klägers zu 12 im Zeitraum
vom 1. Oktober 2005 bis 28. Februar 2006 einen Arbeitspreis von 3,5 Cent/kWh brutto zuzüglich eines jährlichen
Grund/Messpreises von 120,96 € brutto übersteigt.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihrer Anschlussberufung führen die Kläger aus, dass sie ihr Recht auf Billigkeitskontrolle gem. § 315
BGB auch für die vom Landgericht abgewiesenen Zeiträume nicht verwirkt hätten. Sie begehren weiterhin die
Überprüfung und Festsetzung des von der Beklagten insgesamt verlangten Preises für den streitgegenständlichen
Zeitraum, da Gegenstand der Billigkeitsprüfung der Gesamtpreis sei. Das Vorbringen der Beklagten zu ihren Kosten
bestreiten sie mit Nichtwissen. Ferner sind sie der Auffassung, dass es an einer Zuordnung der Grundpreiserhöhung
zum 1. Oktober 2004 zu der hier betroffenen Kundengruppe fehle. Zudem sei die Beklagte nur zur Weitergabe
unvermeidbarer Kostensteigerungen berechtigt. Dazu behaupten die Kläger, dass die Beklagte Einsparmöglichkeiten
beim Gaskauf nicht genutzt habe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H., B., P., B., B., R. und S. gemäß Beweisbeschluss
vom 15. Februar 2010 sowie Beschluss vom 13. April 2010. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf
das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2010 (Bl. 664 ff. d. A.) Bezug genommen.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der
mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht und vor dem Senat verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung (A 1.) der Beklagten ist zum überwiegenden Teil (A 2.) begründet. Die Anschlussberufung
der Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11, 12, und 13 ist zulässig (B 1.) und hat in der Sache teilweise Erfolg (B 2.).
A. Berufung der Beklagten
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der mit den Klageanträgen zu Ziffer 2 bis 4 hilfsweise erhobenen
Feststellungsklagen auch für die Vergangenheit bestehen nicht. Anders als die Beklagte meint, haben die Kläger ein
rechtliches Interesse gem. § 256 ZPO an der Feststellung der von ihnen behaupteten Unbilligkeit der
Gastariferhöhungen. Die Kläger können auf eine Leistungsklage schon deshalb nicht verwiesen werden, weil das
Rechtsschutzziel der hier gegebenen negativen (leugnenden) Feststellungsklage mit einer Leistungsklage nicht
erreicht werden kann (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 10. BGH, Urteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 327/07 und VIII ZR
6/08, jeweils Tz. 11).
2. Die Klage ist nur insoweit begründet, als die Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11 und 12 die gerichtliche Bestimmung
des billigen Entgelts nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB für den Zeitraum ab 1. November 2006 begehren. Bezüglich des
Klägers zu 13 ist die Klage auch wegen der zum 1. Oktober 2004 erfolgten Erhöhung des Arbeitspreises zumindest
teilweise und wegen des zeitgleichen Anstiegs des Grundpreises im vollen Umfang erfolgreich. Im Übrigen hat die
Klage - auch in Gestalt des Hilfsantrages - keinen Erfolg.
a) Die Beklagte konnte den Nachweis, dass sie mit den Tariferhöhungen nur gestiegene, nicht durch rückläufige
Kosten anderer Bereiche der Gassparte ausgeglichene Bezugskosten weitergegeben hat, nicht auf der Basis eines
Vergleiches mit den Gaspreisen anderer Gasversorgungsunternehmen führen. Der Marktpreis auf dem regionalen
Gasversorgungsmarkt, den die Beklagte bedient, scheidet als Vergleichsmaßstab für den streitgegenständlichen
Zeitraum von vorneherein aus, weil die Beklagte damals die alleinige Anbieterin von leitungsgebundenem Erdgas war
(BGHZ 178, 362, Tz. 49).
Die Billigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen unter Heranziehung des
Vergleichsmarktkonzeptes i. S. des § 19 Abs. 4 Nr. 2 Halbs. 2 GWB zu beurteilen, ist hier ebenfalls nicht möglich.
Die Beklagte hat keinen Vortrag zu Preisen von Gasversorgungsunternehmen auf vergleichbaren Märkten mit
wirksamem Wettbewerb gehalten. Selbst wenn man insoweit auch die Heranziehung eines Monopolunternehmens
zum Vergleich zuließe, sofern dabei den mit monopolistischen Strukturen verbundenen Preisüberhöhungstendenzen
wirksam begegnet würde (BGHZ 163, 282, 289 ff. - Stadtwerke M.. 178, 362, Tz. 50), müsste jedenfalls der Raum,
in dem das Vergleichsunternehmen tätig ist, ebenso strukturiert sein wie das Gebiet, in dem die Beklagte ihre
Leistung erbringt. Andernfalls müsste die Vergleichbarkeit der Preise für unterschiedlich strukturierte Gebiete durch
Zu und Abschläge auf die Referenzpreise hergestellt werden (zu den Schwierigkeiten: Dreher ZNER 2007, 103, 110).
Zu ermitteln wäre der Preis, den das zum Vergleich herangezogene Unternehmen in Rechnung stellen müsste, wenn
es an Stelle des betroffenen Energieversorgungsunternehmens tätig würde (BGHZ a. a. O.).
Diesen Anforderungen genügt das pauschale Vorbringen der Beklagten nicht. Sie trägt dazu lediglich vor, dass sie
mit ihren Gaspreisen im Durchschnitt der Preise vergleichbarer Gasversorgungsunternehmen liege und auch im
bundesweiten Preisvergleich eine günstige Stellung einnehme. Es fehlt jeglicher Vortrag dazu, inwieweit die
Versorgungsunternehmen mit der Beklagten und die Marktgebiete miteinander vergleichbar sind.
b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 315 BGB in unmittelbarer Anwendung gegenüber § 19 Abs. 4 Nr. 2, § 33
GWB nicht subsidiär (BGHZ 164, 336, 346. 172, 315, Tz. 18).
c) Der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Tarif und die in der Folgezeit bis zum 30. September 2004 von
der Beklagten vorgenommenen Tarifänderungen unterliegen allerdings nicht insgesamt einer Billigkeitskontrolle
gemäß § 315 Abs. 1 und 3 BGB. Das gilt unabhängig davon, ob die Kläger sich nur gegen die Preiserhöhung zum 1.
