Urteil des OLG Celle vom 16.12.2003

OLG Celle: örtliche zuständigkeit, geschäftsführer, gesellschaft, anschrift, auswechslung, korrespondenz, geschäftssitz, entlastung, sanierung, bezirk

Gericht:
OLG Celle, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 W 117/03
Datum:
16.12.2003
Sachgebiet:
Normen:
InsO § 3, InsO § 4, ZPO § 36
Leitsatz:
1. Das Insolvenzgericht am registermäßigen Sitz der Gesellschaft, an dem die GmbH auch ihre letzte
werbende Tätigkeit ausgeübt hat, und nicht das Gericht am Sitz des neu bestellten Geschäftsführers,
zu dem angeblich die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft verbracht worden sind, ist für die
Durchführung des Insolvenzantragsverfahrens zuständig, wenn handgreifliche Anhaltspunkte für eine
rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung bestehen.
2. Ein Verweisungsbeschluss, der durch Täuschung des Insolvenzgerichts über die wahren Absichten
des Antragstellers zustande gekommen ist, kann nicht als bindend i. S. d. § 281 ZPO angesehen
werden.
Volltext:
2 W 117/03
107 IN 5762/03 AG Charlottenburg
35 IN 337/03 AG Gifhorn
B e s c h l u s s
In dem Insolvenzantragsverfahren
pp.
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf den Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom
4. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am
Oberlandesgericht ####### und ####### am 16. Dezember 2003 beschlossen:
Das Amtsgericht Gifhorn - Insolvenzgericht - wird als zuständiges Gericht bestellt.
G r ü n d e
Schuldnerin des Insolvenzverfahrens ist eine im Handelsregister von ####### unter der ####### eingetragene
GmbH, die ihre Geschäftsanteile am 8. September 2003 an den neu bestellten Geschäftsführer ####### veräußert
hat, der am 13. Oktober 2003 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH
gestellt hat. In diesem am 20. Oktober 2003 beim Amtsgericht Gifhorn eingegangenen Antrag hat der
Geschäftsführer mitgeteilt, dass er das Gewerbe bei der zuständigen Behörde in ####### abgemeldet, die
Geschäftsräume aufgegeben und den Geschäftsbetrieb eingestellt habe. Sämtliche Geschäftsunterlagen seien zu
seinem Geschäftssitz nach ####### verbracht worden. Im Hinblick darauf, dass in ####### von einer durch ihn
beauftragten Wirtschaftsberatungsgesellschaft noch aktive Abwicklungstätigkeiten ausgeübt würden, beantrage er,
das Insolvenzverfahren an das für seinen Geschäftssitz zuständige Amtsgericht BerlinCharlottenburg zu verweisen.
Als Abwicklungstätigkeiten seien u. a. noch ausgeführt worden Umsatzsteuervoranmeldungen für das 4. Quartal
2001, die Erledigung der allgemeinen Korrespondenz mit dem Finanzamt #######, die Übernahme von
Geschäftsunterlagen sowie die Mitarbeit bei Prüfungen, die Korrespondenz mit Gerichten und Handwerkskammern
und die Erstellung von umfangreichen Aufstellungen für das Gericht - derartige Aufstellungen hat der Antragsteller
dem Insolvenzantrag, der lediglich aus zwei Blättern besteht, allerdings nicht beigefügt. Das Verfahren müsse
deshalb an das für den Sitz des neuen Geschäftsführers der Schuldnerin zuständige Amtsgericht
BerlinCharlottenburg verwiesen werden.
Kurze Zeit nach Eingang dieses Antrags hat das Amtsgericht Gifhorn am 27. Oktober 2003 das Verfahren ohne
weitere Prüfung an das Amtsgericht Berlin
Charlottenburg verwiesen, weil dieses gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO örtlich zuständig sei.
