Urteil des OLG Celle vom 21.10.2002

OLG Celle: stadt, fortdauer, vorführung, rechtswidrigkeit, sicherungshaft, datum, gespräch, offenkundig, inhaftierung, festnahme

Gericht:
OLG Celle, 17. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 17 W 59/02
Datum:
21.10.2002
Sachgebiet:
Normen:
AUSLG § 57
Leitsatz:
Ohne zügige, dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung tragende Bearbeitung einer
Passersatzbeschaffung durch die beteiligte Behörde ist die Fortdauer von Sicherungshaft
rechtswidrig.
Volltext:
17 W 59/02 28 T 75/02 Landgericht Hannover B e s c h l u s s In der Abschiebehaftsache ####### Betroffene
und Beschwerdeführerin, - Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt ####### Beteiligt: Stadt ####### hat der
17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die
Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 21. Oktober 2002
beschlossen: Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels festgestellt, dass die Fortdauer der gegen die Betroffene verhängten Abschiebungshaft nach dem
11. April 2002 rechtswidrig ist. Gerichtliche Kosten und Auslagen werden nicht erhoben. Die beteiligte Stadt #######
hat der Betroffenen deren außergerichtliche Auslagen der sofortigen Beschwerde und der sofortigen weiteren
Beschwerde zu erstatten. Beschwerdewert: 3.000 €. G r ü n d e : I. Gegen die Betroffene wurde durch Beschluss
des Amtsgerichts Hannover vom 10. Juni 2002 die zuvor durch Beschluss vom 13. März 2002 angeordnete
Sicherungshaft für die Dauer von weiteren drei Monaten verlängert. Die gegen diese Verlängerung gerichtete
sofortige Beschwerde wies das Landgericht durch Beschluss vom 2. Juli 2002 zurück. Auf die sofortige weitere
Beschwerde hob der Senat den genannten Beschluss des Landgerichts Hannover auf und verwies das Verfahren zur
erneuten Entscheidung an die 29. Zivilkammer des Landgerichts Hannover zurück. Der Senat wies darauf hin, dass
das Landgericht es verfahrensfehlerhaft unterlassen habe, zu ermitteln, ob die langwierige Passersatzbeschaffung
allein auf das Verhalten der Betroffenen zurückzuführen sei. Nach Aktenlage sei nicht auszuschließen, dass
Ursache für die Verzögerung auch zögerliche Bearbeitung durch die beteiligten Behörden sein könnte. Das
Landgericht hat sodann weitere Ermittlungen angestellt und die sofortige Beschwerde durch Beschluss vom
5. September 2002 erneut zurückgewiesen. Die aus den angefochtenen Beschlüssen resultierende Haft endete am
12. September 2002. Durch Schriftsatz vom 17. September 2002, eingegangen am selben Tage, erhob die
Betroffene sofortige weitere Beschwerde. Die Betroffene macht geltend, zwar treffe es zu, dass sie selbst nicht
hinreichend bei der Feststellung ihrer Personalien unter Beschaffung von Passersatzpapieren mitwirke; die lange
Dauer der Ermittlungen beruhe jedoch überwiegend darauf, dass die beteiligten Behörden das Verfahren nicht mit der
gebotenen Beschleunigung betrieben. II. Zwar ist die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen gegen die
Entscheidung des Landgerichts gegenstandslos, soweit sie sich gegen die Haftanordnung richtet, weil sie am
17. September 2002 – mithin nach Beendigung der vorliegend aufgrund der angegriffenen Entscheidungen
festgesetzten Haftzeit am 12. September 2002 eingelegt worden ist und damit durch Zeitablauf überholt. Sie bleibt
aber mit dem von der Betroffenen verfolgten Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten Haft
zulässig (vgl. hierzu BVerFG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99); OLG Hamm FaPrax 2001, 263).
In diesem Umfang, soweit Feststellung der Rechtswidrigkeit begehrt wird, hat das Rechtsmittel jedenfalls für den
Zeitraum nach dem 11. April 2002 Erfolg. Zutreffend ist allerdings zunächst der Ansatz des Landgerichts, dass
grundsätzlich der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 5 AuslG gegeben ist. Dies bedarf keiner weiteren
Vertiefung und wird von der Betroffenen auch nicht in Abrede gestellt. Zutreffend ist ferner, dass ein gewichtiger
Grund für die Dauer des Verfahrens die beharrliche Weigerung der Betroffenen ist, bei der Aufklärung ihrer Identität
und damit der Beschaffung von Passersatzpapieren mitzuwirken. Weitere Voraussetzung für die Fortdauer der Haft
ist aber, dass die beteiligten Behörden das Verfahren zur Ermittlung der Identität der Betroffenen durch eigene
Ermittlungstätigkeiten zügig fördern. Dieser Beschleunigungsgrundsatz ist gerade im Verfahrens betreffend
freiheitsentziehende Maßnahmen von besonderer Bedeutung. Die Ausländerbehörde kann sich nicht allein auf die
fehlende Mitwirkung der abzuschiebenden Person berufen. Diese Voraussetzungen liegen – was das Landgericht
verkannt hat – nur bis zum 11. April 2002 vor. Bis dahin ist der Beteiligten eine zögerliche Bearbeitungsweise nicht
vorzuwerfen. Auf die Festnahme am 12. März 2002 folgte die Haftanordnung vom 13. März 2002. Am 15. März 2002
und 18. März 2002 gingen Ermittlungsersuchen an die Stadt ####### und die Bezirksregierung ####### heraus. Die
Bezirksregierung ####### sprach am 4. April 2002 mit der Betroffenen, um eine Erklärung der Identität
herbeizuführen. Nachdem sie der Betroffenen mitgeteilt hatte, dass dieses Gespräch zu keinem Erfolg geführt habe,
leitete die Betroffene durch Telefax vom 11. April 2002 (Bl. 84) weitere Ermittlungen ein und bat die Bezirksregierung
####### um Vorführung der Betroffenen bei der Ghanaischen Botschaft. Nach diesem Datum geschah zunächst
nichts. Erst mit Schreiben vom 25. Juni 2002 wurde der Betroffenen von der Bezirksregierung #######mitgeteilt,
dass eine Vorführung für den 10. Juli 2002 in Aussicht genommen sei. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die
Bezirksregierung #######mehr als zwei Monate benötigte, um das Vorführungsersuchen der Stadt ####### zu
beantworten und warum zwischen Ersuchen und Vorführung insgesamt drei Monate liegen mussten. In diesem
Zusammenhang ist der Beteiligten vorzuwerfen, dass sie nicht durch entsprechende Anfragen und Erinnerungen auf
eine zügige Erledigung ihres Ersuchens gedrungen hat. Offenkundig – jedenfalls ergibt sich aus den vom
Landgericht erstellten Ermittlungen nichts anderes – hat die Beteiligte in der Zeit vom 11. April 2002 bis zum
18. Juli 2002 (erneutes Ersuchen an die Bezirksregierung #######, im Rahmen der Sprechtage auf die Betroffene
einzuwirken) überhaupt nichts unternommen, um das Verfahren zu beschleunigen und die Haftdauer so kurz wie
möglich zu halten. Spätestens seit dem 11. April 2002 lässt sich daher den vom Landgericht ermittelten Tatsachen
eine zügige, dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung tragende Bearbeitung der Passersatzbeschaffung durch die
beteiligten Behörden nicht mehr entnehmen, sodass die Fortdauer der Inhaftierung von diesem Tage an bis zum
12. September 2002 rechtswidrig war. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 103 Abs. 2 AuslG, 16 FEVG. #######
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