Urteil des OLG Celle vom 28.12.2011

OLG Celle: wirtschaftliches interesse, provision, anleger, rückvergütung, sparkasse, rentabilität, verjährungsfrist, vollstreckung, anfang, erwerb

Gericht:
OLG Celle, 03. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 3 U 173/11
Datum:
28.12.2011
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 261, ZPO § 322, BGB § 195, BGB § 199
Leitsatz:
Bei der Frage der unzureichenden Aufklärung über die Rentabilität der Fondsbeteiligung einerseits und
über an die beratende Bank fließende Rückvergütungen andererseits handelt es sich um verschiedene
Streitgegenstände, auch wenn sie im Zusammenhang mit ein und demselben Beratungsgespräch
stehen, so dass durch eine frühere Klage über einen Aufklärungsfehler noch kein Klageverbrauch
hinsichtlich eines anderen Aufklärungsfehlers eingetreten ist.
Der Anspruchsteller muss sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis seines
Prozessbevollmächtigten von den den Anspruch begründenden Umständen nicht gemäß § 85 Abs. 2
ZPO zurechnen lassen mit der Folge, dass die Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB zu laufen beginnt.
Vielmehr kommt eine Zurechnung fremden Wissens nur bei Vorliegen der Voraussetzungen der
Vorschrift des § 166 BGB in Betracht.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
3 U 173/11
11 O 280/10 Landgericht Hannover
Verkündet am
28. Dezember 2011
…,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
H. I., …,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Sparkasse H., …,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2011 unter
Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht …, der Richterin am Oberlandesgericht … sowie des
Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht … für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 27. Juli 2011 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts
Hannover geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44.457,46 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. Dezember 2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen
Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden,
soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die die jeweils zu vollstreckende Forderung um 10 %
übersteigt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger erwarb auf der Grundlage eines mit dem Mitarbeiter der Beklagten H. (Filiale in S.) geführten
Beratungsgesprächs am 26. September 1994 eine Beteiligung an dem von der R. Anlagegesellschaft mbH
aufgelegten geschlossenen Immobilienfonds R.Fonds 135 in Höhe von 100.000,00 DM. Die Beteiligung, die aus
steuerlichen Gründen u. a. durch ein Darlehen in Höhe eines Nominalbetrages von 60.000,00 DM finanziert wurde,
entwickelte sich nicht wie prognostiziert. inzwischen befindet sich der Fonds in Liquidation. Nachdem die erwarteten
Ausschüttungen des Fonds in den Jahren 1999 und 2000 ausgeblieben waren, hat der Kläger gegenüber der
Beklagten Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Mit einer im April 2001 beim Landgericht Hannover
erhobenen Klage hat er Schadensersatzansprüche in Höhe von 54.747,82 € zuzüglich Zinsen - Zug um Zug gegen
Übertragung des Fondsanteils geltend gemacht. Zur Begründung seines Anspruchs hat er ausgeführt, die Beklagte
habe die ihr aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrages obliegenden Pflichten verletzt.
Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, ihn darauf hinzuweisen, dass für den Erwerb eines Anteils an dem
Fonds der Abschluss des von ihr angebotenen Darlehensvertrages nicht erforderlich war, dass die dem Kläger
angebotene Kapitalanlage angesichts seines Einkommens als steuerorientiertes Investment ungeeignet war und
wegen der Fremdfinanzierung nur mit einer unterdurchschnittlichen Rentabilität zu rechnen gewesen sei. Die Klage
blieb erfolglos. Das Landgericht Hannover hat mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 12. März 2002
(14 O 1844/01) die Ansprüche des Klägers mit der Begründung abgewiesen, es fehle an einer
Beratungspflichtverletzung der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf das
landgerichtliche Urteil (Anlage BK 4
Bl. 170 d. A.).
Mit der am 18. Oktober 2010 beim Landgericht Hannover eingegangenen Klage begehrt der Kläger nunmehr erneut
Schadensersatz. Zur Begründung trägt er vor, die Beklagte habe für den Vertrieb der Beteiligung von der Emittentin
eine Rückvergütung erhalten. Hierüber sei er nicht aufgeklärt worden. Sein Schadensersatzanspruch ergebe sich
unter Berücksichtigung des eingesetzten Eigenkapitals, der auf das ihm gewährte Darlehen gezahlten Zinsen sowie
der anzurechnenden Steuervorteile sowie unter Anrechnung der erhaltenen Ausschüttungen und der
Liquidationserlöse und betrage 44.457,46 €.
