Urteil des OLG Brandenburg vom 29.03.2017

OLG Brandenburg: grundstück, vernehmung von zeugen, anspruch auf bewilligung, erbengemeinschaft, lebensmittelpunkt, herausgabe, ddr, vorkaufsrecht, verwalter, stadt

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 93/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 894 BGB, § 985 BGB, § 986
BGB, Art 233 § 2a BGBEG, § 5
Abs 1 Nr 3 S 1 SachenRBerG
Sachenrechtsbereinigung: Staatliche Billigung als Voraussetzung
eines Anspruchs auf Recht zum Besitz bei Wohnnutzung einer
Gartenlaube; Nichteinschreiten gegen Schwarzbau als staatliche
Billigung - hier abgelehnt
Tenor
Auf die Berufung des Klägers zu 1. wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt (Oder) – 11 O 84/05 – teilweise, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen,
abgeändert:
Die Beklagten werden verurteilt, die Löschung des unter Ziffer 4 in Abteilung II des
Grundbuchs von B. Blatt 3965 eingetragenen Rechts zum Besitz gemäß Artikel 233 § 2 a
EGBGB zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1/10, der Kläger zu 1. zu
9/10. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten zu 1/10, die
Kläger zu 9/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der
auf Grund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die
vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Kläger sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer des 837 m² großen
Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von B. Blatt 3965, Flur 15, Flurstück 420,
gelegen ...straße 64 in B. (Grundstück).
Das (West-) Grundstück stand gemäß § 6 der VO vom 17.7.1952 unter vorläufiger
staatlicher Verwaltung des Rates der Stadt B. Am 27. Februar 1974 schlossen die
Beklagten mit dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung B. „als staatlichem
Verwalter„ einen Vertrag zur Überlassung eines unbebauten/bebauten unbelasteten
Grundstücks. Gemäß § 2 des Vertrages überließ der Verwalter den Beklagten als
Nutzern das Grundstück zur eigenen Nutzung für persönliche Wohn- oder
Erholungszwecke. Die Nutzer waren danach bei Vorliegen einer staatlichen
Baugenehmigung berechtigt, das Grundstück für diese Zwecke zu bebauen bzw. an den
vorhandenen Gebäuden bauliche Veränderungen vorzunehmen. Gemäß § 7 des
Vertrages war die Vertragsdauer auf 30 Jahre festgesetzt: Er sollte mit Ablauf der 30
Jahre enden, wenn er ein Jahr vor Fristablauf von einem der Vertragspartner gekündigt
wurde; anderenfalls verlängerte er sich um jeweils zehn Jahre. Den Beklagten wurde an
dem Grundstück ein Vorkaufsrecht eingeräumt, welches am 8. Januar 1979 in das
Grundbuch eingetragen wurde.
Am 6. Mai 1974 wurde den Beklagten vom Rat der Stadt B. die Zustimmung Nr. 52/74
zur Errichtung oder Veränderung eines Bauwerkes, und zwar einer massiven 24,65 m²
großen Wohnlaube mit Außenanlagen auf dem Grundstück in B., ...straße 50, zu einer
geschätzten Bausumme von 10.000 M/DDR erteilt. In der Folgezeit errichteten die
Beklagten die Laube. Dabei wurde der Bau größer ausgeführt als es der ihnen 1974
erteilten Bauzustimmung entsprach.
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Unter dem 7. Juli 1991 richteten die Beklagten unter Angabe ihrer Anschrift ...platz 11,
Be. an die damalige Miterbin P. L. ein Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Werte Frau L.! 1974 haben wir das unbebaute Wiesenland in der Gartenkolonie
von der damaligen DDR-Regierung käuflich erworben. Bekamen dann auf Antrag die
Baugenehmigung für eine feste Wohnlaube und bezahlen seit dieser Zeit auch Steuern.
Da wir seit 17 Jahren alles urbar machten mit Obstbäumen, Koniferen und wertvollen
Pflanzen, ist für uns natürlich ein kleines Schmuckstück entstanden, was wir im Sommer
über bewohnen. Wir wollen jetzt einen Antrag auf An- und Umbau stellen um für immer
auf das Grundstück zu ziehen. ...„
In der Folgezeit nahmen die Beklagten an der Wohnlaube Umbauarbeiten vor.
