Urteil des OLG Celle vom 04.11.1998

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Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 13 U 144/98
Datum:
04.11.1998
Sachgebiet:
Normen:
UWG § 3
Leitsatz:
Wirbt ein Autohaus in Inseraten für den Kauf von Neuwagen unter seiner Unternehmensbezeichnung
ohne Angabe seiner Rechtsform, so liegt darin regelmäßig keine Irreführung des Publikums über
wettbewerblich relevante Verhältnisse des Unternehmens.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
13 U 144/98
9 O 110/97 LG Verden
Verkündet am
4. November 1998
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
XXXXXXX
XXXXXX
gegen
XXXXX
XXXXX
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 1998 unter
Mitwirkung seiner Mitglieder #####, ##### und ##### für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. März 1998 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Verden geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsbeschwer und Berufungsstreitwert: 50.000 DM
Entscheidungsgründe
Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat Erfolg.
1. Die Beklagte ist nicht verpflichtet gewesen und verpflichtet, in ihrer Inseratenwerbung in Zeitschriften und
Zeitungen ihre Firma anzugeben. Die Verwendung der von dem Kläger beanstandeten Geschäftsbezeichnung ohne
GmbHZusatz ist nicht geeignet, das Publikum i. S. v. § 3 UWG irrezuführen.
a) Die Beklagte hat in den Inseraten von März und April 1997 eine um die Angabe der Rechtsform gekürzte Fassung
ihrer Firma nicht firmenmäßig, sondern als Geschäftsbezeichnung benutzt. Dies wird vom Verkehr jedenfalls in der
hier in Rede stehenden Zeitungsinseratenwerbung nicht als Angabe einer (so nicht bestehenden) Firma verstanden.
Die Inseratenwerbung gehört zwar wettbewerbsrechtlich zum Geschäftsverkehr des werbenden Unternehmens.
Tatsächlich schafft sie jedoch keine Rechtsbeziehungen zum Publikum. Vielmehr dient sie allein dazu, dessen
Interesse an Vertragsverhandlungen und abschlüssen zu wecken. In diesem Stadium hat die Rechtsform des
werbenden Unternehmens jedenfalls im Bereich der Werbung für den Kauf von neuen Kraftfahrzeugen für die
Interessenten keine Bedeutung. Ob Neufahrzeuge etwa der Marke „F###“ von einem Einzelkaufmann, von einer
Personengesellschaft oder von einer Kapitalgesellschaft beworben werden, ist dem Leser gleichgültig. Sein
Interesse an den beworbenen Fahrzeugen bestimmt sich nach der Attraktivität der Marke, ihrer Modelle, ihrer
Leistung und Ausstattung, den geforderten Preisen, den Aussichten auf günstige Inzahlunggabe sowie nach dem
Ruf des werbenden Unternehmens und insbesondere seiner Werkstatt. Wer bei einem Vertragsschluss mit welchem
Haftungssubstrat für Verbindlichkeiten einzustehen haben wird, ist für den Inserateleser (noch) bedeutungslos. Er
darf ohnehin sicher sein, rechtzeitig vor Vertragsschluss davon zu erfahren, dass er - wie hier - mit einer GmbH
kontrahieren soll (vgl. § 35 a GmbHG). Die Neuwagengarantie des Herstellers kommt ihm beim Kauf von einer
Kapitalgesellschaft in gleicher Weise zugute wie beim Kauf vom Einzelkaufmann.
b) Deshalb erwartet der Verkehr jedenfalls in der Inseratenwerbung für Neuwagen keine Angabe der Firma als des
kaufmännischen Namens des Werbenden. Da es aus seiner Sicht allein darum geht, das Unternehmen selbst - und
nicht dessen Träger - schlagkräftig und leicht identifizierbar und auffindbar zu kennzeichnen, liegt ihm der Gedanke
fern, aus dem Fehlen eines die Rechtsform beschreibenden Zusatzes irgendwelche Schlüsse - etwa auf ein
einzelkaufmännisches Unternehmen mit persönlicher Haftung einer natürlichen Person – zu ziehen. Er versteht
„Autohaus #####“ in einem Zeitungsinserat ebenso wie beispielsweise auf Werbetafeln vor dem Betrieb oder an dem
Betriebsgebäude allein als Kennzeichen des Unternehmens selbst, nicht als Identifikation des Trägers.
c) Diese Feststellungen trifft der Senat aufgrund der eigenen Sachkunde seiner Mitglieder, die zum einen den
umworbenen Verkehrskreisen seit langem angehören, zum anderen auch wegen ihrer dienstlichen Befassung mit
Wettbewerbsstreitigkeiten mit dem Verkehrsverständnis von Inseratenwerbung vertraut sind.