Dem entsprechend hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 44.457,46 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, da über Schadensersatzansprüche des Klägers bereits
durch das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. März 2002 rechtskräftig entschieden sei. Im Übrigen hat die
Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. Jedenfalls der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe bereits bei
Erhebung der Klage im Jahr 2001 im Vorprozess Kenntnis von der Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als
Erwerber der Fondsbeteiligung über mögliche Rückvergütungen aufzuklären, gehabt. Aufgrund der Angaben im
Prospekt ergebe sich, dass die R.GmbH für den Vertrieb 6 % der Beteiligungssumme inklusive Agio erhalten sollte.
Hieraus ergebe sich für jeden Leser des Prospekts, dass die Beklagte als Untervermittlerin ebenfalls eine Provision
erhalten würde. Das Wissen seines Prozessvertreters müsse sich der Kläger zurechnen lassen. diesem sei
zumindest grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen. Im Übrigen handele es sich bei der Vergütung, die die Beklagte
erhalten habe, um keine Rückvergütung i. S. d. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, da der Kläger die
Beteiligungssumme einschließlich des Agios nicht über die Beklagte, sondern direkt an die Fondsgesellschaft
gezahlt habe. Unabhängig hiervon sei ein mögliches Verschweigen der Vergütung nicht ursächlich für den
Anteilserwerb durch den Kläger. Dessen Ziel sei es gewesen, Steuern zu sparen. Er hätte daher auch bei Kenntnis
der an die Beklagte gezahlten Vertriebsprovisionen die Fondsbeteiligung erworben, zumal am Markt keine anderen
Beteiligungen, die ohne vergleichbare Provisionen hätten erworben werden können, vertrieben worden seien.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, über den Anspruch des
Klägers sei durch das Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. März 2002 rechtskräftig entschieden.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der die Auffassung vertritt, der Streitgegenstand des Vorprozesses
sei nicht der Lebenssachverhalt „Anlageberatung“ gewesen. Vielmehr habe er sich ausweislich der Klagebegründung
zur Rechtfertigung seines Anspruchs ausdrücklich auf die drei in der Klage benannten Vorwürfe gestützt und
beschränkt. Der jetzigen Klage liegt damit ein anderer Streitgegenstand - Verschweigen von Rückvergütungen -
zugrunde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 27. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
einen Betrag in Höhe von 44.457,46 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt insbesondere ihre Auffassung, der Kläger müsse sich die
Kenntnis oder auch grob fahrlässige Unkenntnis seines Prozessbevollmächtigten, der wie jede Bank auch bereits im
Jahr 2001 von der Unzulässigkeit gezahlter Rückvergütungen habe wissen müssen, zurechnen lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Tatbestand des angefochtenen
Urteils, wegen des Berufungsvorbringens der Parteien auf den Inhalt der in zweiter Instanz gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen.
II.
Das Rechtsmittel des Klägers ist zulässig. es hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die Klage ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts - zulässig. Über den vom Kläger jetzt geltend
gemachten Schadensersatzanspruch, der auf das Verschweigen von Rückvergütungen gestützt wird, ist durch das
Urteil des Landgerichts Hannover vom 12. März 2002 nicht rechtskräftig entschieden.
a) Grundsätzlich ist eine Klage, deren Streitgegenstand mit dem eines rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses
identisch ist, unzulässig (vgl. BGHZ 93, 123, 139. 147, 47, 50. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., Vor § 322 Rn. 19
m. w. N.).
Dabei bezeichnet der Begriff des Streitgegenstandes nicht den der Klage zugrunde gelegten materiellrechtlichen
Anspruch. Er ergibt sich vielmehr aus dem Antrag und dem von den Parteien vorgetragenen Lebenssachverhalt. Zu
diesem sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des
Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., Einleitung Rn.
83).
b) Bei Berücksichtigung dieser Kriterien sind die Streitgegenstände der im Jahr 2001 bei dem Landgericht Hannover
erhobenen Klage und des jetzigen
Prozesses nicht identisch. Grundlage der im Jahr 2001 geltend gemachten Schadensersatzansprüche war die
behauptete Falschberatung des Klägers über die Rentabilität der Fondsbeteiligung, insbesondere wegen der
teilweisen Darlehensfinanzierung des Anlagebetrages. Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits war die dem
jetzigen Prozess zugrunde liegende - Frage, ob die Bank dem Kläger den Erhalt von Rückvergütungen und damit ihr
eigenes wirtschaftliches Interesse, dem Kläger gerade die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu
empfehlen, verschwiegen hat, ohne jede Bedeutung.
2. Die Klage ist auch in der Sache begründet.
a) Zwischen den Parteien ist, wie auch die Beklagte nicht in Abrede nimmt, ein Anlageberatungsvertrag zustande
gekommen. Hierfür ist maßgeblich, dass der Kläger als Anlageinteressent an die Beklagte oder diese an den Kläger
herangetreten ist und diesen über die Anlage eines Geldbetrages, hier konkret die Beteiligung an dem R.Fonds
beraten hat. Hierdurch ist - jedenfalls stillschweigend - ein Beratungsvertrag wirksam zustande gekommen (vgl.