Das Amtsgericht Charlottenburg wiederum hat mit Beschluss vom 4. November 2003 seine Zuständigkeit verneint
und in den Gründen dieser Entscheidung ausgeführt, es sei örtlich unzuständig, weil die Schuldnerin ihren Sitz weiter
im Bezirk des Amtsgerichts Gifhorn habe. Da die Schuldnerin ihre werbende Tätigkeit eingestellt habe, sei ein
Gerichtsstand gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO für das Insolvenzverfahren nicht mehr begründet. Allein die Bestellung
eines neuen Geschäftsführers mit dem Aufgabenkreis der Durchführung und Abwicklung eines Insolvenzverfahrens
begründe keine Zuständigkeit am Sitz des Geschäftsführers. Dessen Wohnsitz sei nicht maßgeblich, wenn die
GmbH ihren Geschäftsbetrieb eingestellt habe. Aufgrund der pauschalen Behauptung, dass in ####### noch
Abwicklungsmaßnahmen durchgeführt werden würden, könne ebenfalls keine örtliche Zuständigkeit angenommen
werden. Unter der von dem neuen Geschäftsführer angegebenen Anschrift in ####### befinde sich weder der
Geschäftssitz der Schuldnerin noch der Wohnsitz des Geschäftsführers. Es handele sich vielmehr um die Anschrift
einer #######, bezüglich derer aus diversen beim Amtsgericht BerlinCharlottenburg anhängigen Verfahren bekannt
sei, dass diese Gesellschaft regelmäßig in der ####### Zeitung damit werbe, bei der Lösung von
Insolvenzproblemen behilflich zu sein und innerhalb von 24 Stunden durch Übernahme des Unternehmens sowie
Abberufung und Entlastung des Geschäftsführers zu helfen. Eine Mitwirkung der ####### GmbH in der von dieser
„betreuten“ Insolvenzverfahren sei regelmäßig nicht zu erreichen. Konkret sei zu einer aktiven werbenden Tätigkeit
des Geschäftsführers in ####### nichts vorgetragen. Infolge dieser Umstände bestehe die Gefahr, dass aufgrund
der fehlenden Durchführung des Insolvenzverfahrens am Ort der Registereintragung die Aufklärung von
Vermögensverschiebungen erschwert werde und den Gläubigern Vermögen der GmbH entzogen werde.
Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Gifhorn sei für das Amtsgericht
BerlinCharlottenburg nicht bindend, weil der neue Geschäftsführer die Zuständigkeit des Amtsgerichts
BerlinCharlottenburg missbräuchlich erschlichen habe. Das Amtsgericht BerlinCharlottenburg lehne deshalb seine
Zuständigkeit ab und lege das Verfahren dem Oberlandesgericht Celle zur Bestimmung der Zuständigkeit des
Insolvenzgerichts vor.
Der Geschäftsführer der Schuldnerin hat in seiner Stellungnahme zu dem Vorlagebeschluss des Amtsgerichts
Charlottenburg, in dem er nicht mehr die Geschäftsadresse ####### in #######, sondern nunmehr neu #######,
####### angegeben hat, ausgeführt, dass sehr wohl noch Abwicklungstätigkeiten von ####### aus geleistet werden
würden. So sei die ####### GmbH beauftragt worden, zu prüfen, ob eine Fortführung des Unternehmens möglich sei
und gegebenenfalls eine Auffanggesellschaft gegründet werden könne. Weiterhin seien - wie in dem Antrag bereits
angegeben - aktive Abwicklungsarbeiten durchgeführt worden. So sei noch Korrespondenz in erheblichem Umfang
geführt worden und die Geschäftsunterlagen seien in ####### eingelagert worden. Nachteile entstünden den
Gläubigern durch die Verfahrenseröffnung in ####### nicht. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verstoße mit ihren
Hilfeleistungen auch nicht gegen gesetzliche Vorschriften, vielmehr leiste sie legal Hilfe bei der Abwicklung von
Insolvenzverfahren. Es sei frei erfunden, dass es sich bei der Anschrift ####### in ####### lediglich um eine
Briefkastenadresse handele. Seitens der Unternehmensberatungsgesellschaft würden dort vielmehr mehrere
Personen beschäftigt, die bei notwendigen Prüfungen mitwirken könnten. Der Unterzeichner habe zu keiner Zeit
behauptet, seinen Wohnsitz in der ####### in ####### zu haben. Soweit der Senat in einem anderen Verfahren, in
dem ebenfalls die ####### GmbH eingeschaltet gewesen sei, auf einen Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg
hin die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg verneint habe, beantrage er, im Hinblick auf andere
Entscheidungen von Oberlandesgerichten, die das Amtsgericht Charlottenburg für zuständig erklärt hätten, die
Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.
