Urteil des OLG Celle vom 29.11.2000
OLG Celle: förderung der prostitution, schlüssiges verhalten, verzug, mahnkosten, nichtigkeit, vollstreckung, vergütung, einziehung, diskontsatz, burg
Gericht:
OLG Celle, 22. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 21 U 36/00
Datum:
29.11.2000
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 138 Abs. 1, TDG § 2, TDG § 3 Nr. 1
Leitsatz:
Zur Frage der Sittenwidrigkeit von Vereinbarungen über die Vergütung von Telefonsex
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
21 U 36/00
14 O 5245/99 LG Hannover
Verkündet am
29. November 2000
...,
Justizsekretärin
als Urkundsbeamt.
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
Beklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
gegen
...
Klägerin und Berufungsbeklagte,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
wegen Forderung
hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 15.
November 2000 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. Mai 2000 verkün-dete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts
Hannover unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechts-mittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.755,77 DM nebst 5,95 % Zinsen für die Zeit vom 21. Oktober 1999 bis
zum 31. Dezember 1999 und 6,5 % Zinsen ab dem 1. Januar 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.
Die Kosten der Berufungsinstanz fallen der Klägerin zu ¾ und der Beklagten zu ¼ zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Klä-gerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.200 DM ab-
zuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung der Be-klagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.300 DM
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit darf
jeweils auch durch eine schriftliche, unbefristete, unwiderrufli-che, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft
einer deutschen Großbank, Volksbank, öffentlichen Sparkasse oder Bank, die einem anerkannten
Einlagensicherungsfond angehört, geleistet werden.
Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 21.944,34 DM.
Beschwer für die Klägerin: 16.188,57 DM.
Beschwer für die Beklagte: 5.755,77 DM.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Mobilfunknetz. Kunden der Klägerin haben die Möglichkeit, über das von der Klägerin zur
Verfü-gung gestellte Mobilfunknetz Telefonanschlüsse des von der ... betriebenen Festnetzes anzuwählen. Dazu
gehören auch die mit der Vorwahl 0190 beginnenden Nummern, unter denen Dienste im Sinne des
Teledienstegesetzes angebo-ten werden.
Auf den schriftlichen Antrag der Beklagten vom 25. Juli 1997 stellte die Klägerin der Beklagten einen
Mobilfunkanschluss zur Verfügung. In Ziffer 4 der allgemeinen Geschäftsbedingun-gen der Klägerin heißt es u. a.:
‘4.1 Der Kunde ist zur Zahlung der Rechnungsbeträge ver-pflichtet, wie sie sich aus den von ... veröffentlichten und
dem Kunden bei Vertragsschluss bekannt gegebenen Ta-rifen im Einzelnen ergeben. Die Zahlungspflicht besteht
auch, wenn Dritte die D2-Karte benutzen.
....
4.4 Befindet sich der Kunde in Verzug, werden - vorbehalt-lich der Geltendmachung eines weitergehenden Verzugs-
schadens - Zinsen in Höhe von 4 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank berechnet. Dem
Kun-den bleibt es vorbehalten, einen geringeren Schaden nachzuweisen.
4.5 Im Falle des Verzuges ist ... berechtigt, sämtliche Forderungen aus D 2-Kartenverträgen sofort fällig zu stellen,
sofern die Forderung, mit deren Erfüllung der Kunde in Verzug ist, mindestens 20 % der fällig zu stel-lenden
Forderungen beträgt.
... ist weiter berechtigt, die vertraglichen Leistungen einzustellen, insbesondere die Zukunftsberechtigung des
Kunden zum D 2-Netz zu sperren, ....
Kommt der Kunde für zwei aufeinander folgende Monate mit der Bezahlung eines nicht unerheblichen Teiles des
Rech-nungsbetrages in Verzug, ist ... berechtigt, das Kunden-verhältnis fristlos zu kündigen.’
