Urteil des OLG Celle vom 24.03.2011

OLG Celle: erblasser, grundstück, pflichtteil, testament, anzeige, wohnung, vorverfahren, abweisung, wohnrecht, auflage

Gericht:
OLG Celle, 06. Zivilsenat
Typ, AZ:
Teil und Anerkenntnisschlussurteil, 6 U 138/10
Datum:
24.03.2011
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 93, ZPO § 307
Leitsatz:
Seit die Verurteilung auf ein Anerkenntnis keiner mündlichen Verhandlung mehr bedarf, ist das
Anerkenntnis, das der Beklagte im schriftlichen Vorverfahren innerhalb der ihm zur Erwiderung auf die
Klage bestimmten Frist abgibt, ein sofortiges, auch wenn er zuvor seine Verteidigungsabsicht
angezeigt und diese Anzeige mit dem Antrag auf Abweisung der Klage verbunden hat.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Teil und Anerkenntnisschlussurteil
6 U 138/10
5 O 242/10 Landgericht Verden
Verkündet am
24. März 2011
K.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
1. H. D., B., S.,
2. R. D., S. Straße, B.,
Beklagte und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro Dr. S. & K., G. Straße, S.,
Geschäftszeichen: #####
gegen
H. D., G., S.,
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte W. & Dr. Z., F., R.,
Geschäftszeichen: #####
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2011 durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht P., den Richter am Oberlandesgericht V. und die Richterin am
Oberlandesgericht L. für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. September 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5.
Zivilkammer des Landgerichts Verden teilweise abgeändert. Die Klage wird im Hauptantrag insgesamt abgewiesen
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten.
Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin das lebenslängliche unentgeltliche Wohnungsrecht an der Wohnung im
Obergeschoss des Hauses auf dem Grundstück B. in S., eingetragen im Grundbuch von G. Blatt ###,
Flur ###, Flurstück ### Gemarkung G., bestehend aus einem Flur, einem Badezimmer, einem GästeWC, einer
Küche, einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer und einem Kinderzimmer zu verschaffen und für die Eintragung
dieses Wohnungsrechts an rangbereitester Stelle im Grundbuch zu sorgen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.700 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung ist begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Erben ihres am 28. September 2009 verstorbenen Ehemannes keinen
Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 Abs. 1, 2 Satz 1 Fall 2, § 1371 Abs. 2 Halbs. 2 BGB). Dieser Anspruch ist
gemäß § 2307 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB ausgeschlossen. Der Erblasser hat der Klägerin das Wohnungsrecht an
der Wohnung im Obergeschoss des Hauses auf dem Grundstück B. in S. vermacht, dessen Wert denjenigen des
Pflichtteils übersteigt.
1. Das Vermächtnis ist wirksam (§ 2169 Abs. 1 Halbs. 2 BGB), auch wenn das Grundstück, an dem die Beklagten
das Wohnungsrecht bestellen sollen, nicht vollständig zur Erbschaft gehört, sondern zu je einem Drittel ideellen
Anteil dem Beklagten zu 1 und dessen Ehefrau.
Das Testament des Erblassers vom 15. Oktober 1996 ist bei verständiger objektiver Würdigung (§ 133 BGB) so
auszulegen, dass der Erblasser der Klägerin das Wohnungsrecht auf jeden Fall vermachen wollte, auch wenn die
Beklagten als seine Erben auf die Mitwirkung der Ehefrau des Beklagten zu 1 angewiesen sind, um der Klägerin das
Wohnungsrecht zu verschaffen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Erblasser, als er sein Testament
verfasste, bewusst war, dass seine Erben allein nicht imstande sein würden, das Vermächtnis zu erfüllen, sondern
allein darauf, ob sein Zuwendungswille derart intensiv war, dass er der Klägerin das Vermächtnis unter allen
Umständen zuwenden wollte (dazu: BGH Urt. v. 3. Nov. 1982, IVa ZR 47/81, zit. nach juris: Rn. 18), was zu bejahen
ist. Die mit dem Vermächtnis Bedachte war seine Ehefrau, die er in seinem Testament als solche bezeichnet hat,
welcher er ein Wohnen in der gemeinsamen Ehewohnung auch nach seinem Tode auf alle Fälle sichern wollte,
inwieweit der Sachverhalt mit demjenigen in den von der Klägerin für ihre gegenteilige Ansicht herangezogenen
Gerichtsentscheidungen (OLG Karlsruhe, ErbR 2008, 298 f. OLG Celle, Beschluss vom 29 April 1949, 4 W 88/49)
nicht zu vergleichen ist. Dementsprechend hat die Klägerin (Seite 4 der Berufungserwiderung – Bl. 120 d. A.)
