Urteil des OLG Celle vom 26.04.2001

OLG Celle: positive vertragsverletzung, antritt, reiseveranstalter, mitverschulden, privatvermögen, aufwand, sicherheit, rückerstattung, liquidation, darlehen

Gericht:
OLG Celle, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 11 U 117/00
Datum:
26.04.2001
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 651 a ff, BGB § 275
Leitsatz:
1. Es stellt eine positive Vertragsverletzung des Reiseveranstalters dar, wenn er dem Kunden eine
Reiserücktrittskostenversicherung bis zum Ende des Hauptprogramms verspricht, dann jedoch nur die
Mehrkosten einer vorzeitige Rückreise versichert. 2. Das vermittelnde Reisebüro hat für die
Weitergabe der Information des Veranstalters nicht einzustehen.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil 11 U 117/00 13 O 1818/99 LG Hannover Verkündet am 26.
April 2001 #######, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit pp. hat der 11.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2001 durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht ##############, den Richter am Oberlandesgericht #######und die Richterin am
Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt: Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 13. Zivilkammer des
Landgerichts Hannover vom 28. April 2000 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Beklagte
zu 1 wird verurteilt an den Kläger 32.300,68 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 1999 zu zahlen. Die
weitergehende Klage wird abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 80% der Gerichtskosten
und seiner eigenen außergerichtlichen Kosten sowie 41% der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 zu
tragen sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und 3 insgesamt. Die Beklagte zu 1 hat 59 % ihrer
außergerichtlichen Kosten und 20 % der Gerichtskosten sowie der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 DM nicht. Die Beschwer der
Beklagten zu 1 übersteigt 40.000 DM nicht. Die Beklagten zu 2 und 3 sind nicht beschwert. Entscheidungsgründe
Die in zulässiger Weise erhobene Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Die Beklagte zu 1 schuldet dem Kläger
dem Grunde nach Schadensersatz, lediglich der Höhe nach hat die gegen sie gerichtete Klage teilweise keinen
Erfolg. Demgegenüber bleibt die Berufung hinsichtlich der Beklagten zu 2 und 3 ohne Erfolg; diese Beklagten
schulden dem Kläger keinen Schadensersatz. I. Die Beklagte zu 1 haftet als Veranstalterin der vom Kläger und
seiner verstorbenen Ehefrau gebuchten Seereise auf der Grundlage einer positiven Vertragsverletzung des zwischen
den Parteien geschlossenen Reisevertrages. 1. Der Beklagten zu 1 fallen zwei Pflichtverletzungen zur Last, die
zumindest kummulativ zum Schadenseintritt beim Kläger geführt haben. Die erste Pflichtverletzung liegt in der im
Mai 1998 dem Kläger von der Beklagten zu 1 zugesandten Reiseinformation, welche unter Ziffer 12 eine
unzutreffende Information enthält, wenn es dort heißt: ‘Zu Ihrer Sicherheit empfehlen wird Ihnen den Abschluss einer
Reisegepäck-, Reiseunfall-, Reisekranken- und Reisehaftpflichtversicherung. Eine
