Urteil des OLG Celle vom 23.09.2010

OLG Celle: avb, architekt, berufliche tätigkeit, grobe fahrlässigkeit, mehrere unfälle, versicherungsvertrag, versicherungsnehmer, firma, dach, genehmigung

Gericht:
OLG Celle, 08. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 8 U 180/09
Datum:
23.09.2010
Sachgebiet:
Normen:
AGBGesetz § 23 Abs 3
Leitsatz:
1. Zur Frage der wirksamen Einbeziehung von AVB nach § 23 Abs. 3 AGBGesetz: Die danach
erforderliche Genehmigung muss nachgewiesen werden. dazu genügt nicht der Hinweis auf die
Üblichkeit oder die Genehmigungsfähigkeit der AVB.
2. Zur Frage, ob es in der Berufshaftpflichtversicherung eines Architekten pro Bauvorhaben nur einen
oder mehrere Versicherungsfälle geben kann: Der Senat vertritt dazu die Auffassung, dass es keine
Veranlassung gibt, regelmäßig nur von einem Versicherungsfall auszugehen, auch dann nicht, wenn
es sich um ein einheitliches Bauvorhaben handelt. Nur durch die Anerkennung der grundsätzlichen
Möglichkeit, dass mehrere Versicherungsfälle vorliegen können, lässt sich dem Sinn der
Berufshaftpflichtversicherung entsprechen. Wenn der Architekt mehrere Fehler macht und seinem
Auftraggeber dadurch mehrfach Schäden entstehen, muss die Versicherung dem korrespondieren und
muss es zumindest in Betracht kommen, dass mehrfach Ansprüche gegen den Versicherer bestehen.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
8 U 180/09
13 O 108/08 Landgericht Hannover Verkündet am
23. September 2010
… ,
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
W. S., … in W.,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte K. …
gegen
V. Vers. AG, vertreten durch den Vorstand, … in H.,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte D. …
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juli 2010 durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am
Oberlandesgericht … für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. August 2009 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des
Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61.537,33 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit 23. Mai 2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/7 und die Beklagte 3/7.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 %
des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von
110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt aus abgetretenem Recht seines früheren Architekten S. die Beklagte als Haftpflichtversicherer in
Anspruch.
Zwischen dem Architekten und der Beklagten bestand auf der Grundlage des Antrages Anlage B 10 (Bl. 174 d. A.),
der einen Hinweis auf die AVB der Beklagten nebst Sonderbedingungen enthält, seit 15. September 1988 eine
Berufshaftpflichtversicherung. Unter dem 21. Oktober 1988 (Anlage B 7, Bl. 164 d. A.) und dem 27. Juli 1989
(Anlage B 8, Bl. 165 d. A.) erhielt der Architekt einen Versicherungsschein. Im letztgenannten heißt es auf S. 2:
„Anlagen: Satzung, H 051, H 101, H 104. Die nicht beigefügten Anlagen liegen Ihnen bereits vor.“
Ob die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Betriebs und Privathaftpflichtversicherung (AVB) H 051“ (Anlage
B 9, Bl. 168 d. A., die als Anlage B 3 vorher vorgelegten AVB stammen aus dem Jahr 1998) in den Vertrag
einbezogen wurden, ist zwischen den Parteien im Streit. Es heißt in den AVB unter § 16 Ziff. 6 (Bl. 172 d. A.), dass
es dem Versicherten nicht gestattet ist, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers gegen ihn erhobene
Haftpflichtansprüche anzuerkennen, und ansonsten der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, es sei
denn, dass nach den Umständen der Versicherte die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare
Unbilligkeit verweigern konnte.
Im Jahr 1991 beauftragte der Kläger den Architekten S. mit der Planung, Bauüberwachung und Objektbetreuung für
den Um und Ausbau seines Anwesens E.straße in L., einem Ortsteil von W.. er hatte sämtliche Leistungsphasen zu
erbringen (Beiakten 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl. 43 d. A.). Unter anderem hinsichtlich des Trockenbaus
und der Erneuerung des Daches traten erhebliche Mängel auf. In einem selbständigen Beweisverfahren machte der
Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juli 1996 gegenüber der R. GmbH und dem Architekten S. Mängel geltend (8 OH
16/96 Landgericht Lüneburg). Mit Schriftsatz vom gleichen Tag machte der Kläger gegenüber dem Baubetrieb St.,
der insbesondere mit den Arbeiten an den Dächern der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude beauftragt war,
sowie dem Architekten S. Mängel geltend (8 OH 18/96 Landgericht Lüneburg). Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom
19. September 1997 vor dem Landgericht Lüneburg (Beiakten 5 O 156/04, ursprünglich 8 O 374/97) gegen die mit
dem Trockenausbau beauftragte R. GmbH und den Architekten S. Klage auf Kostenvorschuss bzw. auf Zahlung von
Schadensersatz wegen Mängeln bei der Ausführung bzw. mangelhafter Objektüberwachung hinsichtlich der Dach
und Trockenbauarbeiten auf Zahlung von 169.395,00 DM. Soweit die Klage auch gegen die Firma R. wegen der
Trockenbauarbeiten gerichtet war, endete der Rechtsstreit mit einem Vergleich, der in der mündlichen Verhandlung
vom 30. April 2003 geschlossen wurde, und worin sich die Firma R. verpflichtete, an den Kläger zur Abgeltung
sämtlicher wechselseitigen Ansprüche einen Betrag von 18.750,00 € zu zahlen (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht
Lüneburg, Bl. 586). Gegenüber dem Architekten hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Januar 2000 (ebenda, Bl.
