Urteil des OLG Celle vom 21.10.2002

OLG Celle: hof, letztwillige verfügung, bewirtschaftung, verpachtung, abschaffung, auflösung, alter, grundbuch, besitz, eigenschaft

Gericht:
OLG Celle, Landwirtschaftssenat
Typ, AZ:
Beschluss, 7 W 27/02 (L)
Datum:
21.10.2002
Sachgebiet:
Normen:
HöfeO § 1, HöfeVfO § 5, HöfeVfO § 11
Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen für den Wegfall der Hofeseigenschaft außerhalb des Grundbuchs.
Volltext:
7 W 27/02 (L)
7 LwH 29/01 Amtsgericht Winsen (Luhe)
Beschluss
In der Landwirtschaftssache
pp.
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen – des Oberlandesgerichtes Celle unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. K., der Richterin am Oberlandesgericht K. und des Richters am
Oberlandesgericht K. als Berufsrichter sowie der Landwirtin L. und des Landwirtes B. als ehrenamtliche Richter auf
die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2002 beschlossen:
Auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 wird der Beschluss des Amtsgerichts -
Landwirtschaftsgericht - Winsen/Luhe vom 11. März 2002 geändert:
Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin F. N. am
3. Januar 2000 die landwirtschaftliche Besitzung, eingetragen im Grundbuch von T. Hof im Sinne der Höfeordnung
war.
Der Antrag der Beteiligten zu 1 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten beider Instanzen tragen die Beteiligte zu 1 einerseits und die Beteiligten zu 2 und 3 anderseits je
zur Hälfte.
Die Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in beiden Instanzen nicht statt.
Der Geschäftswert wird auf bis 150.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Hofeigenschaft einer landwirtschaftlichen Besitzung.
Der im Grundbuch von T. verzeichnete landwirtschaftliche Besitz zur Größe von 60.70.97 ha (davon ca. 10 ha Wald,
ca. 10 ha Weideland sowie ca. 40 ha Ackerland), für den ein Hofvermerk eingetragen ist, stand ursprünglich im
Eigentum des Landwirtes H. N., der am 12. Februar 1980 im Alter von 70 Jahren verstarb. Erbin wurde auf Grund
Testamentes vom 21. März 1979 seine Ehefrau F. N., die ihrerseits am 3. Oktober 2000 kinderlos starb, ohne eine
letztwillige Verfügung zu hinterlassen.
H. N. hatte den Hof übertragen erhalten durch Übergabevertrag vom
15. Oktober 1952 (Anlage zum Protokoll vom 21. Okt. 2002), auf den verwiesen wird.
F. N. hatte vier Nichten bzw. Neffen (Kinder ihrer vorverstorbenen Schwester A.), u. a. die Beteiligte zu 1. Der
Beteiligte zu 2 ist ein Sohn des vorverstorbenen Neffen der F. N. H. G. Er ist ausgebildeter Landwirt.
Bis auf den Beteiligten zu 3 sind die übrigen Beteiligten weitere Abkömmlinge jener Nichten und Neffen, die jedoch
unstreitig alle nicht wirtschaftsfähig sind. Der Beteiligte zu 3 ist eine Neffe des ursprünglichen Eigentümers des
Hofes H. N. (Ehemann der F. N.). Auch er hat eine landwirtschaftliche Ausbildung.
Die Eheleute H. und F. N. hatten den Hof seit 1973/1974 zunächst geschlossen verpachtet. Wegen der weiteren
Einzelheiten insoweit wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Der landwirtschaftliche Besitz hat einen Wirtschaftswert von 41.469 DM. Er ist grundbuchrechtlich nicht belastet.
Die Beteiligte zu 1 hat die Auffassung vertreten, bei dem landwirtschaftlichen Grundbesitz habe es sich zum
Zeitpunkt des Todes der F. N. nicht mehr um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt. Die Hofstelle sei nach
dem Brand nicht wieder an alter Stelle aufgebaut worden. Soweit noch totes Inventar vorhanden sei, sei dies völlig
veraltet und nicht mehr brauchbar.
Die Eheleute N. hätten 1973/1974 die Bewirtschaftung des Hofes dauerhaft aufgegeben.
