Urteil des OLG Celle vom 31.07.2008

OLG Celle: treu und glauben, offenbares missverhältnis, ausschluss, anforderung, leistungsfähigkeit, unternehmen, ausschreibung, bekanntmachung, verkehr, internet

Gericht:
OLG Celle, 13. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 13 Verg 3/08
Datum:
31.07.2008
Sachgebiet:
Normen:
GWB § 107 Abs 3
Leitsatz:
Werden mehrere Rügen erhoben, ist für jede dieser Rügen gesondert zu prüfen, ob sie zulässig ist.
Bevor sie gem. § 112 Abs. 1 S. 3 GWB von einer mündlichen Verhandlung absieht, muss die
Vergabekammer deshalb zunächst aufgliedern, ggf. aufklären, welche einzelnen Rügen erhoben
werden.
Soweit ein Bieter aufgrund solcher Umstände ausgeschlossen wird, die die Antragstellerin früher hätte
rügen können und müssen, muss auch ein gegen den Ausschluss gerichteter Nachprüfungsantrag
unzulässig sein.
Volltext:
13 Verg 3/08
VgK21/2008
Verkündet am
31. Juli 2008
T.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
B e s c h l u s s
In der Vergabenachprüfungsverfahren
N. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer H. C. und
O. B., I., L.,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. R., G., B. und G., U., R.,
Geschäftszeichen: #######
gegen
1. B. D.,
2. Land N.,
3. Landkreis C.,
alle vertreten durch die N. Landesbehörde für Straßenbau und
Verkehr, Geschäftsbereich L. , L., L.,
Auftraggeber und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte 1, 2, 3:
Rechtsanwälte V., B., B., B., C.,
Geschäftszeichen: #######
Beigeladene:
D. StraßenDienst GmbH, L., H.,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte W. & C., J., H.,
Geschäftszeichen: #######
hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K.,
den Richter am Oberlandesgericht
B. und die Richterin am Oberlandesgericht R. auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Juli 2008 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer beim Niedersächsischen
Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 16. Juni 2008 wird
zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens gem. § 118
Abs. 1 S. 3 GWB sowie die der Beigeladenen entstandenen Kosten.
Der Streitwert wird auf 13.626,62 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die N. Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (im Folgenden: Vergabestelle) schrieb für die Auftraggeber im
Februar 2008 europaweit im offenen Verfahren die Lieferung von Steinsalz für den Winterdienst 2008/2009 aus. In
der Vergabebekanntmachung für das Inland heißt es unter Nr. 12:
"Es sind die Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Lieferungen und Leistungen im Straßen und Brückenbau
zu beachten. Firmen, die noch nicht für den Geschäftsbereich L. vergleichbare Arbeiten ausgeführt haben, müssen
mit der Anforderung entsprechende Leistungsnachweise erbringen. "
Gleichlautende Anforderungen enthält die EGBekanntmachung unter 111.2.2) "Wirtschaftliche und finanzielle
Leistungsfähigkeit" und unter 111.2.3) "Technische Leistungsfähigkeit" jeweils mit dem Zusatz "Angaben und
Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen".
Sieben Unternehmen, darunter die Antragstellerin, forderten die Ausschreibungsunterlagen an. Von diesen
Unternehmen hatte nur die D. StraßenDienst GmbH (DSD) bereits SteinsalzLieferungen im Geschäftsbereich L.
erbrachte. Keines derjenigen Unternehmen, die die Ausschreibungsunterlagen anforderten, fügte der Anforderung
Nachweise ihrer Leistungsfähigkeit bei. Daraufhin entschied die Vergabestelle, andere Informationsmöglichkeiten,
wie Erkundigungen bei anderen Stellen der Straßenbauverwaltung sowie das Internet zu nutzen. Anschließend
sandte sie die Ausschreibungsunterlagen allen sieben Unternehmen zu.
Die Antragstellerin und vier weitere Unternehmen reichten Angebote ein. Nach der Ermittlung der Wertungssummen
lag ihr Angebot auf dem ersten Rang, gefolgt von dem Angebot der D. StraßenDienst GmbH (DSD). Die
Vergabestelle kam bei der Wertung zu dem Ergebnis, dass der Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu
erteilen sei.
