Urteil des OLG Brandenburg vom 18.02.2005
OLG Brandenburg: stammeinlage, aufrechnung, geschäftsführer, gesellschafter, kapitaleinlage, fehlbetrag, stammkapital, besitz, urkunde, rückübertragung
1
2
3
4
5
6
7
8
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 38/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 19 Abs 1 GmbHG, § 119 Abs 2
BGB, § 121 BGB, § 387 BGB
Leistung einer Stammeinlage durch Aufrechung mit einer
Forderung gegenüber der Gesellschaft
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.2.2005 verkündete Urteil der 5.
Zivilkammer des Landgerichts Cottbus teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 1.) wird verurteilt, an die Klägerin 12.782,30 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit
dem 22.10.2003 zu zahlen.
Von den in beiden Instanzen entstandenen Gerichtskosten tragen die Beklagte zu 1.)
und die Klägerin jeweils 50 %, die durch die Beweiserhebung entstandenen
Gerichtskosten trägt die Beklagte zu 1.) allein. Von den in beiden Instanzen
entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1.) 50 %. Die
Klägerin trägt die in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten des
Beklagten zu 2.). Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klägerin ist aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus vom 2.6.2003 (Bl. 6 d.
A.) Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. F.- und W.
Vertriebsgesellschaft (Insolvenzschuldnerin). Sie begehrt von den Beklagten die Zahlung
der Stammeinlage in Höhe von 25.000 DM.
Die Insolvenzschuldnerin wurde mit Vertrag vom 27.6.1994 mit einem Stammkapital von
50.000 DM gegründet. Der Beklagte zu 2.) gehörte mit einem Geschäftsanteil von
40.000 DM zu den drei Gründungsgesellschaftern. Der Gründungsgesellschafter K. wurde
zum Geschäftsführer bestellt.
In den Bilanzen der Insolvenzschuldnerin war das Stammkapital bis zum Jahr 1998 in
Höhe von 25.000 DM als ausstehend ausgewiesen. Der Jahresabschluss zum 31.12.1998
(Bl. 8-22 d. A.) weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von
187.388,90 DM aus.
Am 26.2.1999 schlossen die Insolvenzschuldnerin, vertreten durch den
Geschäftsführer K., und der Beklagte zu 2.) eine Vereinbarung (Bl. 40 d. A.). Darin heißt
es:
Die rückständigen Verbindlichkeiten der (Insolvenzschuldnerin) betragen für die
Jahre
Dieser Betrag reduziert sich um 25.000,00 DM, um damit die noch fehlende
Kapitaleinlage abzudecken. Der Restbetrag der rückständigen Verbindlichkeiten in Höhe
von 141.062,20 DM ausgenommen die laufenden Pachtzahlungen, wird erlassen.
Im Jahresabschluss zum 31.12.1999 (Bl. 23-39 d. A.) ist das Stammkapital als in voller
Höhe eingezahlt bezeichnet und der erlassene Betrag von 141.062,20 DM als
außerordentlicher Ertrag verbucht. Dieser Jahresabschluss weist einen nicht durch
Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 183.030,40 DM aus. Der Fehlbetrag betrug im
Jahr 2000 296.603,31 DM.
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Der Beklagte zu 2.) übertrug seinen Geschäftsanteil an der Insolvenzschuldnerin durch
notariellen Vertrag vom 30.4.1999 (Bl. 58-61 d. A.) an die Beklagte zu 1.).
Mit Vertrag vom 5.2.2002 übertrug der Gesellschafter und Geschäftsführer K. seinen
Geschäftsanteil von 5.000 DM an die Beklagte zu 1.).
Die Klägerin hat ursprünglich nur die Beklagte zu 1.) in Anspruch genommen, dann aber
die Klage erweitert und auch Klage gegen den Beklagten zu 2.) erhoben.
Die Beklagte zu 1.) ist Rechtsanwaltsgehilfin, der Beklagte zu 2.) Rechtsanwalt, sie sind
geschiedene Eheleute. Der Beklagte zu 2.) vertritt beide Beklagte im Rechtsstreit.
