Urteil des OLG Celle vom 17.06.2011

OLG Celle: unterhalt, bezifferung, vergleich, volljährigkeit, stufenklage, mindestbetrag, zustellung, einzelrichter, nettoeinkommen, verfahrensgegenstand

Gericht:
OLG Celle, 10. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 WF 164/11
Datum:
17.06.2011
Sachgebiet:
Normen:
FamGKG § 34, FamGKG § 38
Leitsatz:
1. Der Verfahrenswert richtet sich bei einem Stufenantrag insgesamt nach dem Wert der werthöchsten
Stufe. dieser Wert ist zugleich auch für einen insgesamt verfahrensbeendenden Vergleich maßgeblich
und zwar selbst dann, wenn der Verfahrenswert durchgreifend durch eine anfänglich auf der
Auskunftsstufe geäußerte Begehrensvorstellung bestimmt wird, hinter der der später bezifferte
Zahlungsantrag zurückbleibt.
2. Der Verfahrenswert des mit der Zustellung insgesamt rechtshängig gewordenen Stufenantrages
verringert sich - unabhängig von der Fassung des späteren Zahlungsantrages - nicht durch nach
Anhängigkeit auf den Anspruch erfolgte Zahlungen.
Volltext:
10 WF 164/11
622 F 3289/10 Amtsgericht Hannover
Beschluß
In der Familiensache
L. O.,
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin K. R.,
Beschwerdeführerin,
gegen
D. O.,
Antragsgegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte O.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Amtsgericht C. am 17. Juni 2011
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts -
Familiengericht - Hannover vom 21. März 2011 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 21. April 2011
geändert. der Wert für das erstinstanzliche Verfahren sowie den Vergleich wird einheitlich auf die Gebührenstufe bis
6.000 € festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).
Gründe:
I.
Der Antragsgegner ist im vorliegenden, am 25. Juni 2010 eingeleiteten Verfahren - zunächst von der Mutter des
jetzigen Antragstellers als Prozeßstandschafterin, nach Erreichen der Volljährigkeit am 18. Oktober 2010 durch den
Antragsteller selbst - auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen worden. dabei ist zunächst - mit den Anträgen zu
1. bis 4. - ein Stufenantrag hinsichtlich des Unterhalts ab 1. Februar 2010 sowie - mit dem Antrag zu 5. - ´bis zur
Bezifferung des Klageantrages zu 4.´ ein vorläufiger monatlicher Mindestbetrag von 398 € geltend gemacht worden.
Die Klage ist nach Einzahlung eines der vorläufigen Wertfestsetzung durch das Amtsgericht von (12 * 398 € =) 4.776
€ entsprechenden Gerichtskostenvorschusses zugestellt worden. Nach alsbaldiger Auskunftserteilung und
anschließender Erledigungserklärung hinsichtlich der Stufen 1. bis 3. ist der Antrag zu 4. mit am 12. November 2010
eingegangenem Schriftsatz dahin beziffert worden, daß für (die Zeit der Volljährigkeit) ab 1. Oktober 2010 monatlich
370 € ´unter Abzug bereits geleisteter Zahlungen´ sowie für die Zeit vom 1. Februar bis 30. September 2010
´rückständiger Unterhalt´ in Höhe von 520 € begehrt wurden. dieser Antrag ist dem Antragsgegner am 3. Dezember
2010 zugestellt worden.
In der Folgezeit sind zwischen den Beteiligten Vergleichsverhandlungen geführt worden. ein entsprechender
Vergleichsvorschlag des Amtsgerichtes ist schließlich durch beiderseitige schriftsätzliche Erklärung der
Verfahrensbevollmächtigten angenommen worden, so daß das Amtsgericht mit Beschluß vom 21. März 2011 das
Zustandekommen des Vergleiches festgestellt hat. Mit am gleichen Tag ergangenem Beschluß hat es den
Verfahrenswert sowie den Wert des Vergleiches auf jeweils 2.578 € festgesetzt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, die eine Festsetzung auf
jeweils 5.296 € erstrebt.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluß vom 21. April 2011 teilweise abgeholfen und den Verfahrenswert
und den Wert des Vergleiches wie folgt festgesetzt:
. bis zum 2. Dezember 2010:
12 * 398 € = 4.776 € zuzüglich Rückstände von 220 € = 4,996 €.