d) Wie in der Berufungsverhandlung erörtert worden ist, spiegelt die Praxis der Inseratenwerbung von Händlern für
Neuwagen dieses Verkehrsverständnis wieder. Sowohl in Lokalzeitungen als auch in den Kraftfahrzeugseiten großer
überregionaler Tageszeitungen erscheint eine Vielzahl von Inseraten, in denen als Kapitalgesellschaften bekannte
Unternehmen nicht unter ihrer vollständigen Firma, sondern unter einer Unternehmensbezeichnung ohne
Rechtsformangabe werben. Dies bedeutet nicht, dass etwa schlechte Sitten im Wettbewerb durch einen hohen Grad
ihrer Verbreitung geheiligt würden. Vielmehr spiegelt die verbreitete und jedenfalls in der Praxis des Senats bisher
nicht beanstandete Übung die Vorstellung der Beteiligten auf der Anbieter und der Nachfragerseite wieder, dass die
Inseratenwerbung für Neufahrzeuge aus den oben dargestellten sachlichen Gründen mit bloßen
Unternehmensbezeichnungen auskommen kann und der Kennzeichnung des Trägers des Unternehmens (noch) nicht
bedarf. Dieses Verständnis steht für die GmbH mit der seit 1969 bestehenden Rechtslage (§ 35 a GmbHG) in
Einklang. Deren Rechtsform muss (erst) in Geschäftsbriefen außerhalb bestehender Geschäftsbeziehungen
angegeben werden, nicht aber schon in der Werbung. Dies gilt im übrigen allgemein für den Handelsnamen des
Kaufmanns (Firma), wie § 37 a HGB seit Sommer 1998 belegt.
e) Mit diesen Erwägungen befindet sich der Senat jedenfalls nicht in Widerspruch zu den gedanklichen Grundlagen
der von den Parteien diskutierten Entscheidung des BGH (NJW 91, 2023). Was das OLG München in 29 U 1858/90
am 22. Februar 1990 entschieden hat, steht nicht entgegen; denn die hier behandelte Inseratenwerbung für
Neuwagen ist mit der Werbung eines Transportunternehmers – etwa für den Transport von Möbeln - nicht
vergleichbar, was das Informationsinteresse des umworbenen Publikums angeht.
f) Aus diesen Gründen ergibt sich: Eine Irreführung des Publikums über wettbewerblich relevante Verhältnisse der
Beklagten ist nicht zu besorgen, wenn diese weiterhin in Inseraten für den Kauf von Neuwagen unter der
Unternehmensbezeichnung „Autohaus #####“ ohne Kennzeichnung ihrer Rechtsform wirbt. § 3 UWG steht dem nicht
entgegen.
g) Da nach alledem ein Firmengebrauch i. S. v. § 37 HGB in der Inseratenwerbung der Beklagten nicht zu finden ist,
steht dem Kläger auch ein auf § 37 Abs. 2 HGB zu gründender Unterlassungsanspruch nicht zu.
2. Dass die Beklagte sich in ihrer Werbung als „F#### Haupthändler“ bezeichnet hat und sich berühmt, dazu auch
weiterhin berechtigt zu sein, rechtfertigt das vom Landgericht ausgesprochene Verbot nicht. Auch diese Aussage ist
nicht irreführend i. S. v. § 3 UWG.
a) Der Begriff des „Haupthändlers“ sagt dem inseratlesenden Autointeressenten nichts Konkretes. Er weiß nicht und
kann nicht wissen, wie die Vertriebsstruktur des jeweiligen Fahrzeugherstellers ausgestaltet ist und worin sich die
Rechtstellung eines „Haupthändlers“ von der Stellung von NichtHaupthändlern unterscheidet. Der Begriff kann daher
im Verkehr nur die allgemeine Vorstellung wecken, der Vertrieb des Herstellers sei hierarchisch gegliedert und
innerhalb der Hierarchie stehe ein „HauptHändler“ obenan und sei anderen Händlern übergeordnet.