Reiserücktrittskostenversicherung, die mit der Rückreise des Hauptprogrammes endet, haben wir für Sie
abgeschlossen.’ Diese Information konnte und musste ein verständiger Reiseteilnehmer dahin verstehen, dass er
nicht nur, wie landläufig der Schutzumfang einer Reiserücktrittsversicherung verstanden wird, bis zum Antritt der
Reise für den Fall versichert sein würde und im Großen und Ganzen die Kosten erstattet erhalten würde, die er dem
Reiseveranstalter im Falle des Nichtantritts würde zahlen müssen. Vielmehr ließ der Wortlaut bei verständiger
Würdigung darauf schließen, dass mehr versichert sein würde, dass nämlich die Versicherungsdauer nicht mit dem
Antritt der Reise endete, sondern mit dem Antritt der Rückreise des Hauptprogrammes. Dies lässt sich nur dahin
verstehen, dass die im Falle einer normalen Reiserücktrittskostenversicherung abgedeckten Risiken bis zum Ende
des Hauptprogrammes abgesichert sein sollten. Dies umfasst auch eine Versicherung für den Fall des Abbruchs der
Reise aus persönlichen Gründen, zu denen auch der Tod eines Elternteils zweier miteinander verheirateter Reisender
gehört, ebenso wie ein solcher Falle zu den von einer Reiserücktrittskostenversicherung normalerweise erfassten
Risiken zählt. Diese Information stellt sich als Pflichtverletzung des Reisevertrages dar, weil sie nicht zutraf. Die
Beklagte zu 1 hatte eine derartige Versicherung nicht in hinreichendem Umfang abgeschlossen. Abgeschlossen
hatte sie eine Versicherung für die Mehrkosten der Rückreise der Reisenden im Falle des Reiseabbruchs aus
persönlichen Gründen. Nicht abgeschlossen hatte sie jedoch eine Versicherung für das Abbruchsrisiko hinsichtlich
derjenigen an den Reiseveranstalter bereits gezahlten Kosten der Reise, welche nach dem Vertrage der
Reiseveranstalter bei vorzeitigem Reiseabbruch behalten durfte. Dass dieses Risiko nicht erfasst sein würde, ergab
sich aus dem Hinweis unter Ziffer 12 der von der Beklagten zu 1 erteilten Reisehinweise nicht zureichend. Vielmehr
wiegte der von der Beklagten zu 1 zugesandte Text die Reisenden insoweit in Sicherheit. Diese Pflichtverletzung der
Beklagten zu 1 ist auch nicht dadurch wieder ausgeräumt worden, dass die Beklagte zu 1 dem Kläger und seiner
verstorbenen Ehefrau zu einem anderen Zeitpunkt eine exakte Mitteilung darüber gemacht hätte, welches Risiko sie
abgesichert hatte. Eine solche exakte Mitteilung in verbindlicher Form hätten der Kläger und seine verstorbene
Ehefrau einem etwa zugesandten Versicherungsschein möglicherweise entnehmen können. Einen solchen
Versicherungsschein dem Kläger zeitnah zuzusenden, war die Beklagte zu 1 auch verpflichtet. Diese Verpflichtung
ergibt sich aus § 3 Abs. 2 i der Verordnung über die dem Reisenden zu erteilenden Informationen. Der an dieser
Stelle niedergelegten Pflicht zur Weitergabe derartiger Informationen hat die Beklagte jedoch ebenfalls schuldhaft
nicht genügt. Wie in zweiter Instanz unstreitig geworden ist, hat die Beklagte den Versicherungsschein dem Kläger
und seiner Ehefrau vor Antritt der Reise nicht zukommen lassen. Demgemäß hat die Beklagte zu 1 für den Kläger
auch die Möglichkeit vereitelt, sich eine verbindliche Information über den Versicherungsumfang zu verschaffen. 2.
