Urteil des OLG Celle vom 28.12.2010

OLG Celle: einstellung des verfahrens, fohlen, boxen, stall, tierschutzgesetz, spediteur, kot, gefahr, weide, verfügung

Gericht:
OLG Celle, 02. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 32 Ss 154/10
Datum:
28.12.2010
Sachgebiet:
Normen:
TierSchG § 17 Nr 2 b - § 20 Abs 1
Leitsatz:
Bei der Beurteilung, ob bei einem Tier erhebliche Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2 b) TierSchG
vorliegen, ist darauf abzustellen, ob äußerlich wahrnehmbare Auffälligkeiten im Verhalten der Tiere
festzustellen sind, die als taugliche Anzeichen für das Vorliegen eines erheblichen Leidens
anzusehen sind.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
32 Ss 154/10
1252 Js 21763/09 StA Hannover
B e s c h l u s s
In der Strafsache
gegen K. H. ,
geboren am xxxxxxxxxxxxxxxx in H.,
wohnhaft M., N.,
Verteidiger: Rechtsanwalt G., N.
wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 20.
kleinen Strafkammer des Landgerichts Hannover vom 29.06.2010 nach Anhörung der General¬staats¬anwalt¬schaft
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxxxxxx
und den Richter am Landgericht xxxxx am 28.12.2010 einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an eine andere kleine
Strafkammer des Landgerichts
Hannover zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht Neustadt a. Rbge. hat den Angeklagten am 15.02.2010 wegen eines Verstoßes gegen das
Tierschutzgesetz in zehn tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt,
deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem Angeklagten wurde für die Dauer von drei Jahren
verboten, Pferde zu halten, mit Pferden zu handeln und berufsmäßig Umgang mit Pferden zu haben.
Auf die Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch
abgeändert und den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Dem Angeklagten
wurde für die Dauer von noch zwei Jahren verboten, Pferde zu halten, mit Pferden zu handeln und berufsmäßig
Umgang mit Pferden zu haben.
Nach den Feststellungen der Strafkammer hielt der Angeklagte seit dem 24.12.2008 in einem Stall auf dem Hof
seines Vaters zehn Pferde, davon zwei Fohlen. Anfänglich kümmerte sich auch der Vater des Angeklagten um die
Pferde. nach einem Zerwürfnis stellte er die Unterstützung ein. Neben seiner Vollzeittätigkeit als Müllwerker war der
Angeklagte zusätzlich selbständig als Spediteur tätig. Zweimal täglich, jeweils vor und nach seiner Tätigkeit als
Müllwerker und Spediteur, fuhr der Angeklagte zu den Pferden und stellte ihnen Futter und Wasser zur Verfügung.
Im Zeitraum Anfang Januar 2009 bis 10. März 2009 mistete er die Pferdeboxen nicht aus. Er warf Einstreu nur in
den vorderen Bereich der Ställe, führte die Pferde auf eine vor dem Stall befindliche Weide und ließ sie dort einige
Minuten laufen. An manchen Tagen kamen die Pferde nicht auf die Weide. Auf eine Anzeige hin wurden der Stall
und die Pferde des Angeklagten am 11.03.2009 vom Regionstierarzt Dr. S. besichtigt. Dabei stellte Dr. S. fest, dass
die acht ausgewachsenen Pferde ordnungsgemäß ernährt waren. Ein Pferd hatte angeschwollene Beine. Die beiden
Fohlen waren hingegen abgemagert und körperlich geschwächt. Bei einem Fohlen war der Muskelaufbau der Beine
unzureichend. Das Fell der Pferde war durch Kotreste verdreckt und von Urin durchtränkt. In den Boxen war Einstreu
jeweils nur im vorderen Bereich vorhanden, im hinteren Bereich der Boxen befand sich Pferdekot, der nicht mit
Einstreu abgedeckt war. In einer Box war der Kotberg angeschimmelt. Dem Angeklagten wurden im Anschluss an
die Besichtigung eine Stute und die beiden Fohlen gemäß einer Verfügung nach § 16a TierschG fortgenommen. Für
die Rückgabe der Tiere, die am 20.03.2009 erfolgte, erhielt er Auflagen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom
15.06.2009 wurden die Pferde und drei zwischenzeitlich geborene Fohlen am 21.07.2009 beschlagnahmt und
anschließend notveräußert. Auf den Erlös in Höhe von 8.750, € verzichtete der Angeklagte.