Am 21. Dezember 1994 wurde für die Beklagten im Grundbuch von B. Blatt 3965 in der
II. Abteilung unter lfd. Nr. 3 aufgrund Ersuchens des ARoV ein weiteres Vorkaufsrechte
eingetragen. Ferner wurde am 6. Juni 2000 unter lfd. Nr. 4 für die Beklagten ein Recht
zum Besitz gemäß Art. 233 § 2 a EGBGB eingetragen.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 machten die Beklagten gegenüber der
Erbengemeinschaft Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz geltend. Ein
daraufhin eingeleitetes notarielles Vermittlungsverfahren wurde von der Notarin durch
Beschluss vom 8. August 2002 ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2002 sprachen die Kläger gegenüber den Beklagten die
Kündigung des Nutzungsverhältnisses aus. Die Beklagten widersprachen der Kündigung
mit Schreiben vom 15.11.2002.
Mit der Klage verlangen die Kläger von den Beklagten Herausgabe des Grundstücks,
Bewilligung der Löschung der im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrechte, des
Vermerks nach Art. 233 § 2 a EGBGB sowie Zahlung eines monatlichen
Nutzungsentgelts bis zur Räumung, sowie das Recht zum jederzeitigen Betreten des
Grundstücks.
Die Beklagten haben behauptet, sie hätten mit Zustimmung des Rates der Stadt B. vom
6. Mai 1974 eine massive Wohnlaube mit einer Wohnfläche von 68,12 m² mit Küche,
Bad, Wohnzimmer und Schlafzimmer, Korridor und überdachter Terrasse, Ofenheizung,
Pumpenanlage, Abwassergrube errichtet und spätestens seit 1975 als Eigenheim
genutzt. Sie hätten zwar ihre Wohnung in Be., eine Dienstwohnung des Beklagten zu 2.,
beibehalten, sich in dieser Wohnung jedoch nur tageweise und lediglich von November
bis Februar auf Grund witterungsbedingter Einflüsse und der damit verbundenen
zahlreichen Bereitschaftsdienste des Beklagten tageweise in der Dienstwohnung
aufgehalten, während sich ihr Lebensmittelpunkt in der ...straße 64 in B. befunden habe.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Vernehmung von Zeugen) die Klage
abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, den Klägern stünden die geltend
gemachten Ansprüche nicht zu, da die Beklagten anspruchsberechtigt nach dem
Sachenrechtsbereinigungsgesetz seien. Im Ergebnis der durchgeführten
Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagten ihren
Lebensmittelpunkt am 2. Oktober 1990 in der ...straße 64 gehabt hätten. Dort habe sich
die Familie, wie die Zeugin K., die Tochter der Beklagten, glaubhaft bekundet habe, jedes
Jahr vom 1. Januar bis zum 31. Dezember aufgehalten. Die Zeugin selbst habe sich in
der Wohnlaube bis November 1983 mit ihren beiden Geschwistern ein Zimmer geteilt.
Behördlich gemeldet sei sie in Be. unter der Anschrift der Stadtwohnung der Eltern
gewesen, wo sie auch zur Schule gegangen sei. In der Stadtwohnung habe sich
überwiegend ihr Vater, wenn er Bereitschaftsdienst gehabt habe, aufgehalten bzw. man
habe dort mal übernachtet habe, wenn man in Be. gewesen sei. Der Zeuge St. habe die
Aussage der Zeugin K. bestätigt, wonach die Wohnung in Be. nur wegen der Arbeit des
Beklagten beibehalten worden sei. In B. habe er gemeinsam mit seiner Familie die
Familie der Beklagten des öfteren besucht und seinerzeit auch als zehnjähriger Junge
mitgeholfen, die Laube zu errichten.
Das von den Beklagten errichtete Gebäude sei, so hat das Landgericht ausgeführt,
obwohl es ziemlich klein sei, auf Grund seiner Ausstattung durchaus geeignet, als
ständiger Wohnsitz zu dienen. Die Wohnfläche betrage 68,12 m², Küche, Bad und
Dusche seien vorhanden und das Haus sei mit Ofenheizung, Wasserversorgung über
Pumpenanlage, Durchlauferhitzer und Stromanschluss ausgestattet.
