Urteil des OLG Celle vom 29.03.2001
OLG Celle: einstellung des verfahrens, angemessene frist, beschwerdegrund, versteigerung, rüge, verfahrensmangel, glaubhaftmachung, datum, grundstück, eigentümer
Gericht:
OLG Celle, 04. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 4 W 81/01
Datum:
29.03.2001
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 568, GG Art. 103
Leitsatz:
Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt keine generelle Pflicht des Gerichts, unter Fristsetzung zu einer
Begründung oder Stellungnahme aufzufordern, sondern das Gericht muss lediglich eine angemessene
Äußerungsfrist abwarten.
Volltext:
4 W 81/01 15 T 330/01 LG Hannover 8 K 53/97 AG Wennigsen B e s c h l u s s In dem
Zwangsversteigerungsverfahren betreffend das im Grundbuch von Gehrden ####### eingetragene Grundstück,
bisher eingetragene Eigentümer zu je 1/2, Schuldner und Beschwerdeführer: ####### - Verfahrensbevollmächtigter:
####### Ersteher zu je 1/2 und Beschwerdegegner: ####### hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die
Richterin am Landgericht ####### auf die weitere sofortige Beschwerde der Schuldner gegen den Beschluss der 15.
Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. Februar 2001 am 29. März 2001 beschlossen: Die weitere sofortige
Beschwerde wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tragen die
Schuldner. Beschwerdewert: 56.000 DM Gründe Die weitere Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen, weil in der
angefochtenen Entscheidung ein neuer selbständiger Beschwerdegrund nicht enthalten ist (§ 568 Abs. 2 ZPO),
soweit eine Einstellung nach § 765 a ZPO abgelehnt worden ist. Im Übrigen hat der Gesetzgeber die weitere
Beschwerde im Zwangsversteigerungsverfahren wegen der einstweiligen Einstellung des Verfahrens nach § 30 a
ZVG und wegen der Festsetzung des Verkehrswerts ausdrücklich für nicht statthaft erklärt, § 30 b Abs. 3 ZVG und §
74 a Abs. 5 ZVG. Die Begründung der weiteren Beschwerde, die angefochtene Entscheidung des Landgerichts
enthalte als selbständigen Beschwerdegrund den Verfahrensfehler der Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das
Landgericht nicht schon am 27. Februar 2001 ohne vorherige Fristsetzung habe entscheiden dürfen, trifft aus zwei
Gründen nicht zu: Zum Einen ist das rechtliche Gehör der Schuldner nicht verletzt. Der sozusagen ‘klassische’ Fall
der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine Entscheidung vor Ablauf einer vom Gericht gesetzten Frist
(Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 568, Rdnr. 18) liegt nicht vor, denn das Landgericht hat keine Frist gesetzt,
sondern ohne besondere Fristsetzung mit einer Entscheidung vom Eingang der sofortigen Beschwerde beim
Amtsgericht am 9. Februar 2001 bis zum 27. Februar 2001 zugewartet. Die Auffassung, das Landgericht habe hier
zur Wahrung des rechtlichen Gehörs eine Frist setzen müssen, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Aus Art. 103
Abs. 1 GG folgt keine Pflicht des Gerichts, unter Fristsetzung zu einer Begründung oder Stellungnahme
aufzufordern, sondern das Gericht muss lediglich eine angemessene Äußerungszeit abwarten, wobei zwei Wochen
in der Regel ausreichen. (BVerfG ZIP 1986, 1336; BayObLG NJW-RR 1986, 1446; Zöller/Gummer, a.a.O., § 573,
Rdnrn. 10 und 11). Was gilt, wenn eine Begründung angekündigt wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Im vorliegenden Fall haben die Schuldner mit der sofortigen Beschwerde vom 9. Februar 2001 auf ihr bisheriges
Vorbringen (Vertragsverhandlungen mit einem Gläubiger über den Verkauf des Grundstücks zu einem höheren
Kaufpreis als den Versteigerungserlös) Bezug genommen und erklärt: ‘Eine detaillierte Begründung mit
Glaubhaftmachung erfolgt umgehend.’ Mit der Ankündigung einer ‘umgehenden’ Begründung haben die Schuldner
schon von sich aus dem besonderen Eilbedürfnis einer Entscheidung über den Einstellungsantrag trotz bereits
erfolgter Versteigerung Rechnung getragen. Die Ankündigung einer ‘umgehenden’ Begründung durfte zwanglos dahin
verstanden werden, dass eine solche weitere Begründung auch ohne besondere Fristsetzung durch das Gericht
binnen weniger Tage, jedenfalls deutlich vor Ablauf von zwei Wochen, abgegeben werde. Dabei war angesichts der
Ankündigung, von sich aus ‘umgehend’ eine weitere Begründung nachreichen zu wollen, der Beginn der
abzuwartenden Äußerungsfrist das eigene Schreiben der Schuldner vom 9. Februar 2001, denn wer in einem
Schreiben ans Amtsgericht ankündigt, von sich aus eine weitere Begründung nachreichen zu wollen, kann die
umgehende Begründung auch an das Amtsgericht adressieren. Aber selbst nach Mitteilung des landgerichtlichen
Aktenzeichens, die die Schuldner am 15. Februar 2001 erhalten haben, hat das Landgericht noch mehr als 10 Tage
zugewartet, ohne dass die Schuldner eine Begründung nachgereicht oder Hinderungsgründe mitgeteilt hätten. Wenn
nach alledem die Schuldner bis zum 26. Februar 2001 - also insgesamt mehr als zwei Wochen - sich nicht rührten,
durfte das Landgericht gerade wegen der Ankündigung einer ‘umgehenden’ Begründung ohne Verfahrensfehler
annehmen, dass die Schuldner - aus welchen Gründen auch immer - eine weitere Begründung denn doch nicht mehr
abgeben wollten, sondern mit einer Entscheidung auf der Grundlage der im Schreiben vom 9. Februar 2001 bereits
abgegebenen Begründung einverstanden waren. Zum Andern wird vorsorglich noch darauf hingewiesen, dass die
Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer etwaigen Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht. Denn mit der
weiteren Beschwerde vom 14. März 2001 wird nicht vorgetragen, was die Schuldner denn, wenn ihnen eine
angemessene Frist vom Landgericht gesetzt worden wäre, nun als die angekündigte ‘detaillierte’ Begründung geltend
gemacht hätten. Schon gar nicht werden Einzelheiten zu dem angeblich möglichen günstigen freihändigen Verkauf
mitgeteilt. Vielmehr beschränkt sich die Begründung der weiteren Beschwerde auf die formale Rüge der Verletzung
des rechtlichen Gehörs. Es ist demgemäß nicht einmal ansatzweise dargetan, dass die Entscheidung des
Landgerichts auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen könnte, also der gerügte Verfahrensmangel auch
‘entscheidungskausal’ war - nur derart kausale Verfahrensmängel des landgerichtlichen Verfahrens stellen aber
selbständige Beschwerdegründe dar, die bei in der Sache übereinstimmenden Entscheidungen von Amts- und
Landgericht die weitere Beschwerde eröffnen können (Zöller/Gummer, a.a.O., § 568, Rdnr. 23.)