Die beiden vorstehend geschilderten Pflichtverletzungen, welche sich aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben,
sind für den eingetretenen Schaden kausal geworden. Hätten der Kläger und seine verstorbene Ehefrau gewusst,
dass die Reiserücktrittsversicherung das Reiseabbruchsrisiko nur unzureichend abdeckt, hätten sie vermutlich, wie
bei einer späteren Reise getan, versucht, das Risiko anderweit selbständig zu versichern. Hierfür spricht zum einen,
dass die Reise mit ca. 44.000 DM reinen Reisekosten überdurchschnittlich teuer war und zum anderen, dass dem
Kläger und seiner verstorbenen Ehefrau das Alter von deren Mutter bekannt war, sie also um das Risiko der
Durchführbarkeit einer zudem noch etwa ein Jahr vor Reiseantritt gebuchten Reise kannten. 3. Die
Pflichtverletzungen sind der Beklagten zu 1 auch als fahrlässiges Verschulden zuzurechnen. Sie befinden sich in
einem von ihr verfassten Schreiben bzw. ergeben sich aus ihrem Verhalten nach Reisebuchung, welches in der
unterlassenen Übersendung des Versicherungsscheines liegt. II. Der Höhe nach ist der von der Beklagten zu 1 zu
leistende Schadensersatz jedoch auf 32.300,68 DM begrenzt; die weitergehende Forderung ist unbegründet. 1. Der
Höhe nach steht dem Kläger jedoch nur ein Teil des geforderten Betrages zu. Die Beklagte zu 1 muss den Kläger
nicht, wie dieser meint, so stellen, als hätte der Kläger eine Reiseabbruchsversicherung im Sinne einer Versicherung
des gesamten Reisewiederholungsrisikos abgeschlossen. Derartige Versicherungsmöglichkeiten mag es zwar
geben. Dass der Kläger sie jedoch bereits im Vorfeld der mit der Beklagten zu 1 gebuchten und durchgeführten
Reise gekannt hätte, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich. Demgemäß beschränkt sich der Umfang des
geschuldeten Ersatzes auf dasjenige, mit dessen Erstattung ein verständiger Leser der Versprechung der Beklagten
zu 1 rechnen konnte und durfte, nämlich darauf, dass der Reiserücktritt solange, wie das Hauptprogramm dauern
werde, versichert sei. Dem kann der verständige Empfänger nur entnehmen, dass er diejenigen Leistungen erstattet
erhalten werde, die er nicht wahrgenommen hat. Dementsprechend sind die vom Kläger geltend gemachten Beträge
zu kürzen. Nicht erhalten kann der Kläger zunächst die Kosten in Höhe von 7.544 DM für die nicht
wahrgenommenen regulären Rückflüge. Dass der Kläger und seine Ehefrau zurückreisen mussten war
selbstverständlich. Derartige Kosten wären auch bei regulärer Reisefortsetzung angefallen. Die Kosten, die für den
anderweitigen Rückflug eingetreten sind, hat der Kläger unstreitig erstattet erhalten. Eine doppelte Liquidation für die
Rückflugskosten ist ihm verwehrt. Die Kosten der reinen Schiffsreise, die der Kläger und seine verstorbene Frau
zum Preise von 44.040 DM gebucht hatten und die Kosten des Hinfluges, für den ebenfalls 7.544 DM aufgewandt
wurden, hat die Beklagte zu 1 dem Kläger anteilig unter Berücksichtigung von Abzügen für die wahrgenommene
Reisedauer, um die der Kläger nicht geschädigt ist, weil er insoweit gleichwertige Gegenleistungen erhalten hat, zu
erstatten. Die Summe dieser beiden Positionen beträgt 51.584 DM. Der Betrag war der Gegenwert für 28 Reisetage,
nämlich 26 Tage auf dem Schiff zuzüglich Hin- und Rückflug. Pro Tag ergibt sich mithin ein Aufwand von 1.842,29
DM für beide Reisende. Hiervon haben der Kläger und seine Ehefrau 8 Tage wahrgenommen, nämlich einen
Hinflugtag, 5 Tage auf dem Schiff und 2 Rückflugtage. Für diese 8 Tage ergibt sich mithin ein Aufwand von
14.738,32 DM. Diesen kann der Kläger nicht erstattet erhalten, weil die Leistungen insofern entgegengenommen
worden sind. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass auch der Tag, an welchem die Reise abgebrochen
worden ist, gänzlich vom Kläger bezahlt werden muss, nachdem nicht vorgetragen ist, zu welcher Tageszeit der
Reiseabbruch und das Verlassen des Schiffes erfolgten. Zieht man die nichtersatzfähigen Positionen in Höhe von
7.544 DM und 14.738,32 DM vom vom Kläger geltend gemachten Betrag, der die Rückerstattung durch die Beklagte
zu 1 in Höhe von 4.400 DM bereits berücksichtigt hat, ab, so ergibt sich ein Forderungsbetrag in Höhe von 32.300,68
DM, in dessen Höhe die Beklagte ersatzpflichtig ist. 2. Auf diesen Betrag schuldet die Beklagte zu 1 dem Kläger
Zinsen unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, der, wie die Parteien unangegriffen gelassen haben, am 1. Februar
1999 eingetreten war. Der Höhe nach kann der Kläger jedoch nicht die geforderten 8 %, sondern nur 4 % Zinsen
beanspruchen. Die vom Kläger eingereichte Zinsbescheinigung betrifft nicht das Privatvermögen des Klägers,
sondern bezieht sich auf eine #######, zu der der Kläger nicht dargetan hat, dass deren Vermögen mit seinem
Privatvermögen identisch wäre. Zudem ergibt sich aus der nämlichen Zinsbescheinigung nicht, ob und in welchem
Zeitraum in welcher Höhe Darlehen, die zumindest den zugesprochenen Betrag ausmachten, gewährt wurden.
