Urteil des OLG Brandenburg vom 29.03.2017

OLG Brandenburg: verzicht, ausschluss, auskunft, beschwerdeinstanz, härte, umrechnung, lebensversicherung, genehmigung, sammlung, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 UF 97/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1587a Abs 1 S 1 BGB, § 1587c
BGB, § 1587o BGB
Versorgungsausgleich: Entschädigungsloser Verzicht auf den
Versorgungsausgleich bei höheren Versorgungsanrechten auf
Grund von Kindererziehungszeiten
Tenor
Der Senat beabsichtigt, im schriftlichen Verfahren die befristete Beschwerde als
unbegründet zurückzuweisen. Insoweit wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer
zwei Wochen
Gründe
I.
Die befristete Beschwerde ist zulässig, soweit mit ihr geltend gemacht wird, der durch
das Amtsgericht durchgeführte Versorgungsausgleich soll nunmehr ausgeschlossen
werden. Soweit in der Beschwerdeinstanz neue Anträge grundsätzlich nicht mehr gestellt
werden können, gilt dies hinsichtlich des Versorgungsausgleiches dann nicht, wenn der
entsprechende Antrag nicht nachträglich beim Familiengericht gestellt werden kann, weil
dieses an seine eigene Entscheidung gebunden ist, §§ 621 e Abs. 3 Satz 2, 318 ZPO
(Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 621 e ZPO, Rn. 53). Deshalb können Anträge zur der
Regelung des Versorgungsausgleichs wegen Unwirtschaftlichkeit in anderer Weise (§
1587 b Abs. 4 BGB, vgl. dazu BGH, FamRZ 1983, 263 f) oder wegen eines Ausschlusses
nach § 1587 c BGB erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellt werden. Nichts anderes
kann dann für einen (teilweisen oder vollständigen) Verzicht auf die Durchführung des
Versorgungsausgleiches (§ 1587o BGB), der erstmals im Rahmen der
Beschwerdeinstanz erklärt wird, gelten.
II.
Gleichwohl besteht nach derzeitigem Stand für die Durchführung der Beschwerde in der
Sache selbst keine Aussicht auf Erfolg. Dies gilt unabhängig davon, dass es bislang an
einer Vereinbarung der Parteien gemäß § 1587o BGB über den beabsichtigten
vollständigen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches fehlt. Selbst
wenn eine solche Vereinbarung formgerecht zu Stande käme, wäre die gemäß § 1587o
Abs. 2 Satz 3, 4 BGB erforderliche Genehmigung durch den Senat zu versagen.
1.
Nach Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 25. April 2005 (Bl. 25 VA-Heft) hat die
Antragstellerin während der Ehezeit i. S. d. § 1587 Abs. 2 BGB - dies ist die Zeit vom 1.
Mai 1999 bis zum 31. Oktober 2004 - angleichungsdynamische Anwartschaften in der
gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 168,99 Euro monatlich erworben.
Ferner steht auf Grund der Auskunft der Beteiligten zu 2. vom 30. März 2006 (Bl. 56 VA-
Heft) fest, dass der Antragsgegner auf die Ehezeit entfallende angleichungsdynamische
Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 85,54 Euro
monatlich erworben hat.
Soweit die Antragstellerin darüber hinaus eine Lebensversicherung führt, handelt es sich
um eine kapital bildende Lebensversicherung (vgl. auch Bl. 13 VA-Heft), die nicht dem
Versorgungsausgleich unterfällt.
2.
Die Ausgleichsbilanz ergibt Folgendes:
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Unter Berücksichtigung dessen hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung
den Versorgungsausgleich zutreffend durchgeführt, indem es den Ausgleichsbetrag von
41,73 Euro im Wege des Splittings (§ 1587b Abs. 1 BGB) zu Lasten des gesetzlichen
Rentenversicherungskontos der Antragstellerin auf das gesetzliche
Rentenversicherungskonto des Antragsgegners übertragen hat. Auch im Übrigen stellt
sich die amtsgerichtliche Entscheidung inhaltlich als zutreffend dar. Zwar ist die
Umrechnung in Entgeltpunkte (Ost) im Tenor allein hinsichtlich der und
nicht, wie es das Gesetz in § 3 Abs. 1 Ziffer 5 VAÜG fordert, hinsichtlich des
angeordnet worden. Dies dürfte aber
angesichts des gewählten Wortlautes unschädlich sein und könnte im Übrigen ohne
weiteres im Wege einer Berichtigung gemäß § 319 ZPO korrigiert werden.
