Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: gemeinsames konto, werterhöhung, abfindung, beweislast, zuwendung, handbuch, familienrecht, sammlung, quelle, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 235/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1373 BGB, § 1374 Abs 1 BGB,
§ 1378 Abs 1 BGB, § 114 ZPO
Prozesskostenhilfe; Zugewinnausgleich: Erfolgsaussicht eines
Zugewinnausgleichsanspruchs
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.
Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe in vollem Umfang, also, soweit sie beantragt, den
Beklagten zu verurteilen, an sie 14.401,68 € nebst Zinsen zu zahlen, bewilligt.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der
Klägerin ist für den Klageantrag, gerichtet auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung
eines Zugewinnausgleichs von 14.401,68 € nebst Zinsen, Prozesskostenhilfe in vollem
Umfang zu bewilligen. Denn die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet insoweit
hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
1. Das Amtsgericht hat das Anfangsvermögen des Beklagten gemäß § 1374 BGB nach
der gebotenen Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes (vgl. hierzu
Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1376, Rz. 24 ff.) mit 88.850,16 € angenommen.
Dabei ist es von dem Wert, den die Klägerin in der Klageschrift mitgeteilt hat,
ausgegangen. Dem lag ein Anfangsvermögen von 59.087,48 € zu Grunde, das die
Klägerin im Wege der so genannten Indexierung auf 88.850,16 € hochgerechnet hat,
ohne die Indizes, die sie ihrer Berechnung zu Grunde gelegt hat, zu benennen. Bei der
im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi,
ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf - /Gutjahr,
§ 1 Rz. 254) kann zu Gunsten der Klägerin angenommen werden, dass das
Anfangsvermögen des Beklagten am Stichtag im Juli 1991 deutlich geringer war, nämlich
lediglich 68.211,30 € betragen hat, sodass insgesamt von einem höheren Zugewinn des
Beklagten auszugehen ist.
a) Nicht erst in der Beschwerdeschrift, sondern bereits in ihrem Schriftsatz vom
22.5.2007 hat die Klägerin ihre Angaben zum Anfangsvermögen des Beklagten korrigiert
und dabei hinsichtlich seines Guthabens auf dem Girokonto sowie hinsichtlich der Werte
der drei vorhandenen Fahrzeuge niedrigere Werte als noch in der Klageschrift angesetzt.
Das Amtsgericht hat in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 24.8.2007 zutreffend
ausgeführt, dass die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der
Endvermögen beider Ehegatten und hinsichtlich ihres eigenen Anfangsvermögens trifft,
während der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig für sein Anfangsvermögen ist (vgl.
hierzu auch FamVerf/Schael, § 9, Rz. 85). Dazu stehen die Ausführungen des
Amtsgerichts, der Klägerin obliege die Beweislast hinsichtlich der Bewertung der
Fahrzeuge, im Widerspruch. Tatsächlich hat der Beklagte den Wert der Fahrzeuge,
jedenfalls soweit es ihre Zugehörigkeit zum Anfangsvermögen betrifft, zu beweisen. Im
Prozesskostenhilfeverfahren können daher die Wertangaben, die die Klägerin gemacht
hat, der Berechnung des Anfangsvermögens zu Grunde gelegt werden.
Nach alledem ist von den Werten, die die Klägerin auf Seite 4 des Schriftsatzes vom
22.5.2007 bezüglich des Anfangsvermögens des Beklagten mitgeteilt hat, auszugehen.
Bei Gegenüberstellung der Aktiva und der Passiva ergibt sich ein Überschuss von
106.830 DM. Die Umrechnung in € ergibt bei einem Umrechnungsfaktor von 1,95583 ein
Anfangsvermögen von 54.621,31 €, und nicht, wie von der Klägerin angegeben, ein
solches von 54.110,02 €.
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b) Die Klägerin hat nicht ausdrücklich mitgeteilt, von welchem Umrechnungsfaktor zur
Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes sie ausgegangen ist. Sie hat lediglich
angegeben, so genannte verkettete Verbraucherpreisindizes herangezogen zu haben,
wobei alle Haushalte Ost maßgeblich gewesen seien. Die Frage, ob bei in den neuen
Bundesländern geführten Ehen gesonderte Verbraucherpreisindizes heranzuziehen sind,
ist in der Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend entschieden (vgl. nur
Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1376, Rz. 28; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4.