Nachdem die Beklagte Rechnungen der Klägerin vom 12. Juli, 10. August und 9. September 1999 nicht bezahlt
hatte, deaktivierte die Klägerin den Anschluss der Beklagten.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Oktober 1999 mit Zahlungsfrist zum 20. Oktober 1999 zur
Zahlung von 21.944,38 DM auf. Darin sind sämtliche offenen Rechnungsbeträge enthalten. 131,33 DM, die die
Beklagte am 24. September 1999 gezahlt hat, sind in dem Betrag bereits berücksichtigt. In dem Betrag enthalten
sind außerdem 354,56 DM Schadensersatz sowie 5 DM vorgerichtliche Mahnkosten. Die übrige Rechnungsbeträge
resultieren aus Anrufen zu 0190-Nummern.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 21.944,34 DM nebst 6,5 % Zinsen hieraus seit dem 21. Oktober 1999,
weitere 5 DM vorgerichtliche Mahnkosten sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.144,92 DM zu zahlen.
Sie hat nach Rücknahme der weitergehenden Klage beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 21.944,34 DM nebst 6,5 % Zinsen hieraus seit dem 21. Oktober 1999
sowie weitere 5 DM vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die Entgelte für Anrufe zu Sondernummern nicht zu schulden. Es seien keine gültigen
Vereinbarungen über die Vergütung der in Anspruch genommenen Teledienste zustande gekommen. Dabei habe es
sich - wie sie behauptet hat - ausschließlich um ‘echten’ Telefonsex gehandelt. Sie vertritt die Auffassung, dass
Vereinbarungen über die Vergütung von Telefonsex sittenwidrig seien.
Durch Urteil vom 9. Mai 2000 hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung
hat es ausgeführt: Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die zugrunde liegenden Forderungen
sittenwidrig seien. Ein Verstoß gegen § 138 BGB liege nicht vor. Die Klägerin beschränke sich darauf, ihr
Mobilfunknetz bereit zu stellen. Die Klägerin habe keinerlei vertragliche Beziehung zu den Anbietern der 0190-
Leistungen. Die von der Klägerin erbrachte Dienstleistung sei - gegenüber der Vertragsbeziehung zwischen dem
Anrufer und dem Teledienstleister - wertneutral. Es handele sich dabei lediglich um ein Hilfsgeschäft, das nicht der
objektiven Förderung und Ermöglichung des Telefonsex dienen solle.
Hiergegen wendet sich die form- und fristgerechte Berufung der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag weiter
ver-folgt. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzu-weisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und für den Fall einer Maß-nahme nach § 711 ZPO anzuordnen, dass die Sicherheits-
leistung auch durch eine schriftliche, unbefristete, un-widerrufliche, unbedingte und selbstschuldnerische Bürg-schaft
einer deutschen Großbank, Volksbank, öffentlichen Sparkasse oder Bank, die einem anerkannten Einlagensi-
cherungsfonds angehört, geleistet werden darf.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die in beiden Instan-zen gewechselten Schriftsätze sowie auf
die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen...
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 15. Novem-ber 2000 Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist überwiegend begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte lediglich Anspruch auf Zahlung von 5.755,77 DM. Die Forderung setzt sich aus
¼ der in der Rechnung vom 9. Oktober 1999 enthaltenen Entgelte für Anrufe zu Sondernummern ((21.944,38 DM -
354,56 DM - 5 DM = 21.584,82 DM) : 4 = 5.396,21 DM), dem Schadensersatz (354,56 DM) und den Mahnkosten (5
DM) zusammen.