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Jedenfalls seien die Beklagten, auch wenn ihnen kein Sachenrechtsbereinigungsanspruch
zustehen würde, auf Grund des Überlassungsvertrages, der durch die Kündigung nicht
wirksam beendet worden sei, gemäß § 39 SchuldRAnpG bis zum 31. Dezember 2010
zum Besitz an dem Grundstück berechtigt. Der Überlassungsvertrag sei wirksam und die
Kläger als Vertragspartner in den Vertrag eingetreten. Vor dem 31. Dezember 2010
ausgesprochene Kündigungen seien unwirksam. Auch das Vorkaufsrecht bestehe nach
wie vor, da der Überlassungsvertrag nicht beendet sei. Da auch das
Vermittlungsverfahren nach § 87 ff. Schuldrechtsanpassungsgesetz nicht beendet sei,
sei auch der Vermerk nach Art. 233 § 2 a EGBGB zutreffend. Nutzungsentschädigung
könnten die Kläger nicht beanspruchen, da der Überlassungsvertrag fortbestehe.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger zu 1. mit seiner Berufung, mit der er Verletzung
formellen und materiellen Rechts rügt. Er beanstandet, dass das Landgericht - der
Einzelrichter - den Antrag der Kläger, die Sache wegen des in tatsächlicher sowie in
rechtlicher Hinsicht als schwierig zu beurteilenden Streitstoffs und wegen ihrer
grundsätzlichen Bedeutung der Kammer zur Übernahme vorzulegen, als unbegründet
abgelehnt habe. Ferner rügt er eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung sowie fehlerhafte
rechtliche Würdigung des Sachverhalts.
Der Kläger zu 1. meint nach wie vor, dass der Überlassungsvertrag nichtig sei, da er von
dem VEB Gebäudewirtschaft und nicht von dem Rat der Stadt B. als vorläufigem
Verwalter des Grundstücks abgeschlossen worden sei. Er sei auf eine dem VEB
Gebäudewirtschaft von Anfang an unmögliche Leistung gerichtet gewesen und damit
nichtig. Jedenfalls sei er aber entsprechend den in dem Überlassungsvertrag
vereinbarten Bedingungen wirksam gekündigt worden. Schließlich hätten die Beklagten
nicht bewiesen, dass sie am Stichtag 2. Oktober 1990 ihren Lebensmittelpunkt auf dem
Grundstück gehabt hätten. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei angesichts des
eigenen Schreibens der Beklagten vom 7. Juli 1991 unzutreffend. Die Aussagen der
gehörten Zeugen seien unglaubhaft und nicht in Einklang zu bringen mit dem Schreiben
der Beklagten vom 7. Juli 1991 sowie damit, dass die Beklagten stets unter ihrer Be.
Anschrift mit dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen korrespondiert hätten.
Noch im Jahre 2003 hätten die Beklagten eine von ihnen vor dem Landgericht Frankfurt
(Oder) erhobene Feststellungsklage zurückgenommen, weil sie dort nicht in der Lage
gewesen seien, Beweis anzutreten für ihre Behauptung, sie hätten ihren
Lebensmittelpunkt in B. und nicht in Be. gehabt.
Jedenfalls sei der Überlassungsvertrag von den Klägern wirksam gekündigt worden.
Der Kläger zu 1. beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, das Grundstück ...straße
64, B., eingetragen im Grundbuch von B. Blatt 3965, Flur 15, Flurstück 420 mit einer
Größe von 837 m² zu räumen und geräumt von insbesondere dem von ihnen errichteten
Einfamilienhaus, bestehend aus einem Wohnzimmer, Schlafzimmer, einer Küche, einem
Bad, einer verwinkelten Diele, einer Terrasse, der von ihnen errichteten Garage,
eventuell weiterem Nebengelass, den von ihnen errichteten Wegbefestigungen sowie
den von ihnen angepflanzten Gewächsen nebst deren Halterungen, Abstützungen sowie
von sämtlichem beweglichen Eigentum der Beklagten an die Kläger in ungeteilter
Erbengemeinschaft als Gesamtgläubiger herauszugeben;
2. dem Antrag der Mitglieder der Erbengemeinschaft an das Grundbuchamt auf
Löschung der unter Ziffer 2 und 3 der Abteilung II des Grundbuchs von B. Blatt 3965
eingetragenen Vorkaufsrechte durch Übergabe einer notariellen
Löschungsbewilligungserklärung an die Mitglieder der Erbengemeinschaft als
Gesamtgläubiger zuzustimmen;
3. dem Antrag der Mitglieder der Erbengemeinschaft an das Grundbuchamt auf
Löschung des unter Ziffer 4 der Abteilung II des Grundbuchs von B. Blatt 3965
eingetragenen Rechts zum Besitz gemäß Art. 233 § 2 a EGBGB durch Übergabe einer
notariellen Löschungsbewilligungserklärung an die Mitglieder der Erbengemeinschaft als
Gesamtgläubiger zuzustimmen;
4. ab dem 1. Januar 2005 an die Mitglieder der Erbengemeinschaft als
Gesamtgläubiger als Ausgleich für den Verzugsschaden der Erbengemeinschaft
monatlich einen Betrag in Höhe von 627,75 € bis zur Räumung und Herausgabe des
Grundstücks zu zahlen. Der jeweilige monatliche Schadensersatzbetrag ist jeweils am 3.