BGHZ 123, 126 ff.).
b) Nach der inzwischen als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung war die Beklagte auf der Grundlage dieses
Anlageberatungsvertrages verpflichtet, den Kläger darüber aufzuklären, dass sie für die Vermittlung der Beteiligung
von der Fondsgesellschaft eine Vergütung erhielt. Diese Aufklärung ist notwendig, um dem Kunden den
Interessenkonflikt der Bank offen zu legen. Nur bei Kenntnis über das Umsatzinteresse der Bank kann der Kunde
selbst einschätzen, ob die Bank wegen der mit den Rückvergütungen verbundenen Vertriebsanreize eine
Empfehlung abgibt, die nicht allein nach den Kriterien der anleger und objektgerechten Beratung im Kundeninteresse
erfolgt, sondern (auch) im eigenen Interesse, eine möglichst hohe Rückvergütung zu erhalten (BGHZ 170, 226).
c) Dieser Verpflichtung ist die Beklagte nicht nachgekommen. Unstreitig ist, dass im Anlagegespräch zwischen dem
Kläger und dem Mitarbeiter der Beklagten H. im Jahre 1994 keine Aufklärung des Klägers über die Vergütung, die die
Beklagte für die Vermittlung der Fondsbeteiligung erhalten hat, stattgefunden hat. Dem entsprechend ist der Kläger
auch nicht über die Höhe der Provision aufgeklärt worden. Der Hinweis der Beklagten auf die Angaben im Prospekt
führt zu keiner anderen Bewertung. Der dort genannte Umstand, dass zwischen der Fondsgesellschaft und der R.
GmbH ein Vertriebsvertrag bestand, wonach die Fondsgesellschaft für die Vermittlung des Eigenkapitals in
bestimmter Höhe eine Betriebsprovision zahlte, weshalb es - so die Beklagte - auf der Hand gelegen habe, dass die
Sparkasse als Untervertriebspartner ebenfalls eine Provision erhielt, ist unerheblich. Aus diesen Hinweisen ließ sich
weder erkennen, dass tatsächlich die beklagte Sparkasse Untervertriebspartner war, noch dass dieser Provisionen,
erst recht nicht in welcher Höhe, zufließen sollten und zugeflossen sind.
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelte es sich bei den Vergütungen, die die Beklagte in Höhe von 6 %
erhalten hat - so der unwidersprochen gebliebene Vortrag des Klägers - um Rückvergütungen i. S. d.
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Soweit die Beklagte dies unter Hinweis auf die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 2006 (BGHZ 170, 226 ff.) mit der Begründung in Zweifel zieht, dass die
Provision nicht über die Bank an die Fondsgesellschaft gezahlt und von dieser an sie zurückgeflossen sei, ist dies
ohne rechtliche Bewandtnis. Maßgeblich ist nicht der Zahlungsweg, auf dem die Provision abgewickelt wird.
Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, dass die Vergütung, wie hier, ohne Kenntnis des Erwerbers der
Beklagten von der Emittentin gezahlt wird.
e) Die unterlassene Aufklärung über die Rückvergütungen, die die Beklagte erhalten hat, war auch kausal für die
Anlageentscheidung des Klägers. Grundsätzlich gilt, soweit die Bank die ihr zugeflossenen Rückvergütungen
gegenüber dem Anleger verschweigt, die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, die dahin geht, dass ein
Anleger, hätte er Kenntnis von den Rückvergütungen, die die ihm die Beteiligung vermittelnde Bank erhalten hat,
gehabt, von seiner Anlageentscheidung Abstand genommen hätte. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn sich der
Anleger bei richtiger Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, wofür die Bank darlegungs und
beweispflichtig ist (vgl. BGH, WM 2009, 1274. WM 2011, 925).
Vorliegend hat die Beklagte schon keine Tatsachen vorgetragen, die - ihre Richtigkeit unterstellt - geeignet wären,
die Kausalitätsvermutung, die sich aus der pflichtwidrig unterlassenen Aufklärung über die von ihr erhaltenen
Rückvergütungen ergibt, zu widerlegen. Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich auf den Hinweis, dass der Kläger
ein Steuersparmodell habe erwerben wollen. Dies genügt für die Darlegung eines Entscheidungskonflikts nicht.