Die Klägerin kann von der Beklagten dem Grunde nach verlan-gen, dass sie das Entgelt
a) für die von der Klägerin selbst geleisteten Dienste und
b) für Teledienste (§ 2 Abs. 2 Teledienstegesetz (TDG)), die von Dritten erbracht worden sind, soweit die
diesbezügli-chen Vereinbarungen gültig sind
bezahlt.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem Telefonvertrag (Dienstvertrag, § 611 BGB) der Parteien in Verbindung
mit Ziffer 4.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin Anspruch auf Zahlung der Rechnungsbeträge, wie
sie sich aus den von der Klägerin veröffentlichten und dem Kunden bei Vertragsschluss bekannt gegebenen Tarifen
ergeben. Die Zah-lungspflicht besteht auch, wenn Dritte den Mobilfunkanschluss benutzen.
Hiervon zu unterscheiden ist die Einziehung von Entgelten für Teledienste. Dabei handelt es sich nicht um eigene
Ansprüche der Klägerin, sondern um solche des Diensteanbieters (§ 3 Nr. 1 TDG). Mit dem Anruf kommt durch
entsprechende telefonische Erklärungen der Beteiligten (§ 147 Abs. 1 S. 2 BGB) oder durch schlüssiges Verhalten
ein Teledienst-vertrag zwischen Anrufer und Diensteanbieter zustande (Piepenbrock/Müller, MMR, Beilage 12/99, S.
19).
Demgegenüber gibt der Anrufer keine Erklärung gegenüber dem Mobilfunkunternehmen ab. Das Telefonunternehmen
erhält vom Inhalt des Anrufs und der darin gewechselten Erklärungen keine Kenntnis. Das bloße Wählen einer
einschlägigen Nummer ist kein Rechtsgeschäft (Medicus EWiR 2000, S. 7 (8)). Das Mobilfunkunternehmen ist
lediglich gemäß § 15 Abs. 1 der Telekommunikationsverordnung (TKV) im Verhältnis zu anderen Netzanbietern (hier:
Deutsche Telekom) verpflichtet und gegenüber dem Telefonkunden berechtigt, die Forderung des Diensteanbieters
einzuziehen.
Das Recht zur Einziehung umfasst aber nur Entgelte aus Tele-dienstverträgen, die nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB
sitten-widrig und deshalb nichtig sind. Aus der Summe der berechne-ten Entgelte zu 0190-Nummern sind das nur 25
%.
Die Beklagte behauptet, dass es sich bei den von dem Zeugen ... in Anspruch genommenen Telediensten zu einem
weit über-wiegenden Teil um ‘erotische Echtzeitgespräche’ (Definition von Piepenbrock/Müller, MMR, a. a. O., S. 9)
und nicht um sonstige Teledienste gehandelt habe.
Die Klägerin darf das zwar gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nicht-wissen bestreiten. Die Behauptung der Beklagten
betrifft weder eigene Handlungen der Klägerin noch den Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung. Die Teledienste (§
2 Abs. 2 TDG) werden nicht von der Klägerin, sondern vom Diensteanbieter (§ 3 Nr. 1 TDG) erbracht. Die Klägerin ist
auch nicht für deren Inhalt verantwortlich; verantwortlich ist vielmehr der Diensteanbieter (§ 5 Abs. 1 TDG). Daraus
folgt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, sich Kenntnis vom Inhalt der Teledienste zu verschaffen. Zudem ist sie
nicht berechtigt, Telefongespräche ihrer Kunden zu überwachen.
Die Beklagte hat aber ihre Behauptung bewiesen. Der Zeuge ... hat glaubhaft ausgesagt: Er sei derjenige gewesen,
der vom Telefonanschluss der Beklagten aus Sondernummern angerufen habe. Dabei habe es zu ca. 10% um
Dating-Lines und zu schätzungsweise 90% um reinen Telefonsex gehandelt. Auf die Zahlen könne er sich aber nicht
festlegen. Beim Tele-fonsex habe es sich um Anrufe zu den Firmen ... und ... gehandelt. Bei den Telefonsexanrufen
sei immer eine Frau am Apparat gewesen. Es sei nicht so gewesen, dass nur ein Band gelaufen sei. Anrufe zu
anderen Diensten wie Wettervorher-sage, Aktienkurse und Computerhotlines seien nicht dabei gewesen.