. ab 3. Dezember 2010 (Rechtshängigkeit des bezifferten Antrages):
3 * (420 € - 398 € =) 22 € = 66 € + 3 * (376 € - 364 € =) 12 € = 36 € + 6 * 376 € = 2.256 € zuzüglich Rückstände von
220 € = 2.578 €.
Dabei hat es ausdrücklich darauf abgestellt, daß der Antragsteller bei der Bezifferung seines Antrages die
entsprechenden - unstreitig erfolgten - Zahlungen des Antragsgegners während des laufenden Verfahrens abgesetzt
hat.
Der Einzelrichter hat die Sache zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
II.
1. Die - nach der amtsgerichtlichen Teilabhilfe verbliebene - Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des
Antragstellers ist gemäß §§ 32 Abs. 2 RVG, 59 Abs. 1 FamFG zulässig, insbesondere übersteigt der Wert des
Beschwerdegegenstandes mit 447,32 € den Betrag von 200 € (§ 59 Abs. 1 Satz 2 FamGKG): auf der Grundlage der
amtsgerichtlichen Wertfestsetzung ergibt sich ein Gebührenanspruch der Verfahrensbevollmächtigten von (1,3 * 301
€ =) 391,30 € + (1,2 * 189 € =) 226,80 € + (1,0 * 189 € =) 189 € + 20 € = 827,10 € + 19 % USt = 157,15 € = 984,25
€, auf Grundlage der von ihr erstrebten Wertfestsetzung dagegen ein solcher von ((1,3 + 1,2 + 1 =) 3,5 * 338 € =)
1.183 € + 20 € = 1.203 € + 19 % USt = 228,57 € = 1.431,57 €.
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
a. Das Amtsgericht hat bei seiner differenzierenden Wertfestsetzung bereits übersehen, daß § 38 FamGKG für eine -
wie vorliegend gegebene - Stufenklage besondere Vorschriften enthält. danach ist der Wert für die Stufenklage
insgesamt und einheitlich nach dem werthöchsten Einzelantrag festzusetzen. Ist der Verfahrenswert bereits auf der
Auskunftsstufe einmal durch eine konkret geäußerte Begehrensvorstellung des Antragstellers in einem gewissen
Umfang bestimmt, so kann dieser Wert auf den nachfolgenden Stufen des weiteren Verfahrens - abgesehen von den
vorliegend unzweifelhaft nicht gegebenen Fällen einer teilweisen Antragsrücknahme oder eines teilweisen
Anerkenntnisses - damit in keinem Fall mehr unterschritten werden. Insofern ist es bereits ausgeschlossen, daß
nach einer - wie amtsgerichtlich ausdrücklich erfolgten - Festsetzung des Wertes für die Auskunftsstufe auf die
Gebührenstufe bis 5.000 € im weiteren Verfahren - namentlich für die Zahlungsstufe - eine geringere Wertfestsetzung
erfolgen könnte.
Der Wert eines - wie vorliegend - insgesamt verfahrensbeendenden Vergleiches richtet sich nach dem zum
Vergleichszeitpunkt maßgeblichen Verfahrenswert (vgl. Schneider/Herget13–Kurpat, StreitwertKommentar, Rz.
5119). dies muß auch dann gelten, wenn dieser Verfahrenswert gemäß § 38 FamGKG auf der Zahlungsstufe
entscheidend durch den Wert der ausnahmsweise - namentlich durch übersetzt geäußerte Begehrensvorstellungen -
werthöheren Auskunftsstufe bestimmt ist. Insofern ist auf der Grundlage der amtsgerichtlichen Wertfestsetzung für
die Auskunftsstufe auch eine geringere Wertfestsetzung für den Vergleich nicht denkbar.
b. Zutreffenderweise ist der Verfahrenswert aber selbst für die Auskunftsstufe noch höher, nämlich auf die
Gebührenstufe bis 6.000 € festzusetzen.
