Urteil des OLG Celle vom 24.01.2012

OLG Celle: elterliche sorge, eltern, stadt, jugendamt, handbuch, hauptsache, familienrecht, ausnahme, aufwand, offenkundig

Gericht:
OLG Celle, 10. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 10 WF 11/12
Datum:
24.01.2012
Sachgebiet:
Normen:
FamGKG § 45 Abs 1 Nr 1 Abs 3, FamGKG § 45 Abs 3
Leitsatz:
Eine Absenkung des in § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG vorgesehenen Festwerts von 3.000 € kommt
allenfalls bei Vorliegen einer ganz besonderen, ins Auge fallenden Abweichung von einer
durchschnittlichen Kindschaftssache in Betracht.
Volltext:
10 WF 11/12
620 F 4374/11 Amtsgericht Hannover
Beschluss
In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für das beteiligte Kind
K. S. R., geb. am ….. 2011,
weitere Beteiligte:
1. M. A. R.,
Antragsgegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro W. W.,
Beschwerdeführer
2. P. R.,
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt U. S.,
3. Stadt Laatzen - Jugendamt ,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde des
Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 3. Januar 2012 gegen Festsetzung des Verfahrenswerts im
Beschluss des Amtsgerichts Familiengericht - Hannover vom 14. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht G. und die Richterin am Amtsgericht W.M. am 24.
Januar 2012 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts
Familiengericht - Hannover vom 14. Dezember 2011 hinsichtlich der Wertfestsetzung geändert. Der Verfahrenswert
für das erstinstanzliche Verfahren wird festgesetzt auf 3.000 €.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Eltern des betroffenen Kindes K. S. R. , geb. am …. 2011. Die Kindeseltern führten mit
Unterbrechungen bis Dezember 2010 eine nichteheliche Beziehung. Nach der Geburt des Kindes erkannte der
Kindesvater seine Vaterschaft mit Urkunde der Stadt Laatzen vom ….. 2011 an, die Kindesmutter stimmte dem
Vaterschaftsanerkenntnis nachfolgend zu. Eine Erklärung zur gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge nach §
1626a BGB haben die Kindeseltern nicht abgegeben.
Mit dem vorliegenden Verfahren begehrte der Kindesvater unter Berufung auf die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 (BVerfGE 127, 132 ff. = FamRZ 2010, 1403 ff.) seine Beteiligung an
der elterlichen Sorge, wobei er geltend machte, die Kindesmutter spreche im Übermaß dem Alkohol zu, konsumiere
Drogen und sei mit der alleinigen elterlichen Sorge wegen mangelnder Reife offenbar überfordert, weshalb er in die
Lage versetzt werden müsse, an Entscheidungen betreffend das Kind mitzuwirken. Hilfsweise beantragte er eine
Regelung des persönlichen Umgangs. Die Kindesmutter trat den gegen sie erhobenen Vorwürfen entgegen und
widersprach einer gemeinsamen elterlichen Sorge. Das Jugendamt berichtete noch vor dem vom Amtsgericht
anberaumten Erörterungstermin von erheblichen Schwierigkeiten der Kindeseltern, sich miteinander über die
Kindesbelange zu verständigen, sowie von großen Bedenken der Kindesmutter gegenüber (unbegleiteten)
Umgangskontakten des Kindesvaters mit dem Kind. seit Juli 2011 habe dieser daher Umgang im zweiwöchigen
Abstand ausschließlich im öffentlichen Raum erhalten. Wegen des Umgangs wurde zwischenzeitlich das Verfahren
620 F 5070/11 (UG) eingeleitet.
Beiden Elternteilen hat das Amtsgericht die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe jeweils bewilligt und ihnen zudem
ihre Verfahrensbevollmächtigten antragsgemäß beigeordnet. In dem anberaumten Erörterungstermin nahm der
Kindesvater seinen Antrag auf Miteinräumung der elterlichen Sorge sodann zurück. Mit gesondertem Beschluss vom
14. Dezember 2011 hat das Amtsgericht abschließend über die Kosten des Verfahrens entschieden und den
Verfahrenswert auf 1.500 € festgesetzt.
Gegen diese Wertfestsetzung wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter mit seiner Beschwerde,
mit der er eine Heraufsetzung auf den Betrag von 3.000 € erreichen will und die er damit begründet, dass hier der
Regelfall eines Verfahrens wegen elterlicher Sorge vorliege. Sofern das Gericht von dem dafür gesetzlich
vorgesehenen Wert von 3.000 € abweichen wolle, müsse es dies begründen. Eine solche Begründung sei hier jedoch
nicht gegeben worden. Eine Herabsetzung sei auch sachlich nicht gerechtfertigt, denn der Fall habe eine
durchschnittliche Schwierigkeit der Sach und Rechtslage aufgewiesen.
Mit Beschluss vom 10. Januar 2012 hat das Amtsgericht der Verfahrenswertbeschwerde mit der Begründung nicht
abgeholfen, der Verfahrenswert sei hier angesichts der eindeutigen Sach und Rechtslage und des einfach gelagerten
Falles mit 1.500 € ausreichend bemessen. Es hat die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die form und fristgerecht von dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin offenkundig im eigenen Namen
(§ 32 Abs. 2 RVG) eingelegte Beschwerde ist auch in Ansehung von § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG - zulässig und hat
auch in der Sache Erfolg. Für eine Herabsetzung des Verfahrenswertes in dem vorliegenden (Hauptsache) Verfahren
wegen elterlicher Sorge auf lediglich 1.500 € ist hier kein Raum.
Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert in Kindschaftssachen, die die elterliche Sorge
betreffen, grundsätzlich 3.000 €. Lediglich wenn dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls
unbillig erscheint, kann gemäß § 45 Abs. 3 FamGKG ein höherer oder niedrigerer Wert festgesetzt werden. Nach
dem Willen des Gesetzgebers kann dies insbesondere dann der Fall sein, wenn das Verfahren besonders
umfangreich und schwierig ist oder wenn die Beteiligten nur über ein geringes Einkommen verfügen und das
Verfahren sich einfach gestaltet (BTDrucks. 16/6308, S. 306). Eine Abweichung von dem Festbetrag von 3.000 € ist
mithin nur ausnahmsweise geboten, wenn der zu entscheidende Fall hinsichtlich des Arbeitsaufwandes für das
Gericht und für die Verfahrensbevollmächtigten erheblich von einer durchschnittlichen Kindschaftssache abweicht
und der Verfahrenswert im Einzelfall zu unvertretbar hohen oder unangemessen niedrigen Kosten bzw. Gebühren
führen würde. Insoweit kann nicht unmittelbar auf die in der Rechtsprechung nach der bis zum 31. August 2009
geltenden Rechtslage entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (vgl. hierzu OLG Frankfurt - Beschluss vom
4. Februar 1999 - 1 UF 77/97 - NJWRR 2000, 952), weil an die Stelle des bisherigen Regelwertes ein (relativer)
Festwert getreten ist (Gerhardt/von HeintschelHeinegg/Klein8–Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, S.
1999, 2037). Wie der Senat vielmehr zu § 45 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FamGKG bereits entschieden hat, ist etwa eine
Anhebung des Verfahrenswertes auf einen höheren Wert als 3.000 € regelmäßig angezeigt, wenn in einem
Kindschaftsverfahren die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens geboten ist und das
Amtsgericht die Beteiligten - unabhängig von einer gesonderten Kindesanhörung - in mehr als lediglich einem Termin
anhört (vgl. betr. elterliche Sorge den Senatsbeschluss vom 11. Februar 2011 - 10 WF 399/10 - NJW 2011, 1373 =
Nds. Rpfl. 2011, 126. betr. persönlichen Umgang Senatsbeschluss vom 7. November 2011 - 10 WF 338/11 - nicht
veröffentlicht).
Ebenso bedürfte jedoch auch eine Absenkung auf einen Wert unterhalb von 3.000 € im Einzelfall besonderer, ins
Auge fallender Gründe. Derartige, für das Vorliegen eines hinsichtlich des Arbeitsaufwandes oder der Kosten deutlich
unterdurchschnittlichen Falles sprechende Gesichtspunkte sind hier indes nicht erkennbar. Abgesehen davon, dass
ein streitig geführtes, die elterliche Sorge im ganzen betreffendes Verfahren für die beteiligten Eltern regelmäßig von
nicht unerheblicher Bedeutung ist, unterscheidet sich das hier vorliegende Verfahren auch im Hinblick auf seinen
Umfang nicht wesentlich von durchschnittlichen Sorgerechtssachen. Insbesondere hat das Amtsgericht die
Beteiligten hier mit Ausnahme des erst wenige Monate alten Kindes, doch einschließlich des Jugendamtes, das
zusätzlich vorab schriftlich berichtet hatte, in einem Erörterungstermin angehört. Dies entspricht nicht nur dem
regelmäßigen Zeitaufwand eines Verfahrens betreffend die elterliche Sorge, vielmehr ist hierdurch jeweils außer der
1,3fachen Verfahrensgebühr (Ziff. 3100 Anl. 1 zum RVG) auch die 1,2fache Terminsgebühr (Ziff. 3104 Anl. 1 zum
RVG) entstanden, so dass auch im Hinblick auf die Kosten nicht von einem deutlich unterdurchschnittlichen
Aufwand die Rede sein kann.
Hätte es sich bei dem hier vorliegenden Sorgeverfahren ersichtlich um einen lediglich unterdurchschnittlich einfach
gelagerten Fall gehandelt, wäre den beteiligten Kindeseltern im übrigen im Rahmen der bewilligten
Verfahrenskostenhilfe auch kaum jeweils ein Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen gewesen, weil es dann
nämlich mangels Schwierigkeit der Sach und/oder Rechtslage an den Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 FamFG
gefehlt hätte (vgl. hierzu etwa die Senatsbeschlüsse vom 17. März 2011 - 10 WF 76/11 - FamRZ 2011, 1161 = ZFE
2011, 232, sowie vom 11. April 2011 - 10 WF 91/11 - NJWRR 2011, 942 [jeweils betreffend elterliche Sorge] und
vom 15. Februar 2010 - 10 WF 59/10 - FamRZ 2010, 1363 = Nds. RPfl. 2010, 171 [betreffend Umgangsregelung]).
Davon ist das Amtsgericht jedoch (ohne weitere Begründung) nicht ausgegangen, indem es stattdessen beiden
Elternteilen zugleich auch die Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt hat.
Demgegenüber kommt hier allein den Einkommensverhältnissen der Beteiligten, die lediglich Leistungen nach dem
SGB II einerseits sowie SGB III und WoGG andererseits beziehen, keine maßgebliche Bedeutung zu.
W. G. W.M.