Urteil des OLG Brandenburg vom 02.04.2017

OLG Brandenburg: aufnahme einer erwerbstätigkeit, gesundheitszustand, haus, einkünfte, leistungsfähigkeit, bankkredit, prämie, lebensgemeinschaft, mindestdauer, sammlung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 163/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 426 Abs 1 S 1 BGB
Trennungsunterhalt: Gesamtschuldnerausgleich bei
Berücksichtigung von Kreditratenzahlungen eines Ehegatten zur
Abtragung gemeinsamer Schulden bei der
Unterhaltsbemessung
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin … in E.
bewilligt, soweit sie monatlichen Trennungsunterhalt von 466 € ab Dezember 2007
geltend macht.
Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch und die weitergehende sofortige
Beschwerde werden zurückgewiesen.
Es werden monatliche Raten von 60 € festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der
Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe
bewilligt werden, soweit sie monatlichen Trennungsunterhalt von 466 € geltend macht.
Insoweit bietet ihre Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
1.
Klägerin auszugehen. Es ist daher das Arbeitslosengeld I, das unterhaltsrechtlich
Einkommen darstellt (Nr. 2.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen
Oberlandesgerichts, Stand 1.1.2008), in Höhe von 600 € heranzuziehen.
Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl.
Zöller/Philip-pi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen -
FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 254) scheidet der Ansatz eines fiktiven höheren Einkommens
der Klägerin aus Erwerbstätigkeit aus. Zu ihren Gunsten ist davon auszugehen, dass sie
an einer Krankheit leidet, die sie an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hindert.
Allerdings muss der Unterhaltsberechtigte, soweit er sich im Unterhaltsprozess darauf
beruft, krankheitsbedingt einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen zu können, Art und
Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigung oder Leiden darlegen. Der bloße Hinweis
auf eine Erkrankung lässt weder erkennen, welche konkreten gesundheitlichen
Beeinträchtigungen bestehen noch inwieweit sich diese auf die Erwerbsfähigkeit
auswirken. Aus den Vortrag muss sich auch ergeben, auf welchen Zeitpunkt sich die
Behauptung, nicht erwerbsfähig zu sein, bezieht (vgl. BGH, FamRZ 2001, 1291, 1292;
FamRZ 2007, 200, 202). Vorliegend kann aber jedenfalls im Prozesskostenhilfeverfahren
der Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 5.8.2008, wonach sie infolge von
Depressionen nicht in der Lage sei, einer vollschichtigen oder auch nur halbschichtigen
Tätigkeit nachzugehen, als ausreichend angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als der
Beklagte selbst mit Schriftsatz vom 30.6.2008 darauf hingewiesen hat, dass die Klägerin
seit 4.8.2006 Krankengeld beziehe und sie neben bestehenden psychischen Problemen
alkoholabhängig, jedoch nicht bereit sei, diese Erkrankung anzuerkennen.
Im Hauptverfahren wird das Amtsgericht weitere Feststellungen zum
Gesundheitszustand der Klägerin treffen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, es solle
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Gesundheitszustand der Klägerin treffen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, es solle
ein Sachverständigengutachten ihrer behandelnden Ärztin eingeholt werden, so scheidet
dies aus. Die Klägerin mag aussagekräftige Atteste der Ärztin über ihren aktuellen
Gesundheitszustand beibringen. Soweit das Amtsgericht, insbesondere falls der
Beklagte weiterhin die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin bestreitet, die Einholung eines
Sachverständigengutachtens für erforderlich halten sollte, wird es einen unabhängigen
Sachverständigen beauftragen, der den Gesundheitszustand der Klägerin
unvoreingenommen begutachten wird.
Sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, dass die Klägerin vor allem infolge einer
Alkoholabhängigkeit nicht in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, müssten mit
Rücksicht darauf, dass der Beklagte geltend macht, die Klägerin sei bisher nicht bereit
gewesen, sich geeigneten medizinisch-therapeutischen Maßnahmen zu unterziehen,
weitere Feststellungen dazu getroffen werden, inwieweit sie ihre Bedürftigkeit selbst
mutwillig herbeigeführt hat, § 1579 Nr. 4 BGB i. V. m. § 1361 Abs. 3 BGB (vgl. hierzu
Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 4, Rz.
683 ff.).
2.
der Wohnvorteil für das mietfreie Wohnen im eigenen Haus bei jedem Ehegatten hälftig
mit 250 € zu veranschlagen ist. Das Hauptverfahren mag ergeben, ob auf den Beklagten
ein geringerer Anteil entfällt, weil er, wie er geltend macht, wegen Montagetätigkeit das
Haus nur selten nutzt.
3.
Hauses nicht abgesetzt werden. Denn unstreitig zahlt die Klägerin keine Kreditraten.
4.
5.
dass auf Seiten des Beklagten ein Abzug für berufsbedingte Aufwendungen zu
unterbleiben hat. Das Hauptverfahren mag ergeben, ob der Beklagte, wie er bislang
pauschal behauptet hat, auf Grund seiner Auslandseinsätze berufsbedingte
Aufwendungen hat, die durch die vom Arbeitgeber gewährte Montagezulage nicht
abgedeckt sind. Insoweit kommt je nach Gestaltung im Einzelfall auch die Heranziehung
der Montagezulage, die bislang bei der Einkommensberechnung offenbar keine
Berücksichtigung gefunden hat, mit einem Drittel der Nettobeträge in Betracht (vgl. Nr.
1.4 der genannten Leitlinien).