eines Monats fällig. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, auf den jeweils
aufgelaufenen Zahlungsrückstand Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem
Basiszinssatz per annum ab der jeweiligen Fälligkeit des jeweiligen Teilbetrags zu zahlen;
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5. bis zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks ...straße 64, B. den
Mitgliedern der Erbengemeinschaft gemeinsam und/oder einzeln sowie den Personen,
denen die Mitglieder der Erbengemeinschaft das Betreten ihres Eigentums gestatten,
nach vorheriger Ankündigung das jederzeitige Betreten des Grundstücks zu gestatten
und es zu vermeiden, das Betreten in jeglicher Weise unmöglich zu machen oder
zumindest zu behindern.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung. Sie
behaupten nunmehr, dass ihr an Frau L. gerichtetes Schreiben vom7. Juli 1991 aus
taktischen Gründen so, wie geschehen, abgesetzt worden sei.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt des angefochtenen
Urteils sowie der von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Die Akten 14 O 275/03 des Landgerichts Frankfurt (Oder) sind beigezogen worden und
zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2, 513, 517, 519, 520 ZPO).
Gemäß § 2039 BGB ist der Kläger berechtigt, zum Nachlass gehörende Ansprüche in
gesetzlicher Prozessstandschaft klageweise geltend zu machen. Er ist daher berechtigt,
im eigenen Namen das erstinstanzliche Urteil mit der Berufung anzufechten.
In der Sache hat die Berufung nur insoweit Erfolg, als die Kläger von den Beklagten
gemäß § 894 BGB die Bewilligung der Löschung des Besitzvermerks nach Artikel 233 § 2
a EGBGB verlangen können. Der Inhalt des Grundbuchs ist in Ansehung dieses Vermerks
zu Lasten der Kläger als Eigentümer des Grundstücks unrichtig. Ein Besitzrecht der
Beklagten aus diesem Grund besteht seit dem 1. Januar 1995 nicht mehr, da die
Beklagten nicht anspruchsberechtigt nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sind.
Den Klägern steht weder ein Recht zum Ankauf des Grundstücks nach § 61 Abs. 1
SachenRBerG noch ein solches auf Annahme eines Angebots zur Bestellung eines
Erbbaurechts gemäß § 32 SachenRBerG zu.
Die Beklagten können einen derartigen Anspruch nicht darauf stützen, dass sie Besitzer
eines Bungalows sind, den sie auf dem ihnen mit Überlassungsvertrag vom 27. Februar
1974 überlassenen Grundstück errichtet haben. Zwar bestehen gegen die Wirksamkeit
des Vertrages, der durch den Rat des Kreises genehmigt wurde, trotz des Umstands,
dass er nicht mit dem Rat der Gemeinde als dem staatlichen Verwalter geschlossen
wurde, keine Bedenken. Denn der VEB Gebäudewirtschaft zählt zu den staatlichen
Organen, so dass ein etwaiger Mangel der Vertretungsmacht gemäß Art. 233 § 4 a Abs.
3 Satz 1 EGBGB geheilt wäre. Der Anspruch der Beklagten scheitert jedoch daran, dass
die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 5 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 e
SachenRBerG nicht erfüllt sind.