Die Aussage ergibt einerseits, dass der Zeuge darüber nicht sicher war, zu welchen Teilen es sich um erotische
Echtzeit-gespräche gehandelt hat. Der Zeuge hat aber zum Ausdruck gebracht, dass es sich mit Sicherheit zum
weit überwiegenden Teil um derartige Gespräche gehandelt hat. Der Senat ist deshalb auf Grund der erforderlichen
sehr hohen Wahrschein-lichkeit überzeugt, der Anteil der Gespräche, die erotische Echtzeitge-spräche zum
Gegenstand hatten, hat jedenfalls 75 % betragen. Hinsichtlich eines Anteils von 15 % bleiben Zweifel, sodass zu
Lasten der beweisbelasteten Beklagten nicht nur die von Zeugen eingeräumten 10 %, sondern insgesamt 25 % der
Verbindungen als nicht auf erotische Echtzeitgespräche gerichtet anzusehen sind.
Vereinbarungen über die Leistung von Telefonsex begründen weder zwischen Diensteanbieter und dem Nutzer (§ 3
Nr. 3 TDG) noch zwischen dem Mobilfunknetzbetreiber und dessen Vertrags-partner wirksame Forderungen.
Verträge, die darauf gerichtet sind, Telefonsex kommerziell zu fördern, sind sittenwidrig (BGH NJW 1998, S. 2895).
Das trifft erst recht auf Verträge zu, bei denen der Telefonsex selbst wesentlicher Vertragsge-genstand ist (OLG
Düsseldorf NJW-RR 1999, S. 1431; OLG Stutt-gart ZIP 1999, S. 1217 (1218)). Zwar ist nicht zu verkennen, dass
das Angebot erotischer Echtzeitgespräche nicht ohne weiteres mit Geschäften verglichen werden kann, die die
Förderung der Prostitution zum Gegenstand haben. Das Führen derartiger Gespräche wiegt nicht so schwer wie die
warenglei-che Vermarktung des menschlichen Körpers im Bordell (LG Hamburg NJW-RR 1997, S. 178). Es ver-stößt
nicht gegen Normen des Strafrechts (OLG Koblenz, NJW-RR 2000, S. 930; LG Ham-burg, a. a. O.) und ist nicht
einmal ordnungswidrig (BGH NJW 1998, S. 2895 (2896); OLG Koblenz, NJW-RR 2000, S. 930). Im Gegensatz zur
Prostitution droht im Umfeld des Dienstanbie-ters keine vergleichbare Milieu-Bildung (LG Ham-burg, a. a. O.).
Gleichwohl kann von der Rechtsordnung ebensowenig wie bei einem auf die entgeltliche Gewährung des
Geschlechtsverkehrs gerichteten Vertrag eine wirksame Verpflichtung des Dienste-anbieters anerkannt werden, die
versprochene Leistung zu erbringen. Das hieße nämlich, den Diensteanbieter unter dem Druck von
Schadensersatzansprüchen dazu zu zwingen, die für die sogenannten erotischen Echtzeitgespräche spezifischen
sexualbezogenen Dienste zu leisten.
Das kann jedoch nicht auf Dienste, die die Kontaktaufnahme mit einem zufälligen, ständig wechselnden Kreis von
Teilneh-mern zum Gegenstand haben (‘Chat-Lines’, ‘Dating-Lines’ und ‘Flirt-Lines’), übertragen werden (OLG Hamm,
MMR 2000, S. 371; Piepenbrock/Müller, MMR, Beilage 12/99, S. 8f). Hier übernimmt der Diensteanbieter nämlich
nicht die Verpflich-tung, die für die sogenannten erotischen Echtzeitgespräche spezifischen sexualbezogenen
Dienste zu leisten. Er stellt lediglich die Verbindung zwischen dem Anrufer und einem anderen Teilnehmer her.
Dieser kann die Inhalte des Gesprächs frei bestimmen, da er gegenüber dem Anrufer keinerlei Ver-pflichtung
eingeht.