Die Klägerin hat gemeint, in der Vereinbarung vom 26.2.1999 liege eine unzulässige
Verrechnung der Stammeinlagenforderung mit Forderungen des Beklagten zu 2.). Eine
Aufrechnung scheide auch wegen der Regelungen über den Eigenkapitalersatz aus. Die
Erklärung vom 26.2.1999 habe den Grund gehabt, die offensichtliche Überschuldung der
Insolvenzschuldnerin zu beseitigen. Die Stammeinlage sei in Höhe von 25.000 DM noch
nicht bezahlt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 12.782,30 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 22.10.2003 zu
zahlen,
2. festzustellen, dass Rechtsstreit gegenüber der Beklagten zu 1.) erledigt ist für
den Fall, dass das Gericht die Anfechtungserklärung der Beklagten zu 1.) bezüglich des
Anteilsübertragungsvertrages vom 30.4.1999 als wirksam ansieht.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 1.) hat vorgetragen, aufgrund der Vereinbarung vom 26.2.1999 seien
zwei Zahlungen erfolgt, eine Zahlung der Stammeinlage durch den Beklagten zu 2.) und
eine Pachtzahlung durch die Insolvenzschuldnerin. Falls in dieser Vereinbarung eine
Aufrechnung gesehen werden sollte, habe diese nicht der Beklagte zu 2.), sondern die
Gesellschaft erklärt.
Sie, die Beklagte zu 1.), habe den Geschäftsanteil des Beklagten zu 2.) unter der
Voraussetzung erworben, dass die Einlage geleistet sei. Sollte gerichtlich festgestellt
werden, dass die volle Einlage nicht wirksam geleistet sei, behalte sie sich vor, von dem
Vertrag wegen Irrtums zurückzutreten. Sie sei dann nicht Gesellschafterin und damit
nicht passiv legitimiert.
Der Beklagte zu 2.) hat behauptet, die Pachtzinsforderung sei wirtschaftlich vollwertig
gewesen, die Insolvenzschuldnerin habe ab 1998 die Pacht immer bezahlt. Die
Insolvenzschuldnerin habe alle Verbindlichkeiten ausgenommen diejenigen ihm
gegenüber pünktlich bedient. Nach dem 26.2.1999 sei die Insolvenzschuldnerin
schuldenfrei gewesen. Die Stammeinlagenforderung sei dagegen im Jahr 1999 noch
nicht fällig gewesen, weil kein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst worden
sei. Die Insolvenzschuldnerin habe noch bis ins Jahr 2003 mit einem ihr eingeräumten
Kredit gearbeitet.
Das Landgericht hat den Beklagten zu 2.) verurteilt und die Klage gegen die Beklagte zu
1.) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte zu 2.) hafte jedoch
nicht als Veräußerer nach § 16 Abs. 3 GmbHG, weil die zweite Hälfte der Stammeinlage
mangels Vorliegens eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses vor der
Veräußerung des Geschäftsanteils an die Beklagte zu 1.) nicht fällig gewesen sei. Der
Beklagte zu 2.) hafte aber, weil er weiterhin Gesellschafter sei. Die Beklagte zu 1.) habe
den Geschäftsanteilsübertragungsvertrag wirksam wegen Irrtums angefochten. Die
vollständige Zahlung der Stammeinlage sei nicht belegt. Mit der Vereinbarung vom
26.2.1999 könne die Verpflichtung zur Zahlung der Stammeinlage nicht erfüllt werden,
weil dem das Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG entgegenstehe. Die
Beklagte zu 1.) hafte nicht, weil sie nicht Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin
geworden sei.
Gegen dieses Urteil, ihr zugestellt am 22.2.2005, hat die Klägerin durch bei Gericht am
14.3.2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 23.5.2005
eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf
ihren am 11.4.2005 eingegangenen Antrag bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Auch der Beklagte zu 2.) hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. Die
Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25.10.2005 die
Klage gegen ihn zurückgenommen.