Oktober 2004 und die weiteren Preiserhöhungen zum 1. Oktober 2005, 1. November 2006 und 1. Januar 2007
gewandt oder mit ihrer Klage die von der Beklagten ab dem 1. Oktober 2004 geforderten Preise insgesamt als
unbillig beanstandet haben.
aa) Im erstgenannten Fall sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 172, 315, Tz. 12. 178,
362, Tz. 15) Streitgegenstand allein die Preiserhöhungen. Vertraglich vereinbarte Preise für die Lieferung von Gas
unterliegen einer Billigkeitskontrolle weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung von § 315 BGB (BGHZ 178,
362, Tz. 15). Um solche handelt es sich im Verhältnis zwischen der Beklagten und den Klägern zu 1, 2, 3, 6, 7, 10,
11 und 12 bei den bis zum 30. September 2005 bzw. bei dem Kläger zu 13 bei den bis zum 30. September 2004
geltenden Tarifpreisen.
(1) Vertraglich vereinbart haben die Parteien bei Abschluss ihrer jeweiligen Gasversorgungsverträge den von der
Beklagten geforderten Preis, auch wenn es sich bei diesem Preis um den „allgemeinen Gastarif Haushalt“ handelt
(BGHZ 171, 374, Tz. 13. 172, 315, Tz. 32. 178, 362, Tz. 16). Soweit die Beklagte in der Folgezeit auf der Grundlage
von § 4 der - hier maßgeblichen - Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden
(AVBGasV vom 21. Juni 1979, BGBl. I S. 676) einseitig Preiserhöhungen vorgenommen hat, haben die Kläger -
ausgenommen der Kläger zu 13 - bis Ende September 2005 die auf diesen (erhöhten) Tarifen basierenden
Jahresrechnungen unbeanstandet hingenommen. Indem sie weiterhin Gas bezogen haben, ohne in angemessener
Zeit eine Überprüfung der Billigkeit etwaiger Preiserhöhungen nach § 315 BGB zu verlangen, ist auch über die von
der Beklagten bis zum 30. September 2005 geforderten Preise konkludent (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2
AVBGasV) eine vertragliche Einigung zwischen der Beklagten und den Klägern zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11 und 12
zustande gekommen (BGHZ 172, 315, Tz. 36. 178, 362, Tz. 16).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Schreiben des Klägers zu 13 vom 1. November 2005 (BB 27), das
kurz nach dem Eingang der Jahresabrechnung vom 25. Oktober 2005 versandt wurde, als Beanstandung der in der
Jahresabrechnung zum Ausdruck kommenden Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 aufzufassen. Nach dem
objektiven Empfängerhorizont ist sein Schreiben dahingehend auszulegen, dass er sich dort neben der zuletzt
vorgenommenen Gaspreiserhöhung (zum 1. Oktober 2005) gegen die Gaspreisstellung insgesamt wendet und den in
der vorbezeichneten Jahresabrechnung, die den Zeitraum (21. September 2004 bis 25. September 2005) vor und
nach der Preiserhöhung zum 1. Oktober 2004 betraf, ausgewiesenen Rechnungsbetrag nur unter Vorbehalt leistete.
Gleiches gilt für sein Schreiben vom 11. November 2005 (BB 38).
(2) Für eine Billigkeitskontrolle der von den Parteien bei Vertragsschluss oder später vereinbarten Preise in
entsprechender Anwendung von § 315 BGB ist kein Raum (BGHZ 172, 315, Tz. 33 ff.. 178, 362, Tz. 17). Auch wenn
den Klägern in dem streitgegenständlichen Zeitraum ein anderer Gasanbieter nicht zur Verfügung gestanden haben
sollte, wäre eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB nach der zu dieser Vorschrift entwickelten
„Monopolrechtsprechung“ (vgl. BGHZ 172, 315, Tz. 33 m. w. N.) nicht gerechtfertigt (BGHZ 178, 362, Tz. 17). Eine
umfassende gerichtliche Kontrolle von Allgemeintarifen (Preisen) eines Gasversorgungsunternehmens i. S. von § 10
EnWG 1998 (§ 36 EnWG 2005) und § 4 Abs. 1 AVBGasV durch analoge Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB liefe der
Intention des Gesetzgebers zuwider, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt
abgelehnt hat (BGHZ 178, 362, Tz. 18 ff.).
bb) Auch soweit die Kläger die Tarife ab dem 1. Oktober 2004 jeweils insgesamt als unbillig beanstandet haben, ist
der Preissockel, der durch den vertraglich vereinbarten Preis bis zum 30. September 2005 gebildet wird - außer für
den Kläger zu 13 - der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB entzogen. Denn mit dem in dem alten Preis zum
Ausdruck kommenden Äquivalenzverhältnis zwischen Leis¬tung und Gegenleistung haben sich die übrigen Kläger
im Wege einer Vertragserklärung einverstanden erklärt. Einseitig festgesetzt wird von dem Gasversorger dann nur
der Erhöhungsbetrag. Die durch § 315 BGB angeordnete Überprüfung der Billigkeit muss das vertragliche
Äquivalenzverhältnis wahren, d. h., der Lieferant darf sie nicht vornehmen, um einen zusätzlichen Gewinn zu
erzielen. sie widerspricht aber nicht schon deshalb billigem Ermessen, weil sie dazu dient, eine Minderung des
Gewinnes zu vermeiden (BGHZ, a. a. O.).
d) Der Billigkeitskontrolle nach § 315 unterworfen sind die Preiserhöhungen der Beklagten ab dem 1. Oktober 2005
und hinsichtlich des Klägers zu 13 bereits ab dem 1. Oktober 2004. Durch die Tariferhöhungen zu diesem Zeitpunkt
hat die Beklagte von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch gemacht, das ihr durch § 4 Abs. 1
und 2 AVBGasV eingeräumt ist. Die Ausübung des sich aus diesen Vorschriften von Gesetzes wegen ergebenden
Leistungsbestimmungsrechts unterliegt der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB ebenso wie eine einseitige
Leistungsbestimmung auf vertraglicher Grundlage (BGHZ 172, 315, Tz. 14 ff.. 178, 362, Tz. 26).