Aufl., § 1376 Rz. 23 a). Diese Frage, bei der es sich um eine Rechtsfrage handelt und es
deshalb auf den Vortrag der Parteien nicht ankommt, darf im
Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten der bedürftigen Partei entschieden werden
(vgl. BVerfG, NJW 1991, 413; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 257). Der Senat neigt, zumal seit
2003 nur noch ein einheitlicher Preisindex für Gesamtdeutschland mitgeteilt wird, dazu,
die Verbraucherpreisindizes, die für das gesamte Bundesgebiet gelten, heranzuziehen
(vgl. auch Senat, FamRZ 2006, 624; Schael, NJ 2004, 289, 291). Dies ist für die Klägerin,
da es zu einer Reduzierung des Anfangsvermögens des Beklagten und somit zu einer
Erhöhung des von ihm erzielten Zugewinns führt, am günstigsten und daher der
weiteren Berechnung zu Grunde zu legen.
Unter Zugrundelegung des Basisjahres 2000 mit 100 ergibt sich ein
Jahresverbraucherpreisindex für das Jahr der Eheschließung 1991 von 83,6 und für das
Jahr der Zustellung des Scheidungsantrags im Jahr 2003 von 104,5 (vgl.
Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1376 Rz. 31). Das um den Kaufkraftschwund bereinigte
Anfangsvermögen des Beklagten beläuft sich somit auf 68.276,64 € (= 54.621,31 € x
104,4 : 83,6).
2. Das Endvermögen des Beklagten hat das Amtsgericht mit 105.913,56 €
angenommen. Im Prozesskostenhilfeverfahren kann zu Gunsten der Klägerin ein Betrag
von 108.913,56 € zu Grunde gelegt werden.
a) Mit der Beschwerde nicht angegriffen werden die vom Amtsgericht festgestellten
Werte von 824,52 € für das Sparvermögen, 11.135 € für die Fahrzeuge und 2.997,04 €
für die Wertpapiere. Dabei kann es folglich bei der weiteren Berechnung bleiben.
b) Soweit es das im Eigentum des Beklagten befindliche Hausgrundstück betrifft, hat das
Amtsgericht, insoweit dem Vortrag der Klägerin folgend, einen Bodenwert von 70.400 €
angesetzt und für Werterhöhungen weitere 20.557 € berücksichtigt. Diese Aufspaltung
des Grundstückswerts in zwei einzelne Bestandteile ist nicht zweifelsfrei. Als Aktiva sind
beim Zugewinnausgleich alle am Stichtag vorhandenen rechtlich geschützten Positionen
mit wirtschaftlichem Wert zu berücksichtigen (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., §
1374, Rz. 7). Grundstücke sind daher grundsätzlich insgesamt mit ihrem Sach- bzw.
Ertragswert heranzuziehen (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1376, Rz. 12). Hierbei
sind neben dem Bodenwert auch die Aufbauten, die den Sachwert mit ausmachen, zu
berücksichtigen. Dass bestimmte Investitionen in das Grundstück, wie sie die Klägerin
vorgetragen hat, zwangsläufig zu einer Erhöhung des Grundstückswertes im Wert der
geleisteten Investitionen führen, kann nicht angenommen werden, worauf der Beklagte
in der Klageerwiderung zutreffend hingewiesen hat. Da das Amtsgericht entsprechend
dem Vortrag der Klägerin gesonderte Beträge für den Bodenwert und für die Wert
erhöhenden Maßnahmen angesetzt hat, kann es dabei aber im
Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten der Klägerin verbleiben.
Das Amtsgericht hat die Wert erhöhenden Maßnahmen mit insgesamt 20.557 €
angesetzt. Dabei hat es offensichtlich den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom
22.5.2007 zu Grunde gelegt. Dort sind fünf Einzelmaßnahmen genannt und die
Werterhöhung betragsmäßig ausgedrückt mit dem Beweisantritt „Einholung eines
Sachverständigengutachtens„. In der Summe ergeben sich insoweit 20.557 €. Mit der
Beschwerde hat die Klägerin einen Betrag von 23.557 € genannt. Dies steht im Einklang
mit ihren Angaben in der Klageschrift. Dort sind neben den im Schriftsatz vom 22.5.2007
aufgeführten Maßnahmen noch der Badanbau mit 2.000 € und die Neuverputzung mit
1.000 € angegeben. Auch wenn die Klägerin auf diese beiden Maßnahmen im Schriftsatz
vom 22.5.2007 nicht eingegangen ist, kann, zumal sie sich auch insoweit auf die
Einholung eines Sachverständigengutachtens bezieht, zu ihren Gunsten unterstellt
werden, dass auch diese beiden Maßnahmen zur Werterhöhung mit insgesamt 3.000 €
beigetragen haben. Im Hauptverfahren mag dann der Behauptung des Beklagten
nachgegangen werden, der Badeinbau und die Neuverputzung seien ebenso wie die
Errichtung des Gartenzaunes bereits vor der Eheschließung erfolgt. Darauf kommt es
ohnehin nur an, wenn man auf die Werterhöhung abstellt. All diejenigen Bestandteile des
Baus, die bei der Eheschließung bereits vorhanden waren, beeinflussen den Wert des
Hausgrundstücks sowohl bei dem für das Anfangsvermögen maßgeblichen Zeitpunkt als
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Hausgrundstücks sowohl bei dem für das Anfangsvermögen maßgeblichen Zeitpunkt als
auch beim Endvermögen.