II.
Das Oberlandesgericht Celle ist zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem zunächst
befassten Amtsgericht - Insolvenzgericht - Gifhorn und dem Amtsgericht - Insolvenzgericht - Charlottenburg gemäß
§ 4 InsO i. V. m. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO, berufen.
Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
Sowohl das Amtsgericht Gifhorn als auch das Amtsgericht Charlottenburg haben sich rechtskräftig im Sinne dieser
Vorschrift für unzuständig erklärt. Das Amtsgericht Charlottenburg hat die Akten zur Bestimmung des zuständigen
Gerichts gemäß § 37 Abs. 1 ZPO vorgelegt.
Zuständig für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Gifhorn.
In seinem Bezirk befindet sich der im Handelsregister eingetragene Sitz der Schuldnerin. Der Verweisungsbeschluss
des Amtsgerichts Gifhorn vom 27. Oktober 2003 ist nicht bindend, weil er aufgrund einer Irreführung des
Insolvenzgerichts ergangen ist, mit der die Antragstellerin das Ziel verfolgt hat, missbräuchlich die Zuständigkeit des
Amtsgerichts BerlinCharlottenburg zu erlangen und die Durchführung des Insolvenzeröffnungsverfahrens fernab von
dem zuständigen registermäßigen Sitz der GmbH, der unstreitig noch in ####### liegt, zu erreichen (ebenso wie hier
BayObLG, ZInsO 2003, 1045 f.).
Zwar mag unter der Voraussetzung, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht im unmittelbaren
zeitlichen Zusammenhang mit der Auswechslung der Geschäftsführung erfolgt, im Einzelfall ausnahmsweise eine
örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts gegeben sein, bei dem der Geschäftsführer der GmbH seinen Wohnsitz
hat, wenn die Geschäftstätigkeit aufgegeben ist und tatsächlich noch Abwicklungsmaßnahmen zur Liquidation der
GmbH durchgeführt werden. Eine Zuständigkeit am Wohnsitz des Geschäftsführers der GmbH kommt aber dann
nicht in Betracht, wenn die Veräußerung der Geschäftsanteile und die Abberufung des alten sowie die Ernennung
des neuen Geschäftsführers im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Stellung des Insolvenzantrags
stehen und das Verfahren damit das Gepräge der gewerbsmäßigen Firmenbestattung hat. In einem solchen Fall, der
etwa dann gegeben ist, wenn zwischen der Veräußerung der Geschäftsanteile und der Auswechslung des
Geschäftsführers nur wenige Wochen liegen, kommt für die Durchführung des Insolvenzverfahrens eine
Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, bei dem der neu bestellte Geschäftsführer seinen Sitz hat, nicht in Betracht,
weil es sich um eine rechtsmissbräuchliche Zuständigkeitserschleichung handelt. Vielmehr ist in einem solchen Fall,
in dem gar keine Anstalten gemacht werden, den Sitz der Gesellschaft zu verlegen, davon auszugehen, dass
entsprechend der Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO das Insolvenzgericht für die Durchführung des
Insolvenzverfahrens zuständig ist, bei dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, um ungeachtet von der Auswechslung
des Geschäftsführers den Gläubigern zumindest eine Chance zu geben, einen Zugriff auf das Vermögen der
Gesellschaft zu nehmen. Der Senat bezieht sich insoweit auf seine Entscheidung vom 9. Oktober 2003 (2 W
108/03), die dem Geschäftsführer der Schuldnerin aufgrund seiner Tätigkeit für die ####### GmbH bekannt ist.