Als die Auftraggeberin die Bieter hierüber gemäß § 13 VgV informierte, rügte die DSD, dass die Antragstellerin, die
erst am 12. Dezember 2007 in das Handelsregister eingetragen worden sei, keine Nachweise ihrer Leistungsfähigkeit
vorgelegt habe. Die Vergabestelle hielt in einem Vergabevermerk fest:
"Nach einer Verfahrensrüge... wurde die Wertung... noch einmal eingehend überprüft. Im Ergebnis dieser Prüfung
wurde festgestellt, dass die im Internet zur ... (Antragstellerin) ...gefundenen Informationen nicht ausreichen, um die
geforderten Leistungsfähigkeitsnachweise zu liefern. ...Nachweise wurden lediglich von der Firma R. M. BV. B., N.
mit dem Angebot eingereicht. ... Von den beiden verbliebenen Unternehmen D. StraßenDienst GmbH und van der R.
M. BV, B., N. hat das erstgenannte das günstigere Angebot abgegeben und soll nunmehr beauftragt werden."
Die Vergabestelle informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 15. Mai 2008 über die erneute Prüfung und den
beabsichtigten Zuschlag. Sie teilte mit, das Angebot der Antragstellerin sei auszuschließen, weil die in der
EUBekanntmachung geforderten Nachweise über die wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit
nicht vorgelegt worden seien.
Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. Mai 2008, dass der Ausschluss rechtswidrig sei. Die
Vergabestelle wies die Rüge mit Schreiben vom 20. Mai 2008 zurück.
Mit ihrem Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin in erster Linie beantragt, die
Vergabestelle anzuweisen, die Zuschlagsentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer
erneut zu treffen, hilfsweise, die Aus
schreibung aufzuheben.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Der
Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil die Antragstellerin nicht dargelegt habe, dass ihr durch die Verletzung von
Vergabevorschriften ein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe (§ 107 Abs. 2 GWB). Ihr Angebot sei
zwingend auszuschließen gewesen, weil die Antragstellerin die in der EUBekanntmachung geforderten
Eignungsnachweise nicht mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen eingereicht habe. Etwaige in der
EUBekanntmachung liegende Vergaberechtsverstöße habe die Antragstellerin nicht rechtzeitig gerügt (§ 107 Abs. 3
Satz 2 GWB).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
Die Antragstellerin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Vergabestelle zu verurteilen,
1. das Vergabeverfahren in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen,
2. einen ggf. bereits erteilten Zuschlag für nichtig zu erklären,
3. die Zuschlagserteilung unter ermessensfehlerfreier Verwendung der zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriterien
und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen,
hilfsweise, die Vergabestelle zu verurteilen, die Ausschreibung aufzuheben und die Ausschreibung zu wiederholen.
Die Vergabestelle beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, aber die Entscheidung der Vergabestelle, die Antragstellerin
auszuschließen und ihr, der Beigeladenen, den Zuschlag zu erteilen, schriftsätzlich und mit ausführlichen
Stellungnahmen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verteidigt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere innerhalb der Zweiwochenfrist des § 117 Abs. 1 GWB eingelegt
und gemäß den Anforderungen des § 117 Abs. 2 GWB begründet. Die sofortige Beschwerde ist indessen in der
Sache unbegründet.
1. Entgegen der Auffassung der Vergabekammer ist der Nachprüfungsantrag nicht in vollem Umfang unzulässig.
Werden mehrere Rügen erhoben, ist für jede dieser Rügen gesondert zu prüfen, ob sie zulässig ist. Bevor sie gem. §
112 Abs. 1 S. 3 GWB von einer mündlichen Verhandlung absieht, hätte die Vergabekammer deshalb zunächst
aufgliedern, ggf. aufklären, müssen, welche einzelnen Rügen erhoben werden. Geschieht das, erweist sich, dass die
Rügen teilweise zulässig sind.
a) Die Antragstellerin macht zunächst geltend, ihr Angebot habe nicht wegen unvollständiger Nachweise
ausgeschlossen werden dürfen, weil die entsprechenden Nachweise nicht (wirksam) verlangt worden seien.
