Urteil des OLG Braunschweig vom 20.06.2008

OLG Braunschweig: grundbuchamt, letztwillige verfügung, erbvertrag, miteigentümer, zwangsgeld, grundstück, erbrecht, bauer, rechtsnachfolge, rechtspflege

Gericht:
OLG Braunschweig, 02. Zivilsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 W 244/08
Datum:
20.06.2008
Sachgebiet:
Normen:
GBO § 35, GBO § 82
Leitsatz:
Zwangsgeld darf nur festgesetzt werden, sofern feststeht, dass es zu einem Rechtsübergang
außerhalb des Grundbuchs gekommen ist. Die Festsetzung ist nur gegen solche Personen zulässig,
von denen feststeht, dass sie zumindest Miteigentümer des Grundstücks und in der Lage sind,
sämtliche Eintragungsvoraussetzungen selbst herbeizuführen. Bestehen Anhaltspunkte für das
Vorhandensein einer letztwilligen Verfügung, hat das Grundbuchamt von Amts wegen die Erbfolge zu
ermitteln (Aufgabe von Senat, Nds. Rechtspfl. 1955, 74).
Volltext:
Auf die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom
31.3.2008 – 8 T 2151/08 – werden der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts
ClausthalZellerfeld – Grundbuchamt – vom 11.3.2008 – HG 17183 – aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht
ClausthalZellerfeld – Grundbuchamt – zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 500, EUR.
Gründe:
I.
Im Grundbuch von B, Bl. sind für die in Rede stehende Landwirtschaftsfläche von 22,95 a zwei
Erbengemeinschaften als Miteigentümer zu je 1/2 eingetragen. Als Mitglieder der einen von beiden sind verzeichnet
A.G. H. und A.R.H.M. W., geb. H, geb. am 18.6.19.. zu je ½ Anteil. Letztere ist am 29.10.2000 verstorben. Sie hatte
einen Erbvertrag errichtet.
Gesetzliche Erbin der Frau W. war deren Tochter C. K., die durch Erklärung vom 27.11.2000 das Erbe ihrer Mutter
formwirksam ausgeschlagen hat.
Gesetzliche Erbin der Frau C. K. ist deren Tochter, die Betroffene A.. Diese stellte unter dem 14.2.2005 ohne
Vorlage von Urkunden über ihr Erbrecht oder Eigentum einen Grundbuchberichtigungsantrag.
Unter dem 15.2.2005 gab das Grundbuchamt der Betroffenen die Vorlage eines Erbscheins auf und mahnte dies in
der Folgezeit mehrfach an. Unter dem 13.3.2007 folgte sodann die Androhung eines Zwangsgeldes von 500, EUR.
Daraufhin teilte die Betroffene unter dem 3.4.2007 dem Grundbuchamt schriftlich mit, sie habe kein Interesse an
dem Grundstück und wolle nicht in das Grundbuch. Sie sei nicht im Besitz eines Erbscheins. Nach erneuter,
wiederum fruchtloser Zwangsgeldandrohung unter dem 12.12.2007 setzte das Amtsgericht –Grundbuchamt – unter
dem 11.3.2008 gegen die Betroffene ein Zwangsgeld von 500, EUR fest.
Hiergegen wandte sich die Betroffene mit Schreiben vom 17.3.2008 und teilte mit, sie wolle das Erbe nicht antreten.
Das Amtsgericht legte dieses Schreiben als Beschwerde gegen die Zwangsgeldfestsetzung aus, der es mit
Beschluss vom 18.3.2008 nicht abhalf.
Das Landgericht wies die Beschwerde durch Beschluss vom 31.3.2008 zurück. Zur Begründung führte das
Landgericht aus: Nach § 82 GBO könne das Grundbuchamt demjenigen, der durch Rechtsübergang auch nur
Miteigentümer geworden sei, einen Grundbuchberichtigungsantrag auferlegen. Sofern ein solcher Antrag gestellt
werde, könne die Vorlage der erforderlichen Unterlagen verlangt werden. Gem. § 35 GBO könne der Nachweis der
Erbfolge grundsätzlich nur durch Erbschein geführt werden. Da vorliegend zweifelhaft sei, wer als durch den
Erbvertrag als bedacht anzusehen sei, sei es nicht zu beanstanden, wenn das Grundbuchamt auf der Vorlage eines
Erbscheins bestanden habe. Weil auch die formellen Voraussetzungen der Zwangsgeldfestsetzung gegeben seien,
sei der angefochtene Beschluss somit zu Recht ergangen.
Gegen diesen ihr am 17.4.2008 zugestellten Beschluss ließ die Betroffene mit Anwaltsschriftsatz vom 16.5.2008
weitere Beschwerde erheben. Mit Anwaltsschreiben vom selben Tage ließ sie gegenüber dem Grundbuchamt den
Grundbuchberichtigungsantrag zurücknehmen.
II.