Die Klägerin meint, die Beklagte zu 1.) habe die Gesellschafterstellung durch die
Anfechtungserklärung nicht verlieren und sich damit nicht von der
Stammeinlagenverpflichtung befreien können.
Die Klägerin trägt vor, die Pachtzinsforderungen des Beklagten zu 2.) seien wirtschaftlich
nicht vollwertig gewesen, dies ergebe sich schon aus der Vereinbarung vom 26.2.1999
selbst.
Diese Forderungen seien uneinbringlich gewesen, nur deshalb habe der Beklagte zu 2.)
darauf verzichtet. Die Restforderung in Höhe von 25.000 DM sei genauso wenig
einbringlich gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 18.2.2005 abzuändern und die Beklagte
zu 1.) zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 12.782,30 € nebst Zinsen von 5 % über
dem Basiszinssatz der EZB seit dem 22.10.2003 zu verurteilen.
Die Beklagte zu 1.) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 1.) hält das landgerichtliche Urteil für richtig. Die restliche
Pachtzinsforderung des Beklagten zu 2.) in Höhe von 25.000 DM sei am 26.2.1999
wirtschaftlich vollwertig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 15.11.2006 durch Einholung
eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen N..
Über die Berufung des Beklagten zu 2.) war nicht mehr zu entscheiden, da die Klägerin
die gegen ihn gerichtete Klage mit seiner Zustimmung zurückgenommen hat und damit
sein Rechtsmittel gegenstandslos geworden ist.
Zu entscheiden war allein noch über die Berufung der Klägerin. Ihre gemäß den §§ 517,
520 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1.) ein Anspruch gemäß § 19 Abs. 1 GmbHG
auf Zahlung der Stammeinlage in Höhe der Klageforderung zu.
Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1.) ist nicht deshalb ausgeschlossen,
weil die Beklagte zu 1.) den Geschäftsanteilskaufvertrag wegen eines
Eigenschaftsirrtums angefochten hätte.
Die Anfechtungserklärung ist eine Gestaltungserklärung und als solche
bedingungsfeindlich. Die Anfechtungserklärung der Beklagten zu 1.) ist schon deshalb
unwirksam, weil sie bedingt abgegeben worden ist. Sie ist davon abhängig gemacht
worden, dass die Stammeinlage nicht gezahlt worden ist.
Die Anfechtungserklärung ist auch deshalb unwirksam, weil sie nicht von der Beklagten
zu 1.) gegenüber dem Beklagten zu 2.) abgegeben worden ist, sondern von dem
Beklagten zu 2.) für die Beklagte zu 1.) gegenüber der Klägerin.
Im Übrigen ist die Anfechtungsfrist verstrichen. Die Beklagte zu 1.) wusste aus dem
Schreiben der Klägerin vom 22.10.2003, dass diese die Auffassung vertrat, die
Stammeinlage sei nicht gezahlt. Die Irrtumsanfechtung im Prozess erfolgte am
24.2.2004 und damit nicht mehr unverzüglich gemäß § 121 BGB.
Im Übrigen hat sich die Beklagte zu 1.) nicht in rechtserheblicher Weise geirrt. Denn
nach ihrem eigenen Vorbringen im Berufungsverfahren wusste sie von der Vereinbarung
vom 26.2.1999. Sie hat möglicherweise gemeint, diese sei geeignet, die
43
44
45
46
47
48
49
50
vom 26.2.1999. Sie hat möglicherweise gemeint, diese sei geeignet, die
Stammeinlagenverpflichtung des Beklagten zu 2.) zum Erlöschen zu bringen. Darin liegt
ein unbeachtlicher und nicht zur Anfechtung berechtigender Motivirrtum.
Selbst wenn die Anfechtungserklärung trotz der vorgenannten Gründe wirksam sein
sollte, beeinträchtigt die Anfechtung des Kaufvertrages nicht das Verfügungsgeschäft,
mit dem der Beklagte zu 2.) seinen Geschäftsanteil an die Beklagte zu 1.) übertragen
hat. Die Beklagte zu 1.) verliert die Gesellschafterstellung nicht mit einer Anfechtung des
Grundgeschäftes, sondern erst mit einer Rückübertragung des Geschäftsanteils an den
Beklagten zu 2.). Eine solche Rückübertragung an den Beklagten zu 2.) hat die Beklagte
zu 1.) nicht vorgetragen.
