Urteil des OLG Celle vom 21.04.2006

OLG Celle: vorzeitige rückgabe, anschrift, geschäftssitz, zustellung, versicherung, pachtvertrag, befristung, kündigung, herausgabe, bereicherung

Gericht:
OLG Celle, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 11 W 17/06
Datum:
21.04.2006
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 91a Abs 1, ZPO § 567 ABS 1, ZPO § 572 Abs 1
Leitsatz:
1. Bei der Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO ist das Gericht nicht gezwungen, schwierige
Rechtsfragen zu klären. Maßstab der Entscheidung ist vielmehr der aufgrund summarischer Prüfung
zu prognostizierende Ausgang des Rechtsstreits ohne Eintritt der Erledigung. Dabei ist es auch zu
würdigen, wenn die beklagte Partei während des Verfahrens erfüllt und sich hierdurch freiwillig in die
Position der Unterlegenen begibt.
2. Gegen die Nichtabhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts nach § 572 Abs. 1 ZPO ist eine erneute
sofortige Beschwerde grundsätzlich nicht gegeben.
Volltext:
11 W 17/06
4 O 288/05 Landgericht Hannover
B e s c h l u s s
In dem Rechtsstreit
E. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer W. B. und M., ...,
Beklagte und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
gegen
D. Club, vertreten durch den Vorstand/das Präsidium, diese vertreten durch die
Präsidentin Frau R. M., ...,
Kläger und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
Beteiligter:
Herr W. B., ...,
Streithelfer der Beklagten,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am
Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 21. April 2006 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 12. Januar 2006 gegen den § 91 a ZPOBeschluss der 4.
Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. Januar 2006 wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 7. März 2006 gegen den Nichtabhilfebeschluss der 4. Zivilkammer
des Landgerichts
Hannover vom 27. Februar 2006 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
3. Wert des Beschwerdeverfahrens: Gebührenstufe bis 2.000 EUR.
G r ü n d e :
Die Beklagte wendet sich gegen die vom Landgericht nach vorangegangenem Prozessvergleich gemäß § 91 a ZPO
getroffene, sie mit zwei Dritteln der Verfahrenskosten belastende Kostenentscheidung. Sie meint, das Landgericht
habe die Quoten vertauscht.
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 12. Januar 2006 gegen den
§ 91 a ZPOBeschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom
10. Januar 2006 ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen.
a) Die Entscheidung des Landgerichts, der Beklagten vorab die Kosten ihrer Säumnis aufzuerlegen, folgt aus § 344
ZPO. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Insbesondere ist das Versäumnisurteil in
gesetzlicher Weise ergangen, weil die Klage am Geschäftssitz der Beklagten gemäß § 281 ZPO durch Einlegung in
ihren Briefkasten am 9. August 2005 ordnungsgemäß zugestellt worden ist (Bl. 12 d. A.).
Mit ihrer Behauptung, ab dem 1. August unter der angegebenen Anschrift nicht mehr geschäftsansässig gewesen zu
sein, kann die Beklagte demgegenüber nicht gehört werden. Denn dieser Vortrag steht im Widerspruch dazu, dass
mit der Einspruchsbegründung zwar die nicht ordnungsgemäße Zustellung gerügt, jedoch ohne Hinweis auf eine
unzutreffende Anschrift nur auf einen tatsächlich fehlenden Zugang abgestellt, zudem die insoweit vorgelegte
eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Beklagten vom 7. September 2005 eben gerade auf deren
Geschäftbogen unter der vermeintlich falschen Anschrift (L.Straße) abgegeben worden ist (Bl. 35 d. A.).
Damit ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, sie habe ihren Geschäftssitz zum Zustellungszeitpunkt am 9.