e) Hinsichtlich der zum 1. Oktober 2005 vorgenommenen Erhöhung des Arbeitspreises um 0,57 Cent/kWh hat die
Beklagte bewiesen, dass diese in vollem Umfang der Billigkeit entsprach, weil sie damit bloß ihre gestiegenen
Gasbezugskosten einschließlich Mehrwertsteuer weitergegeben hat, die nicht durch rückläufige sonstige Kosten in
der Gassparte kompensiert worden sind. Die zum 1. Oktober 2004 und zum 1. November 2006 erfolgten Erhöhungen
des Arbeitspreises wurden hingegen nicht vollständig durch einen Anstieg der Bezugkosten in demselben Zeitraum
gedeckt. Ebenso wenig ist der Beklagten der Nachweis gelungen, dass die Voraussetzungen für die Erhöhung des
jährlichen Grund/Messpreises zum 1. Oktober 2004 gegeben waren.
aa) Die Darlegungs und Beweislast dafür, dass die streitgegenständlichen Preiserhöhungen der Billigkeit
entsprechen, obliegt der Beklagten als derjenigen, welche die Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 1 BGB nach
billigem Ermessen zu treffen hat (BGHZ 174, 336, 343 - Stromnetznutzungsentgelt. 178, 362, Tz. 28. BGH, Urteil
vom 4. März 2008 - KZR 29/06, WuW/E DER 2279, Tz. 27 - Stromnetznutzungsentgelt III).
(1) Maßgeblich für die jeweils vorgenommene Tarifpreiserhöhung ist dabei der seit der letzten Preiserhöhung
eingetretene Anstieg der Bezugskosten. Soweit die Beklagte dagegen die Steigerung der Bezugskosten mit erst für
die Zukunft prognostizierten Bezugskostenänderungen begründen will und folglich wegen der zum 1. Oktober 2004
vorgenommenen Tarifpreisänderung um 0,15 Cent/kWh auf die zu diesem Zeitpunkt eingetretene
Bezugspreiserhöhung in Höhe von
0,1299 Cent/kWh und auf die zum 1. April 2005 prognostizierte und später erfolgte Steigerung der Bezugskosten in
Höhe von 0,1827 Cent/kWh abstellt, entspricht diese Vorgehensweise nicht den Vorgaben des Bundesgerichtshofs,
denen der Senat sich anschließt. Danach werden mit einer ´billigen´ Preiserhöhung lediglich die „gestiegenen“
Bezugskosten weitergegeben (vgl. BGHZ 178, 362, Tz. 34). Demzufolge können Preiserhöhungen nur durch
Kostensteigerungen gerechtfertigt werden, die bereits zum Zeitpunkt der Preisanpassung eingetreten sind oder zu
diesem Zeitpunkt eintreten werden, nicht jedoch durch prognostizierte Kostenerhöhungen, die erst ein halbes Jahr
später virulent werden. Insoweit bleibt es den Gasversorgern unbenommen, eine solche Kostensteigerung, wenn sie
eintritt, zum Anlass für eine erneute Tarifpreiserhöhung zu nehmen, die dann die eingetretene
Bezugskostensteigerung abbildet.
(2) Des Weiteren sind die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen nicht bereits dann als billig
anzusehen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung der angegriffenen Tariferhöhungen der insgesamt dadurch erfolgte
Preisanstieg durch einen gleich hohen Anstieg der Bezugskosten während desselben Zeitraums kompensiert wird.
Nach Auffassung des Senats ist jede Preiserhöhung grundsätzlich für sich an § 315 BGB zu messen. Das bedeutet,
dass jede Preiserhöhung nur mit einer seit der letzten Tarifpreiserhöhung angefallenen Steigerung der
Gasbezugskosten und gegebenenfalls ergänzend mit einem etwaigen bei der letzten Preiserhöhung nicht
ausgeschöpften Anteil der damaligen Bezugskostensteigerung gerechtfertigt werden kann. Soweit der Senat in einer
früheren Entscheidung für die Beurteilung der Billigkeit der angegriffenen Tarifpreiserhöhungen eine
Gesamtbetrachtung vorgenommen hat (OLG Celle, RdE 2009, 295 Tz. 31 ff.), hält er daran nicht länger fest.
Die Frage, ob bei mehreren beanstandeten Tarifpreiserhöhungen jede Preiserhöhung grundsätzlich für sich an § 315
BGB zu messen ist oder ob sich ihre Billigkeit nach einer Gesamtbetrachtung bestimmt, hat der Bundesgerichtshof
bislang noch nicht ausdrücklich entschieden, auch wenn seine Ausführungen in BGHZ 178, 362 Tz. 35 eher die
Annahme einer Gesamtbetrachtung nahe legen. Davon gehen auch die meisten Oberlandesgerichte aus, ohne
diesen Ansatz allerdings näher zu begründen (vgl. OLG München, Urteile vom 1. Oktober 2009 - U (K) 3772/08,
zitiert nach juris Tz. 43 und vom 28. Januar 2010 - U (K) 4211/09, Umdruck S. 6. OLG Hamm, ZNER 2008, 68 ff.,
zitiert nach juris Tz. 66. OLG Koblenz, Urteil vom 12. April 2010 - 12 U 18/08, zitiert nach juris Tz. 12. a.A. OLG
Nürnberg, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 1 U 1105/08, Umdruck S. 7. LG Köln, Urteil vom 14. August 2009 - 90 O
41/07, zitiert nach juris Tz. 22 ff.).
