Urteil des OLG Celle vom 28.11.2001

OLG Celle: terrasse, rückbau, wohnung, vertreter, ausdehnung, eigentum, verkehrsauffassung, abgrenzung, umgestaltung, genehmigung

Gericht:
OLG Celle, 04. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 4 W 203/01
Datum:
28.11.2001
Sachgebiet:
Normen:
WEG § 14 Nr. 1, WEG § 15 Abs. 3, WEG § 22 Abs. 1
Leitsatz:
Die Ausweitung einer Terrasse durch einen Wohnungseigentümer in das gemeinschaftliche Eigentum
kann eine wesentliche Beeinträchtigung des Gebrauchsrechts anderer Wohnungseigentümer
darstellen und deren Zustimmung bedürfen. Der in seinem Gebrauchsrecht wesentlich beeinträchtigte
Wohnungseigentümer hat einen Anspruch auf Rückbau der Terrasse.
Volltext:
4 W 203/01 5 T 88/99 LG Lüneburg 24 II 29/97 AG Winsen/Luhe B e s c h l u s s In der
Wohnungseigentumsache betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft ####### ####### Beteiligte: pp. hat der
4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### den
Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### am 28. November 2001
beschlossen: Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner vom 31. Juli 2001 gegen den Beschluss des
Landgerichts Lüneburg vom 5. Juli 2001 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegner tragen die Kosten dieses zweiten
weiteren Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Der
Beschwerdewert wird auf 7.000 DM festgesetzt. G r ü n d e : I. Die Beteiligten sind Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft #######in #######. Die Antragsgegner zu 1 bis 3 haben die Umrandungen ihrer
Terrassen gärtnerisch und durch Ausbau gestaltet. Von den Terrassen führt jeweils eine Treppe in den im
Gemeinschaftseigentum stehenden Garten. Das Amtsgericht Winsen/Luhe hat mit Beschluss vom 12.
November 1999 (Bl. 202 ff GA) die Antragsgegner zu 1 bis 3 verpflichtet, ihre über die obere Terrassenebene ihres
Wohnungseigentums hinausgehenden und insoweit das Gemeinschaftseigentum in Anspruch nehmenden
Anpflanzungen und Ausbauten zu beseitigen und die Treppenaufgänge auf eine Breite von 60 cm zurück zu bauen.
Mit Beschluss vom 29. Juni 2000 (Bl. 322 ff GA) hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg den Beschluss
des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 12. November 1999 insoweit aufgehoben, als die Antragsgegner zu 1 bis 3 zum
Rückbau der Terrassenanpflanzungen und Treppenaufgänge verpflichtet worden sind. Hiergegen legte der Vertreter
der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 20. Juli 2000 (Bl. 353 f GA) sofortige weitere Beschwerde ein. Mit Beschluss
vom 12. Oktober 2000 hat der Senat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner vom 20. Juli 2000 den
Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 29. Juni 2000 hinsichtlich der
Terrassenanpflanzungen und Treppenaufgänge aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen (Bl. 369 ff GA). Durch Beschluss vom 5. Juli 2001, den
Antragsgegnern zugestellt am 18. Juli 2001 (Bl. 411 GA), hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg die
sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen (Bl. 407 ff GA). Hiergegen hat der Vertreter der
Antragsgegner mit Schriftsatz vom 31. Juli 2001 (Bl. 412 GA), eingegangen beim Oberlandesgericht Celle am
31. Juli 2001, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 14. September 2001 (Bl. 428 ff GA)
wurde die sofortige weitere Beschwerde begründet und der Antrag gestellt, den Beschluss des Landgerichts
Lüneburg vom 5. Juli 2001 abzuändern und den Beschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 12. November 1999
aufzuheben, soweit er die Beschwerdeführer zum Rückbau der Terrassenanpflanzungen und Treppenaufgänge
verpflichtet. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22. August 2001 beantragt, die sofortige weitere Beschwerde
zurückzuweisen (Bl. 427 GA) und ihren Antrag mit Schriftsatz vom 27. September 2001 begründet (Bl. 433 GA). II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29, 22 FGG zulässig. Insbesondere ist sie
form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses der Kammer vom 5. Juli
2001 durch den Senat hat jedoch Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer nicht ergeben. 1. Die
Antragstellerin hat gegen die Antragsgegner zu 1 bis 3 gemäß §§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1