Die Beklagte zu 1.) ist als Gesellschafterin verpflichtet, die Stammeinlagenverpflichtung,
die durch die Einforderung der Klägerin fällig geworden ist, zu erfüllen. Denn sie ist
weiterhin offen.
Die Beklagte zu 1.) beruft sich gegenüber der von der Klägerin geltend gemachten
Stammeinlagenforderung der Insolvenzschuldnerin vergeblich darauf, dass der Beklagte
zu 2.) die Stammeinlage bereits im Jahre 1999 erbracht habe.
Zwar haben die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte zu 2.) am 26.2.1999 eine
Vereinbarung über die Verrechnung der restlichen Stammeinlagenforderung mit
Forderungen des Beklagten zu 2.) getroffen. Dadurch konnte die restliche
Stammeinlagenverpflichtung des Beklagten zu 2.) jedoch nicht zum Erlöschen gebracht
werden.
Die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte zu 2.) haben am 26.2.1999 unter der
Überschrift "Vereinbarung" folgendes geregelt: "Die rückständigen Verbindlichkeiten der
(Insolvenzschuldnerin) betragen ... 166.062,20 DM. Dieser Betrag reduziert sich um
25.000,00 DM, um damit die noch fehlende Kapitaleinlage abzudecken. Der Restbetrag
der rückständigen Verbindlichkeiten in Höhe von 141.062,20 DM ... wird erlassen." Diese
Vereinbarung haben der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und der Beklagte zu
2.) unterschrieben. Danach ist davon auszugehen, dass die Insolvenzschuldnerin und
der Beklagte zu 2.) sich darüber einig waren, dass dem Beklagten zu 2.) gegen die
Insolvenzschuldnerin eine die restliche, noch nicht fällige Stammeinlage weit
übersteigende Forderung zustand, der Großteil der Forderung erlassen wird und der Rest
die Kapitaleinlage „abdecken“ soll.
Die darin liegende Aufrechnung verstößt nicht gegen § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Diese
Vorschrift untersagt lediglich eine einseitige Aufrechnungserklärung des Gesellschafters
gegenüber der GmbH. Sie untersagt der GmbH jedoch nicht, ihrerseits eine Aufrechnung
zu erklären oder aber mit einem ihrer Gesellschafter eine Aufrechnung zu vereinbaren
(so auch BGH NJW 2003, 825, 826). Eine Aufrechnung der Insolvenzschuldnerin wäre
mithin ebenso zulässig wie eine in ihrem Einverständnis erklärte Aufrechnung des
Beklagten zu 2.). Welche der beiden Varianten hier vorliegt, braucht deshalb nicht
entschieden zu werden. Dass die Gesellschaft entweder selbst eine
Aufrechnungserklärung abgegeben hat bzw. einer Aufrechnungserklärung des Beklagten
zu 2.) zugestimmt hat, ergibt sich aus der Urkunde vom 26.2.1999. Dass dem Beklagten
zu 2.) Forderungen gegen die GmbH zugestanden haben, ergibt sich aus der genannten
Urkunde ebenfalls. Dass diese Gegenforderungen bestanden haben, ist im Übrigen
unstreitig.
Voraussetzung für eine wirksame Aufrechnung ist allerdings, dass die Gegenforderung
des Gesellschafters wirtschaftlich vollwertig ist. Dies ist hier nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht der Fall wie der Sachverständige N. in seinem schriftlichen
Gutachten und in seinen mündlichen Erläuterungen seines Gutachtens im Termin zur
mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt hat.
