Urteil des OLG Celle vom 05.05.2011

OLG Celle: ermessen, zuleitung, rechtsgrundlage, vorverfahren, unterlassungsklage, klagerücknahme, geschäftsführer, datum

Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 13 W 42/11
Datum:
05.05.2011
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 269 ABS 3, ZPO § 253 Abs 1
Leitsatz:
Für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist kein Raum, wenn zum Zeitpunkt der
„Klagerücknahme“ eine Klage noch gar nicht anhängig ist.
Wird nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage vom Antragsteller keine
den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechende Klageschrift eingereicht, sondern
stattdessen vom Gericht
dem Gegner lediglich eine Abschrift des Prozesskostenhilfegesuchs zugestellt, kann eine
Anhängigmachung der Klage erst zu dem Zeitpunkt als erfolgt angesehen werden, wenn der
Antragsteller in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gibt, dass er den Prozesskostenhilfeantrag
nunmehr als Klageschrift ansehen will.
Volltext:
13 W 42/11
5 O 173/10 Landgericht Stade
B e s c h l u s s
In der Beschwerdesache
N. B. V. mbH, vertreten durch die Geschäftsführer M. und S. S., B. Straße, B., .
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt E. H., J., H.,
Geschäftszeichen: #####
gegen
S. S., R., T.,
Antragsteller und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt K. K., L. Straße, U.,
Geschäftszeichen: #####
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K., die
Richterin am Oberlandesgericht Z. und den Richter am Oberlandesgericht B. am 5. Mai 2011 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade
vom 18. März 2011 - im Umfang seines Kostenausspruchs - aufgehoben und der Antrag des Antragstellers, der
Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdewert wird auf bis 900 € festgesetzt.
G r ü n d e
I.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 10. Juni 2010 Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte
Unterlassungsklage beantragt. Mit Beschluss vom 12. November 2010 hat das Landgericht antragsgemäß
Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Einreichung einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden
Klageschrift hat es den Antragsteller im Folgenden nicht aufgefordert. Es hat stattdessen der Antragsgegnerin eine
Abschrift des Prozesskostenhilfeantrages zugestellt und zugleich das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Zeitlich
hierauf, noch vor einer zwischenzeitlich seitens des Landgerichts anberaumten mündlichen Verhandlung, hat der
Antragsteller seine Klage unter Berufung auf ein erledigendes Ereignis zurückgenommen, das in einem Schriftsatz
der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 2010 zu sehen ist, den das Landgericht dem Antragsteller zugeleitet hat, der
nach dessen Behauptung ihm aber nicht zugegangen und dessen Inhalt ihm erst zeitlich nach der erfolgten
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bekannt geworden sein soll.
Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits der Antragsgegnerin auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt,
dass § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch die Fälle umfasse, in denen der Klageanlass bereits vor Eintritt der
Anhängigkeit weggefallen ist, wenn der Kläger in Unkenntnis des Wegfalls Klage erhoben und diese dann
unverzüglich zurückgenommen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der
Antragsgegnerin.
II.
Die gem. § 269 Abs. 5 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat
Erfolg. Für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 ZPO, wie sie das Landgericht in dem
angefochtenen Beschluss vorgenommen hat, ist vorliegend kein Raum.
Nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach und Streitstandes
nach billigem Ermessen zu entscheiden, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit
weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird. dies gilt auch, wenn die Klage nicht
zugestellt wurde.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Auf die in dem angefochtenen Beschluss angesprochene
Streitfrage, ob § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch die Fälle erfasst, in denen der Klageanlass bereits vor Eintritt der
Anhängigkeit weggefallen ist, wenn der Kläger in Unkenntnis des Wegfalls Klage erhoben und diese dann
unverzüglich zurückgenommen hat (vgl. dazu im Überblick Musielak/Foerste, ZPO, 8. Aufl., § 269 Rdnr. 13 b),
kommt es nicht an.
Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO setzt ein Prozessrechtsverhältnis voraus. Erforderlich ist also, dass
eine Klageschrift bei Gericht eingereicht worden ist. (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2005 - 1
WF 41/05, zitiert nach juris, Tz. 5. OLG Celle, Beschluss vom 2. März 2010 - 4 W 30/10, zitiert nach juris, Tz. 5).
Das ist vorliegend indes nicht der Fall.
Der Schriftsatz vom 10. Juni 2010 enthielt lediglich den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine nur
beabsichtigte Klage. Durch dessen Zuleitung an die Antragsgegnerin im Prozesskostenhilfeverfahren ist noch kein
Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Juni 2008 -
14 U 195/07, zitiert nach juris, Tz. 13. OLG Dresden, Beschluss vom 17. April 1997 - 6 W 0287/97, NJWRR 1997,
1424). Nachdem das Landgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die beabsichtige Klage bewilligt hat, hätte
es diesem oblegen, eine den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechende Klageschrift einzureichen. Erst
dies hätte eine ausreichende Grundlage für ein weiteres Tätigwerden des Landgerichts darstellen können (vgl. BGH,
Urteil vom 24. Mai 1972 - IV ZR 65/71, NJW 1972, 1373, 1374). Eine derartige Klageschrift hat der Antragsteller - der
hierzu vom Landgericht allerdings auch nicht aufgefordert worden ist - nicht bei Gericht eingereicht. Dass das
Landgericht statt dessen ausweislich des Empfangsbekenntnisses des Prozessbevollmächtigten der
Antragsgegnerin vom 17. November 2010 (Bl. 24 d. A.) dieser offenbar eine Abschrift des
Prozesskostenhilfeantrages des Antragstellers vom 10. Juni 2010 zugestellt hat, bewirkte als solches keine
Anhängigmachung der Klage. Die Klage hätte vielmehr frühestens in einer etwaigen mündlichen Verhandlung als
eingereicht angesehen werden können, wenn der Antragsteller in einer solchen Verhandlung zu erkennen gegeben
hätte, dass er den Prozesskostenhilfeantrag nunmehr als Klageschrift ansehen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai
1972 -
IV ZR 65/71, NJW 1972, 1373, 1374. BGH, Urteil vom 8. Februar 1996 - IX ZR 107/95, zitiert nach juris, Tz. 7. OLG
Karlsruhe, Urteil vom 20. Juni 2008 - 14 U 195/07, zitiert nach juris, Tz. 13. OLG Dresden, Beschluss vom 17. April
1997
6 W 0287/97, NJWRR 1997, 1424, 1425). Zu einer derartigen mündlichen Verhandlung ist es vorliegend aber nicht
mehr gekommen, nachdem der Antragsteller seine „Klage“ bereits vor der vom Landgericht anterminierten
mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat.
Mangels Vorliegens eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien ist für eine Anwendung von § 269
ZPO daher kein Raum, weshalb es für eine Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin an einer
Rechtsgrundlage fehlt (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2005 - 1 WF 41/05, zitiert nach juris, Tz.
5). Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin war daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und der
Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert richtet sich nach den (hypothetischen) Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des
Antragstellers in erster Instanz, berechnet nach einem Streitwert von 6.000 €. Denn derartige Kosten hätte die
Antragsgegnerin zu tragen gehabt, wäre der angefochtene Beschluss des Landgerichts in Bestandskraft erwachsen.
Dr. K. Z. B.