Vorliegend kommt aufgrund der eigenen Stellungnahme des Geschäftsführers der Schuldnerin hinzu, wie sich bereits
aus seiner eigenen Einlassung vom 27. November 2003 ergibt, dass er nunmehr unter der bislang im Verfahren nicht
angegebenen Geschäftsadresse ####### in ####### residiert. Diese Anschrift hat der Geschäftsführer den
Gerichten gegenüber im gesamten Verfahren nicht offen gelegt, so dass der Antrag, das Verfahren an dem für
seinen Sitz zuständigen Gericht durchzuführen, offensichtlich missbräuchlich ist. Wie sich aus den Ausführungen
des Geschäftsführers weiter ergibt, hat er - sollten die von ihm behaupteten Maßnahmen tatsächlich durchgeführt
worden sein - die Abwicklung dieser Maßnahmen der ####### GmbH überlassen, für die er augenscheinlich nur als
Strohmann oder Namensgeber fungiert. Dies folgt aus dem eigenen Vortrag, niemals behauptet zu haben, seinen
Wohnsitz in der ####### in ####### zu haben, obwohl im Insolvenzantrag gerade diese Anschrift als Sitz des neuen
Geschäftsführers angegeben ist, so dass seitens des Insolvenzgerichts selbstverständlich davon ausgegangen
werden muss, dass dieser dort auch ständig zu erreichen ist, und nicht etwa unter einer völlig anderen
Geschäftsadresse, wie dies nunmehr im Schriftsatz vom 27. November 2003 vorgetragen wird.
Dass mit der Verbringung der Akten nach Berlin und dem Antrag, das Insolvenzeröffnungsverfahren an das
Amtsgericht BerlinCharlottenburg zu verweisen, die dargestellten Absichten verfolgt werden und der Antrag auf
Verweisung deswegen als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist, ergibt sich desweiteren daraus, dass der
Geschäftsführer gar nicht bestreitet, die nach seinen Ausführungen tätige ####### GmbH werbe bundesweit in der
####### ####### Zeitung damit, bei der Lösung von Insolvenzproblemen behilflich zu sein und für die Entlastung
des ursprünglichen Geschäftsführers zu sorgen, wie dies in dem Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Charlottenburg
dargestellt wird. Zwar macht der Geschäftsführer in seiner Einlassung geltend, das Handeln der ####### GmbH, die
damit unstreitig für ihn tätig ist, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat kann diesen Ausführungen aber nicht
folgen, weil die Erschleichung eines Gerichtsstandes weitab von dem für den Sitz des Schuldners zuständigen
Gericht zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens sehr wohl die Gefahr in sich birgt, dass aufgrund dieser
Zuständigkeitsverlagerung Vermögensverschiebungen nicht aufgedeckt werden,
Insolvenzverschleppungstatbestände nicht verfolgt werden und Anfechtungsrechte nicht wahrgenommen werden.
Insoweit wird zwar seitens des Geschäftsführers verbal behauptet, es hätten Prüfungen stattgefunden, ob eine
Sanierung der Schuldnerin in Betracht kommt, diese Behauptungen, die - ebenso wie die Behauptungen zur Führung
des übrigen Geschäftsverkehrs und der Aufstellung von Listen - durch keinerlei Unterlagen belegt sind, entbehren
aber in Anbetracht des von dem Amtsgericht Charlottenburg wiedergegebenen Inhalts der Anzeigen der #######
GmbH jeglicher Glaubwürdigkeit. Dass eine Gesellschaft, die sich auf die Firmenbestattung spezialisiert hat und
deren Ziel es ist, den Geschäftsführern insolvenzreifer Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Probleme der
Durchführung von Insolvenzantragsverfahren und Insolvenzverfahren abzunehmen, irgendwelche Prüfungen im
Hinblick auf eine Sanierung und Fortführung des Unternehmens durchführt, ist ausgeschlossen. Welche Ziele mit
derartigen Verfahren verfolgt werden, ergibt sich vielmehr aus dem Inhalt der Anzeige, die das Amtsgericht
Charlottenburg unbestritten zitiert hat.
