Urteil des OLG Celle vom 08.11.2001

OLG Celle: unfall, fahrbahn, hindernis, fahrzeug, betriebsgefahr, mitverschulden, wartepflicht, zustandekommen, verkehrsverhältnisse, vollstreckbarkeit

Gericht:
OLG Celle, 14. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 14 U 267/00
Datum:
08.11.2001
Sachgebiet:
Normen:
StVO § 6
Leitsatz:
Unfall an einer Fahrbahnverengung
Volltext:
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil 14 U 267/00 6 O 1729/00 Landgericht Hannover Verkündet
am 8. November 2001 #######, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit
#######, Klägerin und Berufungsklägerin, - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ####### - gegen #######,
Beklagter und Berufungsbeklagter, - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ####### - hat der 14. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters am Oberlandesgericht ####### und der Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht
erkannt: Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. Oktober 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des
Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin teilweise geändert: Das
beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin über den ihr in dem angefochtenen Urteil zugesprochenen Betrag
hinaus weitere 13.613,88 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 2000 zu zahlen. Von den Kosten des
Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 11 % und das beklagte Land 89 % zu tragen. Die Kosten des
Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 17 % und dem beklagten Land zu 83 % auferlegt. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar. Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 2.722,78 DM und für das beklagte Land
13.613,88 DM. Entscheidungsgründe Die Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Aufgrund des
Unfallgeschehens auf der L 298 in ####### vom 13. Januar 1999 gegen 6:25 Uhr verlangt die Klägerin unter
Berücksichtigung einer von dem bei ihr versicherten Fahrzeug ausgehenden 25 %-igen Betriebsgefahr 75 % eines
Gesamtbetrages von 32.673,32 DM. Dieser setzt sich aus Zahlungen zusammen, die die Klägerin aus der bei ihr
genommenen Kaskoversicherung in Höhe von 16.708,60 DM an ihren Versicherungsnehmer ####### und aus der
Haftpflichtversicherung in Höhe von 15.964,72 DM an die Eigentümerin des hinter dem Räumfahrzeug fahrenden Lkw
geleistet hat. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass der Zeuge ####### den Unfall allein verschuldet
habe, während das beklagte Land lediglich für die von dem Schneepflug ausgehende Betriebsgefahr in Höhe von
25 % einzustehen habe. Das beklagte Land ist daher auf der Grundlage der §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 Satz 1 StVG
lediglich verurteilt worden, an die Klägerin 8.168,33 DM (= 1/4 von 32.673,32 DM) zu zahlen. Die hiergegen
gerichtete Berufung, mit der die Klägerin ihr Klageziel uneingeschränkt weiter verfolgt, hat überwiegend Erfolg und
führt zur Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung von weiteren 13.613,88 DM an die Klägerin. Zu diesem
Betrag gelangt man bei der Annahme einer Haftungsverteilung von 1/3 : 2/3 zu Lasten des beklagten Landes (2/3
von 32.673,32 DM = 21.782,21 DM - 8.168,33 DM [vom Landgericht zugesprochen] = 13.613,88 DM). Der Führer
des Schneeräumfahrzeugs ####### hat den Unfall nach Überzeugung des Senats überwiegend verschuldet. Nach
dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme und in Übereinstimmung mit den darauf
beruhenden Feststellungen des Landgerichts ist davon auszugehen, dass sich der Unfall an der schmalsten Stelle
der - aus Sicht des Zeugen ####### - ersten Straßenverengung ereignete. Daraus folgt jedoch gleichzeitig, dass
#######, der an dem auf seiner Fahrbahn befindlichen Hindernis links vorbeifahren wollte, gem. § 6 Satz 1 StVO