Maßgeblich dafür, welche Nachweise verlangt werden dürften, seien allein die übersandten
Ausschreibungsunterlagen. Aus ihnen ergebe sich die Notwendigkeit eines Nachweises der Leistungsfähigkeit nicht.
Zumindest widerspreche es Treu und Glauben, in den Ausschreibungsunterlagen nicht wenigstens darauf
hinzuweisen, dass die Vergabebekanntmachung den Bietern weitere Nachweise abverlange. Widersprüchlich sei es
auch, einerseits zu fordern, Nachweise bereits mit der Anforderung vorzulegen, andererseits aber die
Angebotsunterlagen auch solchen Bietern zu übersenden, die dieser Forderung nicht nachgekommen seien. Nach
allem habe die Vergabestelle ein nicht (ordnungsgemäß) bekannt gegebenes Wertungskriterium verwendet.
Diese Rüge ist zulässig.
Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Ihr Interesse am Auftrag steht außer Zweifel. Die
Antragsstellerin hat auch dargelegt, dass ihr durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden
entstanden ist oder zu entstehen droht. Für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist erforderlich aber auch
ausreichend, dass eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen und dargelegt wird, dass
dem Unternehmen durch die behauptete Vergaberechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen
droht. Nicht notwendig ist, dass bereits festgestellt werden kann, dass der behauptete Verstoß tatsächlich vorliegt
und den behaupteten Schaden ausgelöst hat oder auszulösen droht (BGH, Beschluss vom 26. September 2006 X
ZR 14/06. Beschluss vom 18. Mai 2004 X ZB 7/04). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragstellerin hat
schlüssig vorgetragen, dass die Vergabestelle ihr Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen habe. Auf
die Begründetheit dieser Rüge kommt es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht an. Dass der Antragstellerin
durch die behauptete Vergaberechtsverletzung ein Schaden zu entstehen droht, liegt auf der Hand. Denn das
Angebot der Antragstellerin ist das preisgünstigste. Die Vergabestelle hatte das Angebot bereits für den Zuschlag
vorgesehen.
Die Präklusionsvorschrift des § 107 Abs. 3 GWB greift nicht ein.
Die Antragstellerin hat den Ausschluss ihres Angebots unverzüglich, nämlich innerhalb eines Tages gerügt,
nachdem sie die Vergabestelle davon unterrichtet hatten, dass sie ausgeschlossen werden solle.
Allerdings kann man nicht allein darauf abstellen, dass die Vergabestelle erst dadurch gegen Vergabevorschriften
verstoße, dass sie die Antragstellerin ausschließe. Soweit dieser Ausschluss die bloße Folge solcher Umstände ist,
die die Antragstellerin früher hätte rügen können und müssen, muss auch ein gegen den späteren Ausschluss
gerichteter Nachprüfungsantrag unzulässig sein. Sonst würde die Rügepflicht leer laufen (OLG Naumburg vom 23.
Juli 2001, 1 Verg 3/01. OLG Düsseldorf vom 9. April 2003, Verg 66/02. OLG Koblenz vom 15. Mai 2003, 1 Verg
3/03).
Mit ihrer Rüge wendet sich die Antragstellerin nicht gegen den Inhalt der Ausschreibungsunterlagen als solchen (zur
Unklarheit s.u. b), sondern dagegen, wie die Vergabestelle diese Unterlagen bei der Eignungsprüfung auslegt. Das
war für sie weder aus der Vergabebekanntmachung erkennbar (§ 107 Abs. 3 S. 2 GWB), noch hat sie dies erkannt,
bevor ihr die Vergabestelle den beabsichtigten Ausschluss mitgeteilt hat (§ 107 Abs. 3 S. 1 GWB).
b) Die Antragstellerin macht auch geltend, die Vergabebekanntmachung sei insoweit unklar, als Nachweise „mit der
Anforderung“ zu erbringen seien. Dies könne zumindest auch dahin verstanden werden, dass erst „auf Anforderung“
nachzuweisen sei.
Diese Rüge ist unzulässig, weil die Antragstellerin sie nicht spätestens mit Ablauf der Angebotsfrist erhoben hat (§
107 Abs. 3 S. 2 GWB). Die von ihr beanstandeten Unklarheiten im Text der Vergabebekanntmachung konnte die
Antragstellerin aus diesem Text selbst erkennen. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie von der
Ausschreibung nicht durch die Bekanntmachung sondern durch einen "newsletter" erfahren habe. Sie hätte sich von
der Bekanntmachung Kenntnis verschaffen müssen.