Gegen das Urteil der Strafkammer richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen
Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision zu verwerfen.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Die Feststellungen der Strafkammer tragen die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz
gemäß § 17 Ziff. 2 b) TierschG nicht. Es fehlt an tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, denen zu
entnehmen ist, dass den Pferden durch den Angeklagten länger anhaltende erhebliche Leiden i. S. des § 17 Nr. 2 b)
TierschG zugefügt worden sind.
Die Strafkammer hat bei der Feststellung, die Pferde hätten erheblich gelitten, auf die Bekundungen der
Amtstierärzte Dr. S. und K. J. abgestellt. Nach deren Angaben würden Tiere erheblich leiden, wenn sie sich über
einen längeren Zeitraum in ihrem Kot ablegen müssen. Pferde hätten ein angeborenes Kotvermeidungsverhalten.
Nach den Bekundungen von Dr. S. hätten sich die Pferde aber wegen des fehlenden Einstreus im hinteren Bereich
der Boxen in ihren eigenen Kot legen müssen. Im vorderen Bereich, in dem Einstreu vorhanden gewesen sei, hätten
sie sich wegen der räumlichen Enge nicht ablegen können.
Pferde würden nach den Bekundungen der beiden Zeugen ferner erheblich leiden, wenn sie pro Tag nicht mindestens
eine Stunde Auslauf erhielten. Pferde hätten einen Bewegungsdrang und würden bei artgerechter Haltung mehrere
Stunden Auslauf benötigen. Der Umstand des erheblichen Leidens würde jedenfalls dann eintreten, wenn der
Zustand wie hier mehrere Wochen andauere.
Bei der Beurteilung, ob bei einem Tier erhebliche Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2 b) TierschG vorliegen, ist darauf
abzustellen, ob äußerlich wahrnehmbare Auffälligkeiten im Verhalten des Tieres festzustellen sind, die als taugliche
Anzeichen für das Vorliegen eines erheblichen Leidens anzusehen sind (vgl. BGH Beschluss vom 18.02.1987, 2 StR
159/86. OLG Koblenz Beschluss vom 17.09.1999, 2 Ss 198/99 beides zitiert nach juris). Den Urteilsgründen ist
jedoch nicht zu entnehmen, dass im Verhalten der Pferde derartige Auffälligkeiten vorlagen oder von den beiden
Tierärzten festgestellt worden sind. Dies konnte schon deshalb nicht offen bleiben, weil sich nach den
Feststellungen der Strafkammer sämtliche erwachsenen Tiere in einem ordnungsgemäßen Ernährungszustand
befanden und der unzureichende Ernährungszustand der beiden Fohlen auch konstitutionell bedingt gewesen sein
kann oder auf einer Erkrankung beruhte, für die der Angeklagte nicht verantwortlich zu machen war. So bleibt
letztlich auch offen, ob es lediglich die Folge eines bloßen Bewegungsmangels darstellt, dass bei einem Pferd
angeschwollene Beine festgestellt wurden oder ob dies Ausdruck oder Folge eines erheblichen Leidens ist. Gleiches
gilt für die festgestellte muskuläre Unterentwicklung eines Fohlens. Bleibende Schäden hat es nach den
Urteilsgründen jedenfalls nicht gegeben.