Nach Auffassung des Senats mag eine Gesamtbetrachtung für die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB zwar
praktikabel sein. Sie kann aber bei Kunden, die sich gegen dieselbe Preiserhöhung wenden, zu unterschiedlichen
Ergebnissen führen, weil der Zeitraum der Gesamtbetrachtung ausschließlich davon abhängt, ob die Kunden sich nur
gegen eine oder auch gegen die nachfolgenden Tarifpreiserhöhungen wenden. Rechtfertigte die
Bezugskostensteigerung zu einem bestimmten Zeitpunkt die zugleich vorgenommene Tarifpreiserhöhung nicht
(vollständig), wäre sie aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mit einer weiteren Bezugskostensteigerung und der
daraufhin vorgenommenen Tarifpreiserhöhung als insgesamt gerechtfertigt anzusehen, könnte der Gasversorger
gegenüber einem Kunden, der beide Tarifpreiserhöhungen beanstandet hat, den Billigkeitsnachweis auch für die
erste Tarifpreiserhöhung führen, während er insoweit gegenüber dem Kunden, der sich nur gegen die erste
Tarifpreiserhöhung gewandt und die zweite Erhöhung widerspruchslos hingenommen hatte, einen unbilligen Preis
festgesetzt hätte. Dieses Ergebnis überzeugt nicht. Darüber hinaus stellt sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung
das Problem, zu welchen Zeitpunkten und in welcher Höhe das Gericht das billige Entgelt konkret zu bemessen hat,
wenn die angegriffenen Tarifpreiserhöhungen auch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht durch
Bezugskostensteigerungen in gleicher Höhe kompensiert werden.
Auch der Einwand der Beklagten, eine kalkulationsperiodenbezogene Betrachtung werde den tatsächlichen
Gegebenheiten der Gaswirtschaft nicht gerecht, weil den Gasversorgern die Entwicklung der Bezugskosten nicht
exakt bekannt sei und sie keine Kenntnis von den im Geltungszeitraum der Preisanpassung an die einzelnen
Kundengruppen tatsächlich abgesetzten Mengen hätten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zum einen ermöglicht
auch der Ansatz des Senats den Gasversorgern, die bei der letzten Tarifpreiserhöhung nicht ausgeschöpfte
Bezugskostensteigerung bei der anstehenden Tarifpreisänderung weiterzugeben. Damit wird den aus einer zunächst
vorläufigen Berechnungsgrundlage resultierenden Unsicherheiten des Gasversorgers bei der Vornahme von
Tarifpreiserhöhungen Rechnung getragen. Zudem liegt es nicht im Interesse der Kunden des Gasversorgers, wenn
dieser verpflichtet wäre, jede Erhöhung der Bezugskosten unverzüglich weiterzugeben (BGHZ 176, 244, Tz. 21).
Zum anderen vermag auch die von der Beklagten bevorzugte Gesamtbetrachtung der zur Überprüfung stehenden
Tarifpreiserhöhungen den dargelegten Unsicherheiten nicht wirksam zu begegnen, weil der Zeitraum der
Gesamtbetrachtung ausschließlich vom Verhalten des einzelnen Kunden abhängig ist.
(3) Mit der Erhöhung des Grundpreises kann die Beklagte jedenfalls im Rahmen des hier streitgegenständlichen
Haushaltstarifs „Grundpreistarif II“ die Erhöhung ihrer sonstigen Kosten in der Sparte Gas mit Ausnahme der
Bezugskosten weitergeben. Denn dieser Tarif beinhaltet - im Gegensatz zu dem für jährliche Abnahmemengen von
über 70.397 kWh geltenden Tarif „Mindestpreis im Grundpreistarif II“ - neben dem Arbeitspreis auch einen
verbrauchsunabhängigen Grundpreis. Die Bezugskosten werden hier daher durch den Arbeitspreis abgebildet. Zwar
sind für eine Erhöhung des Arbeitspreises auch die sonstigen Kosten von Bedeutung, weil die Weitergabe von
gestiegenen Bezugskosten dann als unbillig erachtet wird, wenn diese durch rückläufige sonstige Kosten im
Gasbereich kompensiert werden. Eine Steigerung dieser sonstigen Kosten kann aber jedenfalls im Rahmen des hier
streitgegenständlichen Tarifs nur durch eine Erhöhung des Grundpreises ausgeglichen werden.
bb) Danach ergibt sich im Einzelnen:
Erhöhung des Grundpreises zum 1. Oktober 2004 (nur für Kläger zu 13)
Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass die von ihr zum 1. Oktober 2004 vorgenommene Erhöhung des bis dahin
geltenden jährlichen Grundpreises von 124,14 € netto auf 148,968 € netto der Billigkeit gemäß § 315 BGB entsprach.
Zwar hat der Zeuge B. glaubhaft bekundet, die zum 1. Januar 2004 erfolgte Erhöhung des seit dem 1. April 1999
geltenden jährlichen Grundpreises von 110,44 € netto auf 124,14 € netto und die weitere Grundpreissteigerung um
28,801 € netto auf den seit dem 1. Oktober 2004 gültigen Grundpreis von 148,968 € netto sei der Entwicklung der
sonstigen Kosten geschuldet gewesen. Der Grundpreiserhöhung zum 1. Oktober 2004 habe dabei die Erhöhung der
sonstigen Kosten im Gaswirtschaftsjahr 2003/2004 in Höhe von 6,28 Millionen € zu Grunde gelegen. Diese Angabe
des Zeugen B. wird belegt durch den von der Beklagten vorgelegten Auszug „Sparte Gas wesentliche Kostenblöcke
(ohne Bezug)“, aus dem sich der vorgenannte Anstieg als Differenz zwischen den sonstigen Kosten für das
Gaswirtschaftsjahr 2002/2003 und 2003/2004 ergibt (vgl. Anlage BB 58). Zugleich konnte der Zeuge B. aber nicht
genau angeben, ob sich die für die beiden Grundpreissteigerungen in 2004 maßgeblichen Kostenerhöhungen auf
getrennte Zeiträume bezogen haben. Er hat lediglich bekundet, dass er annehme, die Grundpreiserhöhung beziehe
sich auf frühere Zeiträume ab 2002. Damit bleibt offen, ob ein Anteil der Kostensteigerungen aus dem Gasjahr
2003/2004 bereits in der Grundpreiserhöhung zum 1. Januar 2004 enthalten war und gegebenenfalls in welcher Höhe.
Diese Unsicherheit geht zu Lasten der darlegungs und beweisbelasteten Beklagten. Bei ihrem Einwand, sie habe mit
beiden Grundpreiserhöhungen in 2001 (gemeint sein dürfte 2004) Erlöse von insgesamt 6,02 Millionen € (2,14
Millionen € und 3,88 Millionen €) erzielt, mit denen die angefallenen Kostensteigerungen nicht gedeckt worden seien,
handelt es um neues Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung (§ 296 a ZPO). Dieses gibt dem Senat
keinen Anlass, gemäß § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Es ist nicht erkennbar, aus
welchem Grund dieser Vortrag nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung erfolgt ist, sodass der anwesende
Zeuge B., der in seiner Vernehmung lediglich den aus der Grundpreiserhöhung zum 1. Oktober 2004 erzielten Erlös
mit 3,88 Millionen € beziffert, aber keine Angaben zu dem Erlös aus der vorangegangenen Grundpreiserhöhung
gemacht hat, ausdrücklich hierzu hätte befragt werden können.
