Urteil des OLG Braunschweig vom 02.03.2005

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Gericht:
OLG Braunschweig, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 W 221/04
Datum:
02.03.2005
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 1908e
Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs eines Betreuungsvereins gegen die
Staatskasse
Volltext:
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 8.
September 2004 – 8 T 655/04 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat die
Staatskasse zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 2.170,50 € festgesetzt.
G r ü n d e
I.
Der W. Betreuungsverein macht für die Betreuung der Betroffenen Ansprüche auf Erstattung von Aufwendungsersatz
gegen die Staatskasse geltend.
Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 09.01.2004 ist für die Betroffene eine Betreuung eingerichtet worden, in dem
elf namentlich benannte Personen als Mitarbeiter des W. Betreuungsvereins zu Betreuern bestellt worden sind. Der
Betreuungsverein hat die Betreuung mit Schreiben vom 21.01.2004 angenommen und als zuständige erste
Betreuerin Frau B. und als Ersatzbetreuer Herrn A. benannt. Im Betreuungsausweis vom 13.01.2004 sind wiederum
elf namentlich benannte Mitarbeiter des Betreuungsvereins als Betreuer angegeben. In tatsächlicher Hinsicht ist die
Betreuung – wie sich aus verschiedenen Schriftstücken und Anträgen in den Akten ergibt – durch Frau B.
wahrgenommen worden.
Auf Antrag des Betreuungsvereins vom 05.04.2004 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.06.2004 gegen die
Stellungsnahme des Bezirksrevisors die Vergütung für den Betreuungsverein festgesetzt.
Die gegen den Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors blieb erfolglos. Mit Beschluss vom
08.09.2004 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors zurückgewiesen und die weitere
sofortige Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat das Landgericht angeführt, dass die namentliche Aufzählung
sämtlicher Mitarbeiter des Betreuungsvereins zeige, dass eine natürliche Person und nicht der Verein als solcher
zum Betreuer bestellt werden sollte. Auch wenn das Vorgehen des Vormundschaftsgerichts dem gesetzlichen
Leitbild zur Bestellung einer namentlich benannten natürlichen Person nicht entspreche, sei der Beschluss nicht
unwirksam.
Gegen den ihm am 29.09.2004 zugestellten Beschluss wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner am 08.10.2004
eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde. Diese begründet er damit, dass aus dem Bestellungsbeschluss
nicht zu ersehen sei, ob eine Bestellung im Sinne des § 1897 Abs. 2 S. 1 BGB mit Vergütungsanspruch oder aber
eine Bestellung nach § 1900 Abs. 1 BGB ohne Vergütungsanspruch erfolgt sei.
II.
Die zulässige sofortige weitere Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1.)
Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 69e S. 1, 56g Abs. 5 S. 2, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 2 FGG zulässig,
da das Beschwerdegericht die weitere Beschwerde zugelassen hat und die Frist des § 22 Abs 1 FGG eingehalten
ist.
2.)
Der angefochtene Beschluss des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung gem. § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO
stand.
Voraussetzung für den vom Verein im eigenen Namen geltend gemachten Vergütungsanspruch aus § 1908e Abs. 1
S. 1 BGB ist die Bestellung eines Mitarbeiters des Vereins als Betreuer der Betroffenen (MünchkommSchwab, BGB,
4. Aufl., § 1908e Rn. 1, 2, Soergel/Zimmermannn, BGB, 13. Aufl., § 1897 Rn. 12, Palandt/Diederichsen, BGB, 64.
Aufl., § 1908e Rn. 2). In diesem Fall kann der Verein die Vergütungsansprüche nach §§ 1836 Abs. 2, 1836a BGB
beanspruchen, während dem zum Betreuer bestellten Vereinsmitglied selbst keine Ansprüche zustehen
(Palandt/Diederichsen, aaO, § 1908e Rn. 1). Wenn dagegen der Verein selbst gem. § 1900 BGB zum Betreuer
bestellt worden ist, stehen ihm nach § 1836 Abs. 4 BGB nur Ansprüche gegen das Mündel und auch nur in dem Fall
zu, wenn dessen Vermögen ausreicht. Ansprüche gegen die Staatskasse werden dagegen nicht begründet
(Münchkomm/Schwab, aaO, § 1908e Rn. 2, Soergel/Zimmermann, aaO, § 1897 Rn. 12, Palandt/Diedrichsen, aaO, §
1908e Rn. 1).