6.
für Versicherungen und den PKW bleiben bei der summarischen Prüfung ebenfalls außer
Betracht. Bei den Aufwendungen für den PKW wie auch bei den Prämien für die
Haftpflicht- und die Unfallversicherung handelt es sich um den allgemeinen
Lebensbedarf, der unterhaltsrechtlich keine Berücksichtigung findet (vgl.
Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl.
Rz. 976 ff.). Inwieweit die Risikolebensversicherung, weil sie etwa im Rahmen der
Hausfinanzierung auf Betreiben der kreditierenden Bank abgeschlossen werden musste,
die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat, ist im Hauptverfahren zu prüfen. Dabei ist
auch zu klären, ob mit Rücksicht darauf, dass beide Parteien nach der vorgelegten
Sicherheitspolice versicherte Personen sind, tatsächlich der vollständige Beitrag allein
vom Beklagten entrichtet wird.
Die private Rentenversicherung kann unter dem Gesichtspunkt einer zusätzlichen
Altersvorsorge abzugsfähig sein (vgl. Nr. 10.1 der genannten Leitlinien). Da der Beklagte
sein Bruttojahreseinkommen nicht dargelegt hat, kann aber nicht abschließend geprüft
werden, ob auch unter Berücksichtigung der Tilgung des Hauskredits, bei dem es sich
ebenfalls um eine Form der Altersvorsorge handelt (vgl. BGH, FamRZ 2008, 963 ff., Rz.
21), die Höchstgrenze von 4 % eingehalten ist. Zu Gunsten der Klägerin ist die Prämie
für die Rentenversicherung im Prozesskostenhilfeverfahren daher außer Betracht zu
lassen.
7.
Kreditraten im Hinblick auf die ehebedingten Verbindlichkeiten. Insoweit besteht zwar,
wenn der Beklagte, obwohl beide Parteien der kreditierenden Bank als Gesamtschuldner
haften, die Kreditraten alleine zahlt, ein Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf
Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein solcher Ausgleich entfällt
aber dann, wenn die gemeinsame Schuld unterhaltsrechtlich berücksichtigt wird
(Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 345 sowie Rz. 632). Der Beklagte macht vorliegend die
Berücksichtigung der Kreditrate bei der Unterhaltsbemessung geltend.
Dementsprechend ist sie von seinem Einkommen abzusetzen. Eine spätere
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Dementsprechend ist sie von seinem Einkommen abzusetzen. Eine spätere
Geltendmachung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs scheidet dann aber
wegen des Verbots der Doppelverwertung aus (vgl. OLG Bremen, FamRZ 2008, 1443).
Abzugsfähig ist hier somit die gesamte Kreditrate für das Haus mit rund 730 €, ebenso
die an die …bank zu zahlende Kreditrate mit 403 €.
8.
730 € Hauskredit - 403 € …bankkredit) in die Unterhaltsberechnung ein. Setzt man
hiervon 1/7 als Erwerbstätigenbonus ab (vgl. Nr. 15.2 der genannten Leitlinien),
verbleiben 1.532 €. Nach Hinzusetzen des Wohnvorteils von 250 € ergeben sich 1.782 €.
Setzt man hiervon die Einkünfte der Klägerin mit 850 € (= 600 € Arbeitslosengeld I +
250 € Wohnvorteil) ab, verbleiben 932 €. Die Hälfte hiervon, also 466 €, stellt ihren
ungedeckten Unterhaltsbedarf dar.
9.
nicht in Betracht. Unstreitig zahlt der Beklagte der Klägerin keinen Barunterhalt. Der
Betrag von 500 € ist im vorliegenden Verfahren nur im Zusammenhang mit den vom
Beklagten geleisteten Kreditraten genannte worden. Da die Kreditraten aber, wie unter
7. dargelegt, vollständig vom Einkommen des Beklagten abzusetzen sind, kann eine
nochmalige Anrechnung auf den Unterhaltsbedarf der Klägerin nicht erfolgen.
10.
Sein Eigeneinkommen beläuft sich auf 2.037 € (= 1.787 € + 250 €). Ein
Erwerbstätigenbonus ist bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit nicht abzusetzen (Nr.
21.1. der Leitlinien). Unter Berücksichtigung des billigen Selbstbehalts von 1.000 € (Nr.
21.4 der Leitlinien) verbleibt für Unterhaltszwecke ein Betrag von 1.037 €, sodass der
errechnete Unterhaltsbedarf der Klägerin ohne weiteres gedeckt werden kann.
11.
Abs. 3 BGB wegen verfestigter Lebensgemeinschaft kann nicht angenommen werden.
Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin, was sie bestreitet, einen Lebensgefährten hat.
Ein Härtegrund ist nämlich erst dann gegeben, wenn eine gewisse Mindestdauer, die im
Einzelfall kaum unter zwei bis drei Jahren liegen kann, festzustellen ist (vgl. BGH, FamRZ
2007, 1303 ff., Rz. 30). Insoweit trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast (vgl.
Wendl/Dose, a.a.O., § 6, Rz. 712). Der Beklagte hat aber bislang keine Angaben zur
Dauer der von ihm behaupteten Beziehung der Klägerin zu einem neuen
Lebensgefährten gemacht.
12.
ihrem Einkommen von 600 € den Unterhaltsfreibetrag von 386 € und die im
Prozesskostenhilfeverfahren 3 F 420/07 festgesetzten Monatsraten von 45 € (vgl. hierzu
FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 237) ab, verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 169 €.
Nach der Tabelle in § 115 Abs. 2 ZPO sind monatliche Raten von 60 € zu leisten.
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