Urteil des OLG Celle vom 20.07.2000

OLG Celle: abnahme des werkes, verjährungsfrist, gewährleistung, bauvertrag, besteller, hauptschuld, mängelrüge, konkurs, bürgschaftsvertrag, unternehmer

Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 271/99
Datum:
20.07.2000
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 638, BGB § 768, AGBG § 9
Leitsatz:
1. Aus einer Gewährleistungsbürgschaft kann wegen des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 17 Nr. 8
Satz 2 VOB/B nur dann nach Ablauf der Verjährungsfrist der Hauptschuld noch Zahlung verlangt
werden, wenn zu dieser Zeit verbürgte Ansprüche noch nicht erfüllt sind.
2. Das setzt voraus, dass vor Ablauf der Verjährungsfrist solche Ansprüche bereits angemeldet, die
entsprechenden Mängel in unverjährter Zeit gegenüber dem Unternehmer gerügt waren.
3. Zur Abnahme ist der Besteller aber bereits dann verpflichtet, wenn das bestellte Werk im
Wesentlichen mangelfrei ist, nicht erst dann, wenn keinerlei Mängel mehr festgestellt werden können.
Weicht eine AGBKlausel von dieser Regelung ab, kann dies zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 9
AGBG führen.
Volltext:
zum Themenbereich (s. Katalog):
Bauvertrag
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 271/99
20 O 1062/99 LG Hannover
Verkündet am
20. Juli 2000
#######,
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
#######
####### und #######,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte #######
gegen
#######
####### und #######,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte #######
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Celle auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2000 unter
Mitwirkung der Richter #######, ####### und ####### für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 8. November 1999 - 20 O 1062/99 -
geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert und Beschwer: 10.001 DM.
Entscheidungsgründe
A.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Zwar hat die Klägerin einen Anspruch aus abgetretenem Recht der ####### GmbH aus der Bürgschaft Nr. B
88120158/593 (Anlage K 2) in Höhe von 10.001 DM gegen die Beklagte, jedoch steht diesem Anspruch die gemäß §
768 BGB auch der Bürgin zustehende Einrede der Verjährung des verbürgten Gewährleistungsanspruchs entgegen,
sodass der Anspruch aus der Bürgschaft, nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren die Einrede der Verjährung
erhoben hat, nicht durchsetzbar ist.
I.
Der Anspruch der Klägerin rechtfertigt sich aus der Bürgschaft der Beklagten, die nach ihrem Wortlaut dazu dient
„die vertragsgemäße Gewährleistung für fertig gestellte abgenommene Arbeiten sicherzustellen“, der ihr von der
Gläubigerin, der ####### GmbH abgetreten worden ist.
Aus der Bürgschaft ist gemäß §§ 765 Abs. 1, 767 Abs. 1 BGB die Beklagte verpflichtet, der Klägerin 10.001 DM zu
zahlen, die diese als Vorschuss benötigt, um zu erreichen, dass die vertragsgemäße Gewährleistung für fertig
gestellte abgenommene Arbeiten der ####### , der Schuldnerin, sichergestellt wird. Die ####### ist in Konkurs
gefallen, weshalb eine Vorgehensweise nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 und 2 VOB/B faktisch nicht mehr dazu führen
konnte, dass die vertragsgemäße Gewährleistung erbracht wird. Deshalb ist die Zahlung des hier begehrten
Vorschusses ungeachtet der Voraussetzungen der VOB/B schon aus dem Bürgschaftsvertrag geschuldet.
1. Das Gewerk der Schuldnerin weist die zu Ziffer 3.42 des Gutachtens des Sachverständigen ####### vom 18.
Oktober 1996 (Anlage K 9, S. 47 f.) festgestellten Mängel auf, deren Beseitigung allein in der Reihe 2 des
Bauvorhabens 61.000 DM kosten würde.
2. Für den Mangel der Bauausführung in der Reihe 2 ist die Schuldnerin verantwortlich. Die Wasserabführung der
Fassade ist durch Ausführungs und Planungsfehler mangelhaft, sodass sich Wasserablaufspuren am Außenputz im
Bereich der Regenrinnen zeigen. Zwar hat der Sachverständige ####### (a. a. O.) festgestellt, dass dafür auch die
von der Zedentin vorgegebene Planung mitursächlich war. Dies ist beachtlich, obwohl gemäß § 11 Ziff. 1 des
Vertrages zwischen der Zedentin und der Schuldnerin (Generalübernehmervertrag vom 20. Juni 1990, Bl. 43 f. d. A.)
über die Werkleistung der Schuldnerin diese sich zur Prüfung der Pläne verpflichtete. Durch diese Vereinbarung
wurde die Schuldnerin nicht unangemessen im Sinne des § 9 AGBG benachteiligt, weil ihr insoweit nicht das
Haftungsrisiko ohne Einschränkung auferlegt wurde (Wolf/Horn/
Lindacher, AGBG, 4. Aufl., München 1999, § 9 Rdnr. 80), denn die Schuldnerin hätte sich durch schriftliche und
unverzügliche Anmeldung von Bedenken von der Haftung für Planungsfehler befreien können. Dessen ungeachtet
ergibt aber die Abwägung der Verursachungsanteile in jedem Falle eine Mithaftung der Schuldnerin von mindestens
20 %. Dies macht bereits mehr als den geltend gemachten Betrag von 10.001 DM aus.
