Urteil des OLG Celle vom 14.11.2001

OLG Celle: und 281/01, bewährung, vorzeitige entlassung, aussetzung, abschiebung, anhörung, reststrafe, befristung, strafvollstreckung, familie

Gericht:
OLG Celle, 02. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 Ws 280/01 und 281/01
Datum:
14.11.2001
Sachgebiet:
Normen:
StPO § 456a
Leitsatz:
1. Die sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Reststrafaussetzung zur Bewährung ist auch
nach Absehen von der Vollstreckung gem. § 456a StPO und nach Abschiebung des Veurteilten
zulässig.
2. Bei ihrer Entscheidung nach § 456a StPO muß die Staatsanwaltschaft deutlich machen, daß sie
den ihr zustehenden Ermessensspielraum als solchen erkannt hat.
3. Wesentliche Kriterien für die Ausübung des Ermessens können sein die Art des begangenen
Delikts, die Umstände der Tat, der Umfang der im Urteil festgestellten Schuld, die Gefährlichkeit des
Verurteilten, die Höhe des Strafrestes, die zwischen der (vorläufigen) Entlassung aus dem Vollzug
und der Rückkehr verstrichene Zeitspanne sowie das öffentliche Interesse an einer nachhaltigen
Strafvollstreckung. Daneben kommt aber auch die soziale und familiäre Situation des Verurteilten in
Betracht, insbesondere dann, wenn diese geeignet sein kann, die Gefährlichkeitsprognose des
Verurteilten - zumindest langfristig - zu beeinflussen.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
2 Ws 280/01 und 281/01
10 StVK 138/01 LG #######
63 Js 18738/99 StA #######
B e s c h l u s s
In der Strafvollstreckungssache
gegen #######,
geboren am ####### in #######,
wohnhaft #######, #######, #######
Verteidiger: Rechtsanwalt #######, #######
wegen Verstoßes gegen Betäubungsmittelgesetz
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter
am Landgericht ####### am 14. November 2001 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts ####### vom 4. Oktober 2001 (Versagung der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung) wird
verworfen.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der kleinen Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts ####### vom 17. Oktober 2001 (gerichtliche Entscheidung über die Anordnung der Staatsanwaltschaft
nach § 456a Abs. 2 StPO) werden der angefochtene Beschluss sowie die zugrunde liegende Entscheidung der
Staatsanwaltschaft ####### vom 20. Juli 2001 aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft ####### ist verpflichtet, den Beschwerdeführer unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Senats erneut zu bescheiden.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten der Beschwerde zu 1. zu tragen. Dagegen fallen die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu 2. sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der
Landeskasse zur Last.
Gründe
I.
Das Landgericht ####### hatte gegen den Verurteilten am 8. Mai 2000 wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Die
Gesamtfreiheitsstrafe ist - nachdem der Verurteilte zunächst Untersuchungshaft verbüßt hatte - seit dem 8. Juni
2000 vollstreckt worden, überwiegend in der Justizvollzugsanstalt #######, wobei mehrfach kurzfristige
vorübergehende Überstellungen in die Justizvollzugsanstalt ####### erfolgten, um dem Verurteilten Besuch von
seiner Verlobten zu ermöglichen. Am 18. September 2001 war die Hälfte der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe
verbüßt.
Mit Schreiben vom 10. November 2000 hat der Landkreis ####### auf Anfrage der Staatsanwaltschaft #######
mitgeteilt, dass die Ausweisung des Verurteilten aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigt sei.
Am 19. August 2001 hat der Dezernent der Staatsanwaltschaft ####### neben die Frage der Rechtspflegerin, ob die
Abschiebung durchgeführt werden soll: „ja, HB“ vermerkt. Daraufhin ist am 20. Juli 2001 der - allein von der
Rechtspflegerin unterzeichnete - Bescheid der Staatsanwaltschaft ####### mit folgendem Inhalt ergangen:
„Die Staatsanwaltschaft ####### sieht als Vollstreckungsbehörde - frühestens jedoch am 18.09.2001 - gem. § 456a
Abs. 1 StPO für den Fall von der weiteren Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren aus dem Urteil des
Landgerichts in ####### vom 08.05.2000 (Aktenzeichen: 1 KLs/63 Js 18738/99) ab, dass eine Ausweisungs und
Abschiebeverfügung durch die zuständige Ausländerbehörde vollzogen wird.