WEG einen Anspruch auf den von ihr begehrten Rückbau der Terrassen. Die Kammer hat zutreffend angenommen,
dass es sich bei den von den Antragsgegnern zu 1 bis 3 vorgenommenen Anpflanzungen und Ausbauten an ihren
Terrassen, soweit sie das Gemeinschaftseigentum in Anspruch nehmen, um eine bauliche Veränderung handelt, die
gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des
gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 12. Oktober 2000
ausgeführt, dass die Errichtung von Terrassenumrandungen unter Ausdehnung auf die Gemeinschaftsflächen eine
bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG darstellt, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder
Instanzsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Die Aufschüttung und Anlage einer Terrasse im
Bereich des Gemeinschaftseigentums stellt eine bauliche Veränderung dar, die gemäß § 22 Abs. 1 WEG über die
ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht (OLGR Celle,
1996, 193; zur Ausdehnung von Terrassen in das Gemeinschaftseigentum vgl. auch BayObLG NJW-RR 1997, 971;
BayObLG NZM 1999, 1009, OLG Zweibrücken, Wohnungseigentümer 1999, 151; Schleswig-Holsteinisches
Oberlandesgericht, OLGR Schleswig 2001, 301). Entgegen der Ansicht der Antragsgegner war eine Zustimmung der
Antragstellerin zur Vornahme dieser Maßnahmen auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich. Durch die
von den Antragsgegnern zu 1 bis 3 vorgenommenen Veränderungen wurden die Rechte der Antragstellerin über das
in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Dies hat die Kammer in der angefochtenen Entscheidung
zutreffend ausgeführt. Gemäß § 22 Abs. 1 WEG wird die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zu einer
Maßnahme, für die an sich Einstimmigkeit erforderlich wäre, für entbehrlich erklärt, wenn aus der Maßnahme für ihn
kein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben
unvermeintliche Maß hinausgeht. Ein Wohnungseigentümer kann und darf hiervon aber nur Gebrauch machen, wenn
er daran kein nachvollziehbares Interesse hat, weil die Maßnahme, die er verhindern will, ihn nicht oder nicht in
rechtserheblicher Weise beeinträchtigt, sodass stets zu prüfen ist, ob er beeinträchtigt ist (OLG Hamburg WE 1987,
161; dem folgend OLGR Celle 1996, 193). Unter einem beeinträchtigenden Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche
Beeinträchtigung zu verstehen, wobei für die Beurteilung, ob der Widersprechende beeinträchtigt ist, nicht auf seine
subjektiven Empfindungen abzustellen ist, sondern darauf, ob nach der Verkehrsauffassung ein
Wohnungseigentümer in der betreffenden Lage sich verständigerweise beeinträchtigt fühlen darf (BayObLG WE
1987, 165; dem folgend OLGR Celle 1996, 193). Die Kammer hat zu den baulichen Veränderungen und
Beeinträchtigungen der Antragstellerin, insbesondere durch den vom Vorsitzenden als beauftragten Richter am
22. Mai 2001 durchgeführten Ortstermin, ausreichende Tatsachenfeststellungen getroffen, aus denen sich eine
rechtserhebliche Beeinträchtigung der Antragstellerin ergibt. So hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 5. Juli 2001
ausgeführt, nach der Ortsbesichtigung sei davon auszugehen, dass die baulichen Veränderungen, die durch den
Ausbau der Terrassenanlagen vorgenommen worden seien, eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung
darstellen. So rage die Terrasse des Beschwerdeführers ####### in den Durchgang zwischen der Hauswand des
Hauses 4 c und der Grundstücksgrenze etwa 1,20 m hinein. Sie sei mit Formsteinen ausgebaut. Auf der anderen
Seite der Reihenhauskette sei das Problem mit einer Abböschung gelöst worden. Der ursprüngliche Ausbau der
Terrasse####### habe eine geringere Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums dargestellt, als der jetzige
Ausbau. Weiter hat die Kammer festgestellt, dass nicht nur der Ausbau der Terrasse des Antragsgegners#######
zum Durchgang hin, sondern auch die Ausbauten der Terrasse aller Antragsgegner zum Garten hin eine nicht ganz
unerhebliche Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums darstellen, sodass die Ausbauten auch insoweit zu
entfernen seien. Der ursprüngliche Ausbau sei der abgeböschten leicht abfallenden Grünanlage in Höhe der
Wohnung ####### nahegekommen. Der sich jetzt daran anschließende durch Holzpalisaden oder Formsteine