verpflichtet gewesen wäre, den ihm entgegenkommenden Zeugen ####### zunächst durchfahren zu lassen, bevor er
selbst nach links schwenkte. Zur Veranschaulichung der Verhältnisse an der Unfallstelle wird auf die bei den Akten
befindlichen Fotos (Hülle Bl. 34 a und Bl. 121) verwiesen. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ist § 6
StVO auch bei einer dauernden baulichen Veränderung wie bei der hier bewusst vorgenommenen Straßenverengung
durchaus anwendbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vorschrift nicht zwischen einem vorübergehenden
Hindernis und einer dauernden baulichen Veränderung unterscheidet. Auch die amtliche Begründung zu § 6 StVO
(abgedruckt bei Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 6 StVO Rdnr. 1) geht davon aus, dass die
Bestimmung das Verhalten im Begegnungsverkehr an Engstellen für beide Fälle in gleicher Weise regelt. Auch nach
dem Zweck der Vorschrift, nämlich ein gefahrloses Passieren von Engstellen im Gegenverkehr zu gewährleisten,
erscheint es schließlich nicht angezeigt, zwischen einem vorübergehenden Hindernis und einer dauernden baulichen
Veränderung zu unterscheiden. Daraus folgt, dass das Schneeräumfahrzeug hier nur dann Vortritt gehabt hätte,
wenn es die Engstelle mit deutlich ausreichendem Vorsprung vor dem vom Zeugen ####### gefahrenen Ford Escort
erreicht hätte (vgl. Jagusch/Hentschel, a. a. O., Rdnr. 8 m. w. N.). Dass dies nicht der Fall war, ergibt sich schon
daraus, dass es zwischen beiden Fahrzeugen gerade im unmittelbaren Bereich der schmalsten Stelle zu einer
Berührung gekommen ist. Dabei vermag es den Zeugen ####### auch nicht zu entlasten, dass die beiden 2,60 m
(Schneepflug) und 1,75 m (Ford Escort) breiten Fahrzeuge die an der engsten Stelle immer noch 5,40 m messende
Fahrbahn nebeneinander hätten passieren können, wenn beide äußerst rechts gefahren wären. Auch wenn #######
dies selbst getan hat, durfte er sich - nicht zuletzt angesichts der Sicht-, Witterungs- und Straßenverhältnisse (es
war dunkel, es schneite und die Fahrbahn war glatt) - nicht darauf verlassen, dass auch das ihm
entgegenkommende Fahrzeug, das seinerseits zudem gerade die auf der eigenen Fahrbahn befindliche
Straßenverengung umfahren hatte, ebenfalls äußerst rechts fahren würde. Schließlich entband auch die Tatsache,
dass es sich bei dem Schneepflug um ein Sonderrechtsfahrzeug i. S. v. § 35 Abs. 6 StVO handelte, den Zeugen
####### nicht von seiner Wartepflicht nach § 6 StVO (vgl. OLG Koblenz VersR 1994, 1320 f. [= Bl. 122]).
Andererseits muss sich allerdings auch der Zeuge ####### ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls
vorwerfen lassen. Auch er hat sich nicht verkehrsrichtig verhalten. Selbst wenn er sich der späteren Unfallstelle nur
mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h genähert hat, war dies angesichts der Witterungs-, Straßen- und
Verkehrsverhältnisse zu schnell. Außerdem ist er ganz offensichtlich nicht äußerst rechts gefahren. Bei der nach
§ 17 StVO vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gelangt der Senat - wie eingangs
dargelegt - zu einer Haftungsverteilung von 1/3 : 2/3 zu Lasten des beklagten Landes. Eine derartige
Haftungsquotelung führt - wie ebenfalls oben bereits ausgeführt - dazu, dass das beklagte Land der Klägerin über
den ihr vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 8.168,33 DM hinaus weitere 13.613,88 DM zu zahlen hat. Das
angefochtene Urteil war daher auf die Berufung der Klägerin entsprechend abzuändern. Der Zinsausspruch folgt aus
§ 284 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB a. F. Eine Mahnung der Klägerin war entbehrlich, nachdem das beklagte Land eine
Schadensregulierung zuletzt mit Schreiben vom 23. Dezember 1999 (Bl. 7) ernsthaft und endgültig verweigert hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO
festgesetzt. ####### ####### #######