Zu Recht beanstanden die Kläger auch, dass die Beklagte nicht dargelegt und bewiesen hat, weshalb diese
Kostensteigerung konkret ihrer Kundengruppe zugewiesen wurde und gerade sie einen Anteil von 3,88 Millionen €
davon zu tragen hatten. Die Begründung der Beklagten, die ausschließliche Zuordnung dieser Kostensteigerung im
Verhältnis zu den Tarifkunden sei richtig, weil eine Änderung des Grund und Leistungspreises im Verhältnis zu
Industriekunden nicht auf der Grundlage von Kostenbetrachtungen, sondern automatisch in Abhängigkeit von der
Entwicklung der Lohnkosten erfolge, rechtfertigt ihre Vorgehensweise nicht. Es ist kein sachlicher Grund dafür
erkennbar, lediglich die Haushaltskunden, nicht aber die Industriekunden zur Kompensation der Steigerungen der –
von Bezug und Lohnkosten abgesehen – sonstigen Kosten des Gasversorgers für den gesamten Gasbereich
heranzuziehen. Eine solche Preisanpassungsklausel dürfte ausweislich der Entscheidungen des BGH vom 24. März
2010 (VIII ZR 178/08, ZNER 2010, 266 Tz. 39 f. und VIII ZR 304/08, RdE 2010, 215 Tz. 47 ff.) zudem unzulässig
sein, wenn danach ein Rückgang der sonstigen Kosten des Versorgers weder beim Grundpreis noch beim
Arbeitspreis Berücksichtigung findet. Deshalb müssen auch bei den NichtHaushaltskunden sonstige Kosten bei der
Preisbemessung zu berücksichtigen und etwaige Kostensteigerungen daher nicht lediglich durch die
(Tarif)Haushaltskunden aufzubringen sein.
Erhöhung des Arbeitspreises zum 1. Oktober 2004 um 0,15 Cent/kWh netto (nur für Kläger zu 13)
Nicht nachgewiesen hat die Beklagte auch, dass die von ihr zum 1. Oktober 2004 vorgenommene
Arbeitspreiserhöhung um 0,15 Cent/kWh im vollen Umfang auf eingetretene Bezugskostensteigerungen zurück zu
führen war. Bereits nach ihren eigenen, vom Zeugen H. bestätigten Angaben und der vorgelegten Anlage BB 52
steht dieser Erhöhung des Arbeitspreises lediglich eine seit 1. April 2004 (tatsächlich) eingetretene
Bezugspreiserhöhung von 0,1299 Cent/kWh netto gegenüber. Da somit bereits nach ihrem eigenen Vorbringen eine
über 0,1299 Cent/kWh hinausgehende Erhöhung des Arbeitspreises nicht gerechtfertigt ist, besteht für die Einholung
des von ihr beantragten Sachverständigengutachtens keine Veranlassung.
Erhöhung des Arbeitspreises zum 1. Oktober 2005 um 0,57 Cent/kWh netto
Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die zum 1. Oktober 2005 erfolgte
Erhöhung des Arbeitspreises um 0,57 Cent/kWh der Billigkeit nach § 315 Abs.1 BGB entsprach. Nach den
Bekundungen der Zeugen P. und H. standen dieser Arbeitspreiserhöhung im gleichen Zeitraum Steigerungen der
Bezugskosten in Höhe von 0,778 Cent/kWh gegenüber.
Dazu hat der Zeuge H. ausgesagt, dass Hauptlieferant der Beklagten die E. R. AG sei. Weiteres Gas erhalte die
Beklagte von S. und E. Mobil sowie seit 2003 auch durch erworbene Handelsmengen. Zur Bezugskostenermittlung
für Tarifkunden verwende die Beklagte die Arbeitspreise der aa und abScheibe sowie einen Leistungspreis und seit
einer Nebenvereinbarung mit der E. R. AG aus dem Jahr 2004 auch einen Grundpreis. Berücksichtigt würden zudem
alle Nachlässe, Marketingbeiträge und Förderzuschüsse sowie die von der E. R. AG als Konkurrenz zu den
Handelsmengen angebotene ZuBeScheibe. Daraus ergäben sich insgesamt die Bezugkosten, wie sie in der Anlage
BB 52 und BB 53 aufgeführt seien. Der Anlage BB 52 ist dabei zu entnehmen, dass der Tarifpreiserhöhung von 0,57
Cent/kWh eine Bezugskostenerhöhung von 0,778 Cent/kWh gegenüberstand. Der zu den einzelnen Zeitpunkten
maßgebliche Gesamtbezugspreis aus allen Lieferquellen der Beklagten ist in Anlage BB 53 detailliert dargestellt.
Die Bekundungen des Zeugen H. sind insgesamt glaubhaft. Sie sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und stehen
auch mit den vorgelegten Anlagen, insbesondere den Bezugsverträgen mit der E. R. AG vom 14. Dezember 1988
und vom 4. August 2006 (Anlage BB 10), dem Schreiben der E. R. AG vom 4. Dezember 2007 (Anlage BB 35),
dessen Richtigkeit der Zeuge P. in glaubhafter Weise bestätigt hat, sowie den Anlagen BB 52 und 53 im Einklang.
Der Zeuge konnte darstellen, aus welchen einzelnen Komponenten sich die maßgeblichen Bezugkosten der
Beklagten zusammensetzen und deren jeweilige Relevanz für die Kostenermittlung aufzeigen. Anhand der von der
Beklagten vorgelegten Zusammenfassung der „BezugsscheibenZuteilung“ (Bl. 648 d. A.) hat er exemplarisch den
dort ausgewiesenen GesamtBezugspreis aus den vorgenannten Komponenten nachvollzogen.