3. Darauf hat die Beklagte, auch mit ihrer Zahlung vom 12. Dezember 1996, nichts gezahlt. Zwar hat sie 2.350 DM
auf die hier in Rede stehende Bürgschaft gezahlt, jedoch ist kein Zahlungszweck angegeben, sodass nicht zu
erkennen ist, auf welche der durch die in Rede stehende Bürgschaft gesicherten Ansprüche diese Zahlung erfolgt ist.
Auch der Betrag von 2.350 DM lässt keinen Rückschluss auf einen bestimmten Zahlungszweck zu.
II.
Der dargestellte Anspruch ist jedoch nicht durchsetzbar, weil die Beklagte - was ihr gemäß § 768 Abs. 1 BGB
zusteht - die Einrede geltend gemacht hat, dass Gewährleistungsansprüche gegen die Hauptschuldnerin, die in
Konkurs gefallene ####### , verjährt sind.
1. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz am 7. Februar 2000 die Einrede der Verjährung erhoben. Diese hat
Erfolg.
Die gemäß § 9 Ziff. 2 des Generalübernehmervertrages (a. a. O.) mit 5 Jahren vereinbarte Gewährleistungsfrist war
am 14. Oktober 1997 abgelaufen. Sie begann mit der Abnahme.
a) Zwar soll gemäß § 9 Ziff. 3 des Generalübernehmervertrages (a. a. O.) die vereinbarte Verjährungsfrist erst
beginnen, wenn alle Mängel ordnungsgemäß beseitigt sind. § 9 Ziff. 3 des Generalübernehmervertrages ist aber
unwirksam, weil diese Klausel gegen § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG verstößt. Die Klausel benachteiligt den
Vertragspartner des Verwenders, ersichtlich die Hauptschuldnerin, unangemessen. Diese Bestimmung weicht von
einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und ist mit dieser nicht zu vereinbaren.
Die gesetzliche Regelung des § 638 Abs. 2 BGB - an dieser und nicht an der VOB/B, die selbst nur Vertragsqualität
hat, ist zu messen - bestimmt für den Beginn des Laufes der Verjährung den Zeitpunkt der Abnahme des Werkes.
Zur Abnahme ist der Besteller aber bereits dann verpflichtet, wenn das bestellte Werk im Wesentlichen mangelfrei
ist, nicht erst dann, wenn keinerlei Mängel mehr festgestellt werden können. Gemäß § 640 Abs. 2 BGB muss sich
der Besteller wegen seiner Gewährleistungsansprüche für bei der Abnahme festgestellte Mängel seine Rechte
vorbehalten und kann wegen dieser Mängel Gewährleistungsansprüche gemäß den §§ 633, 634 BGB geltend
machen. Der Zeitpunkt der Abnahme wird dadurch nicht berührt, der Zeitpunkt des Beginns des Laufes der
Verjährungsfrist auch nicht.
Die gesetzliche Regelung schafft im Interesse des Werkunternehmers Rechtssicherheit über den Lauf der
Verjährungsfrist. Davon weicht die Klausel in § 9 Ziff. 3 des Generalübernehmervertrages vom 20. Juni 1990
unangemessen ab. Sie führt zu einer unbilligen Belastung des Werkunternehmers und zu Rechtsunsicherheit. Diese
Klausel ist deshalb unwirksam.
b) Der Lauf der Gewährleistungsfrist begann somit mit der Abnahme der Häuserreihe 2. Diese Häuserreihe 2 ist ein
in sich abgeschlossener Teil der Leistung der Hauptschuldnerin und von den übrigen Teilleistungen aus demselben
Bauvertrag unabhängig anzusehen. Denn ihre Gebrauchsfähigkeit kann abschließend für sich beurteilt werden, und
zwar in technischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung. Daran ändert auch nichts, dass sie
die Fertigstellung nur eines Hauses war, obwohl mehrere solcher Objekte nach demselben Vertrag zu errichten
waren (Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B, § 12 Nr. 2 Rdnr. 72). Die Abnahme der Häuserreihe 2 erfolgte am 14.
Oktober 1992 (Protokoll vom selben Tage des Dipl.Ing. #######).
c) Der Lauf der Verjährungsfrist wurde nicht unterbrochen.
ca) Die Hauptschuldnerin wurde nicht verklagt, ihr wurde kein Mahnbescheid zustellt, die Ansprüche gegen die
Hauptschuldnerin wurden auch nicht zur Konkurstabelle angemeldet. Daran scheitern Unterbrechungen des Laufes
der Verjährungsfrist gemäß §§ 209 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB. Allein die Durchführung des
Konkursverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin kann den Lauf der Verjährungsfrist nicht unterbrechen
(BGH NJW 1986, 310 - 312).
cb) Der Lauf der Verjährungsfrist ist auch nicht durch ein Anerkenntnis unterbrochen worden. Die Hauptschuldnerin
hat keine Erklärungen zu den streitbefangenen Ansprüchen abgegeben. Das Schreiben der Beklagten vom 12.