Zugleich wird für den Fall der Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik gem. § 456a Abs. 2 StPO die
Nachholung der Vollstreckung angeordnet.
Ich bitte, den Verurteilten bereits jetzt gem. § 17 Abs. 2 StrVollstrO über die Nachholung der Vollstreckung im Falle
seiner Rückkehr in die Bundesrepublik in einer ihm verständlichen Sprache zu belehren. ...“
Die entsprechende Belehrung ist am 24. Juli 2001 erteilt worden.
Einwendungen des Verurteilten gegen diesen Bescheid hat die Staatsanwaltschaft ####### mit Schreiben vom 31.
Juli 2001 u. a. mit folgender Begründung nicht abgeholfen: „... Sollten Sie zuvor abgeschoben werden, ist es
selbstverständlich, dass die Vollstreckung nach Rückkehr weiter betrieben wird. Dies ergibt sich übrigens auch aus
dem Gesetz (s. § 456a Abs. 2)....“ Mit Verfügung vom 6. August und 13. September 2001 hat die
Staatsanwaltschaft klargestellt, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 20. Juli 2001 nicht um eine
Entscheidung der Rechtspflegerin, sondern um eine solche des Dezernenten der Staatsanwaltschaft handele,
die auf dessen Verfügung vom 19. August 2001 zurückgehe und ergänzend hinzugefügt: „... Straftaten dieser Art
und Schwere rechtfertigen allemal die Durchführung der weiteren Vollstreckung.“ „... Es liegt auf der Hand, dass es
nicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland sein kann, innerhalb der Grenzen schwer straffällig gewordene
Ausländer zu dulden. Dies insbesondere dann nicht, wenn die Taten wie hier geeignet sind, die Gesundheit einer
unbestimmt großen Zahl von Personen zu gefährden. Dass der Verurteilte zwischenzeitlich Vater eines Kindes ist,
vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern, zumal der Verurteilte nicht etwa mit Verfolgung o. ä. Unbill in
seinem Heimatland zu rechnen hat.“
Der Verurteilte hat seine Einwendungen mit Schriftsätzen vom 31. August und 25. September 2001 dahingehend
konkretisiert, dass allein die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Nachholung der Vollstreckung im Falle
der Rückkehr des Verurteilten nach Deutschland (§ 456a Abs. 2 StPO) angefochten wird und im Wesentlichen das
Fehlen einer Begründung gerügt, die geeignet wäre, eine Überprüfung dieser Entscheidung auf Ermessensfehler der
Staatsanwaltschaft zu ermöglichen.
Gleichzeitig hat der Verurteilte beantragt, schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe die Vollstreckung der
Reststrafe gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen und erklärt, er sei in diesem Fall bereit,
freiwillig in seine Heimat ####### auszureisen, sich mit Unterstützung seiner dort lebenden Familie zu bewähren mit
dem Ziel, von dort aus eine Befristung seiner Ausweisung zu erreichen, um dann seine in ####### lebende Verlobte
heiraten und mit ihr und dem gemeinsamen Kind in Deutschland leben zu können. In ihrer Stellungnahme zu dem
Antrag nach § 57 Abs. 2 StGB hat die Justizvollzugsanstalt ####### am 2. Oktober 2001 zwar das vollzugliche
Verhalten des Verurteilten als „außerordentlich positiv“ bewertet, eine vorzeitige Entlassung aber nicht befürwortet.