Nimmt man somit für die Werterhöhung insgesamt einen Betrag von 23.557 € an,
erhöht sich das Endvermögen des Beklagten auf 108.913,56 €.
c) Soweit die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde als Aktivum im Endvermögen des
Beklagten auch eine ehebedingte unbenannte Zuwendung von 9.203,25 € im
Zusammenhang mit der von ihr während der Ehe erhaltenen Abfindung ansetzt, hat das
Amtsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass das diesbezügliche Vorbringen
unsubstanziiert ist. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte in der Beschwerdeerwiderung
behauptet hat, die Abfindung sei auf ein gemeinsames Konto der Parteien eingezahlt
worden, ebenso wie die sonstigen Gehaltszahlungen und entsprechend für die
allgemeine Lebensführung verwandt worden. Einer abschließenden Entscheidung
darüber, ob es sich, wie von der Klägerin geltend gemacht, um eine unbenannte
Zuwendung handelt (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1372, Rz. 5 ff.) und
welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben könnten (vgl. hierzu von Heintschel-Heinegg
in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 5.
Aufl., 10. Kapitel, Rz. 58 ff.), bedarf es nicht, da, wie noch zu zeigen ist, bei
summarischer Betrachtung die Klägerin auch ohne Heranziehung der Abfindung den von
ihr geltend gemachten Ausgleichsbetrag beanspruchen kann.
3. Der Zugewinn des Beklagten ist der Betrag, um den das Endvermögen das
Anfangsvermögen übersteigt, § 1373 BGB. Danach ergibt sich im
Prozesskostenhilfeverfahren ein Betrag von 40.636,92 € (= Endvermögen von
108.913,56 € - Anfangsvermögen von 68.276,64 €).
4. Das Anfangsvermögen der Klägerin hat das Amtsgericht entsprechend ihrem
Vorbringen mit indiziert 633,44 € angenommen. Nach ihren Angaben im Schriftsatz vom
22.5.2007 hat die Klägerin bei Beginn des Güterstandes allein über ein Girokonto mit
einem Guthaben von 1.000 DM, das sind 511,29 €, verfügt. Zieht man allerdings die
bereits genannten Verbraucherindizes für das gesamte Bundesgebiet heran, ergibt sich
ein um den Kaufkraftschwund bereinigtes Anfangsvermögen von 639,11 € (= 511,29 € x
104,5 : 83,6).
5. Das Endvermögen der Klägerin hatte das Amtsgericht mit 4.874,83 € angenommen.
Dies wird mit der sofortigen Beschwerde nicht beanstandet, sodass dieser Betrag der
weiteren Berechnung zu Grunde gelegt werden kann.
6. Bei einem Anfangsvermögen von 639,11 € und einem Endvermögen von 4.874,83 €
ergibt sich ein Zugewinn der Klägerin von 4.235,72 €.
7. Der Zugewinnausgleichsanspruch der Klägerin beläuft sich auf die Hälfte des
Überschusses, um den der Zugewinn des Beklagten denjenigen der Klägerin übersteigt,
§ 1378 Abs. 1 BGB. Insoweit ergibt sich auf der Grundlage der im
Prozesskostenhilfeverfahren zu Grunde zu legenden Beträge eine Ausgleichsforderung
von 18.200,60 € [= (Zugewinn des Beklagten 40.636,92 € - Zugewinn der Klägerin
4.235,72 €) : 2]. Prozesskostenhilfe kann daher jedenfalls für den geltend gemachten
Betrag von 14.401,68 € bewilligt werden.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
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