302) die Klage dahingehend erweitert, dass dieser an den Kläger 141.972,40 DM und weitere 89.320,32 DM
(insgesamt 231.292,72 DM) zu zahlen habe.
Im Jahr 2002 wurde über das Vermögen des Architekten das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des
Amtsgerichts Schwarzenbeck vom 12. August 2002, 1b IN 155/02, ebenda, Bl. 521). Mit einem an den
Bevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben vom 26. November 2002 (Anlage K 3, Bl. 14 d. A.) trat der
Insolvenzverwalter „einen möglichen Befreiungsanspruch des Schuldners P. S. gegen die V.“ ab. Mit Schriftsatz
vom 10. Mai 2004 nahm der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Architekten S. den Rechtsstreit auf und
verkündete der Beklagten den Streit (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl. 592). diese sei die
Haftpflichtversicherung des Schuldners und außergerichtlich nicht bereit gewesen, für den Schuldner im
Unterliegensfalle einzutreten. Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2004 trat die hiesige Beklagte dem Rechtsstreit auf Seiten
des beklagten Architekten bei (ebenda, Bl. 620). Mit weiterem Schriftsatz vom 30. August 2004 beantragte sie
Klagabweisung (ebenda, Bl. 646).
Am 6. April 2005 erging ein TeilGrundurteil (ebenda, Bl. 716, sowie Anlage K 1, Bl. 5 d. A.), wonach die Klage
gegenüber dem Architekten dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet wurde. Nach dem bisherigen Ergebnis der
Beweisaufnahme stehe außer Frage, dass die Bauarbeiten an dem Wohnhaus des Klägers mit erheblichen Mängeln
behaftet gewesen seien. der Architekt hafte für die zur Mängelbeseitigung notwendigen Kosten dem Grunde nach auf
Schadensersatz.
Im August 2006 wurde die vom Kläger angemeldete Forderung in Höhe von 118.258,08 € Schadensersatz sowie
Zinsen und Kosten, insgesamt 157.971,87 €, vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt (Anlage K 2, Bl. 13 d.
A.). In Unkenntnis dieses Umstandes setzte das Landgericht Lüneburg die Beweisaufnahme fort. Unter dem 4. Juli
2007 erstattete der Dipl.Ing. Architekt St. ein schriftliches Gutachten (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl.
886 ff.). Dieser ermittelte Mängelbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 136.706,15 € brutto (S. 7 des
Gutachtens). Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts Schwarzenbeck vom 24.
Januar 2007 (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl. 961) und Zahlung in Höhe von 12.600,00 € am 15. Mai
2006 stellte der Kläger im Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg unter dem 23. Oktober 2007 einen neuen Antrag
(ebenda, Bl. 969), nämlich auf Zahlung von 118.258,08 €. Nachdem der Beklagte zu 2 persönlich auf die erfolgte
Feststellung zur Insolvenztabelle hingewiesen hatte, erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 14. April 2007 (ebenda,
Bl. 983) in Höhe des festgestellten Betrages von 118.258,08 € nebst Zinsen bis zum 12. August 2002 den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und machte lediglich noch weitere Zinsen geltend. Der beklagte Architekt
schloss sich der Erledigungserklärung (anders als im angefochtenen Urteil dargestellt) nicht an (ebenda, Bl. 994). Mit
Schlussurteil vom 7. März 2008 verurteilte das Landgericht den beklagten Architekten zur Zahlung weiterer Zinsen
und legte ihm den größten Teil der Kosten auf (ebenda, Bl. 1020). Die dagegen gerichtete Berufung des beklagten
Architekten nahm dieser vor dem 5. Zivilsenat (5 U 51/08) zurück.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger nunmehr aus abgetretenem Recht von der Beklagten den vom
Insolvenzverwalter festgestellten Betrag in Höhe von 157.971,87 €, abzüglich der erhaltenen Quote in Höhe von
755,44 € und der Zahlung der Beklagten vom 15. Mai 2006 in Höhe von 12.600,00 €, mithin 144.616,43 € nebst
Zinsen. Die Beklagte zahlte an den Kläger jedenfalls insgesamt 58.862,98 € (Schriftsätze des Klägers vom 3. und
vom 25. November 2008, Bl. 72 a und 120 d. A.).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Haftpflichtanspruch des Architekten sei i. S. v. § 154 VVG durch das
Grundurteil des Landgerichts Lüneburg bzw. durch das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters festgestellt. Auf das
Abtretungsverbot könne sich die Beklagte nicht berufen. Das Anerkenntnisverbot in § 16 Ziff. 6 AVB H 051 greife
nicht, da diese AVB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien, ebensowenig wie die Besonderen
Bedingungen BBR AI (Anlage B 4, Bl. 81 d. A.). Überdies sei durch das im Vorprozess vor dem Landgericht
Lüneburg eingeholte Sachverständigengutachten St. vom 4. Juli 2007 der Kausalitätsgegenbeweis erbracht worden.
