Urteil des OLG Celle vom 16.03.2006

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Gericht:
OLG Celle, 08. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 8 U 155/05
Datum:
16.03.2006
Sachgebiet:
Normen:
AKB § 12 Abs 1 I a
Leitsatz:
Gerät ein Fahrzeug nach einem Unfall in Brand, sind in der TeilkaskoVersicherung die Schäden, die
bereits vor dem Eintritt des Versiche
rungsfalles „Brand“ durch den Unfall entstanden sind, nicht zu ersetzen. Bei der Ermittlung der
Schadenshöhe ist demnach von dem Wert des Fahrzeuges nach dem Unfall, aber vor Ausbruch des
Brandes, auszugehen.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
8 U 155/05
16 O 60/04 Landgericht Hannover
Verkündet am
16. März 2006
... ,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
A. Vers. ... , vertreten durch den Vorstand, ... in A.,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ... in H.,
gegen
J. S. ... in I.,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ... in B.,
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2006 durch den
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... , den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am
Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. September 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 16.
Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Rechtsfehler. die nach §
529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen die vom Landgericht getroffene Entscheidung nicht.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten weiteren Entschädigung in
Höhe von 4.905 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen KraftfahrtVersicherungsvertrag nicht zu.
I.
Der Umfang der Versicherung richtet sich in diesem Fall nach § 12 Abs. 1 I. a) der Allgemeinen Bedingungen für die
KraftfahrtVersicherung (AKB). Denn unstreitig hat der Kläger für das streitbefangene Fahrzeug keine
VollkaskoVersicherung abgeschlossen, die auch den Ersatz von Unfallschäden umfasst (vgl. § 12 Abs. 1 II. f)
AKB), sondern nur eine TeilkaskoVersicherung. In dieser sind u. a. nur die Schäden versichert, die durch Brand oder
Explosion entstanden sind. Damit ist - erst - der Brand das Ereignis, dessen Eintritt notwendige Bedingung der
Leistungspflicht des Versicherers ist. Erst dadurch also tritt der Versicherungsfall ein. Schäden, die bereits vorher
am Fahrzeug entstanden waren, gehören dagegen nicht zum Versicherungsfall und betreffen nicht das versicherte
Risiko. Durch den Brand sind bereits vorher vorhandene Schäden nicht entstanden.
Demnach ist entgegen der Auffassung des Landgerichts im vorliegenden Fall bei der Schadenshöhe eine
differenzierte Betrachtung notwendig. Die Schäden, die bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles „Brand“ durch den
Unfall, also hier den Zusammenstoß des Fahrzeuges mit der Baumgruppe, entstanden sind, sind nicht zu ersetzen.
Sie sind vielmehr als Vorschäden einzustufen, die den bei der Regulierung des Brandschadens maßgeblichen Wert
des Fahrzeuges schmälern. Bei der Schadenregulierung ist in diesem Fall also vom Wert des Fahrzeugs nach dem
Unfall, aber vor Ausbruch des Brandes, auszugehen.
Dass hier mit dem Zusammenstoß des Fahrzeugs mit der Baumgruppe, dem Schleudern in den Graben und dem
anschließenden Brand ein zusammenhängender Lebenssachverhalt vorliegt, ändert an diesem Ergebnis nichts.
Denn entscheidend ist, dass Brand und Unfall versicherungsrechtlich unterschiedliche Tatbestände darstellen. Für
diese sind in den maßgeblichen Versicherungsbedingungen (AKB) unterschiedliche Regelungen enthalten.
insbesondere sind unterschiedlich hohe Prämien für die Versicherung dieser unterschiedlichen Risiken zu bezahlen.
Schon vor diesem Hintergrund ist eine differenzierte Betrachtungsweise geboten. Hinzu kommt, dass in diesem Fall
die primäre Ursache für das Schadensereignis der Unfall gewesen ist, in dessen Folge dann erst der Brand
entstanden ist.
