Urteil des OLG Celle vom 05.05.2006

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Gericht:
OLG Celle, 17. Familiensenat
Typ, AZ:
Beschluss, 17 WF 60/06
Datum:
05.05.2006
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 114, BGB § 1612
Leitsatz:
1. In einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist darzulegen, dass ein Antragsteller
außerstande ist, die Prozesskosten im Wege eines durchsetzbaren
Prozesskostenvorschussanspruches zu realisieren.
2. Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Unterhaltsbestimmung gegenüber einem volljährigen
Kind.
3. Aus prozessökonomischen Gründen kann die Abänderung einer Unterhaltsbestimmung in einem
laufenden Verfahren auf Kindesunterhalt erfolgen.
Volltext:
17 WF 60/06
51 F 353/05 Amtsgericht Dannenberg (Elbe)
B e s c h l u s s
In der Familiensache
C. L.,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt N.
gegen
1. V. L.,
2. J. L.
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigte zu 1, 2:
Rechtsanwältin R.,
hat der 17. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht ..., die Richterin am
Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 5. Mai 2006 beschlossen:
Die als sofortige Beschwerde anzusehende Beschwerde der Antragstellerin vom 3. April 2006 gegen den Beschluss
des Amtsgerichts - Familiengericht - Dannenberg vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Die am 10. Juli 1985 geborene Antragstellerin ist die Tochter der Antragsgegner. Sie ist im März 2000 aus der
Wohnung ihrer Eltern ausgezogen und lebt seither mit ihrem Freund in einer Wohnung in P.. Die Gründe des
Auszuges sind zwischen den Parteien streitig. Die Antragstellerin befindet sich seit August 2005 in einer Ausbildung
zur Erzieherin und besucht zurzeit die Berufsbildenden Schulen L. - Fachschule für Sozialpädagogik . Der
Schulbesuch wird voraussichtlich bis zum 19. Juli 2006 dauern. Sie erhält Kindergeld in Höhe von 154 EUR sowie
Bafög in Höhe von zurzeit 161 EUR. Daneben ist sie als Übungsleiterin beim TUS G. tätig. Die Antragsgegner haben
seit dem Auszug der Antragstellerin keinen Kindesunterhalt geleistet. Mit Schreiben vom 5. August 2005 forderte die
Antragstellerin Auskunft über das Einkommen der Antragsgegner im Zeitraum vom 1. August 2004 bis 31. März
2005 und machte gleichzeitig einen Unterhalt von (vorläufig) 374 EUR geltend. Die Antragsgegner haben darauf nicht
reagiert. Mit der vorliegenden Stufenklage vom 19. September 2005 verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2006 haben die Antragsgegner Folgendes mitgeteilt:
„Von unserer Seite bestand und besteht noch immer kein Grund für diesen Auszug. Für ihren Unterhalt sowie den
Weg zur Ausbildungs und Praktikumsstelle wurde jederzeit von uns hier von K. aus Sorge getroffen. C. hatte und hat
noch immer zwei separate Zimmer mit Bad, in der sie mietfrei wohnen kann. Ihr wird und wurde regelmäßig
angeboten, diese auch weiterhin zu nutzen. ... Denn auch weiterhin besteht derzeit die Möglichkeit kostenfrei bei uns
zu wohnen (2 Zimmer mit Bad separat gelegen) und versorgt zu werden. Die Wege zur Schule und Ausbildung sind
selbstverständlich in der Unterhaltsversorgung enthalten.“
Mit Beschluss vom 29. März 2006 hat das Amtsgericht - Familiengericht -
Dannenberg den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Der Anspruch
auf Barunterhalt sei spätestens mit Schreiben vom 14. Januar 2006 durch eine wirksame Unterhaltsbestimmung der
Eltern erloschen (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB), die die Antragstellerin und das Familiengericht binde und nur im Wege
eines Abänderungsverfahrens beseitigt werden könne. Dieses Verfahren sei gesondert zu führen, funktional
zuständig sei der Rechtspfleger. Das Amtsgericht hat sodann der dagegen gerichteten Beschwerde vom 3. April
2006 nicht abgeholfen (Beschluss vom 20. April 2006).