Nach mündlicher Anhörung des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ####### durch den
angefochtenen Beschluss vom 4. Oktober 2001 die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung
abgelehnt. Der Verurteilte ist am 10. Oktober 2001 nach ####### abgeschoben worden. Durch weiteren
angefochtenen Beschluss vom 17. Oktober 2001 hat die Strafvollstreckungskammer die Einwendungen des
Verurteilten gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft, nach § 456a Abs. 2 StPO die Vollstreckung der Reststrafe
im Fall der erneuten Einreise des Verurteilten nachzuholen, zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass die Anordnung
der Nachholung der Vollstreckung der noch nicht verbüßten Restfreiheitsstrafe dem Gesetz entspreche und diese
Anordnung allenfalls dann unzulässig wäre, wenn dem Verurteilten „Halbstrafenbewährung“ gewährt worden wäre.
Mit seinen sofortigen Beschwerden wendet sich der Verurteilte gegen die Versagung der Reststrafaussetzung zur
Bewährung (Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 4. Oktober 2001) (1.) und gegen die Zurückweisung
seiner Einwendungen gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft (Beschluss der Strafvollstreckungskammer
vom 17. Oktober 2001) (2.).
II.
1. Die sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Reststrafaussetzung zur Bewährung schon nach Verbüßung
der Hälfte der Gesamtfreiheitsstrafe ist zulässig. Obwohl die Staatsanwaltschaft von der Vollstreckung nach § 456a
StPO abgesehen hat und der Verurteilte abgeschoben worden ist, ist sein Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung
des Strafrestes zur Bewährung nicht prozessual überholt. Denn das Absehen von der Vollstreckung ist eine
vorläufige Maßnahme, wie sich aus § 456a Abs. 2 StPO ergibt, weil die Vollstreckung nachgeholt werden kann,
wenn der Ausgewiesene - ob nach den ausländerrechtlichen Vorschriften erlaubt oder unerlaubt - freiwillig in die
Bundesrepublik zurückkehrt (vgl. LRWendisch, StPO, 25. Aufl., § 456a Rn. 12 m. w. N.).
Das Rechtsmittel hat aber keinen Erfolg. Die Gründe des angefochtenen Beschlusses treffen zu. Das
Beschwerdevorbringen greift ihnen gegenüber nicht durch.
Die zwei Jahre übersteigende Gesamtfreiheitsstrafe kann nach Verbüßung der Hälfte der Strafe nur zur Bewährung
ausgesetzt werden, wenn neben der positiven Prognose i. S. des § 57 Abs. 1 StGB die Gesamtwürdigung von Tat,
Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergibt, dass besondere
Umstände vorliegen (§ 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.
Der Sachverhalt der - vom Verurteilten in Bezug genommenen - Entscheidung des OLG Stuttgart vom 19. März 1999
(OLG Stuttgart StV 1999, 276, 277), das Aussetzung des Strafrestes gewährt hatte, weicht entscheidend von den
hier vorliegenden Umständen ab. Hatte dort der mit 21 Jahren noch labile Verurteilte aus akuter Geldnot gehandelt,
sich nach der Tatzeit selbst aus den Drogengeschäften gelöst und sich von Anfang an einsichtig und in vollem
Umfang geständig gezeigt sowie Hinweise gegeben, die die Anwendung des § 31 BtmG gerechtfertigt hatten, waren
vorliegend die Einkünfte des Verurteilten durch den von Verwandten hinterlegten Geldbetrag und die Aushilfsarbeit
bei VW gesichert. Die Drogengeschäfte des Verurteilten endeten durch die Festnahme, ohne dass dieser sich zuvor
von ihnen gelöst hätte. Weder zeigte sich der Verurteilte von Anfang an einsichtig und in vollem Umfang geständig,
noch lagen die Voraussetzungen des § 31 BtmG vor. Vielmehr hat der Verurteilte die Taten trotz bestehender
positiver Zukunftsperspektiven nach Erhalt des Studienplatzes für das Studium der Außenwirtschaft zum
Wintersemester 1999 begangen.