Durch den Überlassungsvertrag ist das Grundstück den Beklagten für persönliche Wohn-
und Erholungszwecke überlassen worden. Da sich der Vertrag im Zeitpunkt der
Inbesitznahme des Grundstücks auf die Nutzung zu Erholung- und Freizeitzwecken
beschränkte, ist er gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 EGZGB in ein Vertragsverhältnis nach § 312
ZGB/DDR übergeleitet worden (MünchKomm/Kühnholz § 1 SchuldRAnpG Rdnr. 14). Denn
bei alternativer Nutzungsmöglichkeit ist für die Einordnung des Vertrages die ausgeübte
Nutzung ausschlaggebend (Rövekamp, Schuldrechtsanp., 2. Aufl., Rdnr. 178)
unabhängig davon, dass die Beklagten den Bungalow seit 1975 als Eigenheim genutzt
haben wollen. Bei Abschluss des Überlassungsvertrages war eine Erholungsnutzung und
keine Wohnungsnutzung gewollt. Dies ergibt sich aus dem genehmigten Bauantrag der
Beklagten vom 15. 4. 1974, wonach von den Beklagten lediglich die Baugenehmigung
zur Errichtung einer Laube mit einer Größe von 24,65 m² und AußenWC beantragt
worden ist, was eine dauerhafte Wohnnutzung für eine Familie mit drei Kindern
ausschließt. Grundsätzlich werden derartige Vertragsverhältnisse durch das
SchuldRAnpG in § 1 Abs. 1 Nr. 1 erfasst. Eine Bereinigung nach sachenrechtlichen
Gesichtspunkten scheidet regelmäßig aus (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SachenRBerG). Als
Vertrag gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 SchuldRAnpG wäre der Vertrag nur dann in die
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Vertrag gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 SchuldRAnpG wäre der Vertrag nur dann in die
Sachenrechtsbereinigung einzubeziehen, wenn die Beklagten das Grundstück unter den
Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. e SachenRBerG mit einem
Eigenheim bebaut hätten.
Danach können die Beklagten nur dann in der Sachenrechtsbereinigung berücksichtigt
werden, wenn
- der Bungalow am 2. Oktober 1990 zu Wohnzwecken bestimmt und geeignet war,
- sie den Bungalow bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 zu Wohnzwecken genutzt haben,
d.h. der Bungalow von ihnen nicht nur zeitweise bewohnt worden ist, sondern wenn die
Beklagten dort ihren Lebensmittelpunkt hatten
- diese Nutzung staatlich gebilligt worden ist und
- der Überlassende dieser Nutzung nicht widersprochen hat.
Die geplante Wohnlaube war so, wie geplant und genehmigt, jedenfalls nicht zu
Wohnzwecken bestimmt. Die Beklagten haben zwar behauptet, von vorneherein eine
zum dauernden Aufenthalt geeignete Wohnlaube errichtet und diese auch seit 1975 zum
dauerhaften Bewohnen genutzt zu haben. Das Landgericht hat dies aufgrund der von
ihm gehörten zwei Zeugen auch als bewiesen angesehen.
Der Senat ist jedoch nicht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten
Tatsachen gemäß § 529 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gebunden. Denn konkrete Anhaltspunkte
begründen Zweifel an der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der entscheidungserheblichen
Feststellungen. Das Landgericht hat bei der Feststellung des streitigen Sachverhalts
entgegen § 286 ZPO allein die Aussagen der vernommenen Zeugen zu Grunde gelegt.