Soweit die Kläger die Glaubwürdigkeit des Zeugen H. mit der Begründung in Frage stellen, der Zeuge habe die
Nebenvereinbarung nicht benennen können, aus der sich die Berechnung eines „Grundpreises“ ergebe und der Zeuge
P. habe diese Preiskomponente nicht erwähnt, gibt das dem Senat keine Veranlassung, an der Glaubhaftigkeit der
Aussage des Zeugen H. zu zweifeln. Der Zeuge H. hat in seiner Vernehmung die Existenz der Nebenvereinbarung,
deren Inhalt sowie das Jahr, aus dem sie stammt, genannt. Gegenstand der Vernehmung des Zeugen P. war
vorrangig das von ihm verfasste Schreiben vom 4. Dezember 2007 (Anlage BB 35) und somit vor allem die
Berechnung des Arbeitspreises. Es bestand daher für ihn kein Anlass, Angaben zu weiteren Preiskomponenten,
insbesondere einem Grundpreis, zu machen.
Auch die Erklärung des Zeugen H. zu den Berechnungen der Handelsmengen ist nachvollziehbar und überzeugend.
Danach werden monatliche Salden für Mengen und Preise ermittelt, die in der Zusammenfassung der
BezugsscheibenZu¬teilung (Bl. 648 d. A.) für ein Halbjahr zusammengefasst seien. Bei den Preisen seien auch die
Transportkosten einzustellen, die nicht an die Kunden weitergeleitet würden. Dass die Transportkosten bei den
Preisen berücksichtigt werden, ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu beanstanden. Der Handelsplatz für
Gas liegt in den N., weshalb die Kosten sowohl eines An als auch eines Verkaufs stets als Belastung einzustellen
sind.
Gegen die Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen H. spricht auch nicht seine Aussage, die Summe aus
Marketingzuschüssen und Förderbeitragen sei in den Gaswirtschaftsjahren 2004/2005, 2005/2006 und 2006/2007
konstant gewesen, sie habe lediglich im Gaswirtschaftsjahr 2003/2004 ca. 100.000 € weniger betragen. Entgegen
der Auffassung der Kläger steht diese Aussage nicht im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen P. von der
E. R. AG, wonach es sich bei den Marketingzuschüssen und Förderbeiträgen in der Regel um Einmalzahlungen
handele, mit denen der Absatz von umweltfreundlichen Gas gefördert werden solle. Zugleich hat der Zeuge P.
nämlich erklärt, weder zur Höhe der Zahlungen noch zu den einzelnen Zahlungsterminen Angaben machen zu
können. Dass diese Beträge auch der Kundengruppe der Kläger zugeordnet wurden, hat der Zeuge H. ebenfalls
bestätigt. Dazu hat er ausgesagt, dass neben den Arbeitspreisen und festen Preisbestandteilen im Rahmen des
Vertrages mit der E. R. AG auch Marketingzuschüsse und Förderbeiträge in den von den Kunden zu entrichtenden
Arbeitspreis einkalkuliert worden seien.
Anders als die Kläger meinen, waren die von der Beklagten geltend gemachten Bezugskostensteigerungen nicht
vermeidbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedenfalls die Weitergabe solcher
Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen, die der Versorger auch unter
Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraumes ohne die Möglichkeit einer
Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte (BGHZ 178, 362, Tz. 43). Um solche im
vorgenannten Sinne „unnötige“ Kosten, welche die Beklagte durch eine Preissteigerung auffangen möchte, handelt
es sich hier nicht. Dazu hat der Zeuge H. ausgesagt, dass sie in den fraglichen Zeiträumen versucht hätten, die
Bezugskosten durch eine Ausweitung der im Vergleich zu der E. R. AG meistens günstigeren Handelsmengen zu
optimieren. Die in der aaScheibe übrig gebliebenen Mengen hätten sie dann unvermeidlich von der E. R. AG
beziehen müssen. Insoweit hat der Zeuge ergänzend bekundet, dass nicht nur für die abScheibe eine feste
Abnahmemenge vereinbart gewesen sei, sondern auch für den Bezug von der E. R. AG insgesamt.
Soweit die Kläger beanstanden, dass die Beklagte nicht unter Ausnutzung ihres Gasspeichers bereits im Sommer
zu günstigeren Konditionen Gas auf Vorrat erworben habe, greift ihr Einwand nicht durch. Der Zeuge H. hat insoweit
glaubhaft bekundet, dass der Gasspeicher zur Reduzierung des an die E. R. AG zu zahlenden Leistungspreises
genutzt werde.
Darüber hinaus war die Beklagte nicht verpflichtet, die preislich günstigere Menge der abScheibe vollständig und
vorrangig den Haushaltskunden zur Verfügung zu stellen. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats ebenfalls aus
den glaubhaften Bekundungen des Zeugen H. Auch wenn die Beklagte nach seiner Aussage in der Aufteilung auf die
aaScheibe und auf die preislich günstigere ab Scheibe frei gewesen sei, müsse berücksichtigt werden, dass die
mengenmäßig begrenzte abScheibe ursprünglich an schweres Heizöl gebunden und für Industriekunden bestimmt
gewesen sei, auch wenn für diese noch eine besondere Scheibe bestehe. Vor diesem Hintergrund teilt der Senat die
Einschätzung der Beklagten, dass eine Verpflichtung, den Haushaltskunden vorrangig die ab Scheibe zuzuteilen,
nicht besteht.
Die Beklagte hat ferner bewiesen, dass die der Preiserhöhung zum 1. Oktober 2005 zu Grunde liegende
Bezugskostensteigerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wurde (BGHZ 172, 315,
Tz. 26. 178, 362, Tz 39). Der Zeuge R. hat bestätigt, dass die als Anlage BB 51 und BB 56 vorgelegten Gewinn und
Verlustrechnungen der Beklagten in seiner Abteilung inhaltlich zutreffend nach den testierten Jahresabschlüssen
gefertigt worden seien. Aus den Daten für die Gesamtsparte Gas (Anlage BB 57) hätten sie die Bezugskosten für
das Gas eliminiert und so die als Anlage BB 58 vorliegende Aufstellung „Sparte Gas wesentliche Kostenblöcke
(ohne Bezug)“ erstellt. In seiner weiteren Aussage hat der Zeuge detailliert die Zusammensetzung der einzelnen
Kostenblöcke und die Veränderungen der jeweils dort ausgewiesenen Zahlen erläutert. Aus seinen glaubhaften
Bekundungen und der Anlage BB 58 ist ersichtlich, dass die sonstigen Kosten seit dem Gaswirtschaftsjahr
2002/2003 kontinuierlich gestiegen sind. Dabei hat der Zeuge den im Vergleich zu den Vorjahren erheblichen Anstieg
der sonstigen Kosten in dem Gaswirtschaftsjahr 2005/2006 plausibel damit erklären können, dass für die Sanierung
von Graugussleitungen eine Rückstellung von 11 Millionen € gebildet worden sei, die ab dem Jahr 2005 planmäßig
bis zum 2017 verbraucht werde. Der Senat ist angesichts der in sich schlüssigen, widerspruchsfreien und
nachvollziehbaren Angaben des Zeugen R. von der Glaubhaftigkeit seiner Aussage überzeugt.
