Urteil des OLG Celle vom 14.03.2017

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Gericht:
OLG Celle, 02. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 32 HEs 1/01
Datum:
17.02.1967
Sachgebiet:
Normen:
StPO § 121 Abs 1
Leitsatz:
1. Durch eine zügigere Terminierung muß eine große Strafkammer in Haftsachen nach Kräften
versuchen, bereits zuvor eingetretene nicht unerheblichen Verzögerungen im Rahmen des
Ermittlungsverfahrens aufzufangen.
2. Dabei sind alle freien Sitzungstage zu nutzen und auch Sondersitzungstage einzurichten.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
32 HEs 1/01
2 Js 26071/00 StA #######
B e s c h l u s s
In der Strafsache
gegen 1. den Staplerfahrer #######,
geboren am 17. Februar 1967 in #######/Türkei,
zurzeit #######, #######,
2. den Arbeiter #######,
geboren am 30. April 1966 in #######/Türkei,
zurzeit #######, #######,
wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes u. a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle im Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO nach Anhörung
der Generalstaatsanwaltschaft, der Angeklagten und der Verteidiger durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht
####### am 23. März 2001 beschlossen:
Die Haftbefehle des Amtsgerichts ####### vom 18. September 2000 (4 Gs 1193/00 bzgl. ####### und 4 Gs 1194/00
bzgl. #######) werden aufgehoben.
G r ü n d e
Die Angeklagten wurden am 17. September 2000 vorläufig festgenommen und befinden sich seit dem 18. September
2000 auf Grund der Haftbefehle des Amtsgerichts ####### vom selben Tage (4 Gs 1193/00 bezüglich ####### und
4 Gs 1194/00 bezüglich #######) ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Zwar liegen die allgemeinen Voraussetzungen der Untersuchungshaft gemäß § 112 StPO vor. Der dringende
Tatverdacht gegen die Angeklagten ergibt sich aus den im in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft #######
vom 23. Januar 2001 zutreffend wiedergegebenen Ermittlungsergebnis. Es bestehen auch die Haftgründe des § 112
Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 StPO. Schließlich kann der Zweck der Untersuchungshaft mit weniger einschneidenden
Maßnahmen (§ 116 StPO) nicht erreicht werden. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gegenwärtig nicht
in Frage gestellt.
Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft nach § 121 Abs. 1 StPO über 6 Monate
hinaus sind indessen nicht gegeben. Denn wichtige Gründe, die ein Urteil noch nicht zugelassen hätten, liegen nicht
vor. Das Verfahren weist vermeidbare Verzögerungen auf, die die weitere Untersuchungshaft nicht zulassen.
Zunächst ist das Ermittlungsverfahren von Seiten der Staatsanwaltschaft und Polizei mit der gebotenen und
nortwendigen Beschleunigung betrieben worden. Es sind zahlreiche Zeugen vernommen und erforderliche Gutachten
eingeholt worden. Diese Ermittlungen waren allerdings bereits Ende November 2000 weitgehend abgeschlossen,
nachdem der Geschädigte ####### am 28. November 2000 über seinen Rechtsanwalt hatte mitteilen lassen, dass er
im Hinblick auf § 55 StPO keine Angaben zur Sache machen werde. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätten die Akten
der Staatsanwaltschaft zur Entscheidung über die Anklageerhebung vorgelegt werden können, weil weitere, noch
offene Ermittlungsergebnisse nur den Randbereich des Tatgeschehens betrafen, so etwa das waffentechnische
Gutachten vom 27. Dezember 2000 oder das Gutachten des Landeskriminalamtes vom 4. Januar 2001 über
Schmauchanhaftungen im Pkw des Mitangeklagten #######. Auch die weiteren Zeugenvernehmungen beschäftigten
sich überwiegend mit dem Umfeld des Mitangeklagten ####### und waren für eine Entscheidung der
Staatsanwaltschaft über die Erhebung der Anklage nicht erforderlich.
Erst am 22. Dezember 2000 wurden die Akten allerdings der Staatsanwaltschaft übersandt, die einen weiteren Monat
zur Fertigung der 15seitigen Anklageschrift vom 23. Januar 2001 benötigte, wobei im Januar 2001 keinerlei
nennenswerte Ermittlungstätigkeit mehr ersichtlich ist, die den Zeitablauf rechtfertigen könnte.
Nach Eingang der Anklage beim Landgericht Verden am 6. Februar 2001 konnte die Zustellung der Anklage erst am
16. Februar 2001 verfügt werden, weil zuvor noch die erforderlichen Übersetzungen angefertigt werden mussten. Am
2. März 2001 hat die Strafkammer als Schwurgericht sodann die Anklage zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet
und zugleich Haftfortdauer beschlossen. Am selben Tage ist durch den Vorsitzenden der Beginn der
Hauptverhandlung auf den 7. Mai 2001 einschließlich vier weiterer folgender Hauptverhandlungstermine festgesetzt
worden, wobei dies ersichtlich in Absprache mit den Verteidigern geschehen ist.
Durch eine zügigere Terminierung wäre es der Kammer jedoch möglich gewesen, die bereits zuvor eingetretenen
nicht unerheblichen Verzögerungen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens aufzufangen. Dass dies nicht möglich
gewesen wäre, erschließt sich aus dem Vermerk des Vorsitzenden vom 2. März 2001 auch unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass die Mitglieder der Schwurgerichtskammer dieser jeweils nur zu ein Halb ihrer Arbeitskraft
zugewiesen sind, nicht. So ergibt sich aus der durch den Vorsitzenden dargelegten Belastungssituation der Kammer,
dass ein Sitzungstag vom 22. März 2001 frei war und offensichtlich weitere Schwurgerichtsverfahren nicht terminiert
sind. Angesichts dieser Situation wäre es - bei Nutzung von Sondersitzungstagen - möglich gewesen, eine
Hauptverhandlung mit vorgesehenen fünf Sitzungstagen noch im März 2001 durchzuführen und zum Abschluss zu
bringen. Möglicherweise hätten ggfs. andere Verfahren und andere Tätigkeiten zurückstehen müssen. Auf die im
April anstehenden Urlaube der Kammermitglieder sowie eines Verteidigers wäre es dann nicht angekommen.
Der Ablauf des Verfahrens insgesamt ist deshalb mit dem in Haftsachen nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG zu
beachtenden Beschleunigungsgrundsatz (BVerfGE 20, 45, 50) unvereinbar und musste zur Aufhebung des
Haftbefehls führen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass Strafverfolgungsbehörden und Gerichte alle
ihnen zumutbaren Maßnahmen getroffen haben, um die Ermittlungen so schnell wie möglich abzuschließen und ein
Urteil herbeizuführen.
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