Grund für diese einschneidende Regelung ist, dass nach dem gesetzlichen Leitbild vorrangig eine natürliche Person
zum Betreuer bestellt werden soll, während die Bestellung eines Betreuungsvereins nach § 1900 Abs. 1 BGB nur
dann erfolgen darf, wenn der Betroffene durch einen oder mehrere natürliche Personen nicht hinreichend betreut
werden kann (BayObLG, Beschluss vom 26.11.1997, - 3 Z BR 422/97, FamRZ 1999, 52 und Beschluss vom
14.04.1994, - 3 Z BR 39/94, FamRZ 1994, 1203). Durch die Vergütungsregelung sollen Vereine gezwungen werden,
Vereinsbetreuer bestellen zu lassen, da nur dann Aufwendungen und Vergütung bezahlt werden
(Soergel/Zimmermann, aaO, § 1908e Rn. 3). Für die Bestellung eines Vereinsbetreuers im Sinne von § 1897 Abs. 2
S. 1 BGB ist dabei erforderlich, dass im Bestellungsbeschluss die Bezeichnung einer natürlichen Person als
Vereinsbetreuer und des anstellenden Vereins enthalten ist (§ 69 Abs. 1 Nr. 3 a und b FGG); gleiches gilt für die
Bestellungsurkunde (§ 69b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 FGG).
Vorliegend könnte ein Vergütungsanspruch nach § 1908e Abs. 1 BGB fraglich sein, da in dem Bestellungsbeschluss
vom 09.01.2004 nicht ein einzelner Mitarbeiter des Betreuungsvereins, sondern elf und damit mutmaßlich sämtliche
Mitarbeiter des Vereins als Betreuer bestellt worden sind. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 09.01.2004 verstößt
daher – wie auch das Landgericht nicht verkannt hat – gegen das gesetzliche Leitbild der Einzelbetreuung
(Palandt/Diederichsen, aaO, § 1897 Rn 1). Das Landgericht hat den Beschluss dahingehend ausgelegt, dass nicht
der Verein selbst nach § 1900 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern namentlich benannte natürliche Personen zum Betreuer
bestellt worden sind. Bei der Überprüfung dieser Auslegung ist der Senat als Gericht der weiteren Beschwerde auf
die Prüfung beschränkt, ob die vom Landgericht vorgenommene Auslegung nach den Denkgesetzen und der
feststehenden Erfahrung möglich ist; sie muss nicht zwingend sein (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflg, § 27 Rn
49). Eine Stütze findet die Auslegung durch das Landgericht darin, dass die namentlich genannten Personen „als
Mitarbeiter des W. Betreuungsvereins“ zu Betreuern bestellt worden sind. Auch wenn das Amtsgericht damit gegen
den Grundsatz der Einzelbetreuung verstoßen hat, ist zumindest erkennbar keine Bestellung des Vereins selbst zum
Betreuer erfolgt, die gem. §§ 1836 Abs. 4, 1836 a BGB zum Ausschluss des Vergütungsanspruchs geführt hätte
(Palandt/Diederichsen, aaO, § 1908 e Rn 1). Ungeachtet des formal fehlerhaften Beschlusses des Amtsgerichts ist
auch im Ergebnis der vom Gesetzgeber vorgegebene Grundsatz der Einzelbetreuung zum Tragen gekommen, da die
Betreuung nach Mitteilung des Betreuungsvereins vom 21.01.2004 und auch nach der tatsächlichen Ausführung von
Frau B. wahrgenommen worden ist. Da somit sowohl Einzelbetreuung durch einen Mitarbeiter des Betreuungsvereins
als Vereinsbetreuer gewollt war und diese auch zur Ausführung gekommen ist, begegnet die Auslegung des
Landgerichts keinen durchgreifenden Bedenken.
Auch vom Ergebnis her und unter Berücksichtigung von Vertrauensgesichtspunkten erschiene es als unbillig, wenn
der Betreuungsverein auf Grund des formal fehlerhaften Beschlusses des Amtsgerichts die erstrebte Vergütung
nach § 1908 e BGB verlieren würde, obwohl in materieller Hinsicht der Wille des Gesetzgebers beachtet worden ist.
Zu beachten bleibt aber, dass derartige Vertrauensgesichtspunkte nur für die Vergangenheit gelten können und für
die Zukunft eine auch formale Einhaltung der gesetzlichen Regelung zu fordern sein wird. Welcher Mitarbeiter des W.
Betreuungsvereins im konkreten Einzelfall als Betreuer in Betracht kommt, lässt sich vom Amtsgericht ohne
unzumutbaren Aufwand vor Beschlussfassung ermitteln.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 KostO. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers
waren der Staatskasse gem. § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG wegen des unbegründeten Rechtsmittels zwingend aufzugeben
(Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 13 a Rn 30).
Der Beschwerdewert war nach §§ 31 Abs. 1, 30 abs. 1 KostO nach der Höhe der festgesetzten Vergütung zu
bemessen.