II.
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO als sofortige Beschwerde anzusehende Beschwerde ist zulässig, insbesondere
fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht Prozesskostenhilfe
versagt. Die Begründung des Amtsgerichts trägt jedoch nicht. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Prozesskostenhilfe ist schon deshalb zu versagen, weil die Antragstellerin nicht dargetan hat, dass sie über kein
einzusetzendes Vermögen verfügt. Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, der auch gegenüber volljährigen
Kindern (BGH FamRZ 2005, 883) und auch dann besteht, wenn der Anspruch nicht in einer Summe, sondern nur in
Raten befriedigt werden kann (BGH FamRZ 2004, 1633), stellt einen einzusetzenden Vermögenswert im Sinne des §
115 Abs. 2 ZPO dar (BGH a. a. O.. Büte FF 2004, 272). Besteht der Anspruch zweifelsfrei und kann er problemlos
und zeitnah durchgesetzt werden, ist deshalb Prozesskostenhilfe zu versagen (KKFamRKlein, 2. Auflage, § 1360 a
Rn. 30. Büte FuR 2005, 59 f. 2006, 9 ff.). Deshalb ist in einem ordnungsgemäßen Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe darzulegen, dass ein Antragsteller außerstande ist, die Prozesskosten im Wege eines
durchsetzbaren Prozesskostenvorschussanspruches zu realisieren (so auch OLG Köln, FamRZ 1994, 1409. Klein
FuR 1996, 69). Statt der Darlegung, dass ein durchsetzbarer Prozesskostenvorschussanspruch nicht besteht, kann
auch in der Hauptsache Prozesskostenhilfe beantragt und im Wege der einstweiligen Anordnung die Zahlung eines
Prozesskostenvorschusses verlangt werden (Büte FF 2004, a. a. O.). Dann ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen mit
der Maßgabe, dass die vom vorschusspflichtigen gezahlten Vorauszahlungen an die Staatskasse abzuführen sind
(Büte FuR 2006, 9, 11. Ebert, Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen, § 2 Rn. 579).
2. Gemäß § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB können Eltern, die einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren haben,
bestimmen, in welcher Art der Unterhalt gewährleistet werden soll. Das gilt auch für die Unterhaltsgewährung nach
Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes (BGH FamRZ 1988, 831 = NJW 1988, 1974. FamRZ 1996, 798). Eine
wirksame Unterhaltsbestimmung muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein, also im Rahmen eines Gesamtkonzepts
alle notwendigen einzelnen und unterschiedlichen Leistungen anbieten (OLG Frankfurt FamRZ 2001, 116). Sie muss
daher grundsätzlich den gesamten Lebensbedarf eines Kindes umfassen, insbesondere Unterkunft, Verpflegung,
Taschengeld oder Geldleistungen für zweckgebundene Ausgaben, ein allgemeines Angebot von Kost und Logis
genügt nicht (OLG Hamm FamRZ 1989, 1331. KKFamRKlein a. a. O., § 1612 Rn. 24. BGH FamRZ 1981, 250, 252.
FamRZ 1983, 369). Vorliegend beschränkt sich das Angebot der Antragsgegner im Schreiben vom 14. Januar 2006
im wesentlichen auf die Gewährung von Kost und Logis sowie offensichtlich einer Beteiligung an den Fahrtkosten.
