Urteil des OLG Celle vom 04.10.2000

OLG Celle: ausübung der option, aufrechnung, anschlussberufung, widerklage, doppelverkauf, gestaltung, vorsteuerabzug, gesellschafter, verspätung, laden

Gericht:
OLG Celle, 09. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 9 U 144/99
Datum:
04.10.2000
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 389, BGB § 390
Leitsatz:
Wird eine im Wege der Widerklage erhobene Zahlungsklage durch Teilurteil abgewiesen und legt der
Widerkläger hiergegen Rechtsmittel ein, steht die fehlende Rechtskraft einer Entscheidung des
erkennenden Gerichts über eine den Hauptanspruch vorbereitenden Auskunftanspruch des Klägers,
der nach Ansicht des Gerichts verjährt ist und mangels Anspruch des Beklagten, der sich eines über
den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs nicht berühmt auch nicht im Wege der
Aufrechnung durchgesetzt werden kann, nicht entgegen.
Volltext:
9 U 144/99 10 O 2/98 LG Verden Verkündet am 4. Oktober 2000 #######, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit pp. hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ############## und die Richter am Oberlandesgericht
############## und ####### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. September 2000 für Recht erkannt: 1.
Das Teilversäumnisurteil vom 21. Juni 2000 wird aufrechterhalten. 2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
weitere 15.265,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 1997 zu zahlen, wovon 5.265,00 DM nebst
zugehörigen Zinsen als Mehrwertsteuer in Höhe von 15 % über die im Teilurteil vom 21. Juni 2000 ausgeurteilte
Büromiete nur Zug um Zug gegen Erteilung einer auf den Beklagten als Schuldner lautenden Rechnung mit
Ausweisung der Mehrwertsteuer geschuldet sind. 3. Die Anschlussberufung der Klägerin vom 14. August 2000 wird
zurückgewiesen. 4. Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 54 % und der Beklagte 46 % Von den
Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin 19 % und der Beklagte 81 % 5. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. 6. Beschwer für die Klägerin: 44.122,32 DM. Beschwer für den Beklagten: 38.615,00 DM.
Entscheidungsgründe Im Anschluss an das Teilversäumnisurteil und Teilurteil des Senats vom 21. Juni 2000 ist
noch über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil, die im Teilurteil ausgeklammerten An-teile der
Klageforderungen von 10.000,00 DM und 5.265,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.9.1997 und die
zwischenzeitlich eingelegte Anschlussberufung der Klägerin zu entscheiden. 1. Das Teilversäumnisurteil ist
aufrechtzuerhalten. Dahingestellt bleiben kann, ob der Gesellschafterbeschluss vom 11. Juli 2000 zur
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten wegen dessen Geschäftsführertätigkeit
formell einwandfrei ergangen ist. Da es sich bei dem rechtshängigen Auskunftsanspruch nur um einen
vorbereitenden Hilfsanspruch handelt, müsste der Hauptanspruch, also der behauptete Schadensersatzanspruch,
durchsetzbar sein. An einer aktiven Durchsetzbarkeit fehlt es, weil der Anspruch verjährt ist. Im Wege der
Aufrechnung könnte der Anspruch zwar ungeachtet der eingetretenen Verjährung noch zur Vernichtung von
Gegenansprüchen des Beklagten eingesetzt werden. Indes besteht aus den im Teilurteil vom 21. Juni 2000
dargelegten Gründen der Darlehensanspruch nicht, den der Beklagte zur Aufrechnung gestellt hat. Weiterer
berechtigter Gegenansprüche berühmt sich der Beklagte nicht. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die
Rechtsfrage aufgeworfen, ob die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Teilversäumnisurteils ausgesetzt
werden muss, um den Eintritt der materiellen Rechtskraft zu vermeiden; verhindert werden müsse eine etwaige
künftige Entscheidungsdivergenz, die eintreten könne, wenn der BGH aufgrund der vom Beklagten gegen das
Teilurteil eingelegten Revision das Schicksal des Darlehensanspruchs abweichend beurteile. Der Senat sieht diese
Frage nicht als entscheidungsbedürftig an, weil die Rechtskraftwirkung seines Schlussurteils über den
Auskunftsanspruch nur einen begrenzten Umfang hat. Der Auskunftsanspruch ist nur zurzeit mangels im Wege der
Aufrechnung durchsetzbaren Hauptanspruchs nicht gegeben, sodass als er wegen fehlenden
Rechtsschutzbedürfnisses - also als unzulässig - durch Prozessurteil abzuweisen war (zum Umfang der Rechtskraft
eines solchen Prozessurteils vgl. Zöller- Vollkommer, ZPO, 21. Auf., § 322 Rdnr. 1). 2. Der Beklagte schuldet
weitere 10.000,00 DM der Klageforderung nebst Zinsen, weil die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte
Gegenforderung nach dem Ergebnis der Vernehmung des Zeugen ####### nicht besteht. Wie der Zeuge bei seiner
Ver-nehmung glaubhaft bekundet hat, hat er entgegen der Behaup-tung des Beklagten weder am 20. 9. 1990 noch zu
einem anderen Zeitpunkt einen Betrag von 10.000,00 DM erhalten. Vielmehr hat er im Laufe seiner Tätigkeit, die er
bis 1993 als Neben-beschäftigung ausübte und deren Vergütung zur Vermeidung von Sozialabgaben unter der