Bei dieser Sachlage geht der Senat davon aus, dass das Amtsgericht Gifhorn bei seiner Entscheidung über die
Verweisung des Eröffnungsverfahrens an das Amtsgericht BerlinCharlottenburg darüber getäuscht worden ist, dass
die Auswechslung des Geschäftsführers der GmbH allein zu dem Zweck erfolgt ist, eine geräuschlose „Entsorgung“
der Schuldnerin zu erreichen und dass durch diesen Schachzug insbesondere verhindert werden sollte, dass die
Durchführung des Insolvenzeröffnungsverfahrens im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts
Gifhorn, das für den registermäßigen Sitz der GmbH auch weiterhin unbestritten zuständig ist, stattfinden sollte. Es
liegt damit eine Gerichtsstandserschleichung vor, bei der versucht wird, das Verfahren seinem gesetzlichen Richter
zu entziehen. Dies führt zur fehlenden Bindungswirkung des aufgrund dieser Gerichts
standserschleichung ergangenen Verweisungsbeschlusses (hierzu auch: BayObLG, ZInsO 2003, 1045, 1046;
MünchKomm. zur Insolvenzordnung/Ganter, § 3 Rn. 38 ff.). Allein aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs
zwischen der Übernahme der Geschäftsanteile und der Stellung des Insolvenzantrages besteht vorliegend eine
Vermutung dafür, dass die GmbH schon zu einem Zeitpunkt insolvenzreif war, zu dem der Geschäftsführerwechsel
noch nicht stattgefunden hatte. Die angestrebte Verlagerung des Sitzes des für die Durchführung des
Insolvenzeröffnungsverfahrens zuständigen Gerichts in einem anderen Bundesland muss als Versuch gewertet
werden, den Gläubigern die Wahrnehmung und Verfolgung ihrer Rechte zu erschweren und dem ursprünglichen
Geschäftsführer die Möglichkeit zu geben, sich aus der Haftung zu stehlen (s. zu beidem MünchKomm/
Ganter, a. a. O., § 3 Rn. 40, 42).
Der Senat sieht keine Veranlassung, die Sache dem BGH vorzulegen. Anders als die Gerichte, die auch im
Verfahren der ####### GmbH die Zuständigkeit des Amtsgerichts BerlinCharlottenburg als gegeben erachtet haben,
sieht der Senat im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Zuständigkeitserschleichung
als gegeben an. Er setzt sich deshalb mit der Auffassung, bei einer Zuständigkeitserschleichung sei das Gericht
zuständig, das nach dem Gesetz für die Durchführung des Verfahrens ohne den Manipulationsversuch zuständig
wäre, nicht in Widerspruch. Mit dieser Auffassung befindet sich der Senat etwa in Übereinstimmung mit dem
BayObLG, das in einem Verfahren, in dem
ebenfalls versucht worden ist, die Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg anstelle der des Amtsgerichts
München zu erschleichen, genauso entschieden hat (vgl. BayObLG, ZInsO 2003, 1045). Aus den vom
Geschäftsführer der Schuldnerin vorgelegten Entscheidungen anderer Gerichte ist demgegenüber nicht zu
entnehmen, dass diese Gerichte auch bei Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Zuständigkeitserschleichung das
Insolvenzgericht als zuständiges Insolvenzgericht bestimmen würden, dessen Zuständigkeit durch Manipulationen
erschlichen werden soll.
Bezüglich des weiteren Verfahrens des AG Giffhorn - Insolvenzgericht - weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass
noch zu prüfen sein wird, ob überhaupt ein zulässiger Insolvenzantrag gegeben ist. Der bislang vorliegende Antrag,
in dem jede Substantiierung der Antragsvoraussetzungen fehlt und dem keine weiteren Unterlagen beigefügt sind,
die Auskunft über die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geben könnten, dürfte nicht einmal den
Mindestanforderungen an einen Schuldnerantrag (dazu BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – IX ZB 426/02, ZVI 2003, 64 =
ZIP 2003, 358 = ZInsO 2003, 217 = NZI 2003, 147 = NJW 2003, 1187 = EWiR 2003, 589 (Gundlach/Frenzel))
genügen.
####### ####### #######