befestigte Ausbau der Terrassen ####### und ####### gehe über den ursprünglichen Ausbau hinaus. Weiter hat die
Kammer ausgeführt, zwar ginge dieser Aufbau grenzmäßig nicht über das Ende der Abböschung in der Höhe der
Wohnung #######hinaus. Die Abgrenzung mit Palisaden und Formsteinen rage jedoch insgesamt vier Meter in das
Gemeinschaftseigentum hinein. Entgegen der Ansicht der Antragsgegner handelt es sich hierbei auch um eine
nennenswerte Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums. Dies hat z.B. das BayObLG bei einer Vergrößerung
der Terrasse um ca. 50 cm bis 60 cm verneint (BayObLG NJW-RR 1997, 971). Im vorliegenden Sachverhalt beträgt
die Umgestaltung und somit die Beeinträchtigung jedoch ein Vielfaches. Nach den Feststellungen der Kammer ragen
die Abgrenzungen mit Palisaden und Formsteinen vier Meter in das Gemeinschaftseigentum hinein. Der Ausbau der
Terrasse des Antragsgegners ####### reicht in den Durchgang zur Grundstücksgrenze etwa 1,20 m hinein und
nimmt demnach von diesem Durchgang 40 % in Anspruch. Zu einer anderen Entscheidung hätte man nur kommen
können, wenn den Antragsgegnern die gärtnerische Nutzung in der Teilungserklärung überlassen worden wäre (vgl.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht OLGR Schleswig 2001, 301). Dies wurde von der Kammer jedoch nicht
festgestellt und von den Antragsgegnern auch nicht behauptet. An den festgestellten Beeinträchtigungen durch die
Antragsgegner zu 1 bis 3 fehlt es auch nicht aufgrund des Hinweises in der Beschwerdebegründung vom
14. September 2001, im Ortstermin vom 22. Mai 2001 sei festgestellt worden, dass die Terrassen der Antragsgegner
zu 1 bis 3 aus der Linie der übrigen Terrassenbereiche nicht heraustreten. Unstreitig nehmen die Anpflanzungen und
Ausbauten das Gemeinschaftseigentum in Anspruch. Die Antragsgegnerin hat nach alledem ein nachvollziehbares
Interesse an der Beseitigung und darf sich verständigerweise durch die von den Antragsgegnern zu 1 bis 3
vorgenommenen Anpflanzungen und Ausbauten an den Terrassen beeinträchtigt fühlen. Durch die Maßnahmen wird
ihr die tatsächliche Möglichkeit genommen, das Gemeinschaftseigentum, soweit es von den Veränderungen
betroffen ist, zu betreten und zu benutzen. Gemäß § 13 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer, also auch die
Antragstellerin, zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegner ist das Begehren der Antragstellerin, die Anpflanzungen und Ausbauten zu
entfernen, wegen der tatsächlichen Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit auch nicht rechtsmissbräuchlich, zumal
die Ausweitung der Terrassenanlagen nicht unerheblich gewesen ist. 2. Soweit die Antragsgegner in der
Beschwerdebegründung an ihrer Auffassung festhalten, allein aufgrund des zeitlichen Ablaufs sei das Begehren der
Antragstellerin rechtsmissbräuchlich, verbleibt es auch nach nochmaliger Überprüfung durch den Senat bei der
bereits im Beschluss vom 12. Oktober 2000 vertretenen Ansicht. Der Senat weist die Antragsgegner erneut darauf
hin, dass bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, dass die Antragsgegner sich nicht auf einen
Bestandschutz berufen können, nachdem der Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 13. Juni 1996 über die
Genehmigung von Terrassenausbauten vom Amtsgericht mit Beschluss vom 3. Dezember 1996 rechtskräftig für
ungültig erklärt wurde. III. Da die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegenüber dem früheren
Vorbringen keine nennenswerten weiteren Gesichtspunkte aufzeigt, Rechtsfehler in dem angefochtenen Beschluss
der Kammer nicht vorliegen und den Antragsgegnern die Rechtsansicht des Senats bereits aus dem Beschluss vom
12. Oktober 2000 bekannt gewesen ist und die Kammer die seinerzeit noch fehlenden Tatsachenstellungen
nachgeholt hat, erscheint es angemessen, nach § 47 Satz 2 WEG zu bestimmen, dass die außergerichtlichen
Kosten dieses zweiten weiteren Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin durch die Antragsgegner zu erstatten
sind. Die Festsetzung des Beschwerdewertes orientiert sich an der Festsetzung durch die Kammer, welche von den
Beteiligten nicht beanstandet worden ist und gegen die auch sachliche Einwände nicht ersichtlich sind. #######
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