Die nach § 27 FGG zulässige weitere Beschwerde ist begründet, weil die angefochtene Entscheidung auf einer
Rechtsverletzung beruht (§§ 27 FGG, 546 ZPO). Das Landgericht hat die tatsächlichen Voraussetzungen der
Festsetzung eines Zwangsgeldes entgegen § 12 FGG nicht vollständig ermittelt. Das Gericht der Rechtsbeschwerde
darf der Entscheidung nur die vom Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde legen, eine eigene
Tatsachenfeststellung ist ihm untersagt (§§ 27 S. 2 FGG, 559 ZPO). Der angefochtene Beschluss war daher
aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Die Betroffene hat bereits mit Schreiben vom 3.4.2007 in zulässiger privatschriftlicher Form (§ 31 S. 2 GBO) ihren
Grundbuchberichtigungsantrag vom 14.2.2005 zurückgenommen, indem sie mitgeteilt hat, sie habe kein Interesse
an dem Grundstück und wolle nicht in das Grundbuch eingetragen werden. Daher kommt als Rechtsgrundlage für die
angefochtene Entscheidung nur das Verfahren des Grundbuchberichtigungszwangs gemäß § 82 GBO in Betracht, in
dessen Rahmen durchaus eine Zwangsgeldfestsetzung nach § 33 Abs. 1 FGG möglich ist, sofern hierfür die
erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Dies freilich ist vorliegend offen. Zwangsgeldanordnungen in dem repressiven Verfahren nach § 82 GBO dürfen nur
erfolgen, sofern einwandfrei feststeht, dass die Unrichtigkeit des Grundbuchs durch einen Rechtsübergang außerhalb
des Grundbuchs eingetreten ist, derjenige, der zur Stellung eines Berichtigungsantrages gezwungen werden soll,
tatsächlich als dessen mindestens Miteigentümer Berechtigter ist, und schließlich der in Anspruch genommene auch
in der Lage ist, sämtliche Eintragungsvoraussetzungen herbeizuführen (OLG Celle v. 12.2.2007 – 4 W 24/07 , zitiert
nach juris). Nur solange kein Anhaltspunkt für eine errichtete letztwillige Verfügung besteht, darf das Grundbuchamt
von gesetzlicher Erbfolge ausgehen. ist dies – wie hier – nicht der Fall, muss die Rechtsnachfolge ermittelt werden,
bevor Zwangsmaßnahmen ergriffen werden (Bauer/v. Oefele/Budde, GBO, 2. Aufl., § 82 Rn 7. Demharter, GBO, 25.
A., § 83 Rn 10). Mit der dahingehenden herrschenden Auffassung hält der Senat an seiner entgegenstehenden
früheren Rechtsprechung (Nds. Rechtspflege 1955, 74) nicht mehr fest.
Die Feststellungen des Landgerichts belegen schon nicht mit der erforderlichen Sicherheit, dass die Betroffene
tatsächlich Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrer Großmutter geworden ist. Das Landgericht stützt sich hierzu
auf einen von dieser errichteten Erbvertrag, dessen Wortlaut es nicht mitteilt. die entsprechenden Nachlassakten hat
das Landgericht augenscheinlich nicht beigezogen und die Ausführungen zu einem sich aus dem Vertrag
ergebenden Erbrecht der Betroffenen denn auch mit der einschränkenden Wendung versehen, Erbin der Frau W. sei
nach dem Erbvertrag „wohl“ auch Frau C. K. geworden. Dies hätten die Tatsacheninstanzen aber gemäß § 12 FGG
nicht unterstellen dürfen sondern von Amts wegen ermitteln müssen. Der Senat kann angesichts des Vorbringens
der weiteren Beschwerde nicht ausschließen, dass das Erbe der Frau W. infolge der Erbausschlagung angesichts
des dort – nicht vollständig - vorgetragenen Inhalts des Erbvertrages nicht an die Betroffene gefallen ist.
Die angefochtene Entscheidung war daher wie die unter demselben Mangel leidende Entscheidung des Amtsgerichts
aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht – Grundbuchamt – mit dem Ziel der Nachholung der erforderlichen
Ermittlungen zurückzuverweisen. Dieses wird auch zu prüfen haben, ob ggfls im Lichte des verfassungsrechtlichen
Übermaßverbots vorrangig der Weg des § 35 GBO zu beschreiten ist, sofern die Betroffene erneut einen
Grundbuchberichtigungsantrag stellen sollte.
.
Sollte das Amtsgericht infolge ergänzter Feststellungen wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass eine
Zwangsgeldfestsetzung zu Recht ergangen ist, wird es die Höhe des Zwangsgeldes zu überprüfen haben. Denn die
Betroffene kommt als Miteigentümerin des Grundstücks nur zu ¼ in Betracht. Es geht um eine landwirtschaftliche
Fläche von nicht einmal ¼ ha. Es liegt nahe, dass ein Zwangsgeld von 500, EUR den Wert des der Betroffenen evtl.
zugewandten Anteils an dem Grundbesitz erschöpfen wird. Ein Zwangsgeld in solcher Höhe bereits bei erstmaliger
Festsetzung erscheint als unverhältnismäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 13a FGG, 131 Abs. 2 KostO, die Wertfestsetzung folgt aus 30 Abs. 1 KostO.
Dr. Matthies Dr. WeberPetras Dr. Redant