Urteil des OLG Celle vom 21.10.2004

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Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 113/04
Datum:
21.10.2004
Sachgebiet:
Normen:
InsO § 132 Abs 1 Nr 2
Leitsatz:
Der „schwache“ Insolvenzverwalter darf grundsätzlich eigene Rechtshandlungen anfechten, die er als
vorläufiger Insolvenzverwalter vorgenommen hat. Das gilt nicht, wenn der Gläubiger durch
schutzwürdiges Vertrauen auf dem Bestand der Rechtshandlung einen Nachteil erlitten hat.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 113/04
1 O 146/03 Landgericht Hannover Verkündet am
21. Oktober 2004
H.,
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt R. B. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der
O. Elektro GmbH, H. Straße, M.,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte S. & B. GmbH, E. Straße, A.,
gegen
W. S., O. Straße, B.,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte B. und S.,
O. Straße, B.,
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2004 durch die
Richter Dr. K., U. und W. für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 2. April 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover - 1 0 146/03 -
geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 6.591,46 EUR nebst 5 % über dem Basiszins Zinsen hieraus seit dem 17.
Mai 2003 zu bezahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
Streitwert: 6.591,46 EUR
G r ü n d e
1. Der Beklagte erhielt nach deren Insolvenzantrag die Klagesumme von der O.Elektro GmbH, deren derzeit
vorläufiger, heute endgültiger Insolvenzverwalter der Kläger ist. Die Zahlung erfolgte für seinerzeit rückständige
Ansprüche der Beklagten, die nach Zahlungserhalt die Schuldnerin weiter belieferte. Seine Zustimmung erklärte der
Kläger mit dem Schreiben Anlage K 3, in dem er auf die Insolvenzsituation hinwies, und klar stellte, dass die
Altforderungen lediglich Insolvenzforderungen seien, die Schuldnerin jedoch für einige Objekte auf weitere pünktliche
Zulieferung angewiesen sei.
Mit vorliegender Klage hat der Kläger die Anfechtung erklärt und Rückforderung unter Fristsetzung zum 16. Mai 2003
verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es treuwidrig sei, als vorläufiger Insolvenzverwalter zunächst der
Auszahlung zuzustimmen, dann aber die eigene Rechtshandlung anzufechten.
Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers.
2. Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
a) Die Vereinbarung über die Auszahlung der Altschulden zur Sicherung der Lieferung durch die Beklagte ist ein
Rechtsgeschäft im Sinne von § 132 Abs. 1
Nr. 2 InsO. Sie war auch eine Handlung des Schuldners, weil der Kläger in diesem Zeitpunkt als vorläufiger
Insolvenzverwalter noch nicht über das Vermögen des Schuldners verfügen durfte, er mithin die Stellung eines
„schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters hatte. Die Handlung ist nach dem dem Beklagten bekannten
Insolvenzantrag vorgenommen worden.
b) Der Senat hat auch keinen Zweifel, dass diese anfechtbare Rechtshandlung unmittelbar zur objektiven
Gläubigerbenachteiligung führte. Denn die Gläubiger des Schuldners habe keine Gegenleistung erhalten. Die
Beklagte hat nicht zu Gunsten der Gläubigergemeinschaft auf Ansprüche verzichtet, insbesondere nicht auf solche
aus Eigentumsvorbehalt. Soweit ein einfacher Eigentumsvorbehalt vereinbart worden ist, wäre der Verzicht darauf
wertlos. Denn der Beklagte hat das Eigentum an den von ihm gelieferten und zum Einbau bestimmten
Gegenständen durch den Einbau der Schaltanlagen verloren. Die Vereinbarung eines verlängerten
Eigentumsvorbehaltes hat der Beklagte nicht vorgetragen.
c) Entgegen der Auffassung des Landgerichtes hat der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter keinen
Vertrauenstatbestand geschaffen, durch den der Beklagte von der Ausübung irgendeines Rechtes abgesehen hätte.
