Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: besonderer gerichtsstand, geschäftsführung ohne auftrag, vermögensverwaltung, verwalter, geschäftsherr, abtretung, gerichtsstandsvereinbarung, eugh, ausschluss, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 AR 77/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 31 ZPO, § 36 ZPO, § 3 Abs 3 S
4 VermG
Örtliche Zuständigkeit Besonderer Gerichtsstand der
Vermögensverwaltung für abgetretene Ansprüche auf
Erstattung von Aufwendungen des Verfügungsberechtigten an
einem restituierten Grundstück im Beitrittsgebiet
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin macht als Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG aus
abgetretenem Recht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz von Kosten nach §
3 Abs. 3 Satz 4 VermG geltend, die die Landeshauptstadt Potsdam als
Verfügungsberechtigte im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG für das in Potsdam
gelegene Restitutionsgrundstück aufgewendet haben will.
Die Klägerin hat die Klage am Ort der Verwaltung in Potsdam eingereicht. Das
Landgericht Potsdam hat mit Verfügung vom 5. Juli 2005 darauf hingewiesen, dass die
Zuständigkeitsregelung in § 31 ZPO seiner Auffassung nach „im Falle einer Abtretung“
nicht einschlägig sei.
Die Klägerin beantragt nunmehr, das Landgericht Potsdam und hilfsweise das
Landgericht Aurich als das zuständige Gericht zu bestimmen.
II. Der Antrag auf Bestimmung des Landgerichts Potsdam als zuständiges Gericht ist
unzulässig, weil ein Fall von § 36 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 4 bis 6 ZPO nicht gegeben ist.
Der Antrag auf Bestimmung des Landgerichts Aurich als gemeinsam zuständiges
Gericht ist ebenfalls unzulässig, weil die Voraussetzungen einer
Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorliegen.
Zwar sollen die Beklagten als Gesamtschuldner (§§ 427, 421 ZPO) und somit einfache
Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO) in Anspruch genommen werden und haben ihren
allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12 f. ZPO) bei verschiedenen Gerichten, nämlich in E…
(Landgericht G…) und A… (Landgericht A…). Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36
Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt jedoch weiter voraus, dass für den Rechtsstreit ein
gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist. Daran fehlt es. Denn
für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist der besondere Gerichtsstand
des Orts der Vermögensverwaltung nach § 31 ZPO beim Landgericht Potsdam eröffnet.
Vermögensverwaltung im Sinne dieser Vorschrift ist jede Verwaltung, gleich ob
gesetzlich, vertraglich oder ohne Rechtsgrund, die sich auch auf einen einzelnen
Vermögensgegenstand beziehen kann, sofern sie nur eine Mehrheit von zu besorgenden
Angelegenheiten beinhaltet (statt vieler Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl. 2005, §
31 Rdnr. 1). Beispielhaft für ein Rechtsverhältnis nach § 31 ZPO ist die Geschäftsführung
ohne Auftrag, an welche die Regelungen in § 3 Abs. 3 VermG angelehnt sind (s. OLG
Rostock, OLGR 1998, 169, 170 mit weiteren Nachweisen). Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 6 und
Satz 2 lit. b)VermG hat der Verfügungsberechtigte die der Erhaltung und
Bewirtschaftung des Vermögenswertes dienenden Rechtsgeschäfte grundsätzlich so zu
führen, wie das Interesse des Berechtigten mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder
mutmaßlichen Willen es erfordert. Die Vorschrift deckt sich in ihren Rechtsfolgen mit den
Pflichten des Geschäftsführers ohne Auftrag nach § 677 BGB, mag sich die Berechtigung
des Verfügungsberechtigten zur Geschäftsführung auch aus dem Vermögensgesetz
selbst ergeben. Im Übrigen folgt die in § 31 ZPO mit dem Begriffspaar
Geschäftsherr/Verwalter vorausgesetzte Fremdnützigkeit der Geschäftsführung, die
letztlich für jede treuhänderische Vermögensverwaltung charakteristisch ist, daraus,
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letztlich für jede treuhänderische Vermögensverwaltung charakteristisch ist, daraus,
dass der Verfügungsberechtigte nach In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes bis zur
Bescheidung des Restitutionsantrags (§ 3 Abs. 3 Satz 1 VermG), dessen Nichtvorliegen
er sich zu vergewissern hat (§ 3 Abs. 5 VermG), bzw. bis zum Ablauf der Anmeldefrist (§
3 Abs. 4 VermG) nicht darauf vertrauen darf, über das Restitutionsgut rechtswirksam
verfügen zu dürfen.
Geführt wird die Vermögensverwaltung, wo der Verwalter regelmäßig tätig wird. Das war
hier in Potsdam, wo sowohl die Verfügungsberechtigte ihren Sitz hat als auch das
verwaltete Vermögen belegen ist. Die Maßgeblichkeit des Mittelpunkts der
Vermögensverwaltung hat ihren inneren Grund in der Zweckmäßigkeit,
Rechtsstreitigkeiten aus der Vermögensverwaltung in räumlicher Nähe zum verwalteten
Vermögen zu führen, weil dort auch Beweisaufnahmen leichter und weniger aufwendig
durchzuführen sind (BAG, AP Nr. 1 zu § 31 ZPO). Dieser Sinn und Zweck des besonderen
Gerichtsstands nach § 31 ZPO wird durch die Abtretung des Kostenersatzanspruchs an
die Klägerin nicht berührt. Ein Gläubigerwechsel ist für den Gerichtsstand nur dann von
Belang, wenn die Bereitstellung des Gerichtsstands von der Schutzbedürftigkeit der
betreffenden Person abhängt (wie hier OLG Köln, VersR 1992, 1152 f.: „Rechtsnachfolge“
in nach § 38 Abs. 1 ZPO zugelassene Gerichtsstandsvereinbarung, weil es nach Sinn und
Zweck der Vorschrift auf die Prorogationsfähigkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses der
Gerichtsstandsvereinbarung ankommt; in diesem Sinne auch EuGH, ZIP 1993, 826, 828,
für den Verbrauchergerichtsstand nach § 13 EuGVÜ - jetzt §§ 15 f. EuGVVO -, der von
der fortbestehenden Verbrauchereigenschaft des Zessionars abhänge; a. A. offenbar -
ohne Begründung - Münch-Komm/Roth, BGB, 4. Aufl. 2003, § 398 Rdnr. 94). Der im
Schrifttum (Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 31 Rdnr. 1; Münch-Komm/Patzina,
ZPO, 2. Aufl. 2000, § 31 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. 2003, § 31 Rdnr. 6;
Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. 1976, § 31 Anm. A) befürwortete Ausschluss von „Ansprüchen
Dritter“ vom Anwendungsbereich des § 31 ZPO kann sich mithin nur auf solche
Ansprüche beziehen, die nicht im Verhältnis zwischen Geschäftsherr und Verwalter
entstanden sind. So liegt es hier aber nicht.
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