Urteil des OLG Celle vom 18.01.2012

OLG Celle: rückgriff, fristwahrung, strafantrag, nachstellung, strafanzeige, kausalität, beweismittel, amt, unrichtigkeit, strafprozessordnung

Gericht:
OLG Celle, 01. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 1 Ws 20/12
Datum:
18.01.2012
Sachgebiet:
Normen:
StPO § 172
Leitsatz:
Der Senat neigt dazu, sich (entgegen OLG Celle NStZ 1989, 43) der in der Rechtsprechung
überwiegenden Auffassung anzuschließen, nach der ein zulässiger Antrag nach § 172 Abs. 2 StPO
Angaben zum Einhalten der Frist enthalten muss.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
1 Ws 20/12
22 Ws 3/12 (2 Zs 1580/11) GenStA Celle
B e s c h l u s s
In dem Ermittlungsverfahren
gegen W. H.,
wegen des Vorwurfs der Körperverletzung u.a.
Antragsteller: E. R., I. in H.,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. aus H.,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den Bescheid
des Generalstaatsanwalts in Celle vom 25. November 2011 nach dessen Anhörung durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht xxxxxxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxxxxxxx und den Richter am
Oberlandesgericht xxxxxxxxxxxxxxx am 18. Januar 2012 beschlossen:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
G r ü n d e:
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seinem am 2. Januar 2012 beim Senat eingegangenen Antrag gegen einen
Bescheid des Generalstaatsanwalts vom 25. November, mit welchem die Beschwerde gegen den
Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Hannover zurückgewiesen wurde.
II.
Der Antrag ist bereits unzulässig.
1. Der Antragsteller teilt nicht mit, wann ihm der Bescheid des Generalstaatsanwalts zugegangen ist. Nach
überwiegender in der Rechtsprechung hierzu vertretener Auffassung führt bereits dieser Umstand, soweit die
Rechtzeitigkeit sich nicht schon allein aus den Daten ohne Weiteres ergibt, zur Unzulässigkeit des Antrags, weil der
Senat ohne Rückgriff auf die Akten nicht überprüfen kann, ob die Frist des § 172 Abs. 2 StPO eingehalten wurde
(vgl. nur LR/GraalmannScheerer, StPO, 26. Aufl., § 172 Rn. 147. MeyerGoßner, Strafprozessordnung, 54. Aufl., §
172 Rn. 27b m.w.N.). Gegen diese Auffassung wird neben einer Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (NStZRR
2006, 311) vor allem eine Entscheidung des [früheren, mit dem erkennenden nicht identischen] 1. Strafsenats des
OLG Celle bemüht, nach welcher es der Angabe von Umständen der Fristwahrung für die Zulässigkeit eines Antrags
nach § 172 Abs. 2 StPO nicht bedürfe (NStZ 1989, 43 = OLGSt Nr. 25 zu § 172 StPO).
Hierzu weist der Senat indessen darauf hin, dass diese Entscheidung sich zur Frage der Mitteilung zur Fristwahrung
jedenfalls ausdrücklich gar nicht verhält. Gegenstand der bemühten Entscheidung ist vielmehr die - dort verneinte -
Frage, ob ein Antrag die Gründe der Einstellungsbescheide mitteilen muss. Zu dieser Frage hat der erkennende
Senat sich indessen abweichend positioniert: Nach ständiger Spruchpraxis des erkennenden Senats muss ein
zulässiger Antrag nach § 172 Abs. 2 StPO zumindest in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens und
hierbei auch den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für deren behauptete Unrichtigkeit mitteilen
(Beschluss vom 11. August 2010, 1 Ws 395/10 [wistra 2010, 494]. MeyerGoßner, § 172 Rn. 27a). Vor diesem
Hintergrund erscheint es nur folgerichtig und neigt der Senat deshalb dazu, sich der überwiegenden Rechtsprechung
(auch des hiesigen 2. Strafsenats) anzuschließen und seine Spruchpraxis dahingehend zu ergänzen, dass ein
Antrag auch die Umstände zum Wahren der Frist aus § 172 Abs. 2 StPO mitteilen muss. Hierauf kam es vorliegend
aber nicht entscheidend an.
2. Denn der Antrag ist auch aus anderen Gründen bereits unzulässig.
a) Soweit der Antragsteller dem Beschuldigten Straftaten nach Maßgabe der §§ 185 ff StGB zur Last legt, steht der
Zulässigkeit seines Antrags bereits entgegen, dass es sich hierbei im Privatklagedelikte (§ 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO)
handelt, die nach § 172 Abs. 2 Satz 3 StPO nicht Gegenstand eines Klageerzwingungsverfahrens sein können.
Entsprechendes gilt auf der Grundlage von § 374 Abs. 1 Nr. 5 StPO für die behauptete Nachstellung nach § 238
Abs. 1 StPO. Bei diesen Delikten handelt es sich im Übrigen um Antragsdelikte. Ob der Beschuldigte insoweit
rechtzeitig Strafantrag gestellt hat, erschließt sich aus dem Antrag nicht. Dies erscheint dem Antrag zufolge
vielmehr zweifelhaft. Denn die fraglichen Dienstbesprechungen fanden statt am 30. Oktober 2009 und am 3.
November 2009. Dem Antrag zufolge wurde Strafanzeige erstattet am 14. März 2010 und somit nach Ablauf der in §
77b StGB benannten Frist. Dessen ungeachtet erschließt sich aus dem Antrag nicht, worin eine Handlung im Sinne
von § 238 Abs. 1 StGB begründet sein soll.
b) Soweit der Antragsteller eine Körperverletzung im Amt nach § 340 StGB behauptet, enthält der Antrag nicht die
vom Gesetz geforderte, in sich geschlossene und aus sich selbst heraus - ohne Bezugnahmen und Verweisungen -
verständliche Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der Beweismittel (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO). So verhält
sich der Antrag nicht zu der Frage, ob die (im Übrigen nur in der Anlage) attestierten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen infolge psychischer Belastungen auf die behaupteten Äußerungen des Beschuldigten
zurückzuführen sind und ob dieser mit diesen Folgen rechnen musste. Insoweit fehlt es an hinreichend schlüssigem
Vortrag zur Kausalität und zur subjektiven Tatseite. Vor allem aber verhält der Antrag sich nicht zur Einlassung des
Beschuldigten sowie zu den Aussagen von vernommenen Zeugen und eingeholten dienstlichen Stellungnahmen.
Ohne die Angabe dieser Umstände ist dem Senat eine zureichende Prüfung des Antrags im Hinblick auf das
Vorliegen eines zumindest hinreichenden Tatverdachts ohne Rückgriff auf die Akten nicht möglich. Auch dies muss
nach ständiger Spruchpraxis nicht nur des erkennenden Senats zur Unzulässigkeit des Antrags führen.
III.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
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