Es ist nicht zu erkennen, dass der Beklagte heute seine Altforderung nicht mehr zur Tabelle anmelden könnte.
d) Der Ausübung der Anfechtung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich widersprüchlich verhalten hätte.
Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 14. November 2001 für den Kundigen deutlich gemacht, dass ihm,
ungeachtet der Billigung der Auszahlung, noch ein Anfechtungsrecht zustehen könnte. Eines deutlicheren Hinweises
darauf bedurfte es gegenüber dem Beklagten, der ein kaufmännisch organisierter Unternehmer ist, nicht.
e) Irrig meint der Beklagte auch, er habe durch seine Unkenntnis, denn er habe das Schreiben nicht recht
verstanden, Nachteile erlitten. Solche Nachteile sind nicht zu erkennen.
Sicherungseigentum hat der Beklagte aus den dargestellten Gründen nicht verloren, seine Insolvenzforderung kann
er immer noch zur Tabelle anmelden. Er steht nicht anders dar, als wenn der Kläger die Erklärungen nicht
abgegeben hätte und das Geld an ihn, dem Beklagten, nicht ausgezahlt worden wäre. Ohne das hier in Rede
stehende Verhalten des Klägers hätte das Beklagte das Geld nicht erhalten und bräuchte es nicht zurückzuzahlen.
Eine Verschlechterung seiner Situation ist dadurch nicht entstanden. Das entzieht den Überlegungen des
Landgerichts zur Treuwidrigkeit des Verhaltens des Klägers den Boden. Selbst wenn der Kläger einen
Vertrauenstatbestand geschaffen hätte, dann doch nicht darauf, dass der Beklagte zu Lasten der übrigen Gläubiger
bevorzugt würde, allenfalls - und dieser Fall liegt hier nicht vor - dahingehend, dass dem Beklagten durch das
Vertrauen auf die Erklärungen des Klägers kein weiterer Schaden entstünde.
Dieses Verständnis des Senates ist bereits die Grundlage der Entscheidung vom 29. Oktober 2002 - 13 U 56/02
OLG Celle . Schon da hat der Senat zwar festgestellt, dass ein Insolvenzverwalter treuwidrig handeln kann, wenn er
im Eröffnungsverfahren als vorläufiger Insolvenzverwalter Verbindlichkeiten eingegangen ist oder Verfügungen
vorgenommen oder ihnen zugestimmt hat und wenn er diese Rechtshandlungen dann nach Eröffnung des Verfahrens
anficht. Dieses Vertrauen ist aber regelmäßig nur dann schutzwürdig, wenn dem Schuldner bereits im
Insolvenzeröffnungsverfahren ein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO auferlegt wurde.
Dann nämlich geht die Verwaltungs und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen
Insolvenzverwalter über (§ 22 Abs. 2 Satz 1 InsO), und die vom vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten
Verbindlichkeiten gelten nach Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten. Daraus ist der Schluss zu ziehen,
dass Rechtshandlungen des so genannten starken, also verwaltungs und verfügungsbefugten Insolvenzverwalters,
die zu Masseschulden führen, regelmäßig nicht anfechtbar nach § 121 ff.
InsO sind.
Anders ist die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters
regelmäßig zu beurteilen, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde und der
(schwache) vorläufige
Insolvenzverwalter mit seiner Rechtshandlung Masseschulden nicht begründet hat. Dann kann der
Insolvenzverwalter seine Rechtshandlung als vorläufiger
Insolvenzverwalter regelmäßig anfechten (vgl. BGH ZIB 1983, 191, 192 -
Kirchhoff, ZinsO 2000, 297; BGH, NJW 1992, 2483; BGH, NJW 2003, 1865, Kirchhoff in MüKo, § 129 Rdnr. 46;
Kreft, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 129 Rdnr. 30 m. w. N.).
Wegen der Kosten gilt § 97 ZPO.
Dr. K. U. W.