Zwar haben dem Gutachter bei Erstellung seines Gutachtens die
Buchhaltungsunterlagen nicht vorgelegen. Er konnte deshalb auf den Stichtag 26.2.1999
keine gutachterliche Aussage über die Überschuldung der Insolvenzschuldnerin bzw. ihre
Zahlungsunfähigkeit treffen. Er hat jedoch nachvollziehbar dargelegt, dass er aus den
Jahresabschlüssen zum 31.12.1998 und 31.12.1999 bei Unterstellung eines in 1999
linearen unterjährigen Geschäftsverlaufs eine Aussage zur wirtschaftlichen Situation der
Insolvenzschuldnerin treffen kann. Danach lag bei der Insolvenzschuldnerin am Stichtag
sowohl Überschuldung als auch eine Liquiditätsunterdeckung vor. Dies hat der
Sachverständige im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 6.3.2007 in seinem
Gutachten und in seinen mündlichen Erläuterungen rechnerisch nachvollziehbar
erläutert.
51
52
53
54
55
56
57
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten zu 1.) rechtfertigt weder eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung noch einen erneuten Eintritt in die
Beweisaufnahme.
Die Beklagte zu 1.) hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung im
Berufungsverfahren nunmehr die Buchhaltungsunterlagen für das Jahr 1999 vorgelegt.
Dabei hat sie nicht erläutert, wie sie in den Besitz dieser Unterlagen gelangt ist und
warum ihr die Vorlage dieser Unterlagen nicht schon früher möglich gewesen wäre. Dies
ist umso erstaunlicher, als der Beklagte zu 2.), ihr Prozessbevollmächtigter, in seiner
Berufungsbegründung noch gerügt hat, dass der Klägerin die Vorlage dieser Unterlagen
durch das Landgericht nicht aufgegeben worden ist. Die Beklagten haben im bisherigen
Rechtsstreit durchgehend behauptet, die Klägerin sei im Besitz der
Buchhaltungsunterlagen für das Jahr 1999. Die Klägerin hat dies in Abrede gestellt.
Dass die Vorlage der Unterlagen ungewöhnlich spät erfolgt ist, spielt jedoch für die
Entscheidung des Rechtsstreits letztlich keine Rolle. Diese Buchhaltungsunterlagen
ergeben nichts, was das Gutachten des Sachverständigen N. entkräften könnte. So hat
die Beklagte zu 1.) unter Auswertung dieser Unterlagen bestätigt, dass Ende Februar
1999 eine Kapitalunterdeckung bestand. Diese beziffert sie mit 64.561,20 DM. Der
Sachverständige ging bei linearer Berechnung von einer Unterdeckung in einem etwas
darüber liegenden Umfang aus. Jedenfalls kann auch bei einer Liquiditätsunterdeckung in
Höhe von 64.561,20 DM nicht davon ausgegangen werden, dass die nach Aufrechnung
verbliebene Pachtzinsforderung des Beklagten zu 2.) wirtschaftlich vollwertig war.
Soweit die Beklagte zu 1.) nunmehr, teilweise erstmals, behauptet, verschiedene
Forderungen seien nicht fällig, weil sie gestundet gewesen seien, sie könnten deshalb
nicht in den Liquiditätsstatus einbezogen werden, ist dies nicht ausreichend substantiiert
und einer Beweisaufnahme zugänglich dargetan. Einzelheiten zu
Stundungsvereinbarungen zwischen der Herstellungs GmbH, dem Fleischlieferanten M.
und einer nicht näher bezeichneten Bank sind nicht vorgetragen. Auch der Vortrag zu
einer unbefristeten Stundung der Pachtzinsansprüche des Beklagten zu 2.) ist nicht
ausreichend präzise, um in die Beweisaufnahme einzutreten. Hinsichtlich der zuletzt
genannten Behauptung gilt dies vor allem deshalb, weil erstinstanzlich die
Beklagtenseite noch vorgetragen hatte, dass die Pachtzinsansprüche des Beklagten zu
2.) seit 1998 stets befriedigt worden seien. Eine dennoch angeordnete Beweisaufnahme
würde einen Ausforschungsbeweis darstellen. Im Übrigen fehlt es an einem Beweisantritt
dafür, dass Forderungen eines Bankinstituts nicht fällig waren.
Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8
EGZPO in der Fassung des 2. Justizmodernisierungsgesetzes.
Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung
der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum