Urteil des OLG Braunschweig vom 21.04.2008

OLG Braunschweig: bedürftige partei, vergleich, vergütung, ausnahme, gerechtigkeit, form, erstreckung, post, prozessökonomie, stufenklage

Gericht:
OLG Braunschweig, 03. Familiensenat
Typ, AZ:
Beschluss, 3 WF 36/08
Datum:
21.04.2008
Sachgebiet:
Normen:
ZPO § 114, ZPO § 118 Abs 1 S 3, RVG VV 1003, RVG VV 3104
Leitsatz:
Auf die Beschwerde der Landeskasse vom 20. Dezember 2007/29. Januar 2008 wird der Beschluss
des Amtsgerichts – Familiengerichts – Salzgitter vom 14. August 2007 unter Aufhebung des
Nichtabhilfebeschlusses vom 13. Dezember 2007 dahin abgeändert, dass die aus der Landeskasse
an die Verfahrensbevollmächtigte des Beklagten gem. Antrag vom 8. März 2007 zu erstattenden
Kosten auf 276,08 € festgesetzt werden.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Volltext:
Gründe:
I.
Mit Antrag vom 8. Dezember 2006 beantragte die Klägerin für eine Stufenklage auf Zahlung von nachehelichem
Ehegattenunterhalt Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Unterhaltsverfahren und ein damit verbundenes
einstweiliges Anordnungsverfahren. In dem zur Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch anberaumten
Erörterungstermin schlossen die Parteien am 7. März 2007 einen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete,
an die Klägerin einen nachehelichen Ehegattenunterhalt von 300,00 € für die Zeit ab November 2006 zu zahlen. Im
selben Termin hat das Amtsgericht durch Beschluss den Streitwert u. a. für das Hauptsacheverfahren auf 4.200,00 €
festgesetzt und den Parteien „Prozesskostenhilfe zum Abschluss des Vergleichs im
ProzesskostenhilfePrüfungsverfahren bewilligt“ – unter Beiordnung der jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten.
Mit Antrag vom 8. März 2007 stellte die Beklagtenvertreterin den Antrag auf Festsetzung der ihr zustehenden
Prozesskostenhilfegebühren im Hauptverfahren (Bl. 24 PKH II). Dabei hat sie neben der Einigungsgebühr auch eine
Verfahrens und Terminsgebühr und eine Gesamtvergütung von 713,94 € geltend gemacht. Durch Beschluss der
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Salzgitter vom 18. April 2007 wurde die aus der Staatskasse
zu zahlende Vergütung der beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten des Beklagten für das Hauptsacheverfahren
auf 477,90 € festgesetzt, wobei eine 1,0 Einigungsgebühr und eine 0,8 Verfahrensgebühr zuerkannt wurden (Bl. 26
PKH II). Auf die Erinnerung der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Braunschweig vom 6. Juni 2007 (Bl. 30 PKH II)
hat das Amtsgericht Salzgitter durch teilweise abhelfenden Beschluss vom 14. August 2007 die aus der
Landeskasse zu zahlende Vergütung anderweitig auf 393,95 € festgesetzt und dabei eine 1,0 Einigungsgebühr und
0,5 Verfahrensgebühr zugrunde gelegt (Bl. 40 PKH II). Diese Gebührenfestsetzung ist durch Richterbeschluss des
Amtsgerichts Salzgitter vom 13. Dezember 2007 bestätigt und der weitergehenden Erinnerung nicht abgeholfen
worden (Bl. 53 f. PKH2). Gegen diesen ihr am 20. Dezember 2007 zugestellten Beschluss hat die Bezirksrevisorin
durch Schriftsatz vom 20. Dezember 2007 – bei Gericht eingegangen am 27. Dezember 2007 – Beschwerde
eingelegt, die sie mit weiterem Schriftsatz vom 29. Januar 2008 begründet hat (Bl. 56, 57, 58 f. PKH2).
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Das Amtsgericht hat die durch die Beklagtenvertreterin u. a. begehrte Verfahrensgebühr im Rahmen des
erstinstanzlich geführten Prozesskostenhilfeverfahrens zu Unrecht in Ansatz gebracht.
Zwar eröffnet VV 3104 RVG für bestimmte Verfahrenskonstellationen die Entstehung einer Terminsgebühr für einen
tatsächlich nicht wahrgenommenen Termin, so auch im Fall eines nach § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossenen
schriftlichen Vergleichs (vgl. BGH FamRZ 2007, 1013. FamRZ 2006, 1441). Dies gilt aber nur für ein Verfahren, für
das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Daran fehlt es hier, da der vor dem Amtsgericht Salzgitter
abgeschlossene Vergleich vom 7. März 2007 innerhalb des Prozesskostenhilfeverfahrens abgeschlossen worden ist,
das im Regelfall gerade keine mündliche Verhandlung vorsieht.