Dabei ist der Aussage der Zeugin K., die bis 1983 auf dem Grundstück gelebt haben will,
nicht einmal zu entnehmen, dass tatsächlich auch noch am 2. Oktober 1990 eine
Wohnnutzung der Beklagten vorgelegen hat. Auch der Zeuge St. hat nicht bekunden
können, dass der Bungalow tatsächlich dauerhaft zum Wohnen genutzt wurde, da er sich
dort nur besuchsweise aufgehalten hat. Darüber hinaus fehlen aber jegliche
Ausführungen des Landgerichts zur Glaubwürdigkeit der Zeugen, insbesondere der
Zeugin K. Eine derartige Würdigung war angesichts des unstreitigen Sachverhalts
zwingend geboten. Die Beklagten haben mit ihrem an Frau L. gerichteten Schreiben eine
Urkunde gegen sich selbst ausgestellt. Auch ihr Meldeverhalten ist ein Indiz, welches
gegen eine Verlegung des Lebensmittelpunkts vor dem 3. Oktober 1990 auf das
Grundstück spricht. Zudem sind die Bekundungen der Zeugin mit dem Vorbringen der
Beklagten in dem von ihnen angestrengten Rechtsstreit nach § 108 SachenRBerG (17 O
403/02 Landgericht Frankfurt (Oder)) unvereinbar, wonach die Beklagten als dortige
Kläger mit der Zustimmungserklärung vom 6. Mai 1974 zunächst eine massive
Wohnlaube errichtet haben wollen, die sie zunächst auch nur im Sommer zu
Wohnzwecken genutzt haben wollen. Die Wohnlaube soll dann erst im Laufe der Jahre auf
70 m² erweitert und dadurch eine ganzjährige Nutzung ermöglicht worden sein. Nach der
in diesen Akten befindlichen Erklärung der Zeugen Ga. sollen die Beklagten auch nur „je
nach Witterungsbedingung„ von März bis Oktober eines jeden Jahres mit ihren Kindern
auf dem Grundstück gewohnt haben, also selbst in diesen Monaten nicht durchweg.
Eine erneute Vernehmung der Zeugen K. und St. ist jedoch nicht erforderlich. Denn auch
aus weiteren Gründen scheidet ein Anspruch der Kläger nach dem
Sachenrechtsbereinigungsgesetz aus.
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die behauptete Wohnnutzung staatlich
gebilligt worden wäre. Billigung i. S. von §§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. e, 10 Abs. 1
SachenRBerG ist die Handlung staatlicher Stellen, die die Inanspruchnahme des
Grundstücks zu Wohnzwecken anordnete oder gestattete. Nur eine mit Billigung
staatlicher Stellen erfolgte Inanspruchnahme des Grundstücks zu Wohnzwecken hätte
bei rechtmäßigem Vorgehen staatlicher Stellen zu einer Überführung des Grundstücks in
Volkseigentum mit anschließender Verleihung eines verdinglichten Nutzungsrechts und
schließlich, in entsprechende Nachzeichnung, zu einer Sachenrechtsbereinigung führen
können (Senat, Urt. v. 7. 11. 1996, 5 U 25/96). Denn anderenfalls hätte es der Nutzer
allein in der Hand, unter Verweis auf die Geeignetheit des Gebäudes zu Wohnzwecken
und faktischer Wohnnutzung Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz
geltend zu machen (Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, Einf. SachenRBerG Rdnr. 94).
Eine derartige Billigung vermag der Senat nicht festzustellen. Eine Genehmigung haben
die Beklagten lediglich für eine 24 m² große Wohnlaube vorgelegt, also nicht für ein
Eigenheim. Wurde der Bau tatsächlich so, wie von den Beklagten behauptet, ausgeführt,
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Eigenheim. Wurde der Bau tatsächlich so, wie von den Beklagten behauptet, ausgeführt,
hätten die Beklagten einen Schwarzbau errichtet. Dann lässt sich aber aus einem
Nichteinschreiten der Behörden der ehemaligen DDR gegen diesen baurechtswidrigen
länger als fünf Jahre bestehenden Zustand (§ 11 Abs. 3 BevölkerungsbauwerkeVO) keine
konkludente Baugenehmigung bzw. Billigung der Wohnnutzung und auch kein
Bestandsschutz herleiten. Aus § 10 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG ergibt sich nichts
anderes (BGH ZOV 1998, 415, vorgehend Senat 5 U 25/96). Die Einbeziehung eines
Wohnhauses in die Sachenrechtsbereinigung kommt danach dann nicht in Betracht,
wenn der Bungalow nicht entsprechend einer erteilten Genehmigung, sondern als
Schwarzbau größer als genehmigt durchgeführt wurde (BGH a.a.O.).
Die Einbeziehung in die Sachenrechtsbereinigung scheitert aber nicht nur daran, dass
die Wohnnutzung nicht genehmigt wurde. Die gebotene Hinzuziehung des § 2 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 SchuldRAnpG verlangt darüber hinaus für die Einbeziehung in die
Sachenrechtsbereinigung, dass das Eigenheim mit Billigung staatlicher Stellen errichtet
bzw. bauliche Investitionen mit Billigung staatlicher Stellen in ein vorhandenes Gebäude
vorgenommen wurden. Auch hieran fehlt es aus den genannten Gründen.