August bereits in der X.Straße gehabt (Bl. 67, 265 d. A.), rechtlich nicht erheblich. Denn es ist weder dargetan noch
sonst ersichtlich, worauf das widersprüchliche Vorbringen beruht und welcher der beiden gegensätzlichen
Sachverhaltsdarstellungen der Vorzug zu geben ist, zumal die Beklagte diesen Gesichtspunkt mit ihrer
Beschwerdebegründung auch selbst nicht mehr aufgreift (Bl. 336 f. d. A.).
Selbst wenn der Vortrag über die Änderung ihrer Adresse zuträfe, müsste die Beklagte die Zustellung der
Klageschrift unter der ehemaligen Anschrift in der
L.Straße gegen sich gelten lassen. Denn sie hätte ausweislich ihres noch am 7. September mit dieser Anschrift
benutzten Geschäftspapiers sowie aufgrund der Tatsache, dass auch der Postzusteller insoweit keine
durchgreifenden Zweifel hatte (vgl. insoweit OLG Frankfurt/M. NJWRR 1997, 956), jedenfalls den Anschein gesetzt,
dort aufhältlich zu sein und ihren Geschäftssitz dort zu haben
(vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 178 Rn. 7 m. w. N.).
Schließlich ist das pauschale Bestreiten des tatsächlichen Zugangs durch die bereits erwähnte eidesstattliche
Versicherung (Bl. 35 d. A.) nicht geeignet, die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde (Bl. 12 d. A.) zu erschüttern
(vgl. Zöller, a. a. O., § 182 Rn. 14 f. ).
b) Auch die Kostenquotelung im Übrigen ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO erfolgt nach billigem Ermessen. Dabei ist das Gericht nicht gezwungen,
schwierige Rechtsfragen zu klären. Maßstab der Entscheidung ist vielmehr der aufgrund summarischer Prüfung zu
prognostizierende Ausgang des Rechtsstreits ohne Eintritt der Erledigung. Erfüllt die beklagte Partei während des
Verfahrens, begibt sie sich freiwillig in die Position der Unterlegenen. Dies rechtfertigt es, zumal wenn andere
Anhaltspunkte für ihr mutmaßliches Unterliegen hinzukommen, ihr die Kosten aufzuerlegen (vgl. Musielak/Wolst,
ZPO, 4. Aufl., § 91 a Rn. 23).
Es ist hier also zunächst daran anzuknüpfen, dass die Beklagte sich der Räumungsklage gebeugt hat, was schon
dafür spricht, sie insoweit mit den Kosten zu belasten. Hinzu kommt, dass nach summarischer Prüfung die
Räumungsklage bei streitiger Entscheidung vermutlich Erfolg gehabt hätte. Das vorprozessuale Schreiben der
Beklagten vom 30. Dezember 1993 (Anl. K 8. Bl. 121 d. A.) stützt nämlich die Würdigung der Klägerin, die Beklagte
und nicht der Streitverkündete habe das Pachtverhältnis faktisch fortgesetzt. Denn die Beklagte erklärt selbst, sie
sei Unterpächterin des Streitverkündeten, dieser habe ihr zum 30. Juni 1994 wegen Beendigung des
Hauptpachtverhältnisses gekündigt, sie werde das Objekt pünktlich zum 1. Juli 1994 an die Klägerin zurückgeben,
sofern sie nicht einen neuen Pachtvertrag mit der Klägerin abschließe, woran sie interessiert sei und was dem in den
letzten Jahren mehrfach bekundeten Willen aller Beteiligten entspreche.
Selbst wenn aber die Auffassung der Klägerin zuträfe, wegen des Nichtzustandekommens eines schriftlichen
Vertrages mit der Beklagten sei nach § 545 BGB eine stillschweigenden Fortsetzung durch die bisherigen
Vertragsparteien anzunehmen, dürfte gleichwohl von einer wirksamen Kündigung gegenüber dem Streitverkündeten
auszugehen sein, sodass die Beklagte als Unterpächterin zur Herausgabe des Pachtobjekts an die Klägerin
verpflichtet gewesen wäre (§ 584 Abs. 1 i. V. m. §§ 581, 546 Abs. 2 BGB). Denn das dem Mitgeschäftsführer der
Beklagten, Herrn M., übergebene Kündigungsschreiben war (auch) an den Streitverkündeten persönlich adressiert.