Davon, dass der Brand in diesem Fall bereits vor dem Unfall entstanden ist bzw. begonnen hat, kann nicht
ausgegangen werden. Dazu trägt der Kläger nichts mit
Substanz vor. Sein pauschaler Hinweis auf die Wahrnehmung eines leichten,
verschmorten Geruchs vor dem Unfall reicht insoweit nicht aus, zumal der Kläger ausdrücklich erklärt hat, dass er
auf eine nähere Begründung dieses Vortrages verzichte, da er ohnehin nicht nachweisbar sein dürfe. Soweit der
Kläger außerdem vorgetragen hat, dass sich vor dem Schadensereignis ein Marder in seinem Fahrzeug eingenistet
und möglicherweise ein Zündkabel angefressen haben könne, handelt es sich ersichtlich um eine bloße Vermutung.
Entscheidungserhebliche Rückschlüsse auf den Brand und dessen Ursache lassen sich daraus nicht herleiten.
Zudem war der Unfall, jedenfalls nach dem inhaltlich nicht substantiiert angegriffenen D.Gutachten vom 8. April
2002, die wesentliche Ursache des am Fahrzeug eingetretenen Gesamtschadens. Auch vor diesem Hintergrund
erschließt sich nicht, warum der Kläger, der eben keine VollkaskoVersicherung abgeschlossen und bezahlt hat, den
Schaden in voller Höhe regulieren lassen können soll.
Aus der vom Kläger mehrfach zitierten Entscheidung des OLG Nürnberg (VersR 1995, 206) folgt zum Umfang des
Schadens letztlich nichts anderes. Soweit dort Erwägungen zur Gesamtkausalität gemacht worden sind, betreffen
diese die
Frage, ob überhaupt ein Versicherungsfall als solcher vorliegt oder nicht. Zur Ermittlung der Schadenshöhe hat das
Oberlandesgericht Nürnberg demgegenüber ausdrücklich ausgeführt, dass geprüft werden müsse, welcher Teil des
Gesamtschadens auf das Brandereignis (und welcher auf das Unfallereignis) zurückzuführen sei. Lasse sich der
Schaden in einzelne Teilkomplexe zerlegen, die den beteiligten Kausalreihen zugeordnet werden könnten, sei nur der
Teil schadenversichert, der auf die versicherte Ursache zurückgehe (OLG Nürnberg, a. a. O.). Auch danach ist also
eine differenzierte Betrachtung anzustellen. Mit dieser Entscheidung und der - soweit ersichtlich - einhelligen
Auffassung in der Literatur (Stiefel/ Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl., § 12 AGB Rdnr. 19. Johannsen in
BruckMöller, VVG, 8. Aufl., J 32) ist demnach bei der Schadensregulierung von dem Wert des Fahrzeuges nach
dem Unfall, aber vor Ausbruch des Brandes auszugehen. Es ist also der durch den Unfallschaden geminderte
Wiederbeschaffungswert zu entschädigen.
II.
Dass der durch den Unfallschaden geminderte Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs der Höhe nach über dem von
der Beklagten zugestandenen Betrag von 1.850 EUR liegt, hat der Kläger nicht dargetan. Deshalb stehen ihm über
die bereits an die BMWBank gezahlten 1.697 EUR (1.850 EUR - 153 EUR Selbstbeteiligung) hinaus keine weiteren
Entschädigungsansprüche zu.
Die Beklagte hat den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nach dem Unfall unmittelbar vor dem Brand mit 1.850
EUR angegeben. Dieser Betrag ist von der D.Niederlassung H. in ihrem vorgerichtlich eingeholten Gutachten vom 8.
April 2002 (Bl. 72 ff. d. A.) so ermittelt worden. Dabei ist aus Bl. 2/3 des Gutachtens im einzelnen ersichtlich, welche
vorhandenen Vorschäden durch den Unfall zugrundegelegt worden sind. Dass der Pkw unter Berücksichtigung der
Unfallschäden unmittelbar vor dem Brand einen höheren Wiederbeschaffungswert hatte, hat der dafür darlegungs und
beweispflichtige Kläger nicht ansatzweise schlüssig dargelegt. Er behauptet dies lediglich pauschal, ohne dafür eine
nachvollziehbare Begründung zu geben. Insbesondere findet eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem von der
Beklagten vorgelegten D.Gutachten nicht statt. Warum der Gutachter dort zu einer falschen Entscheidung
gekommen sein soll, bleibt offen. Allein auf die nach alledem „ins Blaue hinein“ erhobene Behauptung des Klägers
zu einem höheren Wiederbeschaffungswert ist dem von ihm angebotenen Sachverständigenbeweis nicht
nachzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.
10, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen nicht
vorliegen.
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