Urteil des OLG Brandenburg vom 23.03.2006
OLG Brandenburg: treu und glauben, geschäftsverbindung, girovertrag, anschrift, pfändung, erfüllung, sammlung, beweislast, link, fett
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 59/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 829 ZPO, § 835 ZPO
Zwangsvollstreckung: Prüfungspflichten der Bank bei
Zahlungen von einem Girokonto auf Grund eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses
Tenor
Die Berufung der Streithelferin der Beklagten gegen das am 23. März 2006 verkündete
Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus (2 O 392/05) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Streithelferin der Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt Schadensersatz aus Girovertrag in Höhe eines Betrages, den die
Beklagte nach seiner Auffassung zu Unrecht auf Grund eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses von seinem Konto bei der Beklagten überwiesen hat.
Wegen der Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 23.3.2006
Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig und begründet.
Die Klage sei nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil der wirtschaftliche
Sinn der Klage nicht ohne weiteres erkennbar sei. Das Rechtsverhältnis zwischen dem
Kläger und der Streithelferin der Beklagten sei isoliert von dem Rechtsverhältnis zur
Beklagten zu betrachten. Auch eine eventuelle wirtschaftliche Unsinnigkeit der Klage
würde nicht zu ihrer Unzulässigkeit führen.
Die Klage sei begründet, weil nicht eindeutig festgestellt werden könne, dass der
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 16.6.2002 auch Forderungen des Klägers
erfasst habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Streithelferin der Beklagten mit der Berufung, mit
der sie die Abweisung der Klage erreichen will.
Sie meint, zutreffend habe das Landgericht angenommen, dass für den Fall, dass der
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ihre - der Streithelferin der Beklagten -
Forderung nicht umfassen sollte, entweder durch die Zahlung seitens der Beklagten
keine Erfüllung in entsprechender Höhe eingetreten wäre oder aber bei einer
Rückzahlung des Betrages eine Erfüllungswirkung rückwirkend wieder entfallen würde. In
beiden Fällen sei der Kläger verpflichtet, einen Betrag in Höhe des ausgeurteilten an sie,
die Streithelferin der Beklagten, zu zahlen. Die Klage sei deshalb wegen Verstoßes
gegen Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich und mithin unzulässig. Die Klage verstoße
außerdem gegen den Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit, weil der Kläger etwas
fordere, was ihm nicht zustehe. Die vom Landgericht angeführten nachvollziehbaren
Gründe für die Klage seien spekulativ.
Die Pfändung sei auch wirksam. Sie, die Streithelferin der Beklagten, habe nicht nur das
angegebene Konto pfänden lassen wollen. Dieses habe sie nur erwähnt, weil ihr nur
dieses bekannt gewesen sei und sie der Drittschuldnerin die Bearbeitung habe
erleichtern wollen. Entsprechend dem Wortlaut des Pfändungs- und
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erleichtern wollen. Entsprechend dem Wortlaut des Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses habe sich die Pfändung auf Forderungen aus der gesamten
Geschäftsverbindung zwischen den beiden Schuldnern und der Drittschuldnerin beziehen
sollen.
Die Streithelferin der Beklagten beantragt,
das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 23.3.20065 – 2 O 392/05 – aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Unerheblich dafür ist, ob die
Klage möglicherweise wirtschaftlich unsinnig ist, weil entweder die Zahlung der Beklagten
an deren Streithelferin nicht die Erfüllung des gegen den Kläger titulierten Anspruches
bewirkt hat oder die Erfüllungswirkung rückwirkend dadurch entfällt, dass der Kläger
erfolgreich von der Beklagten Zahlung verlangt und auf Grund dessen verpflichtet ist,
einen Betrag in Höhe des ausgeurteilten Betrages an die Streithelferin der Beklagten zu
zahlen. Das gilt schon deshalb, weil das Rechtsschutzbedürfnis nur in Bezug auf das
streitgegenständliche Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu
prüfen ist, nicht in Bezug auf das davon verschiedene Rechtsverhältnis zwischen dem
Kläger und der Streithelferin der Beklagten.
2. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Der
Kläger hat aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung einen
Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm infolge der Vorenthaltung des Guthabens in
Höhe des ausgeurteilten Betrages entstanden ist.
Die Beklagte hat ihre dem Kläger gegenüber bestehenden Pflichten aus dem Girovertrag
schuldhaft verletzt, indem sie sich weigerte, diesem sein Guthaben auszuzahlen. Als
Bank war sie gehalten, die Interessen des Klägers als ihres Kunden mit Sorgfalt zu
wahren und zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1992, IX ZR 226/91, Rn. 34, zitiert
nach Juris). Diesem Gebot ist sie nicht hinreichend nachgekommen.
a) Anerkanntermaßen ist von einer Bank zu erwarten, dass sie einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss auch daraufhin überprüft, ob er nach seinen äußeren
Merkmalen den gesetzlichen Anforderungen entspricht (BGH a.a.O.). Erst recht und
zwangsläufig muss die Bank jedoch prüfen, welche Forderungen überhaupt vom
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfasst sind. Denn nur daraufhin kann sie
gestützt auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über die Forderung des
Kontoinhabers aus Guthaben verfügen.
b) Wie bereits das Landgericht mit zutreffender Begründung angenommen hat, kann
nicht festgestellt werden, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom
16.6.2002 auch Forderungen des Klägers erfasst.
Allerdings ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss in der
Zwangsvollstreckungssache auch gegen den Kläger ergangen. Das besagt aber noch
nicht, dass Forderungen gegen beide Schuldner gepfändet und zur Einziehung
überwiesen wurden.
Dagegen spricht bereits, dass nur die Anschrift des weiteren GbR-Gesellschafters He.
fett gedruckt wurde. Danach muss in Betracht gezogen werden, dass der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss nur Forderungen dieses Schuldners erfassen soll.
Bei der nachfolgenden Bezeichnung der gepfändeten Forderung wird zuerst das im
Einzelnen bezeichnete Konto des weiteren Schuldners M. He. unter ausdrücklicher
Nennung seines Namens erwähnt, um erst dann darauf hinzuweisen, dass sämtliche
Ansprüche aus der Geschäftsverbindung gepfändet sein sollen. Das kann in Ansehung
der Abfolge der Forderungsbezeichnungen zwanglos dahin verstanden werden, dass mit
„Geschäftsverbindung“ nur der zuvor bezeichnete Girovertrag gemeint ist, allenfalls die
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„Geschäftsverbindung“ nur der zuvor bezeichnete Girovertrag gemeint ist, allenfalls die
Geschäftsverbindung mit dem namentlich erwähnten Kontoinhaber M. He., dessen
Anschrift im Rubrum des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch Fettdruck
hervorgehoben ist, nicht jedoch auch die Geschäftsverbindung des Klägers. Denn es
wurden nicht – wie es unschwer möglich gewesen wäre - allgemein Ansprüche aus
Geschäftsverbindung mit beiden Schuldnern als gepfändet zuerst erwähnt, um dann
durch einen den Beispielscharakter der Erwähnung deutlich machenden Zusatz wie
„insbesondere“ darauf hinzuweisen, dass Ansprüche (auch) aus dem genau
bezeichneten Girovertrag gepfändet werden.
Vor diesem Hintergrund verbleiben zumindest Zweifel, ob auch Ansprüche des Klägers
gepfändet worden sind.
c) Die Beklagte hätte dies nach gebotener sorgfältiger Prüfung auch erkennen können.
d) Der Anspruch ist nicht auf Grund eines Saldoanerkenntnisses des Klägers
ausgeschlossen. Ein etwaiges Saldoanerkenntnis führt allenfalls zu einer Umkehr der
Darlegungs- und Beweislast für die Fehlbuchung. Zutreffend hat bereits das Landgericht
darauf hingewiesen, dass alle maßgeblichen Tatsachen unstreitig sind, sodass es hierauf
nicht ankommt.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat,
noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 II Nr. 1 und 2 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.867,50 € festgesetzt.
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