Urteil des OLG Celle vom 04.01.2012

OLG Celle: treu und glauben, wirtschaftliche einheit, vorkaufsrecht, erstreckung, report, datum, grundstück

Gericht:
OLG Celle, 04. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 4 W 178/11
Datum:
04.01.2012
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 467 Satz 2
Leitsatz:
Die Einrede des Verkäufers gemäß § 467 Satz 2 BGB ist im Regelfall treuwidrig, wenn die
wirtschaftliche Einheit der mehreren Gegenstände schon bei Begründung des Vorkaufsrechts
bestand.
Volltext:
4 W 178/11
4 O 345/11 Landgericht Verden
B e s c h l u s s
In dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren
H. D., …,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen
A. P., …,
Beklagte der beabsichtigten Klage,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro …
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 12.
Dezember 2011 gegen den ihr Prozesskostenhilfe versagenden und am 1. Dezember 2011 zugestellten Beschluss
des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 28. November 2011 durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht … sowie die Richter am Oberlandesgericht … und … am 4. Januar 2012 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie hat jedoch aus den zutreffenden
Erwägungen des Landgerichts in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, dass die beabsichtigte
Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Denn dem Verlangen der
Antragstellerin gemäß § 467 Satz 2 BGB, den Vorkauf auf alle Sachen zu erstrecken, steht im vorliegenden Fall der
Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen, weil die von der Antragstellerin behauptete
wirtschaftliche Einheit zwischen den verkauften Gegenständen schon beim Abschluss des Vorkaufsvertrages
bestanden hat. In einem solchen Fall muss, wenn wie hier die Antragstellerin für einen gegenteiligen Willen nichts
vortragen kann, regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Bestellung des Vorkaufsrechts nur für das eine
Grundstück und insoweit die Herauslösung einer Sache aus der Sachgesamtheit auch dem Willen des aus dem
Vorkaufsrecht Verpflichteten entsprach. Diesen Willen ihres Vaters muss sich die Antragstellerin als seine
Rechtsnachfolgerin entgegen halten lassen. Ihr mit der beabsichtigten Klage verfolgtes Verlangen einer Erstreckung
des Vorkaufsrechts auf alle Gegenstände (Grundstücke) i. S. v. § 467 Satz 2 BGB widerspricht aus diesem Grunde
auch nach Auffassung des Senats Treu und Glauben.
Der Antragstellerin war auch nicht Prozesskostenhilfe unter dem Gesichtspunkt zu bewilligen, dass die vom
Landgericht vertretene und vom Senat geteilte Rechtsauffassung in der Literatur umstritten ist. Denn der auch hier
gebilligten Auffassung stimmen außer Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., § 467 Rn. 4, auch Mezger in BGB
RGRK, 12. Aufl., § 508 Rn. 3. Staudinger/Mader, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2004,
§ 467 Rn. 6 sowie Trinkner BB 63, 1236 f. und Lange JW 31, 2626, 2627 unten zu. Andere Stimmen lassen
allerdings den Umstand, dass sich das Vorkaufsrecht bei seiner Bestellung nur auf einen Teil der Sachgesamtheit
erstreckt hat, für eine Treuwidrigkeit der Einrede des § 467 Satz 2 BGB noch nicht genügen, sondern verlangen
darüber hinaus die Voraussetzungen des Vorliegens eines Umgehungsgeschäfts (Westermann in Münchener
Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 467 Rn. 4, 5. Erman/Grunewald, BGB, 13. Aufl., § 467 Rn. 3. Schmidt in
Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 5. Aufl., § 467 Rn. 3. ähnlich ohne Mitteilung der Entscheidungsgründe im Wortlaut
aber letztlich unklar wohl auch schon OLG Celle (4. Zivilsenat) BB 63, 1236). Sonstige obergerichtliche oder
höchstrichterliche Rechtsprechung ist - soweit ersichtlich - nicht vorhanden. Das OLG Stuttgart (OLG Report 1999,
1) hat lediglich für den hier nicht vorliegenden Fall eines gesetzlichen Vorkaufsrechts entschieden, dass das
Erstreckungsverlangen nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass bei Begründung des Vorkaufsrechts bereits eine
wirtschaftliche Einheit der verkauften Gegenstände bestanden habe.
Der vorstehend wiedergegebene Meinungsstreit gibt im vorliegenden Fall keine Veranlassung, dem
Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin schon unter dem Gesichtspunkt Erfolgsaussicht zuzuerkennen, dass
eine in der Literatur umstrittene Rechtsfrage entscheidungserheblich ist. Denn eine Unterinstanz hier also das
Landgericht Verden - darf zwar die Erfolgsaussicht nicht verneinen, wenn eine schwierige entscheidungserhebliche
Rechtsfrage nicht geklärt ist und es angebracht ist, dass die höhere Instanz sich mit ihr befasst (Zöller/Geimer,
ZPO, 29. Aufl., § 114 Rn. 21 m. w. N. auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Diese
Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt. Denn es geht nicht um die Frage, ob im Falle von §
467 Satz 2 BGB die Anwendung von § 242 BGB überhaupt in Rede steht oder nicht. Es besteht vielmehr Einigkeit
darüber, dass im Falle des Verkaufs einer Sachgesamtheit das Verlangen nach § 467 Satz 2 BGB, den Vorkauf auf
die Sachgesamtheit zu erstrecken, auch Treu und Glauben widersprechen kann (so auch schon RG HRR 35,
723725). Streitig ist nur, welche Anforderungen im Einzelfall hieran zu stellen sind. Die Entscheidung dieser Frage
jedoch hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Rechtsbeschwerde und/oder Revision wäre zu ihrer Entscheidung
nicht zuzulassen. Deshalb kann auch im Hinblick auf den hier bestehenden Meinungsstreit zu der Frage, wann das
Verlangen nach Erstreckung des Vorkaufsrechts gemäß § 467 Satz 2 BGB treuwidrig ist, der beabsichtigten Klage
keine Erfolgsaussicht zugesprochen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO.
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