Urteil des OLG Celle vom 13.02.2002

OLG Celle: berufliche tätigkeit, aufenthalt, verfügung, ermessensausübung, strafvollstreckung, urlaub, freiheit, gefangener, missbrauch, einheit

Gericht:
OLG Celle, 01. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluß, 1 (3) s 510/01
Datum:
13.02.2002
Sachgebiet:
Normen:
StVollzG § 11, VV zu Nr. 1 zu § 11
Leitsatz:
Freigang für eine berufliche Tätigkeit kann nicht gewährt werden, wenn diese überwiegend im Ausland
ausgeübt werden soll (§§ 39, 11 StVollzG). Bei Nr. 1 der VV zu § 11 StVollzG handelt es sich um
eine tatbestandsinterpretierende Richtlinie, die der Vollzugsbehörde keinen Ermessensspielraum
einräumt.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle 1 (3) Ws 510/01 ( StrVollz) 15 StVK 941/01 StVK des LG ####### B e s c h l u s s In der
Strafvollzugssache des ####### geb. am ####### zurzeit in der JVA ####### - Antragstellers – gegen die
Justizvollzugsanstalt ####### vertreten durch den Anstaltsleiter, -Antragsgegnerin – wegen Ablehnung des
Freigängereinsatzes, hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde der
Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgegerichts ####### beim
Amtsgericht ####### vom 20. November 2001 nach Beteiligung des Niedersächsischen Justizministeriums,
vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft Celle, am 13. Februar 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht
#######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Landgericht #######beschlossen: 1. Der
angefochtene Beschluss wird aufgehoben. 2. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung gegen die
Entscheidung der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2001 wird zurückgewiesen. 3. Der Antragsteller hat die Kosten des
Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen. 4. Der Streitwert wird auf 500 Euro festgesetzt. Gründe: I.
Der Antragsteller verbüßt zur Zeit eine gegen ihn wegen eines Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetzes
verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren, deren Ende auf den 25. März 2004 notiert ist. Nach den Feststellungen
des angefochtenen Beschlusses hat der Antragsteller am 18. Juli 2001 die Genehmigung der Justizvollzugsanstalt
####### für eine berufliche Tätigkeit außerhalb des Aufsichtsgeländes ohne Aufsicht beantragt. Ausweislich der
beigefügten Bestätigung konnte er eine Arbeit als Tischler zum 15. Juli 2001 anfangen, wobei Tätigkeit in vorrangig
den Niederlanden erfolgen sollte. Die Justizvollzugsanstalt hat den Antrag mit Verfügung vom 24. Juli 2001, die dem
Antragsteller am selben Tage mündlich bekannt gemacht wurde, unter Hinweis auf die VV Nr. 1 zu § 11 StVollzG
abgelehnt, weil der Freigängereinsatz nur im Geltungsbereich des Strafvollzugsgesetzes möglich sei. Auf den Antrag
des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung vom 21. August 2001 hat die Strafvollstreckungskammer mit
Beschluss vom 20. November 2001 die Ablehnung des Freigängereinsatzes durch Verfügung vom 24. Juli 2001
aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, eine erneute Entscheidung ´unter Berücksichtigung des § 11
StVollzG´ zu treffen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Justizvollzugsanstalt habe eine Ermessensentscheidung
treffen müssen, sei aber rechtfehlerhaft davon ausgegangen, dass ihr kein Ermessen zustehe. Hiergegen wendet
sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 17. Dezember 2001 bei Gericht eingegangenen Rechtsbeschwerde vom 14.
Dezember 2001. II. 1. Die rechtzeitig und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten
ist, die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zu ermöglichen ( § 116 Abs.1 StVollzG). Es gilt, der Gefahr der Wiederholung des im
nachfolgenden aufgezeigten Rechtsfehlers entgegenzuwirken. 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die
Überprüfung auf die Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, § 119 Abs. 4 Satz 1 StVollzG.