Besondere Umstände ergeben sich auch nicht aus seiner Entwicklung während des Strafvollzuges. Insoweit ist nicht
nur das Verhalten des Verurteilten im Vollzug zu berücksichtigen, sondern vielmehr die Frage zu prüfen, ob
besondere Resozialisierungserfolge eingetreten sind (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 57 Rn. 30). Solche
Resozialisierungserfolge können der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt ####### nicht entnommen werden, die
die Bewertung des vollzuglichen Verhaltens als „außerordentlich positiv“ allein auf zufrieden stellendes
Arbeitsverhalten und seine stets freundliche, hilfsbereite und ausgesprochen umgängliche Art gestützt hat. Eine
wesentliche positive Persönlichkeitsentwicklung seit Begehung der Straftaten ist bisher nicht ersichtlich.
Soweit das Beschwerdevorbringen darauf verweist, dass der Verurteilte sich nach seiner Abschiebung im
Heimatstaat in Freiheit befindet, wird dieser Umstand allenfalls zukünftig Bedeutung entfalten können, wenn damit
erkennbar eine der Resozialisierung dienende Persönlichkeitsentwicklung einhergehen wird. Bei der vorliegend zu
treffenden Gesamtwürdigung können indes solche unsicheren und nur möglichen zukünftigen Umstände derzeit
keine Berücksichtigung finden.
Danach war die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
2. Dagegen hat das Rechtsmittel des Verurteilten gegen die Zurückweisung seiner Einwendungen gegen die
Entscheidung der Staatsanwaltschaft ####### Erfolg.
Die gemäß § 458 Abs. 2 2. Halbs. StPO, 462 Abs. 3 StPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Die Entscheidung über die Nachholung der Vollstreckung (§ 456a Abs. 2 StPO) steht - wie sich aus dem
Gesetzeswortlaut „kann“ ergibt - im pflichtgemäßen Ermessen der Strafvollstreckungsbehörde. Die Nachholung der
Vollstreckung kann unterbleiben, wenn sie - trotz der regelmäßigen Vollstreckungspflicht der Vollstreckungsbehörde
- aus gewichtigen Gründen unangebracht ist (vgl. LRWendisch, StPO, 25. Aufl., § 456a Rn. 12 m. w. N.).
Die Strafvollstreckungskammer ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei vorliegender Entscheidung
der Staatsanwaltschaft ####### über die Nachholung der Vollstreckung, die nicht dem Rechtspfleger übertragen ist
(vgl. LRWendisch a. a. O., Rn. 16 m. w. N.), um eine Entscheidung des Dezernenten der Staatsanwaltschaft
handelt, was sich aus den ergänzenden Schreiben und Vermerken des Dezernenten der Staatsanwaltschaft ergibt,
sodass die Voraussetzungen für die gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 Abs. 2 vorlagen (vgl.
Kleinknecht/MeyerGoßner, StPO, 45. Aufl., § 458 Rn. 12). Sie hat aber das Wesen der Entscheidung nach § 456a
Abs. 2 StPO als Ermessensentscheidung der Strafverfolgungsbehörde verkannt und ist rechtsfehlerhaft von einer
gebundenen Entscheidung ausgegangen,
wobei sich der angefochtene Beschluss allein zu der Frage verhält, in welchem Fall die Entscheidung der
Vollstreckungsbehörde im Hinblick auf eine in der gleichen Sache ergangene Aussetzung der Reststrafe zur
Bewährung „unzulässig“ wäre.
Eine Wechselwirkung zwischen der Aussetzung des Strafrestes (§ 57 StGB) und der Entscheidung über die
Nachholung der Vollstreckung (§ 456a Abs. 2 StPO) besteht indes jedenfalls dann nicht, wenn - wie vorliegend - die
Aussetzung des Strafrestes abgelehnt worden ist. Beide Entscheidungen sind voneinander unabhängig und
unterscheiden sich nach Zuständigkeiten, Voraussetzungen und Wirkungen (vgl. OLG Stuttgart StV 1999, 276, 277).
Die Ermessensentscheidung der Staatsanwaltschaft über die Nachholung der Vollstreckung unterliegt der
gerichtlichen Nachprüfung darauf, ob die Staatsanwaltschaft die gesetzlichen Voraussetzungen für ihr Ermessen
eingehalten hat, ob die der Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen zutreffen und ob kein
Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. KG JR 1995, 77, 78).
