Urteil des OLG Celle vom 21.03.2002

OLG Celle: betriebsgefahr, kollision, polizei, breite, gerät, verschulden, hindernis, verkehr, anteil, datum

Gericht:
OLG Celle, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 14 U 196/01
Datum:
21.03.2002
Sachgebiet:
Normen:
STVG § 7, STVG § 17
Leitsatz:
Zur Haftungsverteilung zwischen Lkw (75 %), der vom Beschleunigungsstreifen kommend etwas auf Hauptfahrspur
gerät und auffahrendem Pkw (25 %)
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
14 U 196/01
16 O 3660/00 Landgericht Hannover
Verkündet am
21. März 2002
#######,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
##############, vertreten durch den #####################, #######, ##############,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ##################################################################################################
Geschäftszeichen: Az.: #######
gegen
1. ####### Versicherungs-AG/#####################, vertreten durch den
Vorstand, dieser vertreten durch ############## und #####################,
##############, ##############,
2. ##############, ##############, ##############,
3. ##############, ##############, ##############,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigter zu 1, 2, 3:
Rechtsanwalt #######, ##############, ##############,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######
und die Richter am Oberlandesgericht ############## und ####### für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. Mai 2001 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer
des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer: 4.368,68 Euro.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 543 Abs. 1 ZPO a. F., 26
Nr. 5 EGZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung erweist sich als unbegründet. Das Landgericht hat aus zutreffenden
tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, auf die der Senat verweist, die Klage
abgewiesen, soweit sie über einen Betrag von 1.456,23 € hinaus gegangen ist.
Im Hinblick auf die Berufungsangriffe gilt folgendes:
Die Klägerin kann von den Beklagten wegen des Verkehrsunfalls vom 1. November
1999 in #######, ##################### kurz vor der Ausfahrt #######, keinen
weiteren Schadensersatz als den vom Landgericht bereits zuerkannten beanspruchen.
Die Kammer hat nach Durchführung der Beweisaufnahme (hier Beiziehung der Ermittlungsakten,
insbesondere der dort befindlichen von der Polizei angefertigten Fotografien
von der Endposition des Lkw der Klägerin) zutreffend einen Sachverhalt als
bewiesen angesehen, nach welchem der Klägerin hinsichtlich des Zustandekommens
des Verkehrsunfalls ein Verursachungs- und Verschuldensbeitrag von 75 % anzulasten
ist.
Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dieses Beweisergebnis allein
aus den Ermittlungsakten gewonnen hat, ohne die von den Parteien wechselseitig
benannten Zeugen vernommen zu haben. Die ermittelnden Polizeibeamten haben
aus verschiedenen Winkeln und verschiedenen Entfernungen jeweils von hinten
Fotografien von der Endposition des verunfallten Lkw der Klägerin aufgenommen,
aus denen sich unzweideutig entnehmen lässt, dass sich der Lkw der Klägerin
auf der von der Beklagten zu 3 befahrenen Hauptfahrspur befunden hat, und zwar
mit dem ganz überwiegenden Anteil seiner Fahrzeugbreite. Dies ergibt sich (angesichts
der Qualität der Aufnahmen ohne die Möglichkeit einer von der Klägerin gerügten
´perspektivischen Verzeichnung´) aus den Fotografien Nr. 4, 6 und 7 (Bl. 18,
19 und 20 der Beiakten). Ausweislich dieser Bilder stand das Heck des Lkw der
Klägerin ganz überwiegend auf dem Hauptfahrstreifen. Lediglich die rechten
hinteren Zwillingsreifen standen noch auf dem letzten Rest des auslaufenden
Beschleunigungsstreifes bzw. auf der diesen Streifen nach rechts begrenzenden
durchgezogenen Linie. Angesichts der Breite des Lkw der Klägerin, der ja zudem
- dem Verlauf des Beschleunigungsstreifens folgend - schräg nach links ausgerichtet
stand, mit seiner Fahrzeugfront mithin sogar noch mehr vom Hauptfahrstreifen
in Anspruch nahm, verblieb vom Hauptfahrstreifen nicht genügend Breite, um
einem Pkw das Passieren zu ermöglichen. Anhaltspunkte dafür, dass der Lkw,
der ja unstreitig schon vor dem Aufprall im Wege einer Notbremsung bis zum
Stand abgebremst worden war, nach der oder durch die Kollision noch weiter
vorgesetzt worden sein könnte, bestehen nicht. Zum einen hätte für ein Vorfahren
kein vernünftiger Anlass bestanden, da der Lkw auf dem Ende des Beschleunigungsstreifens
weit weniger verkehrsbehindernd gestanden hätte, als auf dem Hauptfahrstreifen.
Zum zweiten ist nicht ersichtlich, dass ein mittelgroßer Müllabfuhr-Lkw durch
den Aufprall eines Pkw signifikant nach vorne verschoben werden könnte. Zum
dritten sind auf den Fotografien Unfallspuren ersichtlich (insbesondere Glasscherben
und eine bereits abgestreute Ölspur), die sich unmittelbar hinter dem Lkw befinden
und darauf hindeuten, dass die fotografierte Position des Lkw derjenigen zum
Zeitpunkt der Kollision entsprochen hat.
Den Verursachungsbeitrag der Klägerin hat das Landgericht angesichts dessen
zutreffend mit 75 % gewichtet. Der Lkw der Klägerin hat den Hauptfahrstreifen
des Schnellwegs nahezu vollständig blockiert, wobei er die dort eingenommene
Position durch ein Vollbremsmanöver erreicht hat. Er stellte für den nachfolgenden
Verkehr, speziell die Beklagte zu 3, ein abrupt auftauchendes und massives
Hindernis von besonderer Gefahr dar. Dies rechtfertigt schon angesichts seiner
erheblich gesteigerten Betriebsgefahr die vom Landgericht gefundene Schadensteilungsquote,
weshalb es dahin stehen kann, ob der Fahrer des Lkw der Klägerin zuvor einem
Missverständnis mit einem weiteren Verkehrsteilnehmer (nämlich dem unbekannt
gebliebenen Fahrer des roten Pkw Audi) aufgesessen war. Auch wenn die Beklagte
zu 3 mit einer versuchten Ausweichbewegung nach rechts nicht richtig reagiert
hat, rechtfertigt dies keine andere Haftungsquote. Ihr mögliches Verschulden
stellt sich jedenfalls als erheblich geringfügiger dar als die von dem Lkw
der Klägerin ausgehende und speziell in dieser Situation wesentlich gesteigerte
Betriebsgefahr. Dies würde auch dann gelten, wenn der Beklagten zu 3 ein Ausweichen
möglich gewesen wäre (wogegen immerhin spricht, dass die Hauptfahrspur durch
den Lkw der Klägerin versperrt war und der Überholfahrstreifen zum einen durch
den Fahrer des roten Audi, zum anderen durch den Zeugen ####### bereits befahren
wurde).
Für eine Vernehmung der Zeugen bestand für den Senat ebenso wenig wie für die
Kammer Veranlassung. Die für die Bewertung der ausschlaggebenden gesteigerten
Betriebsgefahr des nach Vollbremsung auf dem Hauptfahrstreifen zu Stehen gekommenen
Lkw der Klägerin maßgeblichen Feststellungen lassen sich ohne Fehldeutungsmöglichkeit
aus den von der Polizei angefertigten Fotografien der Unfallstelle erschließen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 713
ZPO; 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 ZPO n. F.
keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder
die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts
nicht erfordern.
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