Mit Rechtskraft des Urteils wird gemäß § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Willenserklärung
durch die Beklagten fingiert, so dass den Klägern das Rechtschutzbedürfnis für die
darüber hinaus verlangte Aushändigung einer notariellen Löschungsbewilligung fehlt.
Die fehlende Anspruchsberechtigung der Beklagten nach dem
Sachenrechtsbereinigungsgesetz führt nicht dazu, dass die Kläger über die Löschung
des Besitzvermerks im Grundbuch hinaus die Herausgabe des Grundstücks mit dem
Recht des jederzeitigen Betretens sowie die Löschung der eingetragenen Vorkaufsrechte
verlangen können.
Die Kläger können den Herausgabeanspruch nicht auf § 985 BGB stützen. Zwar sind die
Kläger Eigentümer und die Beklagten Besitzer des Grundstücks. Den Beklagten steht
jedoch gemäß § 986 BGB das Recht zu, die Herausgabe des Grundstücks zu verweigern.
Denn zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis, welches ein Recht zum Besitz
der Beklagten begründet.
Das Grundstück unterfällt § 1 Abs. 1 Nr. 1 SchuldRAnpG, da diese Vorschrift bis zum 1.
Januar 1976 abgeschlossenen Überlassungsverträge, soweit sie Freizeit- und
Erholungsgrundstücke betreffen, miterfasst. Die im Überlassungsvertrag vorgesehene
Kündbarkeit ist gemäß § 6 Abs. 3 SchuldRAnpG entfallen. Die von den Klägern
ausgesprochene Kündigung ist damit wirkungslos. Eine Kündigung aus wichtigem Grund,
nämlich wegen vertragswidriger Nutzung, wurde bisher nicht ausgesprochen. Die
Kündigung vom 1. Oktober 2002 ist auf die Kündigungsregelung im Überlassungsvertrag
gestützt, nicht auf vertragswidriges Verhalten. Eine Kündigung aus wichtigem Grund
hätte gemäß § 569 Abs. 4 BGB i. V. m. § 6 Abs. 1 SchuldRAnpG aber zu ihrer
Wirksamkeit der Angabe des wichtigen Grundes bedurft. Damit genießen die Beklagten,
auch wenn sie erst nach dem Stichtag des § 24 Abs. 4 SchuldRAnpG nach B.
umgezogen sind, den Kündigungsschutz nach § 23 SchuldRAnpG
(MünchKomm/Kühnholz SchuldRAnpG § 24 Rn 3).
Weil das Pachtverhältnis nach wie vor besteht, steht den Beklagten das Recht zum
unmittelbaren Besitz unter Ausschluss der Kläger zu, so dass diese nicht verlangen
können, das Grundstück jederzeit zu betreten.
Die Kläger können deswegen auch nicht die Zahlung von Schadensersatz wegen
Verzuges mit einer Räumungsverpflichtung verlangen. Allenfalls steht ihnen gemäß § 20
Abs. 2 SchuldRAnpG gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung eines
Nutzungsentgelts bis zur Höhe des ortsüblichen Entgelts (§ 4 NutzEV) zu.
Rechtsgrundlage für den Antrag der Kläger auf Bewilligung der Löschung der
Vorkaufsrechte wäre § 894 BGB. Voraussetzung für das Verlangen wäre, dass das
Grundbuch in Ansehung der beiden eingetragenen Vorkaufsrechte unrichtig wäre. Dies
vermag der Senat nicht festzustellen.
a) Was das in Abt. II lfd. Nr. 2 eingetragene Vorkaufsrecht angeht, ist dieses wirksam (§ 3
Dokumentationsordnung 1975) durch Bewilligung des Verwalters entstanden und hat
gemäß Art. 233 § 3 EGBGB Bestand. Ein Anspruch auf Bewilligung der Löschung besteht
deswegen nicht.
b) Das unter lfd. Nr. 3 eingetragene Vorkaufsrecht entstand mit Bestandskraft des
Bescheides des ARoV (§ 20 Abs. 6 VermG). Es erlischt gemäß § 20 Abs. 7 Satz 2 VermG
erst mit Beendigung des Nutzungsverhältnisses.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 92, 97, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
Gründe, die es rechtfertigen könnten die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nrn. 1, Abs.
2 ZPO) sind nicht ersichtlich.
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