Die Nichtigkeit des Teledienstvetrages führt ebensowenig zur Nichtigkeit des Telefonvertrages wie dessen
Wirksamkeit dem nichtigen Teledienstvertrag zur Gültigkeit verhelfen kann.
Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts erfasst zwar gemäß § 139 BGB die damit untrennbar verbundenen
Rechtsgeschäfte (BGH a. a. O. S. 2896). Der Teledienstvertrag und der Telefonvertrag sind aber verschiedene
Rechtsgeschäfte und nicht Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts. Der dafür erforderliche Wille der Beteiligten,
dass die Geschäfte miteinander stehen und fallen sollen, kann nicht festgestellt werden.
Der Telefonvertrag selbst ist auch dann weder ganz noch zum Teil sittenwidrig, wenn der Telefonkunde das
Telefonnetz für ‘erotische Echtzeitge-spräche’ benutzt. Er ist nicht von vornherein darauf gerichtet, sittenwidrige
Dienste abzurufen. Welche Nummern angerufen werden, ist bei Abschluss des Vertrages noch ungewiss. Wählt der
Kunde derartige Nummern nicht, ist der Telefonvertrag keinesfalls nichtig. Das Wählen einer einschlägigen Nummer
macht den Telefonvertrag weder ganz noch zum Teil nichtig (Medicus EWiR 2000, S. 7 (8)).
Sowohl die Herstellung der Telefonverbin-dung zum Festnetz als auch die Einziehung der Teledienstge-bühren sind
wertneutrale Hilfsgeschäfte. Sie sind objektiv nicht darauf gerichtet, den Telefonsex zu fördern (OLG Koblenz, NJW-
RR 2000, S. 930; OLG Hamm MMR 2000, 371; a. A. (jeweils betr. Deutsche Telekom) OLG Düsseldorf, a. a. O., S.
1432; OLG Stuttgart a. a. O. S. 1219; LG Bonn MMR 2000, 377).
Das Mobilfunkunternehmen stellt lediglich die Möglichkeit bereit, telefonisch in Kontakt zu treten. Für den Inhalt der
geführten Gespräche ist es nicht verantwortlich. Das Mobil-funkunternehmen zieht die Forderung des
Diensteanbieters nicht aus eigenem Entschluss ein. Hierzu ist es vielmehr gemäß § 15 Abs. 1 der
Telekommunikationsverordnung (TKV) im Verhältnis zu anderen Netzanbietern (hier zur Deutschen Telekom)
verpflichtet. Das hat zur Folge, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, die von der Klägerin selbst
erbrachten Leistungen zu bezahlen.
Das führt jedoch nicht dazu, dass der Telefonnetzbetreiber auch die nichtige Forderung einziehen kann (a. A. OLG
Koblenz, NJW-RR 2000, S. 930; OLG Hamm a. a. O.). Die - objektive - Nich-tigkeit des Teledienstvertrages gilt auch
für das Rechtsver-hältnis des Diensteanbieters zum Telefonnetzbetreiber (Medicus EWiR 2000, S. 7 (8)). Das führt
dazu, dass das Mobilfunkunter-nehmen dem Diensteanbieter und dem anderen Netzbetreiber (hier: Deutsche
Telekom) die Nichtigkeit des Teledienstvertrages entgegen halten kann (Piepenbrock/Müller, a. a. O., S. 23).
Ob die Klägerin überhaupt die Möglichkeit hat, sittenwidrige Teledienste von nicht sittenwidrigen zu unterscheiden
und nur letztere abzurechnen, ändert hieran nichts, weil diese Erwä-gung das Rechtsverhältnis Nutzer -
Diensteanbieter nicht betrifft.