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben demgegenüber die Auffassung vertreten, es handele sich bei dem streitbefangenen
Grundbesitz nach wie vor um einen Hof im Sinne der Höfeordnung. Die Eheleute N. hätten 1973 geschlossen
verpachtet, um eine Wiederbewirtschaftung zu ermöglichen. Ein Wiederanfahren des Hofes sei auch möglich.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Hof in Augenschein genommen (Bl. 46 d. A.) und sodann festgestellt, es habe
sich zum Zeitpunkt des Todes der F. N. nicht mehr um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt. Wegen der
Begründung wird auf die angegriffene Entscheidung verwiesen.
Hiergegen richten sich die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3. Beide verweisen darauf, sämtliche
Voraussetzungen für die Annahme eines Hofes im Sinne der Höfeordnung lägen vor, insbesondere seien
ausreichende Ländereien, ein Wohngebäude sowie Wirtschaftsgebäude vorhanden. Eine ertrags und erfolgreiche
Bewirtschaftung des Hofes sei, gegebenenfalls mit Unterstützung des Maschinenringes, möglich.
Es habe insbesondere der Vorstellung und dem Wunsch der Eheleute N. entsprochen, dass der Hof einmal von
einem Nachkommen fortgeführt werde. Die gemäß § 5 HöfeVfO durch die Eintragung des Hofvermerkes begründete
Vermutung, dass die Besitzung die durch den Vermerk ausgewiesene Eigenschaft habe, sei allemal nicht widerlegt.
Insbesondere habe das Landwirtschaftsgericht selbst bei Ausstellung des Hoffolgezeugnisses für F. N. am 2.
Februar 1981 die Hofeigenschaft bejaht. Seither sei keine Veränderung eingetreten.
Der Beteiligte zu 3 trägt vor, er sei sein Leben lang von den Eheleuten H. und F. N. als der auserkorene Hoferbe
behandelt worden. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf Bl. 94 ff. d. A. Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1 verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie verweist darauf, die vorhandenen
landwirtschaftlichen Maschinen hätten nur noch Museumswert. Eine erfolgreiche Wiederinbetriebnahme des Hofes
aus eigenen Mitteln sei nicht möglich.
Sie bestreitet, dass die Eheleute N. die Vorstellung gehabt hätten, der Beteiligte zu 3 solle einmal den Hof
übernehmen.
II. Die zulässigen sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 haben Erfolg.
1. Der angegriffene Beschluss stellt keine Teilentscheidung dar. Das Verfahren ist zwar auf Grund des Antrages des
Beteiligten zu 2 festzustellen, er sei Hoferbe des streitbefangenen Grundbesitzes geworden, eingeleitet worden. Das
Landwirtschaftsgericht hat in seiner Sitzung jedoch ausdrücklich Anträge der Beteiligten protokolliert und dabei nur
diejenigen zur Hofeigenschaft aufgenommen in der insoweit richtigen Annahme, die Feststellung der Hofeigenschaft
sei der Frage, wer ggf. Hoferbe geworden sei, vorgreiflich. Es hat damit stillschweigend das Feststellungsverfahren
zu der Frage, wer Hoferbe geworden ist, abgetrennt. Dafür spricht auch, dass das Landwirtschaftsgericht in seinen
Beschluss eine Kostenentscheidung aufgenommen hat.
Die Frage, wer Hoferbe geworden ist, ist dem Senat mithin nicht zur Entscheidung angefallen.
2. Die Beteiligten zu 1 – 3 haben ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Hofeigenschaft nach § 11 Abs. 1
Buchst. a HöfeVfO. Die Beteiligten zu 1 und 2 gehören zu dem Kreis der potentiellen Erben nach F. N., wobei die
Beteiligte zu 1 ein Interesse an der Feststellung hat, dass das Anwesen kein Hof i.S.d. HöfeO ist, weil ihr
Erbanspruch in diesem Fall deutlich höher ausfiele. Aber auch der Beteiligte zu 3 ist antrags und
beschwerdeberechtigt, da er reklamiert, er sei der einzige in Betracht kommende Hoferbe nach H. N. (über Vor und
Nacherbschaft).
3. Die sofortigen Beschwerden sind begründet. Der streitbefangene landwirtschaftliche Grundbesitz war zum
Zeitpunkt des Todes der F. N. weiterhin ein Hof i.S.d. HöfeO.
Die Eintragung des Hofvermerkes begründet gemäß § 5 HöfeVfO die Vermutung, dass die streitbefangene Besitzung
die durch den Vermerk ausgewiesene Hofeigenschaft auch tatsächlich hat. Diese Vermutung ist nicht widerlegt.
