Urteil des OLG Celle vom 26.10.2004

OLG Celle: unwirksamkeit der kündigung, restschuld, rechtliches gehör, abtretung, androhung, verfügung, kreditgeber, erlass, wiederholung, darlehensvertrag

Gericht:
OLG Celle, 03. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 3 W 96/04
Datum:
26.10.2004
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 498 Abs 1 Satz 1 Nr 2
Leitsatz:
Die Androhung nach § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB muss den Hinweis enthalten, dass der
Darlehensgeber bei Nichtzahlung innerhalb der Frist vom Darlehensnehmer die gesamte Restschuld
verlangen wird.
Die bloße Androhung der Kündigung für den Fall nicht rechtzeitiger Zahlung genügt nicht und führt zur
Unwirksamkeit der Kündigung.
Volltext:
3 W 96/04
3 O 370/04 Landgericht Hannover
B e s c h l u s s
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
H. B.G., ...,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
gegen
X.Bank, vertreten durch die Geschäftsführer R. L., G. J. und H. M., ...
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Oktober
2004 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 29. September 2004 am 26. Oktober
2004 beschlossen:
Der Beschluss des Landgerichts wird wie folgt geändert:
1. Die Antragsgegnerin wird mit sofortiger Wirkung dazu verpflichtet, die Abtretungsanzeige vom 6. September 2004
gegenüber dem ..., zurückzunehmen und dieses dem ... unverzüglich anzuzeigen.
2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe von 500.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten dieses Verfahrens nach einem Wert von bis zu 7.000 EUR zu tragen.
Gründe
I.
Im März 2002 schlossen die Antragstellerin und die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin einen Darlehensvertrag.
Der Kredit wurde besichert durch eine Abtretung eines Teils der laufenden Bezüge der Antragstellerin. Auf Grund
finanzieller Schwierigkeiten bot die Antragstellerin der Antragsgegnerin eine auf drei Monate befristete Reduzierung
der Darlehensraten an. Die Antragsgegnerin antwortet darauf mit Schreiben vom 13. August 2004, in dem ein
rückständiger Betrag von insgesamt 551 EUR eingefordert wird und es weiter heißt: „Zahlen Sie bitte diesen
Gesamtbetrag innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens. Sollte der Betrag nicht fristgerecht
gezahlt werden, sehen wir uns gezwungen, den Vertrag zu kündigen. Dadurch werden weitere Unannehmlichkeiten
und Kosten für Sie entstehen, die Sie bei fristgerechter Zahlung vermeiden können.“ Mit weiterem Schreiben vom
26. September 2004 kündigte die Antragsgegnerin den Vertrag und forderte die Antragstellerin zur Zahlung von
insgesamt 7.994,77 EUR auf. Die Abtretung zeigte sie dem Arbeitgeber der Antragstellerin an.
Den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das Landgericht mit Beschluss vom 29.
September zurückgewiesen. Ein Verfügungsanspruch sei nicht gegeben. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom
13. August 2004 werde den Anforderungen des § 498 Abs. 1 BGB gerecht. Die offene Restschuld müsse nicht
angegeben werden. In dem Schreiben habe auch nicht ausdrücklich die Erklärung enthalten sein müssen, dass im
Falle der Nichtzahlung innerhalb der gesetzten Frist die gesamte Restschuld verlangt werde; die Wiederholung des
Gesetzeswortlauts sei nicht zwingend geboten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Oktober 2004, der das
Landgericht nicht abgeholfen hat.
Der vor dem Landgericht nicht am Verfahren beteiligten Antragsgegnerin hat der Senat rechtliches Gehör gewährt.
Eine Stellungnahme ist hier nicht eingegangen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, § 567 Abs. 1 ZPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Entgegen der Annahme des Landgerichts bejaht der Senat einen Verfügungsanspruch der Antragstellerin.
a) Ob die Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 13. August 2004 die noch offene Restschuld angeben musste (§
498 Abs. 2 BGB n.F.), kann dahingestellt bleiben. Die Frage war bereits für § 12 Abs. 2 VerbrKrG strittig (vgl. z. B.
OLG Düsseldorf, WM 1995, 1530, 1532 einerseits, Staudinger/KessalWulf, BGB, 13. Aufl., Rn. 18 zu § 12 VerbrKrG
andererseits). Der Senat neigt der Auffassung zu, dass auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten keine
Notwendigkeit erkennbar ist, dem Kreditgeber bereits dann eine unter Umständen komplizierte Berechnung der
Restschuld aufzuerlegen, obwohl möglicherweise auf Grund des Abmahnschreibens oder aus anderem Grund es zur
Kündigung letztlich gar nicht kommt.
b) Die Kündigung der Antragsgegnerin ist aber unwirksam, weil das der Kündigung vorausgehende Schreiben vom
13. August 2004 im Hinblick auf die Vorgaben des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB n.F. nicht ausreichend klar
gefasst ist. Es heißt dort, dass wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers der Darlehensgeber den
Verbraucherdarlehensvertrag bei einem Teilzahlungsdarlehen nur kündigen darf, wenn der Darlehensgeber dem
Darlehensnehmer erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrags mit der Erklärung gesetzt
hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlange. Davon, dass die Antragsgegnerin
bei Nichtzahlung innerhalb der Frist die gesamte Restschuld verlangen werde, ist in dem genannten Schreiben vom
13. August 2004 aber nicht die Rede. Es heißt dort lediglich, dass die Antragsgegnerin sich im Falle der nicht
fristgerechten Zahlung gezwungen sehe, den Vertrag zu kündigen. Für einen Juristen mag damit ohne weiteres
feststehen, dass die Kündigung die Pflicht zur Zahlung der gesamten Restschuld zur Folge hat. Zum Schutze des
Verbrauchers aber hat der Gesetzgeber dem Darlehensgeber zur Pflicht gemacht, dem Darlehensnehmer vor
Kündigung klar zu machen, dass er im Falle seines Zahlungsverzugs damit rechnen muss, dass von ihm die
gesamte Restschuld verlangt wird. Von dieser klaren gesetzgeberischen Vorgabe abzuweichen sieht der Senat
keinen Anlass. Der Senat hält es auch nicht für eine „übertriebene Förmelei“, wenn einer Bank aufgegeben wird, den
Gesetzeswortlaut abzuschreiben.
In Ermangelung einer ordnungsgemäßen Kündigung war der Antragsgegnerin zu untersagen, von der Abtretung
Gebrauch zu machen.
2. Wegen der weiter drohenden Nachteile für die Antragstellerin hält der Senat auch eine Entscheidung im
einstweiligen Verfügungsverfahren für geboten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Zum Streitwert hat der Senat die Erwägungen der Kammer in dem angefochtenen Beschluss zu Grunde gelegt.
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