Damit haben die Antragsgegner teilweise Naturalunterhalt angeboten, lassen aber die Art der Erfüllung ihrer
Unterhaltspflicht im Übrigen in weiten Bereichen offen. Zwar sind bei der Prüfung, ob im Einzelfall eine den oben
dargestellten Anforderungen gerechtwerdende Bestimmung der Unterhaltsgewährung vorliegt, die allgemeinen
Grundsätze zu berücksichtigen, die für die Ermittlung des Erklärungsinhaltes empfangsbedürftiger
Willenserklärungen gelten. Nicht nur das wörtlich oder schriftlich Erklärte, sondern das Gesamtverhalten des
Erklärenden und alle Begleitumstände sind zu berücksichtigen (BGH FamRZ 1983, a. a. O.). Aber auch unter
Berücksichtigung dieser Umstände kann das Angebot nur als Angebot einer teilweisen Unterhaltsgewährung
angesehen werden.
Aber selbst wenn man die Unterhaltsbestimmung als wirksam ansehen sollte, wäre diese unwirksam, da zum einen
zu berücksichtigen ist, dass die Antragsgegner eine Unterhaltsbestimmung erst getroffen haben, weit nach dem
Zeitpunkt, zu dem die Antragstellerin ausgezogen ist. Auf die Aufforderung zur Auskunftserteilung haben sie nicht
reagiert, obwohl zu diesem Zeitpunkt eine Unterhaltsbestimmung unzweifelhaft nicht vorgelegen hat. Darüber hinaus
ergibt sich aus dem von beiden Parteien vorgetragenen Sachverhalt, dass bei Gesamtwürdigung aller Umstände
dem Aspekt der selbstständigen Entscheidung des Kindes über die Art seiner Lebensführung Vorrang einzuräumen
ist vor dem Gebot der Rücksichtnahme gegenüber dem unterhaltspflichtigen Elternteil. Der Sachvortrag beider
Parteien im vorliegenden Verfahren zeigt, dass offenkundig tiefgreifende Differenzen zwischen den Parteien
bestehen. Der Gesetzgeber hatte aber bei der Schaffung des Bestimmungsrechts eine intakte Familie mit ihren
wechselseitigen - erhaltenswerten - Bindungen im Auge. Diesem Gesichtspunkt kann aber dann keine maßgebliche
Bedeutung zukommen, wenn es - wie hier - nicht darum geht, eine noch bestehende Gemeinschaft zwischen Eltern
und Kind aufrechtzuerhalten
oder wiederherzustellen, sondern offensichtlich nur die Lebenssituation des unterhaltsberechtigten Kindes
einschneidend zu verändern (KG FamRZ 2006, 60). Angesichts dessen hat das wirtschaftliche Interesse der
Antragsgegner, den Unterhalt in einer für sie gegebenenfalls finanziell günstigeren Form zu leisten, hinter den
Interessen der Antragstellerin zurückzutreten.
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Amtsgerichts, dass bei einer wirksamen elterlichen
Unterhaltsbestimmung, von der das Amtsgericht ausgegangen ist, in einem gesonderten Abänderungsverfahren zu
entscheiden sei (vgl. dazu auch Bäumel in Bäumel/Büte/Poppen, Unterhaltsrecht, § 1612 Rn. 15). Schon aus dem
Gesichtspunkt der Prozessökonomie erscheint es nicht vertretbar, das Kind zunächst darauf zu verweisen, beim
Rechtspfleger ein gesondertes Abänderungsverfahren anzubringen, wenn - wie hier - der Richter nach § 6 RpflG die
Möglichkeit hat, dies als Vorfrage im Rahmen des hier geführten Unterhaltsprozesses mitzuentscheiden. Hier
besteht darüber hinaus noch die Besonderheit, dass eine Unterhaltsbestimmung erst während des laufenden
Verfahrens getroffen worden ist (OLG Frankfurt FamRZ 2001, 116. OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 240. OLG
Düsseldorf FamRZ 2001, 1306. OLG Schleswig FamRZ 2003, 48. OLG Dresden FamRZ 2004, 209. KKFamRKlein a.
a. O., § 1612 Rn. 45).
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