zutreffend vorgetragen, der Erblasser habe „sicherlich (gewollt), daß (sie) nach seinem Tod weiterhin standesgemäß
in der gewohnten Umgebung wohnen (könne).“
Die Testamentsklausel, dass die Klägerin bei Verkauf des Grundstückes ein Sechstel des Erlöses erhalten sollte,
ändert daran nichts. Denn die Klägerin konnte den Verkauf faktisch verhindern, indem sie das Wohnungsrecht, das
durch Grundbucheintragung zu sichern war (vgl. S. 2 des notariellen Testamentes des Erblassers vom 15. Oktober
1996, Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 10 d. A.), nicht aufgab. Mit dieser Belastung war das Grundstück nahezu
unverkäuflich. Gelang der Verkauf gleichwohl, war ihr das Wohnungsrecht, das im Grundbuch stand, dennoch nicht
zu nehmen. Das Vermächtnis ist nicht mit der Auflage seitens des Erblassers verbunden, das Wohnungsrecht
aufzugeben, wenn die Beklagten das
Grundstück veräußern wollten. Für eine solche Auflage enthält das Testament vom 15. Oktober 1996 keine
Anhaltspunkte, die sich auch nicht aus der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der
Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergeben, diese habe bei Veräußerung des Grundstückes zu Lebzeiten des
Erblassers ein Sechstel des Verkaufserlöses erhalten sollen. In diesem Fall, in dem bereits der Erblasser die
gemeinsame Wohnung abgab, war das Vermächtnis - anders als vorliegend - gegenstandslos.
2. Der Wert des Wohnungsrechts betrug beim Erbfall 40.983,60 €, während der Pflichtteil nach dem insoweit nicht
angefochtenen Urteil des Landgerichts nur 5.780,47 € ausmacht.
Der Jahreswert des Wohnungsrechts, nach Vortrag der Klägerin (S. 8 der Klageschrift, Bl. 8 d. A.) 4.200 € (= 350 € x
12), war mit 9,758 zu vervielfältigen. Dieses ist der maßgebliche Vervielfältiger für die beim Erbfall 73 Jahre alte
Klägerin gemäß § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes i. d. F. gültig ab 1. Januar 2009 i. V. m. der Bekanntmachung
des BMF v. 20. Januar 2009, BStBl. I 270.
II.
Das Vorbringen der Klägerin (Seite 5 der Berufungserwiderung – Bl. 121 d. A.), „die Behauptung, alle Eigentümer
seien zur Einräumung des Wohnrechts bereit (…), (sei) (…) falsch“, ist bei verständiger Würdigung (entsprechend §
133 BGB) nicht so aufzufassen, dass sie nunmehr hilfsweise in erster Linie Entrichtung des Wohnrechtswerts (§
2170 Abs. 2 Satz 1 BGB) und nur in zweiter Linie hilfsweise Verschaffung des Wohnrechts begehrt. Die Klägerin
kann nicht beweisen, dass die Beklagten, die den Anspruch auf Eintragung eines Wohnungsrechtes (§ 1093 Abs. 1
Satz 1 BGB) anerkannt haben (vgl. S. 2 des Schriftsatzes der Beklagten vom 16. August 2010, Bl. 45 d. A.. S. 3
des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. September 2010, Bl. 66 d. A.), außerstande sind, ihr das Wohnrecht zu
verschaffen. Sie hat für die fehlende Bereitschaft der Ehefrau des Beklagten zu 1 zur Verschaffung des
Wohnungsrechts keinen Beweis angetreten.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 93 ZPO.