Erhöhung des Arbeitspreises zum 1. November 2006 um 0,62 Cent/kWh netto
Ebenfalls nicht bewiesen hat die Beklagte, dass die von ihr zum 1. November 2006 vorgenommene
Arbeitspreiserhöhung um 0,62 Cent/kWh im vollen Umfang auf eingetretene Bezugskostensteigerungen zurück zu
führen war. Bereits nach ihrem eigenen, von den Zeugen H. bestätigten Angaben steht dieser Erhöhung des
Arbeitspreises lediglich eine Bezugkostensteigerung von 0,3221 Cent/ kWh gegenüber, ohne dass dabei die
zwischenzeitliche Senkung der Bezugskosten zum 1. April 2006 in Höhe von 0,16 Cent/kWh einbezogen wäre.
Selbst bei Hinzurechnung des von ihr bei der letzten Erhöhung des Arbeitspreises zum
1. Oktober 2005 noch nicht weitergegebenen Anteils ihrer erhöhten Bezugskosten von 0,208 Cent/kWh und ohne
Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Senkung der Bezugskosten (vgl. dazu B. 2. a) wäre lediglich eine
Erhöhung des Arbeitspreises in Höhe von 0,53% Cent/kWh begründbar.
B. Anschlussberufung der Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11, 12, und 13
1. Die Anschlussberufung ist im vollen Umfang, einschließlich der von den Klägern erst im Schriftsatz vom 24.
Januar 2008 erfolgten Erweiterung, zulässig.
Die Kläger haben sich innerhalb der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Rechtsmittel der Beklagten
angeschlossen. Sie haben zunächst begehrt, dem Hilfsantrag zu 2 zeitlich in vollem Umfang stattzugeben. Dazu
haben sie im Einzelnen aufgeführt, aus welchen Gründen dem Gericht die Bestimmung des billigen Preises gem. §
315 Abs. 3 BGB möglich sei, und sich vor diesem Hintergrund die Erweiterung der Anschlussberufung mit dem Ziel
vorbehalten, eine Preisbestimmung gemäß dem bereits erstinstanzlich gestellten Klageantrag zu Ziff. 1 zu
verlangen. Von diesem Erweiterungsvorbehalt haben sie innerhalb des ihnen vom Senat in der mündlichen
Verhandlung vom 18. Dezember 2007 eingeräumten Schriftsatznachlasses Gebrauch gemacht.
Diese Vorgehensweise ist nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zulässig (BGH, Versäumnisurteil vom 6.
Juli 2005 - XII ZR 293/02, NJW 2005, 3067). Auch nach der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Rechtslage können
Berufungsanträge nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erweitert werden, soweit sie durch die fristgerecht
eingereichten Berufungsgründe (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO) gedeckt sind (BGH, a. a. O., m. w. N.). Wird
aber die Erweiterung der Berufungsanträge entsprechend dieser Maßgaben als zulässig erachtet, kann für die
Erweiterung der Anschlussberufung vor dem Hintergrund der prozessualen Waffengleichheit als verfahrensrechtlich
gebotenem Erfordernis des Gleichheitssatzes (BVerfGE 52, 131, 144) nichts anderes gelten (BGH a. a. O.).
2. Die Anschlussberufung hat Erfolg, soweit die Kläger zu 1, 2, 3, 6, 7, 10, 11 und 12 die gerichtliche Bestimmung
des billigen Entgelts nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB für den Zeitraum ab 1. November 2006 begehren. Bezüglich des
Klägers zu 13 ist die Klage auch wegen der seit dem 1. Oktober 2004 erfolgten Erhöhung des Arbeitspreises
zumindest teilweise und wegen des Anstiegs des Grundpreises im vollen Umfang erfolgreich. Im Übrigen ist die
Anschlussberufung unbegründet.
a) Aus den unter A 2. c) genannten Erwägungen unterlagen der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Tarif
und die in der Folgezeit bis zum 30. September 2004 von der Beklagten vorgenommenen Tarifänderungen nicht
insgesamt einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 1 und 3 BGB.
b) Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die zum 1. Oktober 2005
vorgenommene Erhöhung des Arbeitspreises um 0,57 Cent/kWh in vollem Umfang der Billigkeit entsprach, während
die zum 1. Oktober 2004 und zum 1. November 2006 erfolgten Erhöhungen des Arbeitspreises nur in Höhe von
0,1299 Cent/kWh netto bzw. 0,38 Cent/kWh netto durch einen Anstieg der Bezugkosten in demselben Zeitraum
gedeckt wurden. Ebenso wenig waren die Voraussetzungen für die Erhöhung des Grund/Messpreises zum 1.
