Urteil des OLG Celle vom 23.05.2002

OLG Celle: juristische person, veranstalter, geschäftsführer, firma, ausstrahlung, beauftragter, unternehmen, verantwortlichkeit, rundfunksendung, wirtschaftsprüfer

Gericht:
OLG Celle, 02. Senat für Bußgeldsachen
Typ, AZ:
Beschluß, 222 Ss 34/02 (Owi)
Datum:
23.05.2002
Sachgebiet:
Normen:
Nds. RÄndStV § 49 Abs. 1 Nr. 18, OwiG § 9
Leitsatz:
1. Zum Begriff des ‘Veranstalters’ nach dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag. 2. Beauftragter i. S. v.
§ 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG kann auch eine juristische Person sein.
Volltext:
222 Ss 34/02 (Owi) 224 Js 14035/01 StA #######r B e s c h l u s s In der Bußgeldsache gegen #######,
vertreten durch den Geschäftsführer #######, #######, wegen einer Ordnungswidrigkeit nach dem vierten
Rundfunkänderungsstaatsvertrag hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die
Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ####### gegen das Urteil des Amtsgerichts ####### vom 24. September
2001 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die
Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 23. Mai 2002
beschlossen: Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts #######
zurückverwiesen. G r ü n d e I. Die Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk hat gegen die
Nebenbeteiligte im selbstständigen Verfahren gemäß § 30 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch Bußgeldbescheid vom
15. Dezember 2000 ein Bußgeld in Höhe von 100.000,- DM festgesetzt, weil ihre damaligen Geschäftsführer
#######, gegen die das Verfahren nach § 47 OWiG eingestellt worden ist, vorsätzlich entgegen § 49 Abs. 1 Nr. 18
des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrages Schleichwerbung verbreitet hätten. Bei der am 16. September 2000
um 20.15 Uhr im Auftrage der ####### ausgestrahlten Livesendung ‘#######’ sei gegen das
Schleichwerbungsverbot, auf dessen Einhaltung die Nebenbeteiligte vertraglich ausdrücklich hingewiesen worden
sei, verstoßen worden, indem der Moderator ####### nach einem Telefonanruf der Firma ####### wiederholt unter
Nennung des Firmennamens auf die von dieser unentgeltlich gestellten Reisemobile hingewiesen habe. Das
Amtsgericht ####### hat die Nebenbeteiligte aus Rechtsgründen freigesprochen. Eine schuldhafte oder vorwerfbare
Tat eines oder mehrerer der Geschäftsführer liege nicht vor. Die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 18 des vierten
Rundfunkänderungsstaatsvertrages richte sich gegen denjenigen, der als Veranstalter Schleichwerbung verbreite.
Die Nebenbeteiligte sei nicht Veranstalterin der Sendung gewesen, sondern lediglich Produzentin. Sie habe ihr
Produkt an die ####### verkauft, welche die Sendung als Veranstalterin verbreitet habe. Eine Übertragung der
öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Veranstalterin aus dem Rundfunkstaatsvertrag auf die Nebenbeteiligte durch
einen zivilrechtlichen Vertrag sei nicht möglich. Weil die Nebenbeteiligte nicht Normadressatin des § 49 Abs. 1 Nr.
18 des vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags sei, sei den Geschäftsführern auch keine Verletzung einer
Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG vorzuwerfen. Eine Beauftragung der Nebenbeteiligten im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr.
2 OWiG scheide aus, weil es sich bei dem Beauftragten immer um eine natürliche Person handeln müsse. Eine
Beteiligung an einer gegebenenfalls durch die ####### oder deren Geschäftsführer begangenen Ordnungswidrigkeit
(§ 14 OWiG) scheitere daran, dass eine notwendigerweise vorsätzliche Haupttat des Geschäftsführers der #######
nicht erkennbar sei; die Niedersächsische Landesmedienanstalt selbst habe diesem nur eine fahrlässige Verletzung
der Aufsichtspflicht vorgeworfen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
####### mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Feststellungen des
angefochtenen Urteils sind lückenhaft; sie vermögen den Freispruch nicht zu tragen. 1. Den Urteilsgründen ist nicht
zu entnehmen, ob das Amtsgericht zu Recht die Veranstaltereigenschaft der Nebenbeteiligten verneint hat. a) Der
vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält ebensowenig wie die vorangegangenen Fassungen und derzeit
geltende fünfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag eine Definition des Begriffs ‘Veranstalter’. § 49 des vierten
Rundfunkänderungsstaatsvertrags richtet sich an Veranstalter von bundesweit verbreitetetem privaten Rundfunk.