b) Diese vagen Vorstellungen sind mit Bezug auf das Unternehmen der Beklagten nicht feststellbar falsch. - Dafür
ist es ohne Bedeutung, dass die Verträge der F####Werke #### mit ihren Händlern den Begriff des „HauptHändlers“
seit Ende 1996 nicht mehr verwenden. Denn eine mit einer Rangordnung verbundene Struktur ist unabhängig von
ihrer verbalen Kennzeichnung erhalten geblieben. Kapitel II aus dem „Leitfaden zur F####HändlerVertriebsnetz und
Rabattstruktur der F#### Werke ####“ (Ablichtung Bl. 124 d. A.) zeigt eine dreistufige Gliederung. Darin nimmt der
sogenannte AHändler die oberste Stufe ein. Er „betreut“ die sogenannten BHändler in seinem
„Marktverantwortungsgebiet“ und erhält dafür eine Provision. Die Beklagte hat durch das Vertragswerk mit der
F####Werke #### vom 23. September/15. November 1996 die Stellung eines AHändlers erlangt. Dies folgt aus der
Anlage 2 zu jenem Vertragswerk (Ablichtung Bl. 149 d. A.). Danach gilt für den Betrieb der Beklagten das
(gesteigerte) „Anforderungsprofil“ für AHändler. Die Eigenschaft der Beklagten als AHändler folgt weiter aus der
Anlage B zu dem Vertragswerk (Ablichtung Bl. 148 d. A.), in welcher das räumlich umfangreiche - für AHändler
typische - „Marktverantwortungsgebiet“ der Beklagten beschrieben ist. Danach steht die Beklagte als AHändlerin auf
der obersten Stufe der Vertriebsstruktur der F####Werke ####. Mehr und anderes kann der Verkehr nach dem oben
gesagten der Bezeichnung als „Haupthändler“ nicht entnehmen. Auf Abweichungen der vertraglichen Rechte der
früheren Haupthändler von den Rechten der nunmehrigen AHändler kommt es dabei nicht an.
3. Mit den beanstandeten Inseraten der Beklagten von März und April 1997 sind (verbotene) Sonderveranstaltungen
i. S. v. § 7 UWG nicht angekündigt worden. Die Werbeaussage, bei der Beklagten finde man „haiße Frühlingspreise
zum Anbeißen“, bei denen „bis zu 2.000 DM gespart“ würden, wird bei gebotener und im Verkehr zu erwartender
Einbeziehung des gesamten Inhalts der Anzeige als Ankündigung von Sonderangeboten i. S. v. § 7 Abs. 2 UWG
verstanden.
a) Die Beklagte wirbt in den Inseraten für Kauf (oder Leasing) von vier F###Pkw Modellen der Baureihen „K#“,
„F####“, „E####“ sowie „M####“. Diese werden jeweils mit bestimmten Motorisierungen und Ausstattungen
angepriesen. Der jeweils beworbene „haiße Frühlingspreis“ soll eine Verbilligung von „bis zu“ 2.000 DM darstellen,
wozu als Vergleichsgröße der empfohlene Listenpreis eines gleich ausgestatteten Fahrzeugs zu denken ist und
gedacht wird. Damit folgt die Werbung einer dem Senat und der am Autokauf interessierten Allgemeinheit seit
langem bekannten Methode, nämlich besser (als standardmäßig) ausgestattete Modelle über Nachlässe auf die
addierten Listenpreise für das Standardmodell und die „Extras“ an den Käufer zu bringen. Dies geschieht das ganze
Jahr hindurch. Die Erwähnung einer Jahreszeit („FrühlingsPreise“) hat dabei aus der Sicht des Verkehrs allenfalls
den sachlichen Sinn, die jeweiligen Ausstattungsmerkmale (etwa Klimaanlagen im Frühjahr, beheizte Sitze und
Nebelleuchten im Herbst) interessant und plausibel zu machen. Niemand verfällt ernstlich auf den Gedanken, die so
angebotenen Fahrzeuge nur und gerade während des Frühjahrs erwerben zu können. Die Nachfrager für Neuwagen
wissen genau, dass deren Preise saisonalen Schwankungen grundsätzlich nicht unterliegen und dass allenfalls etwa
typische Sommermodelle wie Cabriolets im Herbst als Ausstellungsfahrzeuge gelegentlich günstiger zu haben sind.
Vielmehr versteht so gut wie jedermann, dass bestimmte nach (besserer) Ausstattung und Preis gekennzeichnete
Modelle nach dem bei den Massenproduzenten und ihren Händlern verbreiteten und ständig geübten Brauch als
Sonderangebote beworben werden.
b) Dies kann der Senat wegen der Zugehörigkeit seiner Mitglieder zu dem Kreis der Automobilinteressenten und
käufer und wegen seiner dienstlich erworbenen Kenntnisse des Automobilmarkts und seiner Praktiken ohne
Unterstützung durch einen Sachverständigen beurteilen.
4. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge nach § 91 Abs. 1 ZPO vollen Umfangs abzuweisen. Die weiteren
Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
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