Urteil des OLG Celle vom 06.07.2006

OLG Celle: verfügung von todes wegen, treu und glauben, gemischte schenkung, ausschlagung, miterbe, auskunftserteilung, rechtsgeschäft, berufungsbeklagter, nachlass, berechtigter

Gericht:
OLG Celle, 06. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 6 U 53/06
Datum:
06.07.2006
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 2314 Abs 1 Satz 1, BGB § 1953, BGB § 242
Leitsatz:
Die Vorschrift des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gebietet ihre einschränkende Auslegung, dass sie
Auskunftsrechte nur einräumt dem von Hause aus enterbten pflichtteilsberechtigten Nichterben, nicht
aber dem Miterben, der durch Ausschlagung die Stellung eines pflichtteilsergänzungsberechtigten
NichtmehrErben wählt.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
6 U 53/06
12 O 309/05 Landgericht Hannover Verkündet am
6. Juli 2006
xxxxx,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
xxxxx
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte xxxxx
gegen
xxxxx
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte xxxxx
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2006 durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxxxx und den Richter am
Amtsgericht xxxxx für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Februar 2006 verkündete Teilurteil des Einzelrichters des 12.
Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Auskunftserteilung über
den fiktiven Nachlass der am 4. April 2004 verstorbenen V. (im folgenden: Erblasserin).
1. Sie kann von dem Beklagten als (Allein)Erben der Erblasserin Auskunft über den Bestand des Nachlasses nicht
gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen. Dieser Anspruch setzt voraus, dass die Klägerin nicht Erbin der
Erblasserin ist, woran es fehlt. Auf die Ausschlagung des Erbes durch die Klägerin kommt es nicht an. Diese verhalf
ihr nicht zu einem Pflichtteilsanspruch, weil sie nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge
ausgeschlossen war, § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB, und demzufolge ebenso wenig zur Geltendmachung von
Hilfsansprüchen zur Durchsetzung des Pflichtteils berechtigt war.
Die Vorschrift des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ihrem Sinn und Zweck nach nicht auf Personen anzuwenden, die
erst infolge Ausschlagung des Erbes nicht als Erben einzusehen sind. Die Ausschlagung des Erbes darf nicht dazu
dienen, die Stellung der Klägerin im Auskunftsverfahren gegenüber dem Erben zu verbessern und ihr Rechte
einzuräumen, die ihr in ihrer Stellung als Miterbin nicht zustehen. Die Unterscheidung zwischen dem
pflichtteilsberechtigten Nichterben und dem pflichtteilsberechtigten Miterben, welche das Gesetz vornimmt, darf
nicht dadurch unterlaufen werden, dass der nur unter eingeschränkten Voraussetzungen mit Auskunftsansprüchen
ausgestattete Miterbe (§§ 2027, 2028, 2057, 666, 681 BGB) die Erbschaft ausschlägt, um sich einen von weiteren
Voraussetzungen unabhängigen Auskunftsanspruch gegen den (Mit)Erben zu verschaffen. Insoweit gebietet § 2314
BGB seine einschränkende Auslegung, dass er Auskunftsrechte nur einräumt dem von Hause aus enterbten
pflichtteilsberechtigten Nichterben, nicht aber dem Miterben, der durch Ausschlagung die Stellung eines
pflichtteilsergänzungsberechtigten NichtmehrErben wählt.
2. Ferner kann die Klägerin den Beklagten als Beschenkten nicht auf Auskunft über unentgeltliche Zuwendungen
seitens der Erblasserin an ihn in Anspruch nehmen. Sie steht auch hier trotz der Ausschlagung nicht anders da als
ein zur Ergänzung des Pflichtteils berechtigter Miterbe, welchem der Anspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB)
nur zusteht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Schenkung vorliegen, der Beschenkte die Auskunft unschwer
geben kann und der Pflichtteilsergänzungsberechtigte sich die erforderliche Kenntnis nicht auf andere ihm zumutbare
Weise zu verschaffen vermag (vgl. grundlegend BGHZ 61, 180, 184. PalandtEdenhofer, BGB, 65. Aufl., § 2314 Rn.
4).
Hieran fehlt es. Hinsichtlich der Veräußerung der Grundstücke X.weg in N. vom 12. Oktober 1995, dem einzigen
Rechtsgeschäft, das Anhalt für eine gemischte Schenkung bietet, kann die Klägerin sich durch Einsicht in den
Übertragungsvertrag, der sich bei den Grundakten des Amtsgerichts N. befinden muss, in ihr zumutbarer Weise die
erforderliche Kenntnis verschaffen. Einen Erkenntnisvorsprung hat der Beklagte für die Berechnung möglicher
Pflichtteilsergänzungsansprüche hier nicht.
II.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO für die
Zulassung nicht vorliegen.
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