Hinsichtlich der in der Bescheinigung ausgewiesenen Beträge kann es sich auch um den zahlenmäßigen Betrag der
gezahlten Zinsen handeln. 3. Ein Mitverschulden, das zu einer prozentualen Minderung aller ersatzfähigen Schäden
führen könnte, ist dem Kläger allerdings nicht vorzuwerfen. Ein solches Mitverschulden könnte allenfalls darin liegen,
dass er nach Erhalt der Buchungsbestätigung bzw. Reiseunterlagen nicht moniert hat, den Versicherungsschein
nicht erhalten zu haben. Auch ein solches Verhalten hätte aber den Schadenseintritt nicht verhindert. Die insoweit
darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu 1 hat nicht darzutun vermocht, dass der Kläger den
Versicherungsschein bei sorgfältigster Prüfung der überlassenen Unterlagen und Anmahnung von dessen Fehlen
noch so rechtzeitig würde erhalten haben, dass er unter Berücksichtigung einer ihm zuzubilligenden Prüfungs- und
Überlegungsfrist noch in der Lage gewesen wäre, eine nachträgliche Versicherung des Reiseabbruchsrisikos
vorzunehmen. III. Im Verhältnis zu der Beklagten zu 2 und 3 hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Dabei kann
offen bleiben, ob die Beklagten zu 2 und 3 passiv legitimiert wären. Deren Rechtsvorgängerin, in deren
Haftungsstellung beide eingetreten sein könnten, ist dem Kläger nicht wegen einer vertraglichen Pflichtverletzung
verantwortlich. Zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2 und 3 und dem Kläger bestand ein
Reisevermittlungsvertrag. Im Rahmen eines solchen Vertragsverhältnisses trifft den Reisevermittler die
Verpflichtung, Angaben des Reiseveranstalters und Anbieters wahrheitsgemäß, zutreffend und hinreichend schnell
weiterzugeben. Ein Pflichtenverstoß in diesem Rahmen ist einer Mitarbeiterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten
zu 2 und 3 nicht vorzuwerfen. Der Vorwurf an die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten geht, wie in der
Berufungsbegründung präzisiert dahin, die Mitarbeiterin #######habe den Kläger telefonisch darüber informiert, dass
in der gebuchten Reise ein Versicherungspaket eingeschlossen sei, mit dem u. a. sämtliche Rücktrittskosten auch
im Falle eines Reiseabbruchs versichert seien. Diese Information war im Wesentlichen richtig. Sie gab das wieder,
was die Beklagte zu 1 in der Kundeninformation, die in Kopie zu den Gerichtsakten gelangt ist den Reisenden selbst
angekündigt und versprochen hatte. Die Weitergabe dieser Ankündigung der Reiseveranstalterin stellt sich nicht als
Pflichtverletzung im Rahmen des Reisevermittlungsvertrages dar, sondern vielmehr als pflichtgemäßes Verhalten.
Allenfalls mag die Zeugin ####### insoweit durch die Wahl eigener Worte den Versicherungsumfang unpräzise
dargestellt haben. Unpräzise mündliche Mitteilungen allein verpflichten jedoch in keinem Fall zum Schadensersatz,
wenn sie die Information des Veranstalters zutreffend wiedergeben, wie dies im Streitfall der Fall war. IV. Die
prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen
Vollstreckbarkeit und auf §§ 92, 97 und 100 ZPO hinsichtlich der Kosten.