Mit ihrer Rüge ist die Antragstellerin auch insoweit ausgeschlossen, als sie einen Vergabeverstoß darin sieht, dass
die Vergabestelle sie trotz dieser Unklarheiten wegen unvollständiger Nachweise ausgeschlossen habe. Denn dieser
Ausschluss beruht auf dem Fehler, den sie, die Antragstellerin, bis zum Ablauf der Angebotsfrist hätte rügen
müssen (s. o. a).
c) Schließlich wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass die Vergabestelle verlangt habe, die Nachweise bereits
mit der Anforderung der Angebotsunterlagen und nicht erst mit Abgabe des Angebots vorzulegen.
Auch diese Rüge ist unzulässig, weil die Antragstellerin den Verstoß aus der Bekanntmachung erkennen konnte und
ihn nicht bereits mit Angebotsabgabe gerügt hat (§ 107 Abs. 3 S. 2 GWB). Wegen „Fehleridentität“ erstreckt sich die
Ausschlusswirkung auch auf die Entscheidung der Vergabestelle, die Antragstellerin auszuschließen.
2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist (s. o. 1 a), ist er unbegründet.
a) Die Antragstellerin zieht nicht in Zweifel, dass sie gem. §§ 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a, 21 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A
ausgeschlossen werden muss, wenn sie ordnungsgemäß geforderte Eignungsnachweise nicht vorgelegt hat. Das
entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH vom 18. Februar 2003,
VergabeR 2003, 313, 317).
b) Die Vergabestelle durfte nicht nur solche Nachweise berücksichtigen, die sie in der Aufforderung zur
Angebotsabgabe und den damit übersandten Unterlagen aufgeführt hatte. Sie konnte und musste die Antragstellerin
auch dann ausschließen, wenn diese nur in der Vergabebekanntmachung geforderte Nachweise nicht vorgelegt
hatte.
Bereits in der Vergabebekanntmachung Eignungsnachweise zu fordern, ist zulässig. Das ergibt sich aus §§ 7 a Nr. 3
Abs. 3, 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. m VOL/A, die dies ausdrücklich verlangen.
Ein solches Verlangen wird nicht allein deshalb unbeachtlich, weil es - entgegen § 17 Nr. 3 Abs. 2 lit. l VOL/A - nicht
in der Aufforderung zur Angebotsabgabe wiederholt wird. Wenn die Vergabestelle verlangt, dass die Nachweise
bereits mit der Anforderung der Angebotsunterlagen einzureichen waren, macht das nur in der
Vergabebekanntmachung Sinn. Die Unterlagen, die die potentiellen Bieter erst anfordern sollen, können nicht
Grundlage für bereits zuvor zu erfüllende Nachweispflichten sein. Die Frage, ob die Vergabestelle sich die
Nachweise bereits zu einem so frühen Zeitpunkt vorlegen lassen durfte, stellt sich in diesem Zusammenhang nicht,
weil die Antragstellerin mit dieser Rüge ausgeschlossen ist (s. o. 1 c).
c) Dementsprechend können fehlende Hinweise in der Aufforderung zur Angebotsabgabe auf Anforderungen in der
Bekanntmachung nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Denn ein derartiger Hinweis könnte seinen Zweck nicht
(mehr) erfüllen, den potentiellen Bieter an die ausschreibungskonforme (auch rechtzeitige) Vorlage von
Eignungsnachweisen zu erinnern. Das gilt in gleicher Weise für alle denkbaren sonstigen Hinweise der
Vergabestelle, die die Antragstellerin vermisst.
d) Dadurch dass die Vergabestelle, der Antragstellerin die Ausschreibungsunterlagen übersandt hat, obwohl diese
keinen Eignungsnachweis vorgelegt hatte, hat sie auch nicht die Vergabebedingungen dahin abgeändert, dass der
entsprechende Nachweis nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werde. Hier ist geboten (unzulässige
Rüge, s. o. 1 b), davon auszugehen, dass die Vergabebekanntmachung eine eindeutige Vorgabe enthielt. Dann lässt
sich dem Umstand, dass die Vergabestelle die Ausschreibungsunterlagen versandt hat, obwohl der bereits für
diesen Zeitpunkt verlangte Eignungsnachweis nicht vorlag, eine so weit reichende Bedeutung nicht zumessen.