die vom Insolvenzverwalter anerkannte Forderung sei höher als die vom Sachverständigen angenommenen
Mängelbeseitigungskosten. Schließlich hat der Kläger gemeint, dass der Anspruch nicht daran scheitere, dass
lediglich eine Deckungssumme von 150.000,00 DM/76.693,78 € vereinbart worden sei, da es sich um
Objektüberwachungsmängel hinsichtlich verschiedener Gewerke handele und deswegen auch mehrere
Schadenereignisse vorlägen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 144.616,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab
22. Mai 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ein wirksames Anerkenntnis liege nicht vor. Dem Versicherungsnehmer sei eine Obliegenheitsverletzung
vorzuwerfen, da der Insolvenzverwalter entgegen § 16 Nr. 6 AVB, die auch wirksam vereinbart worden seien, den
Haftpflichtanspruch anerkannt habe. Schließlich sei die Deckungssumme ausgeschöpft, da es sich um ein
Schadenereignis handele.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Beklagte sei wegen einer Obliegenheitsverletzung des Insolvenzverwalters, die sich der Versicherungsnehmer
S. wie eigenes Handeln zurechnen lassen müsse, in Form eines Verstoßes gegen das Anerkenntnisverbot
leistungsfrei geworden. Die AVB seien auch wirksam vereinbart und damit Vertragsbestandteil geworden. Der
Versicherungsschein sei eine Urkunde, die die (außerhalb des § 5 VVG) widerlegbare Vermutung der Vollständigkeit
habe. Angesichts der eindeutigen Vertragsurkunde sei die bloße, im Einzelnen nicht belegte Behauptung des
Klägers, die im Streit stehenden AVB seien als AGB nicht wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen worden,
ohne Substanz.
Durch die Feststellung der angemeldeten Schadensersatzforderung zur Tabelle habe der Insolvenzverwalter objektiv
gegen die Obliegenheit, Haftpflichtansprüche ohne vorherige Zustimmung des Versicherers nicht anzuerkennen,
verstoßen. Die widerspruchslose Feststellung durch den Insolvenzverwalter sei wegen der Gleichstellung mit einem
rechtskräftigen Urteil einem Anerkenntnis durch den Versicherungsnehmer gleichzusetzen. Den Verstoß habe der
Insolvenzverwalter zumindest grob fahrlässig begangen. Dieser habe unstreitig Kenntnis von dem
Versicherungsverhältnis gehabt und habe dafür Sorge tragen müssen, dass die Verpflichtungen aus dem
Versicherungsvertrag eingehalten werden. Er habe sich Gewissheit darüber verschaffen müssen, ob die vereinbarten
Versicherungsbedingungen ein Anerkenntnis zuließen.
Der Kläger habe den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis nicht geführt. Dieser lasse sich nicht allein mit dem
pauschalen Hinweis darauf, dass die von dem Sachverständigen St. ermittelten Mängelbeseitigungskosten höher
gewesen seien als die anerkannte Forderung, begründen. Aus dem bloßen Vergleich der Summen lasse sich nicht
mit der notwendigen Sicherheit entnehmen, dass die Beklagte für den vom Insolvenzverwalter anerkannten
Anspruch auch ohne Obliegenheitsverletzung hätte aufkommen müssen. Geführt wäre der Kausalitätsgegenbeweis
nur, wenn die Mängelbeseitigungskosten, die der Insolvenzverwalter auf die einzelnen Gewerke bezogen anerkannt
habe, genau in dieser Höhe auch in dem Gutachten St. betätigt würden, was nicht ersichtlich sei. Ergänzend sei
darauf hinzuweisen, dass in dem Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg gegen das Gutachten des
Sachverständigen zwar keine Einwendungen erhoben worden seien, gegen ein Urteil des Landgerichts Lüneburg aber
noch Rechtsmittel eröffnet gewesen wären.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag
weiterverfolgt.
Der Kläger rügt, dass die Frage, ob die AVB H 051 mit dem Anerkenntnisverbot in den Versicherungsvertrag
einbezogen worden seien, durch die Vernehmung des Zeugen S. hätte aufgeklärt werden müssen. Entgegen der
Auffassung des Landgerichts sei ihm, dem Kläger, in Bezug auf die Einbeziehung der AVB ein substantiierterer
Vortrag nicht möglich gewesen. Einen erforderlichen Hinweis habe das Landgericht unterlassen. Der Grundsatz der
Vollständigkeit und Richtigkeit sei zwar auch auf Versicherungsscheine anzuwenden, aber nicht in Bezug auf die
Einbeziehungsvoraussetzungen. Die Einbeziehungsklausel verstoße vorliegend überdies gegen AGBVorschriften.
Die Auffassung des Landgerichts, dem Insolvenzverwalter sei grobe Fahrlässigkeit durch die Feststellung des
Anspruchs zur Tabelle vorzuwerfen, treffe nicht zu. Der Insolvenzverwalter habe mit Schreiben vom 4. Februar 2003
(Anlage K 11, Bl. 279 d. A.) bei der Beklagten nach dem Bestand einer Haftpflichtversicherung gefragt, aber keine
Antwort erhalten. Eine Deckung habe die Beklagte, soweit ein Betrag von 12.000,00 € überschritten werde, immer
abgelehnt. Damit hätten die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers geendet. Mit der Zahlung des Betrages von
12.600,00 € im Mai 2006 habe es für den Versicherungsnehmer und den Insolvenzverwalter keine Obliegenheiten
mehr gegeben, die einzuhalten gewesen wären. Mit ihrer Passivität habe die Beklagte überdies ein eigenes
Fehlverhalten begangen.