Zudem wird inhaltlich zutreffend der Pachtvertrag gekündigt, „welcher zwischen dem D. Club und Herrn W. B. am 7.
März 1988 abgeschlossen worden ist“ (Bl. 5 d. A.). Auch dürfte dieses Schreiben dem Streitverkündeten durch
Übergabe an Herrn M. als Empfangsboten gemäß § 130 Abs. 1 Satz BGB wirksam zugegangen sein (vgl.
Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 130 Rn. 9). Eine Befristung des Pachtverhältnisses bis 2011, die der
Anwendung des § 584 BGB entgegenstehen könnte, ist nicht dargetan, da insoweit die Verträge im Entwurfsstadium
stecken geblieben waren, also keine Einigkeit erzielt worden war.
Soweit die Beklagte dem Herausgabeverlangen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen
vorgenommener Investitionen in das Pachtobjekt entgegengehalten hat, war die Vornahme der betreffenden
Umbauten zwar unstreitig, nicht aber die bei der Klägerin durch die (vorzeitige) Rückgabe angefallene
Wertverbesserung, die die Beklagte mit 95.000 EUR beziffert hatte. Es war deshalb ursprünglich die Einholung eines
Sachverständigengutachtens beabsichtigt (Bl. 221 d. A.). Durch den Prozessvergleich hat die Klägerin sich sodann
hinsichtlich eines Teilbetrages von 30.000 EUR gebeugt, die Beklagte auf weitergehende 65.000 EUR, wenn auch
nicht endgültig, sondern nur im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits, verzichtet.
Nach alledem hatte die Klägerin insgesamt mit ihrer Räumungsklage (16.710 EUR), ferner zu mehr als zwei Drittel
mit der Abwehr der Hilfswiderklageforderung von 95.000 EUR, also insgesamt zu [(16.710 EUR + 65.000 EUR =)
81.710 EUR : 111.710 EUR =] 73,14 % Erfolg. Da die Beklagte durch die angefochtene Kostenentscheidung
demgegenüber nur zu 2/3, also etwa 66,66 % belastet ist, ist sie, auch unter Berücksichtigung der offen gelassenen
Berechtigung der weitergehenden Forderung von 65.000 EUR, nicht beschwert.
2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 7. März 2006 gegen den Nichtabhilfebeschluss der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Hannover vom 27. Februar 2006 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Die nach § 572 Abs. 1 ZPO getroffene Entscheidung hat zu keiner weitergehenden Beschwer der Beklagten geführt.
Eine erneute Beschwerdemöglichkeit ist daher im Gesetz nicht vorgesehen und ergibt sich, mangels Beschwer,
auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen (§ 567 ZPO).
Die Einführung der generellen Abhilfebefugnis des iudex a quo (§ 572 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 ZPO) dient der
Selbstkontrolle des erstinstanzlichen Gerichts und damit zugleich der Verkürzung des Verfahrens und der Entlastung
der Beschwerdegerichte. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn die Entscheidung des iudex a quo, der sofortigen
Beschwerde nicht abzuhelfen, ihrerseits wieder anfechtbar wäre. Denn dann müsste erneut nach § 572 Abs. 1 ZPO
über die Abhilfe entschieden werden, auch insoweit wäre dann abermals eine sofortige Beschwerde möglich, dann
wiederum ein Abhilfeverfahren erforderlich und so weiter. Dies macht keinen Sinn und entspricht ersichtlich nicht der
Intention des Gesetzes.
3. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglos gebliebenen Beschwerdeverfahren nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Den Beschwerdewert hat der Senat gemäß § 3 ZPO nach dem mutmaßlichen Kosteninteresse der Beklagten
geschätzt.
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