a) Die Beklagten haben nicht durch ihr Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, soweit die Klägerin
mit ihr die Bestellung des Wohnungsrechts begehrt. Sie ist der Behauptung der Beklagten (Seite 1 des Schriftsatzes
vom 16. August 2010 - Bl. 45 d. A.), sie hätten ihr angeboten, das ihr vermachte Wohnrecht im Grundbuch eintragen
zu lassen, nicht mit Substanz entgegengetreten. Ihr Vorbringen (Seite 1 des Schriftsatzes vom 30. August 2010 -
Bl. 54 d. A.), diese Behauptung, sei „schlicht falsch“, genügt dazu ebenso wenig wie das Vorbringen in der
Verhandlung vor dem Senat, sie habe die Beklagten ergebnislos zur Bestellung des Wohnrechts aufgefordert. Es
fehlt die Angabe, wann und auf welche Weise dieses geschehen ist.
b) Das Anerkenntnis der Beklagten des Anspruchs auf Bestellung des Wohnrechts in dem Schriftsatz vom 16.
August 2010 (Seite 2 - Bl. 46 d. A.) innerhalb der ihnen im schriftlichen Vorverfahren zur Erwiderung auf die Klage
gesetzten Frist ist ein sofortiges, auch wenn die Beklagten zuvor mit Schriftsatz vom 26. Juli 2010 (Bl. 42 d. A.)
Verteidigungsabsicht gegen die Klage insgesamt angezeigt und diese Anzeige mit dem Antrag auf uneingeschränkte
Abweisung der Klage verbunden haben. Seit mit Inkrafttreten des § 307 ZPO i. d. F. des 1.
Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) am 1. September 2004 das Anerkenntnis
nicht mehr entweder nur innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Klage schriftlich oder in mündlicher
Verhandlung abgegeben werden kann, sondern uneingeschränkt schriftlich - was die von der Klägerin mit Schriftsatz
vom 10. März 2011 herangezogenen Entscheidungen nicht berücksichtigen , ist es gerechtfertigt, das innerhalb der
Frist zur Klageerwiderung abgegebene Anerkenntnis zu honorieren, indem es keine für den Anerkennenden
nachteilige Kostenfolge hat. Der Grund dafür, dass es keine zusätzlichen Kosten und keinen weiteren Aufwand des
Gerichts und des Prozessgegners mit sich bringt, ist gegeben. Anders als nach der Rechtslage vor dem 1.
September 2004 muss kein Termin stattfinden und können Gericht und Prozessgegner auf die Anzeige der
Verteidigungsabsicht, auch wenn sie mit einem Klageabweisungsantrag einhergeht, abwarten, wie der Beklagte sich
bis zum Ablauf der ihm zur Erwiderung auf die Klage gesetzten Frist verhält (vgl. auch: KG Beschluss vom 14.
Februar 2006, 20 W
52/05, zitiert nach juris: Rn. 14).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708
Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 45 Abs. 1 Satz 3, § 63 Abs. 2 Satz 1 Fall 1
GKG. Er errechnet sich in Anlehnung an § 9 Satz 1 ZPO aus dem 3 ½Fachen des einjährigen Wohnwertes, den der
Senat mit 4.200 € annimmt [350 € monatlicher Mietwert x 12 Monate]. Eine Addition der Werte von Haupt und
Hilfsantrag hatte nicht zu erfolgen. Beide betreffen denselben Gegenstand. Pflichtteil und Vermächtnis können nicht
nebeneinander bestehen. Der Pflichtteil ist ausgeschlossen, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht (vgl. oben
Ziff. I vor Nr. 1).
P. V. L.