Weiter seien auch die Ausführungen des Landgerichts zum Kausalitätsgegenbeweis nicht richtig. Auf eine genaue
Identität der Zahlen nach dem Sachverständigengutachten und dem vom Insolvenzverwalter zur Tabelle
festgestellten Betrag komme es nicht an. Die vom Sachverständigen St. (im Jahr 2007) ermittelten Zahlen hätten
deutlich über denen gelegen, die vorher aktuell gewesen seien.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 14.08.2009, 13 O 108/08, zugestellt am 19.08.2009,
die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Kläger Euro 144.616,43 nebst Jahreszinsen von 5
%Punkten über dem Basiszinssatz ab Klagzustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Vortrag des Klägers zum angeblichen Nichterhalt der AVB durch den
Architekten S. und damit deren Nichteinbeziehung sei ins Blaue hinein erfolgt, sodass eine Beweisaufnahme nicht
erforderlich gewesen sei. Bloßes Bestreiten sei ungenügend gewesen. Da der Kläger aus abgetretenem Recht
vorgehe, müsse er sich die Kenntnisse des S. zurechnen lassen. Auf die Formulierung in dem Nachtrag zum
Versicherungsschein aus dem Jahr 1989 und damit auf die Frage der AGBrechtlichen Zulässigkeit komme es nicht
an. Aus den Anlagen B 7 und B 10 ergebe sich, dass sämtliche Vertragsunterlagen zusammen mit dem
Versicherungsschein an den Versicherungsnehmer übersandt worden seien.
Dass die Feststellung zur Tabelle ein unzulässiges Anerkenntnis darstelle, habe das Landgericht rechtsfehlerfrei
angenommen. Der dazu mit den Anlagen K 10 bis K 14 belegte Sachvortrag des Klägers sei neu und verspätet.
Davon unabhängig sei es unzutreffend, dass Obliegenheiten erloschen seien. Eine Ablehnung der Deckung durch die
Beklagte liege nicht vor. Sie habe sich lediglich gegen die Höhe ihrer Deckungsverpflichtung gewandt. Gegen die
Obliegenheit habe der Insolvenzverwalter verstoßen. Nach dem neuen Vortrag des Klägers sei die
Obliegenheitsverletzung umso offensichtlicher, da dieser hiernach eine positive Kenntnis von der Verneinung eines
Anspruchs gegen den Architekten durch die Beklagte in der später von ihm zur Tabelle festgestellten Höhe gehabt
habe. Die Feststellung sei also nicht nur ohne die Zustimmung der Beklagten, sondern gegen deren erklärten Willen
erfolgt. Rechtsfehlerfrei seien auch die Ausführungen zum Kausalitätsgegenbeweis. Die als Anlage K 15 vorgelegte
Tabelle stelle neuen Sachvortrag dar und müsse unberücksichtigt bleiben. Aber auch inhaltlich könne diese Tabelle
einen Kausalitätsgegenbeweis allenfalls teilweise begründen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die
beigezogenen Akten 8 OH 16/96, 8 OH 18/06 und 5 O 156/04, je Landgericht Lüneburg, das angefochtene Urteil, die
Protokolle der mündlichen Verhandlungen und die (Hinweis)Beschlüsse des Senats vom 18. März und vom 8. April
2010 verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass
die AVB der Beklagten, die dem Versicherungsvertrag mit dem Kläger zugrunde liegen, genehmigt und damit
wirksam wurden (1.). Schließlich steht die Versicherungssumme dem Kläger zwar nicht von vornherein nur einmal
zu, Fehler hinsichtlich der vorliegend nicht ausreichend zu trennenden Gewerke Trockenbau und Dach lösen den
Anspruch auf die Versicherungssumme aber nur einmal aus (2.).
1. Nach § 16 Ziff. 6 der von der Beklagten als Anlage B 9 vorgelegten AVB H 051 ist es dem Versicherten nicht
gestattet, irgendwelche Haftpflichtansprüche, die gegen ihn erhoben werden, ohne vorherige Zustimmung des
Versicherers ganz oder teilweise anzuerkennen oder zu befriedigen oder einen Vergleich über dieselben
abzuschließen, widrigenfalls der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, es sei denn, dass nach den
Umständen der Versicherte die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte.
Diese AVB sind allerdings in den Versicherungsvertrag zwischen dem Architekten und der Beklagten nicht wirksam
einbezogen worden. Für die Einbeziehung gilt vorliegend nicht § 5 a VVG a. F. Diese Vorschrift ist erst auf solche
Versicherungsverträge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1994 abgeschlossen worden sind (vgl. nur
Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., Rdnr. 5 zu § 5 a). Richtig ist die Annahme des Landgerichts, dass der Grundsatz
der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde auch für den Versicherungsschein gilt. Damit ist
noch nichts gesagt über solche Erklärungen, die nicht Teil des Versicherungsscheins selbst sind.
Nach § 23 Abs. 3 AGBGesetz wurden vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen genehmigte AVB auch
ohne Einhaltung der Einbeziehungserfordernisse des § 2 AGBGesetz Bestandteil des Versicherungsvertrages.