3.
Soweit die Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches verzichten wollen,
geht der Senat derzeit davon aus, dass hier ein vollständiger entschädigungsloser
Verzicht gewollt ist, wie es die Begründung der Beschwerde andeutet. Ein solcher
vollständiger Verzicht ist nach derzeitigen Stand aber nicht genehmigungsfähig im Sinne
des § 1587 o Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB.
a.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Genehmigung gemäß § 1587 o Abs. 2
Satz 4 BGB nur dann verweigert werden soll, wenn unter Einbeziehung der
Unterhaltsregelung und der Vermögensauseinandersetzung offensichtlich die
vereinbarte Leistung nicht zu einer dem Ziel des Versorgungsausgleiches
entsprechenden Sicherung des Berechtigten geeignet oder zu keinem nach Art und
Höhe angemessenen Ausgleich führt. Da das Gesetz dabei an "die vereinbarte Leistung"
anknüpft, geht hieraus erkennbar hervor, dass ein entschädigungsloser Verzicht auf den
Versorgungsausgleich grundsätzlich unzulässig ist (Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl.,
§ 1587 o, Rn. 14).
b.
Gründe, die einen entschädigungslosen Verzicht des Antragsgegners auf die zu
übertragenden angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften von monatlich 41,73
Euro rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar. Weder haben die Parteien solche
dargetan noch können solche Gründe dem Akteninhalt entnommen werden. Dabei ist
zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Ausgleichsbetrag von 41,73 Euro einem
kapitalisierten Betrag von annähernd 9.000 Euro entspricht, wie aus der nachfolgenden
Berechnung hervorgeht:
4.
Ebenso wenig sind Gründe für einen vollständigen oder teilweisen Ausschluss des
Versorgungsausgleiches gemäß § 1587 c BGB erkennbar.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich solcher Ausschlussgründe die vollständige
Darlegungs- und Beweislast derjenige trägt, der sich durch den vollständigen oder
teilweisen Ausschluss begünstigen würde, also der Ausgleichsverpflichtete (BGH, FamRZ
1990, 1341 f.; Borth, FamRB 2006, 171; Göring, FamRB 2005, 195, 196) und damit hier
die Antragstellerin. Gründe, die einen solchen Ausschluss rechtfertigen würden, hat die
Antragstellerin in keiner Weise dargetan.
Auch aus dem Inhalt der Akte gehen solche Ausschlussgründe nicht hervor. Zwar ist
nicht zu verkennen, dass der in der Ehezeit erfolgte unterschiedlich hohe Erwerb von
Rechten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu einem erheblichen Teil darauf
zurückzuführen ist, dass die Antragstellerin einerseits gearbeitet und daneben
Kindererziehungszeiten gutgeschrieben erhalten hat. Nach der erteilten Auskunft der
Beteiligten zu 1. hat sie innerhalb der Ehezeit an gutgeschriebenen
Kindererziehungszeiten insgesamt 2,2839 Entgeltpunkte erworben. Eine unbillige Härte
im Sinne des § 1587 c Nr. 1 BGB rechtfertigt dies jedoch nicht. Eine solche unbillige
Härte liegt nur dann vor, wenn eine rein schematische Durchführung des
Versorgungsausgleiches unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles
Versorgungsausgleiches unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles
dem Grundgedanken des Versorgungsausgleiches, nämlich einer dauerhaft
gleichmäßigen Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen
Versorgungsanrechten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH, FamRZ
2005, 1238). Beruht die Ausgleichspflicht im Wesentlichen auf vorhandene
Kindererziehungszeiten des Ausgleichspflichtigen, kann dies nicht für sich allein den
Ausschluss des Versorgungsausgleiches rechtfertigen (OLG Karlsruhe, FamRZ 2005,
1839). Es müssten vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die hier in keiner Weise
erkennbar bzw. dargetan sind.
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