Insbesondere ergibt sich hieraus nicht, dass der Kläger als Anleger bereit gewesen wäre, nur wegen einer möglichen
Steuerersparnis das Eigeninteresse der Beklagten bei der Vermittlung der Anlage zu ignorieren. Hierüber hinaus trägt
die Beklagte keinerlei Umstände - etwa aus dem bisherigen oder weiteren Anlageverhalten des Klägers - vor, die
einen Entscheidungskonflikt des Klägers bei richtiger Aufklärung vermuten ließen.
f) Die Ansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Gemäß der Regelung in den hier anzuwendenden §§ 195, 199 BGB
(vgl. Art. 229 § 6 EGBGB) beginnt der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der
Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person
des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder
ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dabei gilt, soweit es um den Vorwurf verschiedener Aufklärungs
oder Beratungsfehler geht, dass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für jede einzelne
Pflichtverletzung getrennt zu prüfen sind (vgl. BGH, WM 2010, 1690).
Der Kläger hat im Hinblick auf die seitens der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung vorgetragen, er habe
erstmals im Jahr 2009 durch die Lektüre eines Versicherungsjournals Kenntnis von möglichen Ansprüchen gegen die
Beklagte wegen verschwiegener Rückvergütungen erlangt. Dem ist die für die Voraussetzungen der Verjährung
darlegungs und beweispflichtige Beklagte nicht konkret entgegengetreten. Insbesondere genügt der Hinweis der
Beklagten, für jeden
Leser des Prospekts ergäbe sich, dass die Beklagte als Untervermittlerin der R. GmbH eine Provision erhalte, nicht,
um eine Kenntnis des Klägers über die Zahlung einer Rückvergütung und insbesondere deren Höhe nachzuweisen.
Auch die Erwägung der Beklagten, der Kläger müsse sich die Kenntnis seines Anwalts von den die Verjährung
begründenden Umständen zurechnen lassen, greift nicht durch. Richtig ist insoweit allerdings, dass der Kläger seine
jetzigen Prozessbevollmächtigten bereits Anfang 2001 mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
beauftragt hatte und diese Schadensersatzansprüche, gestützt auf den Gesichtspunkt der schuldhaften Verletzung
von Aufklärungspflichten in Bezug auf die vom Kläger erworbene Anlage, gerichtlich geltend gemacht hatten. Hierbei
handelt es sich jedoch, wie ausgeführt, um einen anderen Streitgegenstand. Des Weiteren trifft zu, dass von einer
beratenden Bank bereits Anfang der 90er Jahre die Kenntnis davon erwartet werden konnte, dass diese ihre Kunden
beim Erwerb von Fondsbeteiligungen über die ihr zufließenden Rückvergütungen aufklären musste. Selbst wenn man
diese - abstrakte - Rechtskenntnis (bzw. eine grob fahrlässige Unkenntnis) des Klägervertreters unterstellen wollte,
folgt hieraus keine den Lauf der Verjährung in Gang setzende Kenntnis des Klägers. Diese scheitert zunächst
bereits daran, dass nichts dafür erkennbar ist, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Klageerhebung
im Jahr 2001 Kenntnis davon hatte, dass die Beklagte tatsächlich Rückvergütungen erhalten hatte. Unabhängig
hiervon kommt eine Zurechnung eines Fehlverhaltens des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht in Betracht.
Zwar steht gem. § 85 Abs. 2 ZPO ein Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich. Zweck
der Regelung ist, dass durch eine Berufung auf Vertreterverschulden die Partei nicht die Folgen von prozessualen
Fehlern und Versäumnissen abwenden können soll (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 85 Rn. 2). Die Vorschrift
betrifft damit die Zurechnung eines prozessualen Fehlverhaltens. Für eine Wissenszurechnung ist nicht § 85 Abs. 2
ZPO, sondern die Vorschrift des § 166 BGB maßgebend (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 85 Rn. 10). Auch
dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. So ist bereits, wie ausgeführt, nicht erkennbar, weshalb der
Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits im Jahr 2001 in tatsächlicher Hinsicht Kenntnis davon gehabt haben
soll, dass der Beklagten für die Vermittlung der Fondsbeteiligungen Rückvergütungen zugeflossen sind. Im Übrigen
regelt § 166 BGB die Zurechnung bestimmter Kenntnisse des Vertretenen bei der Abgabe von Willenserklärungen.
Der Kläger hat jedoch - auf die hier in Streit stehende Frage der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen -
im Jahr 2001 gegenüber der Beklagten keine Willenserklärungen abgegeben, in deren Rahmen er sich Kenntnisse
seines Vertreters zurechnen lassen müsste.
III.
Die Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens beläuft sich auf den mit der Berufung geltend gemachten Betrag
von 44.457,46 €. Der Schadensberechnung des Klägers ist die Beklagte nicht konkret entgegengetreten. Das bloße
Bestreiten der Höhe der vom Kläger erzielten Steuervorteile ist ohne hinreichende Substanz. Der Zinsanspruch des
Klägers ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen wäre (§ 543 Abs. 2
ZPO), sind nicht gegeben.
… … …