Dezember 1996 stellt kein Anerkenntnis des streitbefangenen Anspruchs gemäß § 208 BGB dar, zumal - wie
ausgeführt - nicht zu erkennen ist, auf welche Ansprüche sich dieses Schreiben und die Zahlung von 2.350 DM
entsprechend diesen Schreiben bezieht. Hinzu kommt, dass die Zahlung nur „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht
und Präjudiz für die Zukunft“ erfolgt ist, sodass sich schon aus den Erklärungen der Beklagten nicht klar und
unzweideutig ergibt, dass ihr das Bestehen der Schuld bewusst ist.
cc) Der Lauf der Gewährleistungsfrist ist auch nicht gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 2 VOB/B durch das Schreiben der
Zedentin an die Hauptschuldnerin vom 27. Oktober 1992 (Anlage zur Berufungserwiderung vom 9. Mai 2000, Bl. 155
d. A.) unterbrochen worden. Denn dieses Schreiben bezieht sich auf einen „Mängelbericht des Sachverständigen
bezüglich der Abnahme des Gemeinschaftseigentums der Reihen 1 und 2“. Dies ist das Abnahmeprotokoll des
Sachverständigen ####### vom 14. Oktober 1992. Andere Abnahmeprotokolle und Gutachten existierten in diesem
Zeitpunkt noch nicht. Erst das Abnahmeprotokoll des Dipl.Ing. ####### vom 22. Juli 1993 (Ziff. 7 und 15 dort) und
vom 31. Mai 1995 (Ziff. 7 und „zu 1“ dort) betreffen Wasserablaufspuren am Außenputz, die, dann im Gutachten des
Sachverständigen ####### vom 18. Oktober 1996 (a. a. O.) näher beschrieben, Gegenstand des hier geltend
gemachten Anspruches sind. Deshalb konnte - die hier in Rede stehenden Mängel waren noch nicht einmal sichtbar
geworden - die Mängelrüge vom 27. Oktober 1992 keine Auswirkung auf die Mängel haben, die Gegenstand
vorliegenden Verfahrens sind.
cd) Spätere Mängelrügen und Anspruchsschreiben der Klägerin und der Zedentin gegenüber der Beklagten haben
keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung der Ansprüche zwischen der Zedentin und der Hauptschuldnerin. Das
Schicksal der Bürgschaftsschuld und der gesicherten Hauptschuld sind unabhängig voneinander (vgl.
Ingenstau/Korbion, a. a. O., § 17 Nr. 4 Rdnr. 60 m. w. N.).
2. Wegen des Eintrittes der Verjährung ist der Anspruch aus dem Bürgschaftsvertrag nicht mehr durchsetzbar, auch
wenn dieser Anspruch eine Sicherheitsleistung im Sinne des § 17 Nr. 8 VOB/B darstellt. Dabei kann dahingestellt
bleiben, ob die Vereinbarung in § 9 des Generalübernehmervertrages (a. a. O.) eine gehörige Einbeziehung auch des
§ 17 VOB/B in den Bauvertrag zwischen Zedentin und Hauptschuldnerin darstellt. Denn aus einer
Gewährleistungsbürgschaft kann wegen des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B nur dann nach
Ablauf der Verjährungsfrist der Hauptschuld noch Zahlung verlangt werden, wenn zu dieser Zeit verbürgte Ansprüche
noch nicht erfüllt sind. Das setzt aber voraus, dass vor Ablauf der Verjährungsfrist solche Ansprüche bereits
angemeldet, die entsprechenden Mängel in unverjährter Zeit gegenüber dem Unternehmer gerügt waren (BGHZ 121,
168 f., Kaiser, Das Mängelhaftungsrecht in Baupraxis und Bauprozess, 7. Aufl., Rdnr. 228, Ingenstau/Korbion a. a.
O., § 17 Rdnr. 105). Daran fehlt es jedoch, insbesondere stellt das Schreiben der Zedentin an die Hauptschuldnerin
vom 27. Oktober 1992 keine solche gehörige Mängelrüge dar.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens, auf § 91
ZPO hinsichtlich der übrigen Kosten des Rechtsstreits.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens waren der obsiegenden Beklagten insgesamt aufzuerlegen, weil sie nur
aufgrund eines neuen Vorbringens obsiegt hat, dass sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen im Stande
gewesen wäre. Die Beklagte hat erst im Berufungsverfahren die erfolgreiche Einrede der Verjährung erhoben. Die
Klage wurde nur deshalb abgewiesen, weil die Ansprüche wegen der Erhebung der Einrede der Verjährung nicht mehr
durchsetzbar sind.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO.
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