Zu Unrecht geht die Strafvollstreckungskammer davon aus, dass der Antragsteller durch die Entscheidung der
Justizvollzugsanstalt, ihm die beantragte Erlaubnis zur Aufnahme der beabsichtigten beruflichen Tätigkeit außerhalb
der Anstalt zu verweigern, in seinen Rechten i.S.d. § 109 Abs. 2 StVollzG verletzt sei. 1. Nach § 39 StVollzG i.V.m.
§ 11 StVollzG kann Freigang mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist,
dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerung des Vollzuges zu Straftaten
missbrauchen werde. Vollzugslockerungen für einen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des
Strafvollzugsgesetzes können Gefangenen auch zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nach § 39 StVollzG i.V.m.
§ 11 StVollzG aus Rechtsgründen nicht gewährt werden (für Urlaub s.a. OLG Frankfurt NStZ 1995, 208).
Vollzugslockerungen unterbrechen die Strafvollstreckung nicht; ihre Anordnung ist eine Behandlungsmaßnahme (vgl.
Callies/Müller-Dietz, StVollzG 7. Aufl. § 11 Rdn. 1 m.w.N.). Der Gefangene gewinnt dabei zwar in gewissen Grenzen
seine Freiheit wieder, unterliegt jedoch im übrigen besonderen, in der Freiheitsstrafe begründeten Begrenzungen. So
können ihm nach § 14 Abs. 1 StVollzG Weisungen, z.B. zum Aufenthalt oder für Meldepflichten, erteilt werden.
Ferner kann der Anstaltsleiter Lockerungen unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 StVollzG widerrufen, etwa
bei einem Weisungsverstoß. Daraus folgt, dass die Überwachung des und der hoheitliche Zugriff auf den
Gefangenen jederzeit – auch während der Lockerungen – möglich sein müssen. Dem wäre ein Gefangener jedoch
bei einer Beschäftigung im Ausland weitgehend entzogen. Trotz des Voranschreitens der europäischen Einheit ist
die Entwicklung noch nicht so weit, dass die insoweit erforderlichen hoheitlichen Maßnahmen eines Staates auf dem
Gebiet eines anderen Staates unproblematisch möglich wären. Deutsche Vollstreckungsbehörden könnten daher
nicht überprüfen, ob sich der Gefangene an Weisungen hält; auch ein unmittelbarer Zugriff bei Missbrauch der
Vollzugslockerungen wäre nicht möglich. 2. Nr. 1 der VV zu § 11 StVollzG, der ausdrücklich vorschreibt, dass
Lockerungen des Vollzuges nur zum Aufenthalt innerhalb des Gellungsbereiches des Strafvollzugsgesetzes gewährt
werden, regelt nach alldem nicht die Ermessensausübung durch die Vollzugsbehörde, sondern ist eine
tatbestandsinterpretierende Richtlinie, die sich auf die Beantwortung einer Rechtsfrage bezieht (vgl. zu VV Nr. 1 zu §
13 StVOllzG auch OLG Frankfurt ZfStrVo SH 1979, 18 und NStZ 95, 208; zur rechtlichen Einordnung der
Verwaltungsvorschriften allgemein s. Callies/Müller-Dietz, StVollzG 7. Aufl. § 13 Rdn. 8). Es handelt sich lediglich
um eine Klarstellung, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen überhaupt Vollzugslockerungen nach § 11
StVollzG in Betracht kommen. Zu Recht hat die Antragsgegnerin daher ihre Entscheidung – allein - auf diese
Verwaltungsvorschrift gestützt, die über § 39 Abs. 1 Satz 2 StVollzG auch für die Gestattung einer Arbeitsaufnahme
Anwendung findet. Die Voraussetzungen für den ein Ermessen eröffnenden Tatbestand der §§ 39 Abs. 1 S. 2, 11
StVollzG lagen nicht vor. Ausführungen zur Ermessensausübung waren mithin entbehrlich. 3. Die Sache ist nach
den vorstehenden Ausführungen spruchreif, weil eine Sachentscheidung ohne weitere tatsächliche Aufklärung
möglich ist, § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG. Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung war aus
diesen Gründen durch den Senat zurückzuweisen III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 121 Abs. 1, 2
Satz 1 StVollzG die Festsetzung des Streitwertes auf §§ 48a, 13 GKG. ####### ####### #######