Urteil des OLG Celle vom 02.04.2002

OLG Celle: operation, behandlungsfehler, verfügung, abrede, dokumentation, anatomie, vollstreckbarkeit, ausscheidung, lähmung, form

Gericht:
OLG Celle, 01. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 1 U 71/01
Datum:
02.04.2002
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 823
Leitsatz:
Keine ärztliche Dokumentationspflicht hinsichtlich solcher Befunde, die bei einer Behandlung
üblicherweise und regelmäßig vorzufinden sind (hier: das Vorhandensein von Narbengewebe im
Operationsfeld nach einer wiederholten Hüftoperation).
Volltext:
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil 1 U 71/01 19 O 1241/00 - 67 - Landgericht Hannover
Verkündet am 2. April 2002 #######, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem
Rechtsstreit pp. hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 18.
März 2002 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ############## sowie die Richter am
Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt: Die Berufung der Klägerin gegen das am
4. Oktober 2001 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Wert der Beschwer der
Klägerin: 19.940,38 Euro. Entscheidungsgründe Die Berufung ist unbegründet. 1. Aufklärungspflichtverletzung:
Eine fehlerhafte Aufklärung über Operationsrisiken wird im Berufungsverfahren nicht mehr ausdrücklich geltend
gemacht. Im Übrigen nimmt der Senat insoweit uneingeschränkt Bezug auf die Ausführungen unter Ziffer 2 der
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Danach kann eine Aufklärungspflichtverletzung schon deshalb
nicht vorliegen, weil die Klägerin im Rahmen des ärztlichen Aufklärungsgespräches auf die Möglichkeit einer
Nervenverletzung mit der Folge einer Gefühlsstörung oder Lähmung hingewiesen worden ist. 2. Behandlungsfehler:
a) Auch ein Behandlungsfehler - hier in Form einer fehlerhaft durchgeführten Operation - kann den Beklagten nicht
angelastet werden. Der Sachverständige ############## ist - unter Ausscheidung möglicher anderer
Schadensursachen - zu dem (insoweit unstreitigen) Ergebnis gelangt, die Schädigung des Nervus ischiadicus sei
durch Zug oder Druck der Haken, die zur Offenhaltung des Operationsfeldes eingesetzt werden müssen, verursacht
worden. Diese Schädigung ist nach der eindeutigen Stellungnahme des Sachverständigen als schicksalsbedingt und
nicht durch fehlerhaftes ärztliches Handeln verursacht anzusehen. Der Sachverständige hat dies dahingehend
erläutert, eine Nervenschädigung wie im vorliegenden Falle könne bei Hüft-Austausch-Operationen grundsätzlich
vorkommen. Ursächlich hierfür sei die Tatsache, dass es nach einer Hüft-Operation zur Bildung von Narbengewebe
komme, wodurch die ursprüngliche Anatomie verändert werde. Insbesondere könne es durch die Bildung von
Narbengewebe zu einer Fixierung des Nervus ischiadicus kommen. In einem solchen Fall sei die Dehnungstoleranz
des Nervens gemindert, da der Nerv mit der Umgebung fixiert und seine Gleitfähigkeit beeinträchtigt sei. b) Die
Klägerin kann mit ihrer gegenteiligen Auffassung, bei der zweiten Hüftaustauschoperation habe im Operationsfeld
kein Narbengewebe vorgelegen, eine Nervenschädigung sei mithin vermeidbar gewesen, nicht durchdringen. Die
Gutachten des Sachverständigen ############## vom 29. November 2000 und 5. Juni 2001 stützen diese
Auffassung nicht, sondern sprechen - wie ausgeführt - eindeutig für ein schicksalhaftes Geschehen. Die Klägerin
stellt zwar in der Berufungsinstanz das Vorhandensein von Narbengewebe im Operationsfeld in Abrede. Hiermit kann
sie aber schon aus prozessualen Gründen nicht gehört werden. Denn die Klägerin hat - worauf sie durch Verfügung
des Vorsitzenden vom 5. März 2002 bereits hingewiesen worden ist - mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 1.
August 2000 (Bl. 68 GA) das von den Beklagten in der Klagerwiderung vom 5. Juli 2000 (Bl. 49 GA) vorgetragene
Vorhandensein von Narbengewebe zugestanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus der
ärztlichen Dokumentation des Operationsgeschehens nichts Abweichendes. Zwar ist im Operationsbericht das
Vorhandensein von Narbengewebe nicht dokumentiert. Dies war aber aus medizinischen Gründen auch nicht
erforderlich. Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich nur die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen
Maßnahmen und Verlaufsdaten zu dokumentieren. Details sind nur anzugeben, wenn anders die Angaben nicht
hinreichend klar sind (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Aufl., Rn. 455 f.). Nicht dokumentationspflichtig
hingegen sind Befunde, die bei einer ärztlichen Behandlung üblicherweise und regelmäßig vorzufinden sind, also den
´Normalfall´ darstellen. Genauso verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Sachverständige hat keinen Zweifel daran
gelassen, dass es nach einer Hüftoperation nicht nur zur Bildung von Narbengewebe kommen kann, sondern dass
es in derartigen Fällen zur Bildung von Narbengewebe kommt, dies also der Normalfall ist
(Sachverständigengutachten vom 5. Juni 2001, S. 3, 4). Weiter hat der Sachverständige auch nicht in Frage gestellt,
dass trotz der Bildung von Narbengewebe aufgrund vorausgegangener Operationen ein übersichtlicher Situs - wie er
im vorliegenden Fall dokumentiert ist - gegeben sein kann. Der Senat hat mithin keinerlei Anlass, an den
überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen hinsichtlich der Schicksalhaftigkeit der Nervenverletzung zu
zweifeln. 3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 543
Abs. 2 ZPO). 4. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1 ZPO (Kosten des Berufungsverfahrens) und 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils). ############## ####### #######