Rundfunk ist nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und
Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer
Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. Rundfunk ist danach auch eine
einzelne Sendung; Veranstalter kann mithin sein, wer eine einzelne Rundfunksendung herstellt und ausstrahlt. Dies
entspricht auch der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes vom 9.
November 1993 (Nds. GVBl. 1993, 523) bzw. in § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Niedersächsischen Mediengesetzes vom 1.
November 2001 (Nds. GVBl. 2001, 680), wonach Rundfunkveranstalter ist, wer ein Rundfunkprogramm oder eine
Rundfunksendung unter eigener Verantwortung gestaltet und verbreitet. Das Bundesverfassungsgericht hat definiert,
dass als Veranstalter eines Rundfunkprogramms anzusehen ist, wer seine Struktur festlegt, die Abfolge plant, die
Sendungen zusammenstellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung dem Publikum anbietet. Durch diese auf das
gesamte Programm bezogenen Tätigkeiten unterscheidet er sich vom bloßen Zulieferer einzelner Sendungen oder
Programmteile. Nicht notwendig ist dagegen, dass der Veranstalter das Programm selbst ausstrahlt oder die
einzelnen Sendungen selbst produziert. Ob jemand ein Programm in dem genannten Sinn veranstaltet, beurteilt sich
nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. Unerheblich ist, ob sie auch vom Gesetz als Rundfunkveranstaltung
bezeichnet oder anerkannt wird (BVerfGE 97, 298, 310; so auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner,
Rundfunkstaatsvertrag, Kommentar, Stand Januar 2001, § 20 Rdn. 10). Legt man die Begriffsbestimmung im
Niedersächsischen Rundfunkgesetz bzw. im Niedersächsischen Mediengesetz sowie entsprechend angewendet auf
die einzelne Sendung die Veranstalterdefinition des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, entscheidet sich die
Frage, ob der Hersteller einer einzelnen bundesweit verbreiteten Sendung Veranstalter oder lediglich Zulieferer (des
Programmveranstalters) ist, daran, ob er die Entscheidungsbefugnis bezüglich ihres Inhalts und ihrer Ausstrahlung
hat, nicht hingegen danach, ob er nach dem Rundfunkstaatsvertrag zugelassen und lizensiert ist. b) Die
Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Nebenbeteiligte
nicht Veranstalterin der fraglichen Livesendung am 16. September 2000 war. Sie enthalten keine Angaben dazu, wer
den Inhalt der Sendung bestimmt hat, ob die Nebenbeteiligte die Sendung streng nach Weisung und Vorgaben der
####### erstellt hat oder ob sie inhaltliche Gestaltungsfreiheit hatte. Auch ist nicht festgestellt, ob die ####### unter
den besonderen Bedingungen der Live-Ausstrahlung überhaupt Einfluss auf den Inhalt der Sendung nehmen konnte.
Nicht festgestellt ist ferner, wie die Ausstrahlung rein technisch erfolgt ist, d. h. wer die Technik für die Ausstrahlung
der Livesendung zur Verfügung gestellt und bedient hat und wer die Entscheidungsbefugnis darüber besaß, die
Ausstrahlung durchzuführen und nicht abzubrechen. 2. Wenn die Nebenbeteiligte nicht selbst Veranstalterin der
fraglichen Sendung am 16. September 2000 gewesen sein sollte, wird das Amtsgericht zu klären haben, ob sie als
Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG gehandelt hat. Die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um
eine Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zu verneinen. a) Mit der Frage, ob Beauftragter im Sinne des § 9
Abs. 2 Nr. 2 OWiG nur eine natürliche Person oder auch eine juristische Person sein kann, haben sich
Rechtsprechung und Literatur, soweit ersichtlich, noch nicht auseinandergesetzt. Der Senat folgt nicht der
Auffassung des Amtsgerichts, dass Beauftragter im Sinne dieser Vorschrift nur eine natürliche Person sein kann.
Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich dies nicht. Der Begriff ‘jemand’ steht zwar in § 9 OWiG als Synonym für eine
handelnde Person, die demgemäß eine natürliche Person sein muss. § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG zeigen aber,
dass die handelnde natürliche Person Organ einer weiteren juristischen Person sein kann, die als solche
vertretungsberechtigtes Organ ist (GmbH & Co. KG). Demgemäß dürfte es auch in § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zulässig
sein, eine juristische Person zu beauftragen, die durch ihr Organ oder einen weiteren Beauftragten handelt. Die
Systematik des Ordnungswidrigkeitengesetzes sieht gerade durch die Vorschriften der §§ 9, 30 und 130 OWiG
Möglichkeiten vor, die Handlungen natürlicher Personen einer juristischen Person zuzurechnen. Die Vorschriften
sollen eine intensive Bekämpfung von Zuwiderhandlungen in Betrieben und Unternehmen bewirken, da sie die
Möglichkeit der Ahndung von Verstößen in solchen Einrichtungen erheblich ausdehnen (Többens NStZ 1999, 1 m. w.