Angesichts der durch die Genehmigung vermittelten „Angemessenheitsgewähr“ und des allgemein vorhandenen
Wissens um die Verwendung von AVB führte der widerspruchslose Abschluss des Versicherungsvertrages ohne
weiteres zum Einverständnis mit den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verwendeten AVB (vgl. nur OLG Celle,
RuS 1985, 201. OLG Düsseldorf, VersR 1996, 749. LG Freiburg, 5 O 605/89. Urteil vom 2. Februar 1990, zit. nach
juris).
Es steht aber nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die AVB der Beklagten, die dem Versicherungsvertrag
mit dem Kläger zugrunde liegen, genehmigt und damit wirksam wurden. Auf entsprechende Bedenken hat der Senat
die Beklagte bereits mit Beschluss vom 8. April 2010 hingewiesen. Zu dieser Zeit hatte die Beklagte im Anschluss
an die erste mündliche Verhandlung vor dem Senat lediglich - als Anlage BE 1 zum Schriftsatz vom 16. März 2010 -
ein Schreiben des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 14. Januar 1982 vorgelegt. Der Senat hat
im Beschluss vom 8. April 2010 bereits darauf hingewiesen, dass das von der Beklagten vorgelegte Schreiben des
Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 14. Januar 1982 betreffend einzelne Bestimmungen der
AHB und AVB der Beklagten möglicherweise nicht ausreichend belegt, dass die hier in Rede stehenden
Versicherungsbedingungen (Anlage B 9), die kein Datum tragen, bei Abschluss des Versicherungsvertrages
genehmigt waren und deshalb § 23 Abs. 3 AGBGesetz Anwendung findet. Dagegen wendet sich die Beklagte in
ihrem Schriftsatz vom 19. Juli 2010. Dass die AVB genehmigungsfähig waren und ohnehin gleichlautende AVB auch
genehmigt wurden, dürfte dabei zwar ohne Weiteres zutreffen. Das allerdings genügt nicht den Anforderungen von §
23 Abs. 3 AGBGesetz, wie der Senat in der letzten mündlichen Verhandlung bereits ausgeführt hat. Der BGH hat
entschieden, dass sogar eine möglicherweise erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags erteilte Genehmigung
- Genehmigungsfähigkeit lag damit bei Vertragsschluss also vor - nicht genügt (VersR 1986, 672). § 23 Abs. 3
AGBGesetz erleichterte die Einbeziehung von AVB. § 2 AGBGesetz blieb daneben anwendbar, woraus sich aber
gleichfalls für die Beklagte nichts ergibt. In dem Versicherungsschein wird zwar auf die hier in Rede stehenden AVB,
die ´H…´ hingewiesen, aber das war nicht mehr ´bei Vertragsabschluss´ i. S. v. § 2 AGBGesetz (s. a. BGH, NJW
1992, 1232, unter II. 2. a). Dass der Architekt bereits bei Unterzeichnung des Versicherungsantrags Gelegenheit
hatte, von den AVB Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH, VersR 1986, 672), behauptet auch die Beklagte nicht. Diese hat
lediglich vorgetragen (Bl. 155), dass in dem vom Architekten unterzeichneten Antrag (B 10), was insoweit auch
zutrifft, auf AVB hingewiesen wurde, wobei diese aber bei Abgabe des Angebots nicht vorlagen und überdies nicht
klar ist, welche AVB in welcher Fassung Vertragsbestandteil werden sollten. Nicht zutreffend ist es weiter, wenn die
Beklagte auf § 24 AGBGesetz abstellt. Der Architekt war nicht im Sinne von § 24 AGBGesetz Kaufmann, auf die
Eigenschaft als Unternehmer stellte das AGBRecht, was die Beklagte verkennt, erst später ab. darauf hat der Senat
bereits im Beschluss vom 8. April 2010 hingewiesen.
Schließlich trifft nicht die im Schriftsatz der Beklagten vom 24. August 2010 vertretene Auffassung zu, dass die
Genehmigung sämtlicher genehmigungspflichtiger AVB gerichtsbekannt sei. Eine solche amtliche Kenntnis im Sinne
von § 291 ZPO hat der Senat nicht. Der Senat kann nicht einmal behaupten, dass er alle genehmigungsbedürftigen
AVB kennt, womit überdies die Frage der Kenntnis der Genehmigung, die sich wegen Zeitablaufs auch nur noch
selten stellen dürfte, nicht beantwortet wäre.
Damit geht der Senat davon aus, dass die AVB H … nicht in den Versicherungsvertrag zwischen dem Architekten
als Versicherungsnehmer und der Beklagten einbezogen worden sind mit der Folge, dass es auf die sich aus einer
Geltung der AVB ergebenden Fragen, wie insbesondere das Anerkenntnisverbot und dessen Verletzung durch den
Insolvenzverwalter und weiter die Folgen einer solchen Obliegenheitsverletzung nicht mehr ankommt.