Dabei kann dahinstehen, wie der auf Zahlung von Kindesunterhalt in monatlicher Höhe von 398 € ´bis zur Bezifferung
des Klageantrages zu 4.´ lautende Antrag zu 5. auszulegen ist, namentlich ob damit tatsächlich eine
Hauptsacheentscheidung oder nicht vielmehr der Erlaß einer entsprechenden einstweiligen Anordnung gemeint
gewesen ist. Denn der Antragsteller hat bereits in der verfahrenseinleitenden Antragsschrift hinsichtlich des
grundsätzlich umfassenderen, zunächst noch unbezifferten Antrages zu 4., der auf Kindesunterhalt für die Zeit ab 1.
Februar 2010 gerichtet ist, eine klare Begehrensvorstellung geäußert, die eine Bezifferung des Verfahrenswertes mit
5.120 € ergibt: Danach soll der Antragsgegner bereits mündlich erklärt haben, über ein monatliches Nettoeinkommen
von 2.500 € zu verfügen. daraus leitet der Antragsteller einen monatlichen Anspruch ´gemäß der 4. Gehaltsgruppe
und der 3. Altersstufe in Höhe von 490 € abzüglich 92 € Kindergeld, mithin in Höhe von 398 €´ her. zugleich teilt er
mit, daß auf diesen entsprechend auch bereits außergerichtlich geltend gemachten Mindestbetrag im
streitgegenständlichen Rückstandszeitraum Februar bis Juni 2010 zweimal 250 €, einmal 350 € sowie zweimal 398 €
geleistet worden sind. Damit hat der Antragsteller unmißverständlich deutlich gemacht, daß er - vorbehaltlich
weitergehender sich aus den Auskünften ergebender Ansprüche - jedenfalls rückständige (2 * (398 € - 250 € =) 148 €
=) 296 € + (398 € - 350 € =) 48 € = 344 € sowie laufend 398 € begehrt, was einem Verfahrenswert von (12 * 398 € =
4.776 € + 344 € =) 5.120 € entspricht.
c. Auch für die Zahlungsstufe errechnet sich - selbst unabhängig von § 38 FamGKG - ein Verfahrenswert in der
Gebührenstufe bis 6.000 €:
Mit Schriftsatz vom 10. November 2010 hat der Antragsteller seinen Zahlungsantrag beziffert. aus der Begründung
ergibt sich dabei, daß er Unterhalt wie folgt begehrt:
. für Februar bis September 2010 monatlich 420 € (unter Höherstufung nach der 5. Einkommensgruppe und der 3.
Altersstufe also 512 € abzüglich 92 € anteiliges Kindergeld) sowie
. ab Oktober 2010 (im Hinblick auf die nach seiner Volljährigkeit anteilige Haftung beider Elternteile) monatlich 370
€.
Dabei werden im Antrag die zwischenzeitlich - nach Anhängigkeit - weiter erfolgten Zahlungen für Juli bis September
2010 mit je 398 € sowie ab Oktober 2010 mit je 364 € abgesetzt.
Auf Grundlage dieses Antrages ergibt sich folgender rechnerischer Verfahrenswert:
. Rückstände aus der Zeit Februar bis Juni 2010: 5 * 420 € = 2.100 € abzüglich (unveränderter unstreitiger)
Zahlungen vor Anhängigkeit von 1.646 € = 454 €.
. laufender Unterhalt für Juli bis September 2010: 3 * 420 € = 1.260 €.
. laufender Unterhalt für Oktober 2010 bis Juni 2011: 9 * 370 € = 3.330 €.
Das entspricht einem Gesamtbetrag von 5.044 €.
Entgegen der amtsgerichtlichen Annahme sind von diesem Wert des laufenden Unterhalts die während des bereits
anhängigen Verfahrens erfolgten Zahlungen nicht in Abzug zu bringen. Denn § 34 FamGKG bestimmt ausdrücklich,
daß für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Verfahrensgegenstand betreffenden ersten
Antragstellung in dem jeweiligen Rechtszug entscheidend ist. Antragstellung in diesem Sinne ist aber - auch für den
zunächst noch nicht bezifferten, aber bereits mit der Zustellung des Stufenantrages insgesamt rechtshängig
werdenden Zahlungsantrag - die Einreichung des Stufenantrages (vgl. etwa ausdrücklich Schneider/Wolf/Volpert–N.
Schneider, FamGKG, § 34 Rz. 6 und § 38 Rz. 20), hier also Ende Juni 2010. insofern können sich danach erfolgte
Zahlungen auf den Verfahrenswert nicht mehr mindernd auswirken.
W. H. C.