N.). Dieser Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG spricht dafür, auch juristische Personen als Beauftragte zu
erfassen. Anderenfalls könnte die Bußgeldbewährung der Erfüllung unternehmensbezogener Pflichten in weitem
Umfang dadurch unterlaufen werden, dass die betreffenden Aufgaben auf ein als juristische Person organisiertes
Unternehmen übertragen werden. Unstreitig ist darüber hinaus in der Kommentarliteratur, dass Betriebsfremde wie
Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater mit der Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben beauftragt werden können (vgl.
Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 13. Aufl., § 9 Rdn. 23; KK-Rogall, OWiG, 2. Aufl., § 9 Rdn. 81). Die Tätigkeit
des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters kann aber auch durch entsprechende Gesellschaften mit beschränkter
Haftung ausgeübt werden, die ihrerseits durch einen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater vertreten werden (§ 32
Abs. 3 StBerG; § 1 Abs. 3 WPO). Auch dies spricht dafür, die Beauftragung einer juristischen Person für zulässig zu
halten. b) Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht, ob die Nebenbeteiligte von der ####### im Sinne des § 9
Abs. 2 Nr. 2 OWiG mit der Einhaltung des Schleichwerbungsverbots beauftragt worden ist. Insoweit bedarf es
näherer Feststellungen zu der zwischen der Nebenbeteiligten und der ####### vereinbarten Aufgabenverteilung und
zu dem Ablauf der Livesendung. Eine Eigenverantwortlichkeit des Beauftragten im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG
ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn er in der Lage ist, von sich aus und ohne Nachfrage bei anderen Stellen die
Maßnahmen zu ergreifen, die zur Vermeidung der Zuwiderhandlung erforderlich sind (vgl. KK-Rogall a.a.O. Rdn. 80
m. w. N.). Ob die Nebenbeteiligte die Befugnis hatte, unmittelbar die Einhaltung des Schleichwerbungsverbots
durchzusetzen, ist offen. Da es sich bei der Nebenbeteiligten um eine juristische Person handelt, wird das
Amtsgericht weiterhin Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die damaligen Geschäftsführer der Nebenbeteiligten
ihre Pflichten verletzt haben, sei es direkt oder indem sie ihrer Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG nicht
nachgekommen sind. 3. Der Senat vermag anhand der Urteilsfeststellungen nicht einmal zu überprüfen, ob in der
fraglichen Sendung Schleichwerbung (vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 6 des vierten
Rundfunkänderungsstaatsvertrags) verbreitet worden ist. Es fehlen ausreichende tatsächliche Angaben zu den
Umständen innerhalb und außerhalb der Sendung, aus denen sich eine Schleichwerbung für die Firma #######
ergeben kann. Hierbei wird es zum einen darauf ankommen, wer welche Verträge mit der Firma ####### über die
Gestellung der Reisemobile geschlossen hat, ob etwa der Firma ####### eine namentliche Erwähnung in der
Sendung und eine lobende Hervorhebung der Reisemobile zugesagt worden ist. Zum anderen sind auch die
Umstände im Sendeablauf, welche sich auf die Reisemobile beziehen, im Einzelnen darzustellen, um die
Überprüfung zu ermöglichen, ob sich die Erwähnung der Reisemobile im Rahmen des dramaturgisch eventuell
notwendigen gehalten hat oder nicht (zu den Kriterien, die für eine Schleichwerbung sprechen, vgl.
Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner a.a.O. § 7 Rdn. 48). 4. Das Amtsgericht hat auch eine Tatbeteiligung der
Nebenbeteiligten an einem Verstoß gegen das Schleichwerbungsverbot durch die ####### gemäß § 14 OWiG auf
der Grundlage unzureichender Feststellungen verneint. Ob eine (bedingt) vorsätzliche Handlung des
Geschäftsführers der ####### vorgelegen hat, musste das Tatgericht selbständig anhand aller Umstände
feststellen, ohne Bindung an die Würdigung des Verhaltens durch die Niedersächsische Landesmedienanstalt im
Bußgeldbescheid. Hierzu hätte es näherer Feststellungen zur Abgrenzung der Verantwortlichkeit zwischen der
Nebenbeteiligten und der ####### (siehe auch schon oben unter II. 1. und 2.), zur betriebsinternen Organisation der
#######, zu der Absprache mit der Firma ####### und zum Ablauf der Sendung (siehe oben unter II 3.) bedurft.
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