Bei der Beurteilung, ob erhebliche Leiden bei den Pferden vorlagen, hätte sich die Kammer zudem damit
auseinandersetzen müssen, warum die Pferde nach der Feststellung ihres Zustands durch Dr. S. am 11.03.2009
noch für einige Monate beim Angeklagten belassen wurden. Denn dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass die
Tierärzte, bis auf die Unterernährung der beiden Fohlen, tatsächlich keine besonders gravierenden
Vernachlässigungen oder Verhaltensauffälligkeiten festgestellt und daher auch eine Fortnahme der Pferde oder
sonstige Maßnahmen nach § 16a TierschG nicht für erforderlich gehalten haben. In diesem Zusammenhang stellt
sich auch die Frage, ob die beiden Tierärzte, zu deren Aufgaben zwar die Überwachung einer tierschutzgerechten
Haltung gehört, auch beurteilen können, ob eine nicht artgerechte Haltung von Tieren darüber hinaus zu erheblichen
Leiden im Sinne des § 17 Ziff. 2 b) TierschG führt. Denn dies ist primär eine Frage der Verhaltensforschung (vgl.
OLG Koblenz a.a.O.).
2.
Auch das von der Kammer gemäß § 20 Abs. 1 TierschG für die Dauer von 2 Jahren angeordnete umfängliche
Umgangsverbot mit Pferden findet in den Urteilsgründen keine ausreichende Grundlage.
Die von der Kammer angeführte fehlende Einsicht des Angeklagten gegenüber den berechtigten Kritiken der
Tierärzte ist für sich allein nicht geeignet, dass Vorliegen einer Gefahr anzunehmen, der Angeklagte werde weiterhin
eine nach § 17 TierschG rechtswidrige Tat begehen, zumal die Kammer auch davon ausgeht, dass der Angeklagte
jedenfalls ein geringes Fehlverhalten durchaus einräumt. Es ist deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalles eine Prognose zur erstellen, die zu der Annahme berechtigt, dass die Begehung einer weiteren Tat
wahrscheinlich ist. Hierzu wären im Urteil unter anderem Ausführungen darüber notwendig gewesen, ob der
Angeklagte überhaupt plant, erneut Pferde zu erwerben oder zu halten. Denn er hat jedenfalls auf den Erlös aus der
Notveräußerung verzichtet, woraus geschlossen werden könnte, dass er mit der Notveräußerung einverstanden war
und keine Pferde mehr halten will. Hierzu wird im Urteil lediglich ausgeführt, die Kammer sei davon ausgegangen,
dass der Angeklagte seit Juli 2009 keine Pferde mehr hält.
Für die Erstellung einer Gefahrenprognose wäre es insbesondere erforderlich gewesen, den weiteren Verlauf der
Pferdehaltung nach der Besichtigung am 11.03.2009 und die Umstände und Gründe der Beschlagnahme der Tiere im
Juli 2009 mitzuteilen. Denn gerade das Verhalten des Angeklagten nach der Besichtigung am 11.03.2009 würde ein
wichtiges Indiz für die Annahme einer (fehlenden) Einsicht beim Angeklagten in etwaiges Fehlverhalten und des
Vorliegens einer Gefahr im Sinne einer Wahrscheinlichkeit weiterer Taten darstellen. Dies umso mehr, als dem Urteil
nicht zu entnehmen ist, dass der Angeklagte schon früher wegen Verstößen gegen Tierhaltungs oder
Tierschutzvorschriften aufgefallen ist.
3.
Für die neue Verhandlung gibt der Senat zu bedenken, dass je nach Umfang der ggf. unter Zuhilfenahme eines
Sachverständigen zu treffenden Feststellungen zum Vorliegen eines länger anhaltenden erheblichen Leidens der
Pferde auch die Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 18 TierschG, gegebenenfalls sogar die
Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen in Betracht kommen könnte, zumal der Angeklagte auf den Erlös aus der
Notveräußerung der Pferde verzichtet hat.
xxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxxxx