Urteil des OLG Celle vom 22.05.2003

OLG Celle: fahrstreifen, verschulden, fahrzeug, grundstück, betriebsgefahr, abbiegen, eigenschaft, polizeibeamter, verkehrsunfall, vollstreckbarkeit

Gericht:
OLG Celle, 14. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 14 U 239/02
Datum:
22.05.2003
Sachgebiet:
Normen:
STVO § 10
Leitsatz:
Gegen denjenigen, der beim Ausfahren aus einem Grundstück mit dem fließenden Verkehr kollidiert,
spricht der Anschein der schuldhaften Unfallverursachung. Wenn ein (Mit-)Verschulden des
Unfallgegners nicht nachgewiesen werden kann, tritt auch dessen Haftung aus Betriebsgefahr zurück.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil 14 U 239/02 4 O 158/02 Landgericht Hannover Verkündet
am 22. Mai 2003 #######, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit
#######, Kläger und Berufungskläger, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt #######, gegen 1. #######, 2.
#######, Beklagte und Berufungsbeklagte, Prozessbevollmächtigter zu 1, 2: Rechtsanwalt #######, hat der 14.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2003 durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht
####### für Recht erkannt: Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Oktober 2002 verkündete Urteil der
4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Wert der Beschwer: 3.788,44 € Gründe: Die zulässige Berufung
ist im Ergebnis nicht begründet. I. Der Kläger kann Schadensersatz von den Beklagten weder aus § 7 StVG noch
aus § 823 BGB (jeweils i. V. m. § 3 PflVG) verlangen. Der Kläger hat nicht beweisen können, dass den Beklagten zu
1 ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls traf. Er hat auch den gegen ihn als Ausfahrenden aus einem
Grundstück bei Kollision mit dem fließenden Verkehr sprechenden Anschein des Alleinverschuldens (vgl. Hentschel,
Straßenverkehrsrecht, 37. Auflage, § 10 StVO, Rn. 11 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen) nicht
entkräften können. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 1 - ohne auf das einfahrende Fahrzeug
des Klägers zu achten - auf den rechten Fahrstreifen gewechselt ist. Vielmehr spricht nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme sogar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Zusammenstoß auf dem linken
Fahrstreifen der ####### Straße ereignet hat. Die Zeugin ##############, die Ehefrau des Klägers, hat zwar, wie
schon bei ihrer schriftlichen Aussage im Ermittlungsverfahren (Bl. 22 BA), die Darstellung des Klägers bestätigt,
dieser sei exakt auf den rechten Fahrstreifen der ####### Straße eingefahren, der Beklagte zu 1 hätte deshalb
ungehindert auf der linken Fahrspur weiterfahren können. An der Richtigkeit dieser Aussage bestehen aber so
erhebliche Zweifel, dass ihr nicht gefolgt werden kann. Denn die Zeugin ####### hat erkennen lassen, dass sie nur
bedingt auf den Verkehrsvorgang geachtet hat. Auf zahlreiche Nachfragen hat sie geantwortet, dass sie selbst nicht
Fahrerin gewesen sei und daher auf Einzelheiten nicht geachtet habe. Zudem hat sie - wie im Übrigen auch der
Kläger selbst - deutlich gemacht, dass sie die Verkehrslage für klar und ein Einfahren auf die ####### Straße für
unproblematisch möglich hielt, nachdem auf dem rechten Fahrstreifen ca. 20 bis 30 Meter entgegen der
Fahrtrichtung ein Lkw angehalten hatte. Besondere Vorsicht hielten dabei weder der Kläger noch die Zeugin #######
für erforderlich, da man - wie es der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst formulierte - den rechten
Fahrstreifen durch den haltenden Lkw für freigehalten hielt. Es spricht daher alles dafür, dass die Zeugin #######
auf weitere Einzelheiten des Auffahrvorgangs nicht mehr geachtet hatte, was sie letztlich auch selbst eingeräumt
hat. Schließlich hat sich die Zeugin ####### hinsichtlich der Frage, ob das Fahrzeug des Beklagten zu 1 tatsächlich
auf den rechten Fahrstreifen hinübergekommen war und wo dieses letztlich zum Stehen kam, ebenfalls unsicher
gezeigt. Zunächst hat sie erklärt, der Wagen des Beklagten zu 1 habe schon auf dem rechten Fahrstreifen
gestanden. Dies hat sie im weiteren dahingehend relativiert, dass der Pkw des Beklagten zu 1 jedenfalls mit dem
zerbeulten Teil auf der rechten Spur gewesen sei. Der Kläger selbst hat eingeräumt, dass die sich aus der
Verkehrsunfallanzeige ergebende Endposition des Pkw des Beklagten zu 1 zutreffend ist. Danach stand dieser auf
dem linken Fahrstreifen, bereits in die Gegenfahrbahn hineinragend. Dies hat auch der Zeuge #######, der in seiner
Eigenschaft als Polizeibeamter den Unfall aufgenommen hat, bestätigt. Zu dieser Position kann es nicht gekommen
sein, wenn sich der Zusammenstoß so ereignet hätte, wie der Kläger behauptet, was der Senat als
Straßenverkehrssenat selbst beurteilen kann. Hinzu kommt, dass es für den Beklagten zu 1 auch keinen
vernünftigen Grund gab, im Bereich der Unfallstelle vom linken auf den rechten Fahrstreifen zu wechseln. Wie er
glaubhaft geschildert hat, wollte er nach Hause in die #######straße. Dazu hätte er in Kürze nach links abbiegen
müssen. Es war daher nur nahe liegend, wenn der Beklagte zu 1 auf dem linken Fahrstreifen weiterfuhr. Dagegen
gibt es durchaus objektive Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beim Auffahren auf die ####### Straße auf den
linken Fahrstreifen gelangt ist. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass beim Auffahren aus der Grundstückseinfahrt
auf die ####### Straße (die Örtlichkeiten sind dem Senat bekannt) mit einem Fahrzeug, wie es der Kläger benutzte
(Mercedes Benz Lim. E 280), aufgrund des engen Radius ein Hineinragen des Fahrzeugs in den linken Fahrstreifen
stattfand. Außerdem wollte der Kläger nach Bekundung seiner Ehefrau in Richtung Stadtmitte zurückfahren. Auf die
Frage, welchen Fahrweg sie für die Weiterfahrt zurück in die Stadtmitte denn benutzen wollten, erklärte die Zeugin
####### spontan, man könne auf der ####### Straße bei nächster Gelegenheit wenden. Das würde allerdings
voraussetzen, dass zunächst der linke Fahrstreifen der ####### Straße in stadtauswärtiger Richtung benutzt wird.
Insgesamt kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 1 entgegen der allgemeinen
Rücksichtnahmeregel des § 1 Abs. 2 StVO auf den rechten Fahrstreifen gewechselt und dadurch den Unfall
schuldhaft verursacht hat. Es verbleibt daher dabei, dass Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des
Klägers an dem Verkehrsunfall spricht. Nicht entschieden werden muss, ob der Unfall für den Beklagten zu 1
unabwendbar i. S. v. § 7 Abs. 2 StVG a. F. war. Denn die Betriebsgefahr seines Pkw tritt hinter dem Verschulden
des Klägers, entgegen § 10 StVO beim Einfahren aus einem Grundstück eine Gefährdung des fließenden Verkehrs
nicht ausgeschlossen zu haben, zurück (vgl. Hentschel, a. a. O., § 17 StVG, Rn. 18 mit
Rechtsprechungsnachweisen). II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. §
543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. ####### ####### #######