Die Hofeigenschaft ist nicht „außerhalb des Grundbuches“, nämlich durch Auflösung der Betriebseinheit, entfallen.
Fehlerhaft gehen allerdings die Beteiligten zu 2 und 3 davon aus, dies stehe für den Zeitpunkt des Todes des H. N.
schon wegen der Erteilung eines Hoffolgezeugnisses zugunsten seiner Ehefrau fest. Zwar wird bei der Erteilung
eines Hoffolgezeugnisses die Frage des Fortbestehens des Hofeigenschaft geprüft, jedoch erwächst die
Entscheidung insoweit nicht in Rechtskraft.
Der streitbefangene Grundbesitz erfüllt formal alle Kriterien eines Hofes i. S. d. § 1 HöfeO. Er verfügt über ein
Wohnhaus, Baujahr 1974, ein Wirtschaftsgebäude sowie landwirtschaftliche Flächen. Der Wirtschaftswert betrug
zum 1. Januar 1975 41.469 DM (Bl. 21 d. A.).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH und des Senates kann die Hofeigenschaft jedoch - unabhängig von der
Löschung des Hofvermerks - durch Auflösung der wirtschaftlichen Betriebseinheit entfallen (vgl. u. a. BGH RdL
1995, 179 ff.; OLG Celle RdL 2000, 193 f.; OLG Hamm AgrarR 1999, 311 ff., OLG Oldenburg Nds. RPfl. 1999, 147
f.), d.h. wenn keine landwirtschaftliche Besitzung mehr vorhanden ist. Der Begriff der landwirtschaftlichen Besitzung
setzt dabei mehr als das Vorhandensein einzelner landwirtschaftlicher Grundstücke und einer Hofstelle voraus. Die
Frage des Fortbestehens der Betriebseinheit lässt sich allerdings nicht isoliert an einer Tatsache festmachen. Ihre
Beantwortung, die eine Frage der tatrichterlichen Würdigung ist, erfordert vielmehr eine Gesamtwürdigung aller in
Betracht kommenden Tatsachen wie z.B. das Vorhandensein einsetzbaren lebenden und toten Inventars, geeigneter
Wirtschaftsgebäude und landwirtschaftlicher Flächen, Vorhandensein eines Hofnachfolgers, Art und Weise und vor
allem Grund der Aufgabe der Bewirtschaftung sowie die Prüfung der Frage, ob aus betriebswirtschaftlicher Sicht
unter Berücksichtigung des erforderlichen Kapitaleinsatzes die Wiederinbetriebnahme des Hofes aus den
Erträgnissen des Hofes bezahlt werden kann, ohne dessen Existenz in Frage zu stellen.
Der Senat hat - übereinstimmend mit dem BGH (Beschluss vom 29. März 2001 ) Az. BLw 20/00 () - dabei auch auf
die Frage abgestellt, welche Willensrichtung des Hofeigentümers bei Aufgabe der Bewirtschaftung vorlag
(Beschlüsse vom 17. Febr. 1999 ) Az. 7 W 47/98 ( sowie vom 19. Juli 1999 ) Az. 7 W 87/98 (), wobei allerdings auch
ausgesprochen worden ist, dass der Wunsch des Hofeigentümers, die Betriebseinheit zu erhalten, dann unbeachtlich
ist, wenn sämtliche objektiven Kriterien gegen die tatsächliche Durchführbarkeit dieser Absicht sprechen.
Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so ist die ursprünglich vorhandene und auf Grund § 5
HöfeVfO gesetzlich vermutete Hofeigenschaft nicht nachträglich entfallen.
Der Hof verfügt über eine ausreichende Hofstelle sowie mit 40 ha Ackerland und jeweils ca. 10 ha Weide und
Forstflächen über zwar eine leicht unterdurchschnittliche, aber durchaus auskömmliche Ausstattung mit Ländereien.