2. Der Anspruch des Klägers besteht in der ausgeurteilten Höhe.
a) Die Beklagte hat bereits vorgerichtlich die Auffassung vertreten, es liege insgesamt nur ein Versicherungsfall vor,
und die Deckungssumme sei „fast ausgeschöpft“ (Schreiben der Beklagten vom 16. Dezember 2003, Anlage K 14,
Bl. 282 d. A., der Vortrag zu den erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Anlagen K 10 bis K 14 ist neu, aber
nicht bestritten). Ausweislich des Versicherungsscheins vom 27. Juli 1989 (Anlage B 8, Bl. 165 d. A.) lag die
Deckungssumme bei 150.000,00 DM. Unstreitig ist eine Zahlung der Beklagten am 15. Mai 2006 (S. 3 der
Klagschrift sowie Bl. 20) in Höhe von 12.600,00 €. In der Klagschrift hat der Kläger weitere Leistungen der Beklagten
nicht in Abzug gebracht (sondern nur eine Quote vom Insolvenzverwalter in Höhe von 755,44 €, ebenda). In der
Klagerwiderung hat die Beklagte eine Vielzahl weiterer Zahlungen behauptet (Aufstellung S. 6 des Schriftsatzes vom
17. Juli 2008, Bl. 41 d. A.), unter Einbeziehung der Zahlung von 12.600,00 € am 11. Mai 2006 insgesamt 69.247,56
€, sodass nur noch ein Restbetrag von 7.446,22 € verlangt werden könne, bis die Deckungssumme von 76.693,78 €
ausgeschöpft sei. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. September 2008 denkbar vage erklärt, „es mag
eine oder zwei Zahlungen gegeben haben, mehr aber wohl nicht“ (Bl. 63 d. A.). Im Schriftsatz vom 3. November
2008 heißt es dann, von den beklagtenseits behaupteten Zahlungen habe der Kläger 20.310.38 DM nichts
bekommen, allenfalls der Architekt. insgesamt habe er, der Kläger, 58.862,98 € erhalten (womit nur eine Differenz
zur Deckungssumme von 17.830,80 € verbliebe). Erst auf den Hinweis des Senats im Beschluss vom 8. April 2010
hin hat der Kläger näher dazu vorgetragen, worauf die Beklagte ihre Leistungen erbracht hat, nämlich im Schriftsatz
vom 3. Mai 2010. Danach betreffen die erbrachten Leistungen der Beklagten ganz überwiegend Ansprüche des
Klägers gegen den Architekten S. in einer Angelegenheit betreffend die Gewerke Fenster und
Heizkörperverkleidungen der Tischlerei H. (8 O 474/97 Landgericht Lüneburg / 16 U 182/99 OLG Celle), freilich mit
Ausnahme von 12.600 € (Bl. 368, 372 d. A.). Die Beklagte hat den Vortrag nicht bestritten, so dass seiner
Berücksichtigung durch den Senat nichts entgegensteht. Um diese Gewerke Fenster und Heizkörperverkleidungen
geht es vorliegend nicht, so dass die Versicherungssumme von 150.000 DM noch überwiegend zur Verfügung steht.
Was diese Versicherungssumme angeht, geht es auch nicht um die Frage der Einbeziehung von AGB oder die §§ 5,
5a VVG a. F., weil die Versicherungssumme sich bereits aus dem Versicherungsantrag (B 10) ebenso wie aus dem
Versicherungsschein (Anlage B 7) ergibt. Darauf, dass die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19. Juli 2010 nur noch
Zahlungen in Höhe 51.094,39 € und damit einen Rest von 25.599,39 € behauptet, kommt es nicht mehr an.
Wie in der letzten mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, sieht der Senat keinen ausreichenden Anlass, von
vornherein nur von einem einheitlichen Versicherungsfall auszugehen. Versichert war die berufliche Tätigkeit des
Architekten. Dieser hatte gegenüber dem Kläger als seinem Vertragspartner Pflichten, die sich aus diesem
Vertragsverhältnis ergeben. Insbesondere hatte der Architekt Leistungen der Bauleitung und Bauaufsicht zu
erbringen, damit das Bauwerk plangerecht und mangelfrei errichtet wird. Diesen Erfolg aus dem (Werk )Vertrag hat
der Architekt nicht oder jedenfalls nicht vollständig erbracht.
Der Kläger geht hier von zwei Gewerken aus: Dachdeckerarbeiten und Trockenbau (Bl. 56). Dafür waren zwei
unterschiedliche Firmen beauftragt. Demgegenüber lässt sich im vorliegenden Zusammenhang nicht sagen, es
handele sich um einen einheitlichen Vertrag mit dem Gegenstand ´Umbau eines zur Zeit landwirtschaftlich genutzten
und denkmalgeschützten Hofgebäudes zu einem Wohnhaus´ (Anlage ASt 4 in 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl.
43 ff.), wobei alle Leistungsphasen vereinbart waren (Beiakten 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl. 43). In diesem
Sinne, dass nämlich für ein einzelnes Bauvorhaben die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung steht, ist
auch I. 3. BBR Al in der Vergangenheit verstanden worden (s. OLG Hamm, VersR 1978, 52. Neuenfeld, VersR 1981,
608, 611). Eine differenzierende Ansicht hat demgegenüber das OLG Köln vertreten, freilich ebenfalls in einer älteren
Entscheidung (VersR 1980, 521). Die Versicherungssumme stehe für jeden der drei Arbeitsbereiche des Architekten,
nämlich Planung, Oberleitung und Bauaufsicht, zur Verfügung. Abzugrenzen ist das aber im Einzelfall nur schwer.