Grenze für geringfügig Beschäftigte bleiben sollte, in unregelmäßigen Abständen Barbeträge in Größenordnungen
von etwa 2.000 DM bis 3.000 DM erhalten, die nominell so aufgeteilt wurden, dass die Geringfügigkeits-grenze nicht
überschritten wurde. Ein fingiertes Beschäfti-gungsverhältnis wurde zusätzlich mit der Ehefrau des Zeugen
abgerechnet, um Spitzenbeträge verteilen zu können. Welchen Tätigkeiten die Zahlungen jeweils zuzuordnen waren,
ist nicht festgehalten worden. Tätigkeiten hat der Zeuge nicht nur für die Klägerin, sondern auch für den Beklagten
persönlich aus-geführt, was für ihn aus der Art der von ihm bearbeiteten Programme und der zugehörigen Kunden zu
erschließen war. Daher lässt sich weder feststellen, in welcher Größenordnung Barzahlungen an den Zeugen auf
Tätigkeiten für die Klägerin entfielen, noch lässt sich mangels exakt festzustellender Zahlungszeitpunkte ermitteln,
ob der Beklagte das Bargeld nicht vor oder nach diesen Zahlungszeitpunkten aus Vermögen der Klägerin
entnommen hat. Es widerspricht ohnehin der Lebenserfahrung, dass der Beklagte Barauslagen aus seinem
Privatvermögen getätigt haben will, ohne sich die Beträge von der Klägerin erstatten zu lassen, wozu er als deren
Gechäftsführer ohne Schwierigkeiten in der Lage gewesen wäre. Zumindest hätte es nahe gelegen, offene
Erstattungsforderun-gen in die Rahmenvereinbarung aufzunehmen, die die Modalitä-ten des Ausscheidens regeln
sollte. Die mit Schriftsatz vom 29.8.2000 hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Erstattungsforderungen in Höhe von
7.000,00 DM und 6.350,00 DM, die durch Barzahlungen an den Zeugen ####### im August und September 1991
ausgelöst worden sein sollen, sind aus den vorstehend genannten Gründen ebenfalls nicht gegeben und werden in
voller Höhe — unter Berücksichtigung der nach-stehend behandelten Mehrwertsteuerforderung der Klägerin —
aberkannt. 3. Die Ausübung der Option zur Berechnung von Mehrwertsteuer auf die Büromiete ist erfolgt, wie sich
aus der Rechnung ergibt, die die Klägerin gegenüber der ####### als behaupteter Mitschuldnerin der
Mietzinszahlungen erteilt hat (Anlage B 14 zur Berufungsbegründung = GA Bl. II 122). Daher ist der auf
Mehrwertsteuer in Höhe von 15 % entfallende Betrag von 5.252,00 DM nebst Zinsen geschuldet. Die Zahlung ist
wegen des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts nur Zug um Zug gegen Erteilung einer Rechnung gegenüber
dem Beklagten, die diesen zum Vorsteuerabzug berechtigt, geschuldet. 4. Die Anschlussberufung vom 14. August
2000, zu der der Be-klagte am 29. August 2000 seinen Gegenantrag gestellt hat, war zurückzuweisen. Gegen die
Annahme, das Programmpaket sei an den Beklagten verkauft worden, spricht der Umstand, dass in der
Rahmenvereinbarung GA Bl. I 83 unter Nr. 14 ausdrücklich die ####### als Käuferin aufgeführt worden ist.
Außerdem ist der Erstattungsanspruch über für das Programmpaket ge-zahlte Vorsteuer nach der schriftlichen
Abtretungsanzeige gegenüber dem Finanzamt als Anspruch der ####### bezeichnet worden. Da nicht davon
ausgegangen werden kann, dass der zivilrechtliche Hintergrund für diese steuerliche Gestaltung nicht ernst gemeint
war, bleibt für einen Verkauf an den Beklagten persönlich kein Raum. Auf diesen Widerspruch angesprochen hat
sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dahin eingelassen, das Programm sei 1993 ein erstes Mal aufgrund
des nicht unterzeichneten Vertrages GA Bl. I 133 an den Beklagten verkauft worden, es habe mithin ein
Doppelverkauf vorgelegen. Welchen wirtschaftlichen Sinn ein derartiges Vorgehen haben sollte, ist nicht ersichtlich.
Dazu hätte die Klägerin substantiiert vortragen müssen. Ohne entsprechenden Vortrag bestand kein Anlass, die für
einen Vollzug des nichtunterzeichneten Vertrages benannten Zeugen ####### und #######, die mit der Klägerin als
Gesellschafter verbunden sind bzw. waren, zu vernehmen. Sowohl der immer noch unsubstantiierte Sachvortrag der
münd-lichen Verhandlung zum Doppelverkauf als auch der noch substanzärmere vorangegangene Vortrag, deren
Aufklärung — sähe man die Behauptungen als hinreichend substantiiert an - die Vernehmung mehrerer Zeugen
erfordern würde, sind im Übrigen als verspätet zurückzuweisen, auch wenn die Anschlussberufung selbst zu jedem
beliebigen Zeitpunkt erhoben werden konnte. Der Senat war angesichts der für den Termin vom 6. 9. 2000
angesetzten Verhandlungen, u.a. mit Zeugenvernehmungen in dieser und zwei weiteren Sachen, nicht imstande,
weitere Zeugen zu laden. Die Verspätung gilt sowohl für die bereits in erster Instanz benannten, nach dem dort vom
Landgericht vertretenen Rechtsstandpunkt aber nicht zu hörenden Zeugen als auch für die auf Bl. 3 des
Schriftsatzes vom 14.8.2000 erstmals benannten Indizzeugen, deren Aussagen für die zeitliche Einordnung des
Vollzuges des behaupteten Erstverkaufes bedeutsam wären. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits
folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar-keit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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