Urteil des OLG Celle vom 05.02.2007

OLG Celle: antragsrecht, versuch, vertrauensverhältnis, anfechtung, vergleich, vergütung, anwaltskosten, unterliegen, vertretung, datum

Gericht:
OLG Celle, 06. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 6 W 2/07
Datum:
05.02.2007
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 121 ABS 1, BRAO § 48 Abs 2
Leitsatz:
Das Recht auf Aufhebung der Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten und das Recht auf
Beiordnung eines neuen Rechtsanwalts bei PKH sind getrennt zu entscheiden.
Im Einzelfall findet bei der Frage eines Anspruchs auf Beiordnung eines neuen Anwalts nochmals
eine Prüfung der Erfolgsaussichten statt, so wenn die Beiordnung dazu dienen soll, einen
Prozessvergleich anzufechten.
Volltext:
6 W 2/07
3 O 391/05 Landgericht Lüneburg
B e s c h l u s s
In der Beschwerdesache
I. H. in H.,
Beklagter und Beschwerdeführer,
gegen
R. H. in L.,
Kläger und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte W. & S.W. in L.,
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richterin am Oberlandesgericht ####### als
Einzelrichterin auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 4. Dezember 2006 gegen den Beschluss
der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 22. November 2006 am 5. Februar 2007
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts insoweit geändert, als es den Antrag des
Beschwerdeführers auf Aufhebung der Beiordnung der bisherigen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin D.W.
zurückgewiesen hat. die Beiordnung der Rechtsanwältin D.W. wird ab dem 8. Oktober 2006 aufgehoben. Die
weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend den Antrag des Beschwerdeführers auf Beiordnung eines neuen
Prozessbevollmächtigten abgelehnt. Zu Unrecht abgelehnt hat es allerdings den Antrag des Beschwerdeführers, die
Beiordnung der bisherigen Prozessbevollmächtigen Rechtsanwältin D.W. aufzuheben. Der Beschwerdeführer konnte
Aufhebung der Beiordnung seiner bisherigen Prozessbevollmächtigten verlangen.
1. Zwar gibt § 48 Abs. 2 BRAO einer Partei nicht das Recht, die Aufhebung der Beiordnung ihres Rechtsanwalts zu
beantragen. Die Norm steht einem Antragsrecht der Partei aber auch nicht entgegen, weil sie nur das Antragsrecht
des Rechtsanwalts regelt (vgl. OLG Nürnberg, MDR 2003, S. 712 f. m. w. N.). Die Partei hat vielmehr regelmäßig
ohne weiteres einen Anspruch auf Entpflichtung des beigeordneten Rechtsanwalts, weil ihr - jedenfalls in Verfahren,
die der Parteiherrschaft unterliegen - ein Rechtsanwalt nicht gegen ihren Willen aufgezwungen werden kann
(Zöller/Reichhold, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 121 Rn. 3).
Der Beschwerdeführer konnte damit verlangen, dass die Beiordnung seiner bisherigen Prozessbevollmächtigen
aufgehoben wird. Dies gilt umso mehr, als sie selbst erklärt hat, dass ein gestörtes Vertrauensverhältnis vorliege.
Die Aufhebung ihrer Beiordnung ist damit auch ganz in ihrem Sinne.
2. Zur trennen von dem Antragsrecht auf Entpflichtung des beigeordneten Rechtsanwalts ist jedoch die Frage nach
einem Anspruch auf Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts. Ein derartiger Anspruch - auch nach
Verfahrensabschluss - besteht regelmäßig nur dann, wenn der Staatskasse dadurch keine höheren Ausgaben
entstehen oder wenn das Vertrauensverhältnis zum beigeordneten Rechtsanwalt nicht durch sachlich
ungerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten der Partei gestört worden ist, d. h. wenn der zuerst beigeordnete
Rechtsanwalt aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ohne ein Dazutun der Partei zur Vertretung nicht mehr in
der Lage ist oder wenn die Partei Veranlassung hatte, den Mandatsvertrag aus einem Grund zu kündigen, der auch
eine vermögende Partei veranlasst hätte, sich von ihrem Wahlanwalt zu trennen (vgl. BGH, NJWRR 1992, S. 189.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.08.2000, AZ: 1 WF 143/00 - zitiert nach juris. OLG Köln, JurBüro 1995, S. 534).
Hat die Partei den Anwaltswechsel hingegen ohne zureichenden Grund vorgenommen oder die tief greifende Störung
des Vertrauensverhältnisses selbst verschuldet, dann kann sie nicht einfach auf Staatskosten die Beiordnung eines
neuen Anwalts verlangen und auf die Weise unnötig hohe Anwaltskosten verursachen. ein solches Verhalten wäre
rechtsmissbräuchlich (BGH a. a. O.. OLG Nürnberg, a. a. O., S. 713). Im Rahmen der Entscheidung, ob es für den
Anwaltswechsel einen zureichenden Grund gibt, können in besonders gelagerten Einzelfällen auch die
Erfolgsaussichten der beabsichtigten weiteren Prozesshandlung eine Rolle spielen. Zwar sind diese grundsätzlich
bei § 121 ZPO nicht erneut zu prüfen, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Auch die Fortsetzung
eines Verfahrens, das durch einen Prozessvergleich beendet schien, durch Anfechtung zählt zum Rechtszug (vgl.
Zöller/Reichold, 24. Aufl. 2002, § 121 Rn. 1. Baumbach/ Lauterbach, ZPO, 65. Aufl., 2007 § 119 Rn. 46 u. Anh. §
307 Rn. 37). Soll allerdings die Beiordnung des neuen Prozessbevollmächtigten dazu dienen, ein durch Vergleich
beendetes Verfahren wieder aufzunehmen, sind die Erfolgsaussichten dieses Anfechtungsverfahrens
ausnahmsweise mit zu berücksichtigen. Denn die Beiordnung eines neuen Prozessbevollmächtigten zum erkennbar
aussichtlosen Versuch der Fortführung eines abgeschlossenen Verfahrens mit der Folge weiterer Kosten zu Lasten
des Staates widerspricht den Grundgedanken des Prozesskostenhilferechts.
Zwar mag aus Sicht des Beschwerdeführers sein Verlangen auf Anfechtung des Vergleichs berechtigt und von daher
seine Ablehnung seiner ehemaligen Prozessbevollmächtigten noch nicht mutwillig erscheinen, bei objektiver
Betrachtung ist der Versuch einer Aufhebung des Vergleichs hier aber - insbesondere unter Berücksichtigung des
Vorbringens des Beschwerdeführers zum Ablauf der Vergleichsverhandlung - aussichtslos. Die Ausführungen des
Landgerichts zu den Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Vorgehens gegen den Vergleich sind nicht zu
beanstanden, sondern es wird vollumfänglich auf diese Bezug genommen.
Hier ist auch nicht sichergestellt, dass der Staatskasse keine höheren Aufwendungen entstehen durch die
Beiordnung eines neuen Prozessbevollmächtigten als beim Fortbestand der Beiordnung der bisherigen
Prozessbevollmächtigten. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, dass der in Aussicht genommene neue
Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt T. auf seine Vergütung verzichten werde. dafür ist auch sonst nichts
ersichtlich.
Die sofortige Beschwerde, soweit sie sich gegen die Ablehnung der Beiordnung eines neuen
Prozessbevollmächtigten richtet, war daher zurückzuweisen.
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Richterin am Oberlandesgericht