Urteil des OLG Brandenburg vom 29.11.2006
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 5/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 320 Abs 1 BGB, § 301 ZPO, §
538 Abs 2 S 1 Nr 7 ZPO
Verfahrensrecht: Zulässigkeit eines Teilurteils bei der Gefahr
einander widersprechender Entscheidungen in Teil- und
Schlussurteil im Zusammenhang mit einem Fahrzeugkaufvertrag
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird die Sache unter Aufhebung des am 29. November
2006 verkündeten Teilurteils der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Potsdam und des dem Teilurteil zugrunde liegenden Verfahrens an das Landgericht
Potsdam zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
Die Entscheidung über die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem
Landgericht vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung des mit 44.000,00 € netto (=
51.040,00 € brutto) vereinbarten Kaufpreises für einen Lkw und einen Anhänger, den die
Beklagte im Zuge des Verkaufs von Lkw an den Kläger am 12.05.2005 angekauft hat.
Die vom Kläger erworbenen drei Lkw wurden ausgeliefert und vollständig bezahlt. Der
Kläger übergab der Beklagten am 11.01.2006 den streitgegenständlichen Lkw nebst
Anhänger. Die vom Kläger unter dem Datum des 01.03.2006 gestellte Rechnung über
51.040,00 € - dem Betrag der Klageforderung - bezahlte die Beklagte nicht.
Die Beklagte ist der Klageforderung „sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach
entgegengetreten“ und hat hierzu behauptet, der Kläger habe nicht den geschuldeten
Lkw mit Jumboaufbau, sondern einen solchen Wechselbrückenaufnahme geliefert.
Hieraus ergäbe sich eine Wertminderung von etwa 2.000,00 € netto. Ferner habe die
vom Kläger schuldhaft verzögerte Übergabe des Fahrzeuges an die Beklagte zu einem
Wertverlust im Umfang von 24 % des vereinbarten Verkaufspreises geführt. Schließlich
seien für die Herstellung des vertraglich vereinbarten Zustandes des Fahrzeugs
Reparaturkosten von mehr als 10.000,00 € aufzuwenden.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Teilurteil vom 29.11.2006 der Klage im
Umfang von 25.016,04 € nebst Zinsen seit dem 15.03.2006 stattgegeben und hierzu
ausgeführt, dass die Klage mangels weitergehender Einwendungen der Beklagten
jedenfalls in Höhe des ausgeurteilten Betrages (vereinbarter Kaufpreis abzgl. der von der
Beklagten beanspruchten Abzugspositionen) begründet sei.
Das Teilurteil des Landgerichts Potsdam ist der Beklagten am 04.12.2006 zugestellt
worden. Sie hat gegen das Urteil am 04.01.2007 Berufung eingelegt, die sie nach
Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis zum 05.03.2007 am
02.03.2007 begründet hat. Mit der Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin die
Klageabweisung. Sie weist darauf hin, dass sie sich gegen die Klageforderung auch dem
Grunde nach, mithin insgesamt verteidigt und insbesondere ausdrücklich erklärt habe,
dass dem Kläger keineswegs ein unstreitiger Teilbetrag zustehe. Sie habe zwar keinen
Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, jedoch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages
erhoben.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des am 29.11.2006 verkündeten Teilurteils des
Landgerichts Potsdam, dieses in Verbindung mit dem Beschluss des Landgerichts
Potsdam vom 10.01.2007, abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten führt zu einer Aufhebung des angefochtenen
Urteils und des ihm zugrunde liegenden Verfahrens und zur Zurückverweisung an das
Landgericht.
Die Zurückverweisung unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens erfolgt gem. §
538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO.
Nach dieser Bestimmung darf das Berufungsgericht die Sache, soweit ihre weitere
Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das
Gericht des Rechtszuges zurückverweisen, wenn das angefochtene Urteil ein entgegen
den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil ist. Eines hierauf gerichteten
Parteiantrages bedarf es gem. § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO nicht.
Das angefochtene Urteil ist entgegen den Voraussetzungen des § 301 Abs. 1 ZPO
erlassen worden.
Nach § 301 Abs. 1 ZPO kann durch Teilurteil entschieden werden, wenn von mehreren in
einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines
einheitlichen Anspruchs zur Endentscheidung reif ist. Danach ist ein Teilurteil über den
hier in Streit stehenden einheitlichen Kaufpreiszahlungsanspruch zwar grundsätzlich
möglich. Es ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
unzulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen im Teil- und
Schlussurteil besteht, wobei in die Beurteilung der Widerspruchsfreiheit die Möglichkeit
einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug in die Beurteilung einzubeziehen ist
(BGH NJW 2004, 1452; 2001, 155 ; BGHZ 107, 236/242 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall ist die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht
auszuschließen.
Das Landgericht hat sich - wie der Berichtigungsbeschluss vom 10.01.2007 zeigt - von
der Vorstellung leiten lassen, die Beklagte habe zwar die Klageforderung dem Wortlaut
nach dem Grunde nach bestritten, tatsächlich aber ihr Verteidigungsvorbringen auf
Kaufpreisminderung gestützt und insbesondere keinen Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Diese rechtliche Würdigung der Rechtsverteidigung der Beklagten ist in Ansehung des
Wortlautes der Klageerwiderung unzutreffend.
Die Klageerwiderung in Verbindung mit dem von dieser in Bezug genommenen
außergerichtlichen Schreiben der Beklagten vom 24.04.2006 legt überdies nahe, dass
ein auf die Einrede des nicht (gehörig) erfüllten Vertrages, § 320 Abs. 1 BGB, gestütztes
Leistungsverweigerungsrecht beansprucht werden soll. Ein entsprechendes
Leistungsverweigerungsrecht ist - soweit seine Voraussetzungen vorliegen - zwar nicht
geeignet, die Klageabweisung zu rechtfertigen, würde jedoch zu einer Verurteilung der
Beklagten Zug um Zug führen. Die Einwendung des nicht erfüllten Vertrages erfasst die
Klageforderung zur Gänze, so dass auch deshalb auf der Grundlage des Sach- und
Streitstandes zurzeit der mündlichen Verhandlung, auf die das angefochtene Teilurteil
ergangen ist, die Voraussetzungen für ein Teilurteil nicht vorlagen.
Wenn das Landgericht in Ansehung des - gemäß Beschluss vom 10.01.2007
wahrgenommenen - Wortlauts der Klageerwiderung der Auffassung war, diese
dahingehend auslegen zu können, dass die Beklagte letztendlich nur eine
Kaufpreisminderung geltend machen wolle und unter dieser Voraussetzung ein Teilurteil
in Betracht komme, so hätte es die Parteien hierauf gem. § 139 Abs. 1 ZPO hinweisen
müssen.
Es besteht folglich die konkrete Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen, so dass
der Erlass des Teilurteils schon aus diesem Grunde gegen § 301 Abs. 1 ZPO verstößt.
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Im Übrigen hätte im Hinblick darauf, dass bei sorgfältiger Prüfung des Prozessstoffes
zwar jedenfalls im Ergebnis eine Aufklärungsmaßnahme nach § 139 ZPO offenbar
geworden wäre, dass die Klageforderung tatsächlich nicht nur der Höhe, sondern schon
dem Grunde nach streitig ist, ein Teilurteil über einen fälligen Mindestkaufpreis gem. §
301 Abs. 1 S. 2 ZPO mit einem Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs
ergeben müssen. Daran fehlt es hier.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Berufungsverfahrens ist dem Landgericht
vorzubehalten.
Die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten für das Berufungsverfahren wegen
unrichtiger Sachverhaltung ergeht nach § 21 Abs. 1 GKG.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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