Die fehlende Begründung im angefochtenen Bescheid der Staatsanwaltschaft vom 20. Juli 2000 lässt schon
besorgen, dass sich die Staatsanwaltschaft nicht bewusst gewesen ist, keine gebundene sondern eine
Ermessensentscheidung zu treffen, zumal auch in dem auf die Einwendungen des Verurteilten hin ergangenen
Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 31. Juli 2001 die Angabe etwa erwogener Ermessensgesichtspunkte nicht
nachgeholt wurde - was zulässig gewesen wäre (vgl. KG a. a. O.) - und vielmehr erst in den nachfolgenden
Verfügungen die Schwere der zugrundeliegenden Straftat hervorgehoben worden ist.
Selbst wenn sich die Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung bewusst gewesen ist, eine Ermessensentscheidung
zu treffen - ohne dass sie dieses ausreichend deutlich gemacht hätte , ist das Ermessen jedenfalls rechtsfehlerhaft
ausgeübt worden. Denn die Vollstreckungsbehörde hat ihre Entscheidung auf nicht ausreichender
Tatsachengrundlage getroffen, in dem sie dieser allein das Urteil des Landgerichts ####### vom 8. Mai 2000
zugrunde gelegt hat.
Wesentliche Kriterien für die Ausübung des Ermessens können sein die Art des begangenen Delikts, die Umstände
der Tat, der Umfang der im Urteil festgestellten Schuld, die Gefährlichkeit des Verurteilten, die Höhe des Strafrestes,
die zwischen der (vorläufigen) Entlassung aus dem Vollzug und der Rückkehr verstrichene Zeitspanne sowie das
öffentliche Interesse an einer nachhaltigen Strafvollstreckung (vgl. OLG Düsseldorf NStE, Nr. 4 zu § 456a StPO).
Daneben kommt aber auch die soziale und familiäre Situation des Verurteilten in Betracht (vgl. OLG Celle NStZ
1981, 405 m. w. N.), insbesondere dann, wenn diese wie vorliegend geeignet sein kann, die Gefährlichkeitsprognose
des Verurteilten - zumindest langfristig - zu beeinflussen.
Es hätte Anlass bestanden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung ungenügende Tatsachengrundlage durch Einholung
einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt ####### zur Entwicklung des Verurteilten im Strafvollzug, durch
Beiziehung der Akte der Ausländerstelle des Landkreises ####### sowie ggf. durch Anhörung des Verurteilten zu
vervollständigen. Von Bedeutung hätten insoweit der während der Haftzeit fortbestehende Kontakt des Verurteilten
zu seiner Verlobten, seine Absicht zur Heirat, der Umfang der Unstützung durch seine Familie in seinem Heimatland
sowie die Bemühungen des Verurteilten um eine Befristung der Abschiebung sein können.
Die Staatsanwaltschaft ####### wird in ihrer nunmehr neu zu treffenden Entscheidung auch zu berücksichtigen
haben, dass es gemäß § 456a Abs. 2 Satz 3 StPO in ihrem pflichtgemäßen Ermessen steht, ob die Nachholung der
Vollstreckung schon jetzt angeordnet wird oder sie eine Entscheidung darüber bis zu einer eventuellen Rückkehr des
Ausgewiesenen zurückstellt. Die neue Entscheidung wird einer Begründung bedürfen, die die erwogenen
Ermessensgesichtspunkte in einer für das Gericht auf etwaige Rechtsfehler nachprüfbaren Weise erkennen lässt.
Wenn insoweit auch nicht alle Kriterien erörtert werden müssen, die für die Ermessensentscheidung bedeutsam sein
können, so sind jedenfalls aber die maßgeblichen Gründe anzuführen (vgl. KG JR 1995, 77, 78, 79).
III.
Die Kosten und Auslagenentscheidungen beruhen auf § 473 Abs. 1 StPO (Beschwerdeverfahren zu 1.) sowie auf §
467 Abs. 1 StPO (Beschwerdeverfahren zu 2.).
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Richter am Oberlandesgericht
####### hat Urlaub und ist abwesend;
er kann deshalb nicht unterschreiben
####### ####### #######