Die vorhandenen Maschinen sind aufgrund ihres Alters sicherlich nicht mehr brauchbar. Insoweit müsste zumindest
teilweise investiert werden. Hier reicht aber z.B. der Ankauf gebrauchter Maschinen. Zu Recht hat der Vertreter der
Landwirtschaftskammer bei seiner Anhörung vor dem Landwirtschaftsgericht zudem darauf verwiesen, dass es ohne
weiteres möglich wäre, den Betrieb im Wesentlichen durch den Maschinenring bewirtschaften zu lassen. Bauliche
Maßnahmen wären nach seiner Auffassung nur erforderlich im Bereich der Wirtschaftsgebäude. Auch insoweit ist
jedoch bei den heutigen Betriebsstrukturen zu beachten, dass im Rahmen z.B. einer Bewirtschaftungsgemeinschaft
die Erweiterung der vorhandenen Gebäude oder die Neuerrichtung entbehrlich sein dürfte.
Ein schuldenfreier Betrieb dieser Größenordnung kann ohne Weiteres allemal im Nebenerwerb, wohl aber auch im
Haupterwerb - wirtschaftlich ertragreich und mit Gewinn bewirtschaftet werden, auch wenn gewisse Investitionen
erforderlich sind. Dies vermag der Senat auf Grund eigener Sachkunde, insbesondere seiner ehrenamtlichen
Mitglieder, zu beurteilen.
Angesichts dessen kann der Streit der Beteiligten dahinstehen, ob und inwieweit sich zunächst H., später F. N.
sogar ausdrücklich dazu geäußert haben, den Hof zusammenhalten und auf den Beteiligten zu 3 übertragen zu
wollen. Es gibt jedenfalls keine eindeutige Willensbekundung eines der beiden dahin, die Betriebseinheit dauerhaft
und endgültig auflösen zu wollen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass dem Umstand des Fortbestehens der
Eintragung des Hofvermerks insoweit allein keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, da auch dann, wenn die
Bewirtschaftung tatsächlich dauerhaft aufgegeben wird, oft dieser „letzte Schritt“ unterbleibt.
Für einen endgültigen Aufgabewillen sprechen jedoch entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 nicht zwingend
die Abschaffung des toten und lebenden Inventars, die langfristige Verpachtung der Ackerflächen sowie die fehlende
Übertragung des Hofes auf einen Nachfolger.
Die Aufgabe der Eigenbewirtschaftung erfolgte aus Alters und Gesundheitsgründen, nicht z.B. aus der Erkenntnis,
der Hof habe keine Zukunft. Das Ackerland wurde - auch bereits 1974 - geschlossen an einen Landwirt verpachtet,
was eher dafür spricht, dass sowohl zunächst H. N., als auch später seine Ehefrau, nicht die Betriebseinheit
auflösen wollten, zumal aus beiden Familien je ein wirtschaftsfähiger Hofnachfolger vorhanden war, von denen einer
mit auf dem Hof lebte.
Die nicht erfolgte Übertragung des Hofes an einen Nachfolger zu Lebzeiten, auch nicht zur Bewirtschaftung, ist
ebenfalls ungeeignet, einen endgültigen Aufgabewillen anzunehmen. Es ist unter älteren Landwirten häufiger
anzutreffen, dass dieser Schritt nicht getan wird, gleichwohl sich die – berechtigte – Hoffnung auf einen
Nachfolger/in in der nächsten oder übernächsten Generation richtet.
Die Abschaffung des lebenden und toten Inventars ist in diesem Zusammenhang lediglich die – wirtschaftlich auch
sinnvolle – Folge der Aufgabe der Eigenbewirtschaftung und zeitweisen anderweitigen Verpachtung, da einem
späteren Hofübernehmer mit veralteten Maschinen nicht gedient ist.
Auch die gebotene Gesamtschau auf sämtliche Umstände dieses Falles führt nicht zu einer Widerlegung der
gesetzlichen Vermutung des § 5 HöfeVfO, dass der Grundbesitz die durch die Eintragung des Hofvermerks
ausgewiesene Eigenschaft zum Zeitpunkt des Todes der F. N. weiterhin besessen hat.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 44, 45 LwVG. Der Senat hat es für sachgerecht erachtet, die
Gerichtskosten beider Instanzen zwischen der Beteiligten zu 1 einerseits und den Beteiligten zu 2 und 3
andererseits hälftig zu teilen und die Erstattung außergerichtlicher Auslagen nicht anzuordnen, da die getroffene
Entscheidung im allseitigen Interesse liegt.
Die Festsetzung des Geschäftswertes ergibt sich aus §§ 19 Buchst. a HöfeVfO, 30, 19 Abs. 4 KostO.
Dr. K. K. K.