Die Abgrenzung erscheint auch willkürlich. Diese Auffassung ist wiederholt in der Literatur kritisiert worden. Auch der
Senat schließt sich ihr nicht an. Auch das jedenfalls überwiegende neuere Schrifttum scheint davon auszugehen,
dass es eine Regel ´ein Bauvorhaben, ein Verstoß, ein Versicherungsfall´ nicht oder nicht mehr gibt (vgl. z. B.
Beckmann/Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., Rdnr. 223).
Der Senat vertritt die Auffassung, dass es keine Veranlassung gibt, regelmäßig nur von einem Versicherungsfall
auszugehen, auch dann nicht, wenn es sich um ein einheitliches Bauvorhaben handelt (das ohnehin im Einzelfall
erheblichen Umfang haben kann). So wie ein versichertes Fahrzeug nicht nur einmal beschädigt werden kann und
mehrere Unfälle oder andere Schadensfälle jeweils wieder einen Versicherungsfall darstellen und den Versicherer zu
Leistungen verpflichten können, muss dies auch im vorliegenden Zusammenhang gelten. Nur so lässt sich auch
dem Sinn der Berufshaftpflichtversicherung entsprechen. Wenn der Architekt mehrere Fehler macht und seinem
Auftraggeber dadurch mehrfach Schäden entstehen, muss die Versicherung dem korrespondieren und muss es
zumindest in Betracht kommen, dass mehrfach Ansprüche gegen den Versicherer bestehen. Der Senat sieht sich
durch den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt aber nicht veranlasst, solche Abgrenzungskriterien zu entwickeln,
die allgemeingültig sind. Klar muss sein, dass die Abgrenzung, ob ein Versicherungsfall vorliegt oder mehrere
gegeben sind, nur im Einzelfall und in wertender Betrachtung erfolgen kann.
Bei den Bauarbeiten traten erhebliche Mängel auf. Dazu sind in den Verfahren, deren Akten beigezogen wurden,
umfangreiche Begutachtungen erfolgt, denen die Beklagte nicht näher widersprochen hat und die der Senat zugrunde
legt. Unter dem 4. Juli 2007 erstattete der Dipl.Ing. Architekt St. ein schriftliches Gutachten (Beiakten 5 O 156/04
Landgericht Lüneburg, Bl. 886 ff.). Dieser ermittelte Mängelbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 136.706,15 €
brutto (S. 7 des Gutachtens). Darauf stützt sich der Kläger im Wesentlichen (s. zuletzt Schriftsatz vom 3. Mai
2010). Der Kläger hatte bereits während des Rechtsstreits umfangreiche Sanierungsarbeiten vornehmen lassen.
Diese wurden vom Dipl.Ing. H. begleitet. Auf dessen Unterlagen und v. a. auf die Rechnung der die
Sanierungsarbeiten durchführenden Firma H. GmbH stützt sich im Wesentlichen das Gutachten St. Die
Schlussrechnung dieser Firma endet mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 137.007,57 € (Beiakten 5 O 156/04
Landgericht Lüneburg, Bl. 902). Mit dieser Rechnung sind dem Kläger nicht nur reine Dachdeckerarbeiten in
Rechnung gestellt worden, sondern auch der Einbau mehrerer Dampfbremsen, der Einbau von Fermacellplatten und
(sonstige) Dämmarbeiten (ebenda, Bl. 894 f.). Solche Arbeiten hat der Kläger freilich dem Trockenbau zugeordnet
(Bl. 56 f. d. A.). Klagweise in Anspruch genommen hat er in dem Rechtsstreit 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg auch
den Trockenbauer, u. a. mit der Begründung aus der Klagschrift, bei den Dachschrägen fehlten unterhalb der
Dämmschicht die Diffusionsbremse und die Luftsperre, so dass die Wärmedämmung mangelhaft sei. Außerdem
geht es um Mängel bei der Dämmung zwischen den Sparren des Dachgeschosses. Der Einbau von Dampfbremsen
und Dampfsperren findet sich nicht nur in der Rechnung der Firma H., sondern auch im
NachtragsBauleistungsauftrag des Klägers mit dem Trockenbauer (Beiakten 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl.
22, 27). Neben der mangelhaften Ausführung von (Trockenbau)Wänden wurde dem Trockenbauer in dem genannten
selbständigen Beweisverfahren v. a. vorgeworfen, Fehler im Bereich des Daches gemacht zu haben, nämlich
insbesondere im Bereich des Daches eine mangelhafte Wärmedämmung hergestellt zu haben. insbesondere fehle
eine durchgehende Dampf und Windsperre (Beiakten 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl. 2). In dem Gutachten in
dem genannten selbständigen Beweisverfahren, erstellt durch den Dipl.Ing. R., heißt es, ´das gesamte Dach ist
grundsätzlich falsch und daher mangelhaft´ (Gutachten, S. 11). Die fehlerhafte Dämmung, fehlende Winddichtung
und mangelhafte Fugenandichtungen habe das Dachgeschossausbaugewerk, die Fa. R., zu vertreten (ebenda, S.