Das Vorbringen der Beklagten ist zwar nicht dem Grunde, aber der Höhe nach auch gegenüber Ansprüchen der
Klägerin gegen die Beklagte für die von der Klägerin selbst erbrachten Leistungen erheblich, soweit diese in den
abgerechneten Entgelten für erotische Echtzeitgespräche enthalten sind. Anhand der Abrechnungen der Klägerin
kann nämlich nicht errechnet werden, zu welchen Teilen in den Gebühren für Anrufe zu Sondernummern Entgelte für
eigene Leistungen der Klägerin enthalten sind. Eine entsprechende Berechnung hat die Klägerin trotz ausdrücklicher
Aufforderung durch den Senat nicht beigebracht.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß Ziff. 4.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anspruch auf Zahlung
der Grundgebühren für die Monate Oktober 1999 bis November 2000.
Sie durfte die erst zukünftig fällig werdenden Gebühren vorzeitig fällig stellen, weil sich die Beklagte mit mehr als
20% der Gebührenforderung der Klägerin im Verzug befand. Nach der Zusatzvereinbarung der Parteien wäre der
Vertrag frü-hestens zum 21. Dezember 2000 kündbar gewesen.
Die Forderung ergibt sich wie folgt:
Grundgebühr einschliesslich Mehrwertsteuer: 29,95 DM
Grundgebühr ohne Mehrwertsteuer: 25,81 DM
(29,95 DM : 116 x 100)
Anzahl Monate: 14
Summe (25,81 DM x 14): 361,34 DM.
Hierauf lässt sich die Klägerin 6,79 DM
(25,81 DM x (3 % p. a. : 12) x 105 Monate) erzielbare Zinsen anrechnen, sodass sich 354,55 DM ergeben.
Die Beklagte schuldet gemäß §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB zudem die durch die Zahlungsaufforderung vom 9.
Oktober 1999 verursachten und zugleich berechneten 5 DM Mahnkosten, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund
vorangegangener Zah-lungsaufforderungen im Verzug befunden hat.
Zwar hat die Klägerin jeweils erheblich zu viel gefordert. Bei einer Zuvielforderung ist die Mahnung aber wirksam,
wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falles als Aufforderung zur Bewirkung
der tatsächlich ge-schuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen
Vorstellungen geringeren Leis-tung bereit ist. Hier war es Sache der Beklagten, sich da-rüber Klarheit zu
verschaffen, zu welchen Teilen die berech-neten Entgelte aus nichtigen Teledienstverträgen herrührten. Die Klägerin
hat die Entgelte - nach Anrufen geordnet - in den der Beklagten übersandten Verbindungsübersichten im Einzelnen
aufgeführt. Die Beklagte konnte sich bei dem Zeugen ... darüber informieren, welche Leistungen die jeweiligen
Anrufe zum Gegenstand gehabt haben. Das Risiko, dass in der Rechnung Entgelte für sittenwidrige Teledienste
enthalten sind, geht zu Lasten des Telefonkunden, denn die Inanspruch-nahme derartiger Dienste beruht auf seinem
- für das Mobilfunk-unternehmen nicht zu beeinflussenden - Entschluss.
Der Zinsanspruch ergibt sich dem Grunde und der Höhe nach aus Ziff. 4.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
der Klägerin. Der Verzug ist - spätestens - mit Ablauf der gesetzten Zah-lungsfrist (20. Oktober 1999) am 21.
Oktober 1999 eingetre-ten. Der Höhe nach kann die Klägerin Zinsen von 4 % über dem jeweiligen Diskontsatz der
Deutschen Bundesbank (jetzt: Basis-Zinssatz der Europäischen Zentralbank) fordern. Dieser betrug bis zum 31.
Dezember 1999 1,95 % und seit dem 1. Januar 2000 jeweils mehr als 2,5 %.
Die Vertragsklausel geht der gesetzlichen Regelung des § 288 Abs. 1 BGB vor. Die Klägerin hat für die Zeit vom 21.
Oktober bis 31. Dezember 1999 einen 5,95 % übersteigenden Zinsschaden nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Ent-scheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.