Hinzu kommt, dass die Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung der Beklagtenvertreterin im Beschluss des
Familiengerichts vom 7. März 2007 ausdrücklich auf den Vergleichsabschluss im PKHPrüfungsverfahren beschränkt
ist und auch von daher für die Festsetzung einer Verfahrensgebühr kein Raum ist.
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts kann einer Partei im Falle des Abschlusses eines Vergleichs im
Erörterungstermin gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Prozesskostenhilfe nur für den Vergleich selbst und nicht für das
(gesamte) Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden (vgl. BGH FamRZ 2004, 1708. AZ VI ZB 49/03. Juris
Ausdruck Rn. 9 m. w. N.). Dies ist die Folge des Grundsatzes, dass für das Prozesskostenhilfeverfahren
Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden kann und deshalb bei einer auf den Vergleich beschränkten
Prozesskostenhilfe die dem Rechtsanwalt der Partei zustehende Verfahrensgebühr nicht aus der Staatskasse
erstattet wird.
Gemäß § 114 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur für die Prozessführung gewährt werden. Darunter ist allein das
streitige Verfahren zu verstehen, nicht das ProzesskostenhilfePrüfungsverfahren, in dem neben der wirtschaftlichen
Bedürftigkeit der Parteien lediglich summarisch die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung bzw. –
verteidigung geprüft wird. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das ProzesskostenhilfePrüfungsverfahren wäre
demnach ein Widerspruch in sich.
Aus Gründen der Prozessökonomie ist eine Ausnahme für die Beiordnung eines Rechtsanwalts allein zum
Abschluss eines das Verfahren beendenden Vergleichs gemacht worden. Insoweit geht es nicht mehr vorrangig um
die Bescheidung des ursprünglichen Antrags auf Prozesskostenhilfe, sondern um die abschließende Erledigung des
Streits der Parteien, die nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss
des Vergleichs rechtfertigt (vgl. BGH a. a. O.).
Diese im Interesse der baldigen Beendigung des Verfahrens zugelassene Ausnahme der
Prozesskostenhilfebewilligung für den Vergleich führt jedoch - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts - nicht
dazu, dass eine Partei auf diesem Umweg Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren insgesamt oder
in Teilen bewilligt erhält. Hierdurch wird die bedürftige Partei nicht benachteiligt. Dagegen kann nicht mit Erfolg
eingewandt werden, dass einer anwaltlich vertretenen Partei die ihrem Rechtsanwalt zustehende Verfahrens und
Terminsgebühr nicht aus der Staatskasse erstattet werden (vgl. BGH a. a. O.. in Literatur und Rechtsprechung
streitig, vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 118 Rn. 8). Ein Vergleich während des Prozesskostenhilfeverfahrens
kommt häufiger trotz mangelnder Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO aus Gründen materieller Gerechtigkeit
oder sonstigen Erwägungen heraus in Betracht. In diesem Fall steht es im Interesse der Parteien, den Vergleich
gerade während des laufenden Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens zu schließen, da bei (teilweiser) Versagung
der für eine Klage oder zur Rechtsverteidigung beantragten Prozesskostenhilfe der Vergleichsschluss jedenfalls in
dieser Form im Hauptverfahren nicht gesichert wäre. Hinzu kommt, dass gütliche Einigungen teilweise auch wegen
der im Verfahren entstandenen Kosten scheitern. diese Situation wäre verschärft, wenn die Parteien einen Vergleich
erst nach Übergang in das streitige Verfahren und den damit verbundenen höheren Anwaltsgebühren schließen
würden.
Danach ist eine Verfahrensgebühr im ProzesskostenhilfePrüfungsverfahren nicht aus der Staatskasse zu erstatten.
Die Gegenauffassung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 12.09.2007 - 11 WF 1346/07 – unter Hinweis auf
Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., VV 1000 Rn. 83), das wegen der Bindung der Verfahrensgebühr an die
Einigungsgebühr eine notwendige Erstreckung der Prozesskostenhilfebewilligung auf die Verfahrensgebühr annimmt,
überzeugt nicht. Zwar sind Verfahrens und Einigungsgebühr von der Gebührensystematik hier entstanden, vorliegend
geht es aber nicht um die Frage der Gebührenentstehung, sondern um die Festlegung des Umfangs der Bewilligung
der Prozesskostenhilfe, die sich nach VV 1003 RVG allein auf die Einigungsgebühr (1,0) erstreckt. Daneben
entstandene Gebühren werden von der Prozesskostenhilfe gerade nicht erfasst und sind als Wahlanwaltsgebühren
allein von der Partei zu erstatten.
Im Ergebnis ergibt sich damit folgender Vergütungsanspruch:
1,0 Einigungsgebühr aus 4.200,00 € (VV RVG 1003) 212,00 €
Pauschale für Entgelte Post und Telekommunikations
dienstleistungen (VV RVG 7002) 20,00 €
Umsatzsteuer auf die Vergütung (VV 7008 RVG) 44,08 €
Endbetrag: 276,08 €.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG.
Ausgefertigt
Braunschweig, den 21. April 2008
als Urkundsbeamtin/er der Geschäftsstelle