16). Andererseits war die Fa. St. nicht nur für das Gewerk Dachdeckung verantwortlich. Dieser Firma sind in dem
selbständigen Beweisverfahren 8 OH 18/96 Landgericht Lüneburg auch nicht nur Fehler bei der Dachdeckung
vorgeworfen worden, sondern z. B. auch mangelhafter Putz der Innenwände, sowie auch Mängel am
Außenmauerwerk und dem Fundament. Vor diesem Hintergrund sieht sich der Senat schon zu einer genauen
Trennung der Gewerke Dachdeckerarbeiten und Trockenbau nicht in der Lage. Die Annahme zweier
Versicherungsfälle im Rahmen dieses Rechtsstreits kommt damit nicht in Betracht.
b) Die Gewerke Fenster und Heizkörperverkleidungen der Tischlerei H. (8 O 474/97 Landgericht Lüneburg / 16 U
182/99 OLG Celle, Anlage K 16) stehen mit dem bisher erörterten Sachverhalt in keinem inneren Zusammenhang.
Dem Architekten S. wurde ausweislich der überreichten Urteile in dem genannten Rechtsstreit zu Recht vorgeworfen,
die Tischlerei H., die mangels ausreichender finanzieller Mittel Fenster nicht kaufen konnte, sondern, wie der
Architekt gewusst habe, selbst nachbauen musste, nicht ausreichend überwacht und die gefertigten, schwer
mangelbehafteten Fenster, die keine einfachen Industriefenster gewesen seien, vor dem Einbau und vor Freigabe
der Abschlagsrechnung nicht überprüft zu haben. Von den weiteren Gewerken Dachdeckerarbeiten und Trockenbau
lassen sich die Fenster und Heizkörperverkleidungen als eigenes Gewerk trennen, so dass insoweit ein eigener
Versicherungsfall vorliegt. Die diesbezüglich von der Beklagten an den Kläger erbrachten Leistungen schmälern
damit den Anspruch des Klägers von vornherein nicht.
Dass man auch diesen Mangel in der Leistung des Architekten dem Bereich der Bauüberwachung zuordnen kann,
hält der Senat nicht für ausschlaggebend. Der Kläger selbst hat zwar die Auffassung vertreten, die
Pflichtverletzungen des Architekten lägen vorliegend vorwiegend im Bereich der Bauaufsicht (Antragsschriftsatz in 8
OH 16/96 Landgericht Lüneburg, S. 4, sowie S. 7 der Klagschrift in 8 O 374/97/5 O 156/04). Dann aber, wenn die in
Rede stehenden Gewerke miteinander in keiner Verbindung stehen, außer, dass es um dasselbe Objekt geht, taugt
der Begriff der Bauüberwachung nach Ansicht des Senats nicht als Klammer, die dazu führen würde, ganz
unterschiedliche Fehler doch zu verklammern und wiederum nur zur Annahme eines einzigen Versicherungsfalls zu
gelangen. Selbst wenn man von Fehlern bei der Bauaufsicht für alle hier in Rede stehenden Mängel ausgehen wollte,
änderte dies nichts daran, dass solche Fehler bei Begutachtung der Fenster nicht in einem nicht trennbaren
Zusammenhang mit Fehlern hinsichtlich Dach und Trockenbau stehen.
Selbst im Sinne der BBR A… (Anlage B 4, Bl. 81), zu denen sich bereits der Beschluss des Senats vom 8. April
2010 kurz verhalten hat, liegt kein einheitlicher Versicherungsfall vor, denn hinsichtlich der beiden vom Senat
unterschiedenen Komplexe gibt es weder eine gemeinsame Fehlerquelle noch liegt ein einheitlicher Schaden vor.
c) Die Versicherungssumme beträgt 76.693,78 €, darüber hinausgehende Beträge bleiben unberücksichtigt, ihre
genaue Höhe kann dahin stehen. Die im Zusammenhang mit den Gewerken Fenster und Heizkörperverkleidungen
der Tischlerei H. erbrachten Leistungen der Beklagten bleiben aus den angeführten Gründen unberücksichtigt.
Abzuziehen von der Forderung des Klägers ist der Selbstbehalt, der pro Versicherungsfall 5.000 DM bzw. 2.556,45 €
beträgt, so dass sich ein Betrag von 74.137,33 € ergibt.
Weiter abzuziehen ist die von der Beklagten im Mai 2006 (Bl. 20 d. A.) erbrachte Zahlung in Höhe von 12.600 €. Der
Kläger selbst hat diesen Betrag von seiner Klagforderung in Abzug gebracht. Er hat auch ausdrücklich vorgetragen,
dass diese Zahlung auf die hier in Rede stehenden Schäden, also insbesondere diejenigen am Dach und im Bereich
der Dämmung, erfolgt ist (zuletzt Schriftsatz vom 3. Mai 2010, Bl. 372 d. A.). Es ergibt sich daraus der dem Kläger
zugesprochene Betrag.
Nicht abzuziehen ist demgegenüber die Leistung des Insolvenzverwalters in Höhe von 755,44 €. Diese Zahlung hat
zwar den Schaden des Klägers gemindert, wie dieser auch nicht in Abrede genommen hat. Es ist aber nicht
ersichtlich, warum diese Leistung auf die Versicherungssumme anzurechnen sein sollte.
3. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht. Bei der Frage hinsichtlich
der Einbeziehung von AVB nach § 23 AGBGesetz handelt es sich um einen ´Altfall´. Der Begriff des
Versicherungsfalls im vorliegenden Zusammenhang hat, soweit ersichtlich, seit längerer Zeit die Gerichte nicht
beschäftigt. auch insoweit sieht der Senat damit keine ausreichende Veranlassung zur Zulassung der Revision.
… … …