Der Auftraggeber darf von den in der Vergabebekanntmachung festgelegten Eignungskriterien sowie von den dazu
benannten Nachweisen inhaltlich nicht abweichen und diese nicht ändern oder erweitern, sondern sie lediglich
konkretisieren (OLG Düsseldorf v. 12. Dezember 2007 VIIVerg 34/07, Rn 51, zitiert nach Juris). Einem bloßen
tatsächlichen Verhalten der Vergabestelle im Wege der Auslegung die Bedeutung einer entsprechenden Erklärung
mit entsprechendem Erklärungswillen dahin beizumessen, es solle vollständig auf die Nachweise verzichtet werden,
liegt deshalb fern. Ebenso wenig kam es aus dem maßgeblichen Empfängerhorizont in Betracht, das Verhalten der
Vergabestelle dahin zu verstehen, dass nur der Zeitpunkt für die Vorlage der Nachweise verschoben werden solle.
Es kann dahin stehen, ob die Vergabestelle damit ihre Nachweisanforderungen nur in zulässiger Weise konkretisiert
hätte, wie das OLG Düsseldorf meint. Auch insoweit wäre jedenfalls zu erwarten, dass die Vergabestelle einen
geänderten Zeitpunkt spätestens in den Ausschreibungsunterlagen ausdrücklich und deutlich kennzeichnet und sich
nicht darauf verlässt, die Bieter würden aus ihrem Verhalten schon die richtigen Schlüsse ziehen auch dahingehend,
welcher konkrete neue Zeitpunkt maßgeblich sein soll. Im Übrigen wäre die Antragstellerin allein deshalb
auszuschließen, weil sie den Nachweis zu keinem Zeitpunkt vorgelegt hat.
e) Der Vorwurf, die Vergabestelle habe entgegen den Vorgaben in der Ausschreibung neben dem Preis auch die
Leistungsfähigkeit als Wertungskriterium herangezogen, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, verkennt
vergaberechtliche Grundlagen. Gem. § 25 VOL/A hat die Vergabestelle in vier Stufen zu werten: In einem ersten
Schritt prüft sie, ob die Formalien eingehalten und die Angebote vollständig sind. Dann stellt sie fest, ob die Bieter
geeignet sind, wobei sie dies nur bejahen oder verneinen kann. ein Bieter kann nicht mehr oder weniger geeignet,
sondern nur geeignet (Zulassung für die weitere Wertung) oder ungeeignet (Ausschluss) sein. In der dritten Stufe
folgt dann die Prüfung der Preise auf ungewöhnlich niedrige oder hohe Preise bzw. ein offenbares Missverhältnis
zwischen Preis und Leistung. Erst in der vierten Stufe wertet die Vergabestelle die verbliebenen Angebote anhand
der bekannt gegebenen Kriterien dahingehend, welches das wirtschaftlichste Angebot ist. Das Angebot der
Antragstellerin ist bereits in der ersten Stufe daran gescheitert, dass die Antragstellerin nicht alle verlangten
Nachweise vorgelegt hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog. Auch die Kosten der Beigeladenen muss die
Antragstellerin in entsprechender Anwendung von § 101 Abs. 1 ZPO erstatten. Dafür genügt es, dass die
Beigeladene ihre sich aus § 119 GWB ergebende Stellung als Beteiligte am Beschwerdeverfahren auch nutzt, indem
sie beim Beschwerdegericht Schriftsätze einreicht, an einer mündlichen Verhandlung vor diesem Gericht teilnimmt
oder sich sonstwie in außergerichtliche Kosten verursachender Weise am Beschwerdeverfahren beteiligt (BGHZ 158,
43, 59). Das ist hier geschehen. Dass sie keine förmlichen Anträge gestellt hat, ist demgegenüber unerheblich.
Den Streitwert hat der Senat gem. § 50 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Dr. K. B. R.