Oktober 2004 gegeben.
aa) Infolgedessen entsprachen die von der Beklagten zum 1. Oktober 2004 vorgenommenen Erhöhungen des
Grundpreises sowie des Arbeitspreises im Verhältnis zum Kläger zu 13 und die gegenüber allen noch im
Rechtsstreit verbliebenen Klägern vorgenommene Erhöhung des Arbeitspreises zum 1. November 2006 nicht der
Billigkeit und war daher gemäß § 315 Abs.1 Satz 1 BGB unverbindlich, sodass der Senat entsprechend dem Antrag
der Kläger gemäß § 315 Abs. 3
Satz 2 BGB die Bestimmung der Leistung durch Urteil zu treffen hatte (vgl. BGHZ 41, 271, 280). Dabei waren die ab
dem 1. Januar 2007 festgesetzten (Brutto)Preise bis zum 30. April 2007 zu befristen, da sich die Kläger unstreitig
gegen die zum 1. Mai 2007 vorgenommenen Tarifspreiserhöhungen nicht mehr gewandt haben.
bb) Danach war für den Kläger zu 13 nur eine Erhöhung des Arbeitspreises von 0,1299 Cent/kWh als billig im Sinne
des § 315 BGB anzusehen, sodass der von ihm ab dem 1. Oktober 2004 zu entrichtende Arbeitspreis auf gerundet
3,72 Cent/ kWh netto festzusetzen war. Diese Bezugkostensteigerung konnte nach den glaubhaften Bekundungen
des Zeugen R. sowie der Aufstellung in Anlage BB 58 auch nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen
ausgeglichen werden.
Mangels konkreter Anhaltspunkte, die nach § 287 ZPO für eine Schätzung eines höheren Grundpreises zum 1.
Oktober 2004 eine hinreichende tatsächliche Grundlage bilden könnten (BGHZ 115, 311, 323), hat der Senat den bis
zum 30. September 2004 geltenden Grundpreis für den Kläger zu 13 auch für die Zeit danach bestimmt.
Für den Kläger zu 13 und ebenso für die anderen Kläger entsprach die zum
1. November 2006 vorgenommene Erhöhung des Arbeitspreises in Höhe von gerundet 0,38 Cent/kWh netto der
Billigkeit. Diese errechnet sich aus der Steigerung der Bezugkosten zum 1. November 2006 um 0,3221 Cent/kWh
und dem nicht ausgeschöpften Anteil der Bezugskostensteigerung zum 1. Oktober 2005 in Höhe von 0,208
Cent/kWh, allerdings vermindert um die dazwischen liegende Senkung der Bezugskosten zum 1. April 2006 um
0,155 Cent/kWh, sodass der Nettoarbeitspreis ab dem 1. November 2006 für ihn 4,67 Cent/kWh und für die übrigen
Kläger 4,69 Cent/kWh betrug. Auch diese Bezugskostenentwicklungen konnten nach den glaubhaften Bekundungen
des Zeugen R. sowie der Aufstellung in Anlage BB 58 nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen
ausgeglichen werden. Soweit die Kläger unter Hinweis auf die Aussage des Zeugen B., wonach die zuvor im Grund
und Arbeitspreis enthaltenen Netzkosten ab Oktober 2006 ausschließlich über den Arbeitspreis weitergegeben
worden seien, eine „Doppelbezahlung“ monieren, weil der Grundpreis um die entsprechenden Netzkosten hätte
reduziert werden müssen, ist dieser Einwand für die Billigkeit der Arbeitspreiserhöhung ohne Belang. Ob
infolgedessen der Grundpreis insgesamt hätte gesenkt werden müssen oder ob diese entfallene Kostenposition
durch die sonstigen Kostensteigerungen kompensiert wurde, bedarf keiner Entscheidung, weil die Kläger sich nicht
zeitnah gegen eine unterbliebene Senkung des Grundpreises gewandt haben.
c) Soweit die Kläger ihre Klageanträge ausdrücklich auch auf § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB stützen, fehlt es am Vortrag zu
den Voraussetzungen des Ausbeutungstatbestandes, für den - mit Ausnahme der sachlichen Rechtfertigung - die
Kläger darlegungs und beweisbelastet sind (Bechtold, GWB 5 Aufl. § 19 Rdn. 94).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91 Abs. 1, § 92 Abs.1 Satz 1 Alt. 2, § 97 Abs. 1 ZPO, für den Kläger zu
13 auf § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass das Landgericht hinsichtlich der bereits im
ersten Rechtszug durch Klagerücknahme ausgeschiedenen Kläger zu 4, 5, 8, und 9 eine abschließende
Kostenentscheidung getroffen und die Kosten nach § 92 Abs.1 Satz 1 Alt. 1 ZPO gegeneinander aufgehoben hat.
Damit war über einen Anteil von 28,56% der Gesamtkosten des Rechtsstreits erster Instanz bereits rechtskräftig
entschieden. Die restlichen Kosten und die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens waren mit Ausnahme des auf
den Kläger zu 14 entfallenen Anteils von 1/10 zwischen den Klägern und der Beklagten aufzuteilen, wobei der Senat
die Erfolgsquote des Klägers zu 13 mit 50 % und die der übrigen im Rechtsstreits verbliebenen Kläger mit 25 %
beziffert hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, weil der Sache rechtsgrundsätzliche Bedeutung i. S. des § 543 Abs. 2 ZPO zukommt.
Mit den Voraussetzungen für die Erhöhung des Grundpreises im Gastarif - im Gegensatz zu der des Arbeitspreises -
hat sich der Bundesgerichtshof - soweit ersichtlich - bislang noch nicht befasst. Auch die Frage, ob die von dem
Gasversorger vorgenommenen und angegriffenen Preiserhöhungen insgesamt durch einen entsprechenden Anstieg
der Bezugskosten im selben Zeitraum gedeckt sein müssen (Gesamtbetrachtung) oder ob insoweit jede
Preiserhöhung für sich durch entsprechende Bezugskostensteigerungen gerechtfertigt sein muss, hat der
Bundesgerichtshof bislang noch nicht ausdrücklich entschieden, auch wenn seine Ausführungen BGHZ 178, 362,
Tz. 35 insoweit eine Gesamtbetrachtung nahelegen. Zudem weicht der Senat mit der Ablehnung einer
Gesamtbetrachtung für die angegriffenen Tarifpreiserhöhungen von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte
ab (vgl. OLG München, Urteile vom 1. Oktober 2009 - U (K) 3772/08, zitiert nach juris Tz. 43 und vom 28. Januar
2010 - U (K) 4211/09, Umdruck S. 6. OLG Hamm, ZNER 2008, 68, zitiert nach juris Tz. 66. OLG Koblenz, Urteil vom
12. April 2010 - 12 U 18/08, zitiert nach juris
Tz. 12. zustimmend wohl: OLG Nürnberg, Urteil vom 9. Dezember 2008 1 U 1105/08, Umdruck S. 7).
Dr. K. Z. R.